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001 Verwaltungsrecht allgemeinNorm
GewO 1994 §139 Abs3Betreff
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Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Handstanger, Dr. Lehofer, Mag. Nedwed und Mag. Samm als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision der Bezirkshauptmannschaft Bregenz gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg vom 15. Jänner 2019, Zl. LVwG- 449-5/2018-R14, betreffend Entziehung einer Waffenbesitzkarte (mitbeteiligte Partei: O F in H, vertreten durch Dr. Karl-Heinz Plankel, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Bartensteingasse 16/11), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Aufwandersatzantrag der Revisionswerberin wird abgewiesen.
Begründung
1 Die Bezirkshauptmannschaft Bregenz, die belangte Behörde des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht und nunmehrige Revisionswerberin, hatte mit Bescheid vom 16. April 2018 dem Mitbeteiligten gemäß § 25 Abs. 3 iVm § 8 Abs. 1 WaffG die ihm ausgestellte Waffenbesitzkarte entzogen.
2 Mit dem nun in Revision gezogenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht der dagegen vom Mitbeteiligten erhobenen Beschwerde Folge und behob den behördlichen Bescheid ersatzlos; die Revision wurde für zulässig erklärt.
3 Dem legte es im Wesentlichen folgende Feststellungen zu Grunde:
4 Der Mitbeteiligte habe im Jahr 2011 das Patent für einen Schalldämpfer für Handfeuerwaffen beim Deutschen Marken- und Patentamt angemeldet; die Patenterteilung dafür sei am 23. Juli 2015 erfolgt.
5 Die H GmbH sei Gewerbeinhaberin des Waffengewerbes für die Erzeugung, Bearbeitung, Instandsetzung und den Handel militärischer und nichtmilitärischer Waffen und Munition sowie für die Vermittlung des Kaufs und Verkaufs solcher Waffen und Munition gemäß § 139 Abs. 1 Z 1 lit. a, b und d sowie Z 2 lit. a, b und c GewO 1994, mit dem Betriebsstandort in A (Oberösterreich); weitere Betriebsstätten in Österreich existierten nicht.
6 Der Geschäftsführer dieses Unternehmens (K) sei auf den Mitbeteiligten aufmerksam geworden und habe ihm Gelegenheit geboten, seine Schalldämpfer-Erfindung vorzustellen. Am 16. November 2012 sei der Mitbeteiligte durch die H GmbH schriftlich beauftragt worden, Schalldämpfer für Pistolen (Modell Glock) und Gewehre (Modell Steyr Aug/F88) wie auch Maschinengewehre zu entwickeln; zudem sei mündlich vereinbart worden, dass der Mitbeteiligte (für den Fall der Serienreife und des tatsächlichen Vertriebs) für jedes Stück Schalldämpfer, das durch die H GmbH auf dem Weltmarkt vertrieben werde, einen - der Höhe nach nicht festgelegten - Prozentsatz erhalte; diese Rechtsbeziehung habe bis Mai 2018 bestanden.
7 Abgesprochen sei auch gewesen, dass die Entwicklung der von der H GmbH beauftragten Schalldämpfer in der Wohnung des Mitbeteiligten in H erfolgen solle; das Material (Metallteile) für die Prototypen sei vom Mitbeteiligten beigestellt worden. Die den Marktgegebenheiten entsprechenden technischen Anforderungen seien von der H GmbH vorgegeben worden; diese habe den Arbeitsfortschritt fortlaufend kontrolliert. Die Konstruktionen des Mitbeteiligten seien von Experten der H GmbH begutachtet und mehrfach getestet worden, der Zusammenbau der Schalldämpfer durch die H GmbH an deren Betriebsstandort erfolgt. Die (erstmalige) Testung und Beschießung sei ebenso durch die H GmbH auf einem Schießplatz in Oberösterreich durchgeführt worden. Die Schalldämpfer seien - entsprechend dem Testergebnis - so lange korrigiert und durch den Mitbeteiligten abgeändert worden, bis die Produkte Serienreife erhalten hätten; dafür sei der Mitbeteiligte regelmäßig zum Betriebsstandort der H GmbH gereist. 8 Die H GmbH habe für diese Entwicklung einen Zeitplan vorgegeben. Im Jahr 2017 sei der Schalldämpfer erstmals öffentlich präsentiert worden. In der Folge seien die Schalldämpfer von der am Betriebsstandort der H GmbH angesiedelten I GmbH produziert worden. "Zwischenzeitlich" seien ca. 700 Stück produziert worden und sei das Produkt in Vertrieb.
9 Am 14. September 2017 habe in der Wohnung des Mitbeteiligten eine staatsanwaltschaftlich angeordnete Hausdurchsuchung stattgefunden. Dabei seien u.a. neun Schalldämpfer-Prototypen für Pistolen, zwei Schalldämpfer für Langwaffen der Marke Steyr, Type STG 77, eine Langwaffe (Repetierer), ein teilweise deaktiviertes Maschinengewehr und zwei Faustfeuerwaffen (jeweils der Marke Glock) vorgefunden und sichergestellt worden. 10 Eine der beiden Faustfeuerwaffen gehöre dem Mitbeteiligten und sei von seiner Waffenbesitzkarte umfasst gewesen, die andere sei ihm von der H GmbH zur Verfügung gestellt worden. Das Repetiergewehr sei registriert gewesen und - ebenso wie das teilweise deaktivierte Maschinengewehr, das der Mitbeteiligte im Jahr 2009 von der Firma Dekowaffenhandel T als Dekowaffe erworben habe - im Eigentum des Mitbeteiligten gestanden.
11 Beide Pistolen und das teilweise deaktivierte Maschinengewehr seien vom Mitbeteiligten für die Entwicklung bzw. Konstruktion der von der H GmbH beauftragten Schalldämpfer verwendet worden und dafür auch erforderlich gewesen. Alle vorgefundenen Schalldämpfer seien Entwicklungen für die H GmbH gewesen oder dafür verwendet worden.
12 Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung legte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen Folgendes dar:
13 Die belangte Behörde habe die waffenrechtliche Verlässlichkeit des Mitbeteiligten deshalb verneint, weil dieser die ihm von der H GmbH überlassene Faustfeuerwaffe, also eine Schusswaffe der Kategorie B, und das teilweise deaktivierte Maschinengewehr, also Kriegsmaterial, sowie die vorgefundenen Schalld??mpfer, also mehrere verbotene Waffen, unbefugt besessen und ohne Bewilligung bei sich zu Hause entwickelt und produziert habe.
14 Diese Beurteilung sei aber unzutreffend, weil im Revisionsfall die Ausnahmebestimmung nach § 47 Abs. 2 WaffG greife: Danach unterlägen Personen, die nach den gewerberechtlichen Vorschriften befugt sind, im Bundesgebiet Waffen und Munition zu erzeugen, zu bearbeiten, instand zu setzen, zu vermieten oder Handel mit diesen zu treiben sowie die bei diesen beschäftigten Menschen hinsichtlich des Erwerbes, Besitzes, der Einfuhr und der Verwahrung von Waffen und Munition, die den Gegenstand ihrer Geschäftstätigkeit bilden, nicht dem Waffengesetz. Diese zugunsten der befugten Gewerbetreibenden vorgesehenen Ausnahmebestimmungen berücksichtigten die besondere Erfahrung dieser Menschen im Umgang mit Waffen und die Tatsache, dass der Zugang zu diesem Gewerbe bereits behördlicher Kontrolle unterliege (Hinweis auf die Gesetzesmaterialien).
15 Die H GmbH, die über eine Gewerbeberechtigung gemäß § 139 Abs. 1 Z 1 lit. a, b und d sowie Z 2 lit. a, b und c GewO 1994 verfüge, sei unstrittig Waffengewerbetreibende iSd § 47 Abs. 2 WaffG.
16 Zu prüfen bleibe, ob auch der Mitbeteiligte zu den "bei (diesem Unternehmen) beschäftigten Menschen" zähle und daher von der Ausnahmebestimmung erfasst werde.
17 Ausgehend von den getroffenen Feststellungen über die Rechtsbeziehung zwischen dem Mitbeteiligten und der H GmbH, die sowohl werkvertragliche Elemente beinhalte als auch auf ein Beschäftigungsverhältnis in Abhängigkeit hinweisende Merkmale aufweise, sei - ohne das Beschäftigungsverhältnis einem konkreten Vertragstyp zuzuordnen - der Mitbeteiligte unter den Begriff des "beschäftigten Menschen" iSd § 47 Abs. 2 WaffG zu subsumieren. Das Verwaltungsgericht führte dazu insbesondere ins Treffen, der Mitbeteiligte sei sowohl im Hinblick auf den Arbeitsort (wofür die Wohnung und kein anderer Ort festgelegt worden sei) als auch "das arbeitsbezogene Verhalten" den Kontrollen und Weisungen der H GmbH unterworfen gewesen. Es sei ihm auch verwehrt gewesen, "den Ablauf seiner Arbeit selbständig und jederzeit zu ändern". Vielmehr seien die durch ihn vorgenommenen Adaptierungen ein Resultat der durch die H GmbH regelmäßig durchgeführten Tests gewesen. Insoweit sei der Mitbeteiligte, auch wenn er die Metallteile für seine Konstruktionen selbst zur Verfügung gestellt habe, auf die Testmöglichkeit der H GmbH angewiesen gewesen, denn die Beschießung der Schalldämpfer habe auf eigens dafür zur Verfügung gestellten Schießplätzen durch Experten der H GmbH stattgefunden, die über entsprechende Ausstattung verfügt hätten.
18 Der Mitbeteiligte habe beide Pistolen und das teildeaktivierte Maschinengewehr für die Entwicklung von Schalldämpfern für die H GmbH genutzt. Die Schalldämpfer selbst habe er für die H GmbH entwickelt bzw. verwendet. Daraus folge, dass er die genannten Waffen im Rahmen seiner Geschäftstätigkeit besessen habe. Da Zusammenbau und Beschießung auf einem durch die H GmbH beigestellten Schießplatz erfolgt seien, könne auch nicht etwa davon ausgegangen werden, dass der Mitbeteiligte die Schalldämpfer geführt habe.
19 Die von der belangten Behörde für die Annahme der fehlenden Verlässlichkeit des Mitbeteiligten herangezogenen Umstände - unbefugter Besitz von Kriegsmaterial, verbotenen Waffen und einer Schusswaffe der Kategorie B - lägen daher nicht vor. 20 Die ordentliche Revision sei zuzulassen gewesen, weil zu der im vorliegenden Fall zu lösenden Rechtsfrage, wer als beschäftigter Mensch eines Unternehmens iSd § 47 Abs. 2 WaffG anzusehen und von dieser Ausnahmebestimmung erfasst sei, Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs fehle.
21 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende - ordentliche - Revision.
22 Der Mitbeteiligte hat eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag erstattet, die Revision als unbegründet abzuweisen. 23 Die Revision ist aus den vom Verwaltungsgericht geltend gemachten Grund zulässig; sie ist auch begründet.
24 Die belangte Behörde hat die von ihr angenommene waffenrechtliche Unzuverlässigkeit des Mitbeteiligten darauf gestützt, dass dieser Kriegsmaterial (das bloß teilweise deaktivierte Maschinengewehr), verbotene Waffen (die von ihm entwickelten Schalldämpfer) und eine Schusswaffe der Kategorie B (die ihm von der H GmbH überlassene Pistole der Marke Glock) unbefugt besessen habe.
25 Demgegenüber ging das Verwaltungsgericht davon aus, auf den Mitbeteiligten sei auf Basis der getroffenen Feststellungen die Ausnahmebestimmung des § 47 Abs. 2 WaffG anzuwenden, weil er als bei der H GmbH (einem befugten Waffengewerbetreibenden) beschäftigter Mensch anzusehen sei; unbefugter Besitz der genannten Waffen könne ihm daher nicht angelastet werden. 26 Vor diesem Hintergrund sind im Revisionsfall folgende Bestimmungen des WaffG von Bedeutung:
"Verlässlichkeit
§ 8. (1) Ein Mensch ist verlässlich, wenn er voraussichtlich mit Waffen sachgemäß umgehen wird und keine Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass er
1.
Waffen missbräuchlich oder leichtfertig verwenden wird;
2.
mit Waffen unvorsichtig umgehen oder diese nicht sorgfältig
verwahren wird;
3. Waffen Menschen überlassen wird, die zum Besitz solcher Waffen nicht berechtigt sind.
...
Schießstätten
§ 14. Für die Benützung von Schußwaffen auf behördlich genehmigten Schießstätten sind die Bestimmungen über das Überlassen, den Besitz und das Führen von Schußwaffen sowie die Bestimmungen über das Überlassen und den Erwerb von Munition für Faustfeuerwaffen nicht anzuwenden. Waffenverbote (§§ 12 und 13) gelten auf solchen Schießstätten jedoch.
...
Überprüfung der Verlässlichkeit
§ 25. (1) Die Behörde hat die Verlässlichkeit des Inhabers eines Waffenpasses oder einer Waffenbesitzkarte zu überprüfen, wenn seit der Ausstellung der Urkunde oder der letzten Überprüfung fünf Jahre vergangen sind.
(2) Die Behörde hat außerdem die Verlässlichkeit des Inhabers einer waffenrechtlichen Urkunde zu überprüfen, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß der Berechtigte nicht mehr verlässlich ist. Sofern sich diese Anhaltspunkte auf einen der in § 8 Abs. 2 genannten Gründe oder darauf beziehen, daß der Betroffene dazu neigen könnte, insbesondere unter psychischer Belastung mit Waffen unvorsichtig umzugehen oder sie leichtfertig zu verwenden, ist die Behörde zu einem entsprechenden Vorgehen gemäß § 8 Abs. 7 ermächtigt.
(3) Ergibt sich, daß der Berechtigte nicht mehr verlässlich ist, so hat die Behörde waffenrechtliche Urkunden zu entziehen. Von einer Entziehung auf Grund einer nicht sicheren Verwahrung ist abzusehen, wenn das Verschulden des Berechtigten geringfügig ist, die Folgen unbedeutend sind und der ordnungsgemäße Zustand innerhalb einer von der Behörde festgesetzten, zwei Wochen nicht unterschreitenden Frist hergestellt wird.
...
8. Abschnitt
Ausnahmebestimmungen für bestimmte Waffen, Zwecke und Personen
Ausnahmebestimmung für bestimmte Waffen
§ 45. ...
Ausnahmebestimmungen für bestimmte Zwecke
§ 46. ...
Ausnahmebestimmungen für bestimmte Personen
§ 47. (1) Dieses Bundesgesetz ist nicht anzuwenden
1.
auf die Gebietskörperschaften;
2.
auf Menschen hinsichtlich jener Waffen und Munition,
a) die ihnen auf Grund ihres öffentlichen Amtes oder Dienstes
von ihrer vorgesetzten österreichischen Behörde oder Dienststelle als Dienstwaffen zugeteilt worden sind oder
b) die den Gegenstand ihrer öffentlichen Amtstätigkeit oder öffentlichen Dienstverrichtung bilden oder
c) die sie auf Grund völkerrechtlicher Vereinbarungen oder anderer gesetzlicher Bestimmungen im Bundesgebiet besitzen dürfen.
(2) Personen, die nach den gewerberechtlichen Vorschriften befugt sind, im Bundesgebiet Waffen und Munition zu erzeugen, zu bearbeiten, instandzusetzen, zu vermieten oder Handel mit diesen zu treiben sowie die bei diesen beschäftigten Menschen, unterliegen hinsichtlich des Erwerbes, Besitzes, der Einfuhr und der Verwahrung von Waffen und Munition, die den Gegenstand ihrer Geschäftstätigkeit bilden, nicht diesem Bundesgesetz. § 37 bleibt unberührt.
..."
27 Die in Rede stehende Ausnahmebestimmung nach § 47 Abs. 2 WaffG war bereits in der Stammfassung des WaffG (BGBl. I Nr. 12/1997) enthalten. In den Materialien (RV 457 BlgNR XX. GP) wird sie wie folgt begründet:
"Die in Abs. 2 und 3 zu Gunsten der befugten Gewerbetreibenden (und der bei diesen beschäftigten Menschen) vorgesehenen Ausnahmebestimmungen berücksichtigen die besondere Erfahrung dieser Menschen im Umgang mit Waffen und die Tatsache, daß der Zugang zu diesem Gewerbe bereits behördlicher Kontrolle (Konzession) unterliegt. Trotz dieser Ausnahme bleiben die Bestimmungen über verbotene Waffen und die Regelungen über Einfuhr von Schußwaffen in das Bundesgebiet und Verkehr mit Schußwaffen innerhalb der Europäischen Union in jedem Fall auch für diese Personen aufrecht."
28 Mit der Novelle BGBl. I Nr. 43/2010, womit § 47 Abs. 2 WaffG dahin geändert wurde, dass der letzte Satz lautet:
"§ 37 bleibt unberührt.", erhielt die Regelung die nunmehr geltende Fassung. In den Materialien (RV 744 BlgNR XXIV. GP) wird zur Neufassung (wonach also im Fall eines befugten Waffengewerbetreibenden und seinen Beschäftigten auch § 17 WaffG (die Regelungen über verbotene Waffen) unanwendbar sein soll) Folgendes ausgeführt:
"Es soll vorgesehen werden, dass einschlägige Gewerbetreibende Schusswaffen der Kategorie A zur Wartung oder Reparatur übernehmen dürfen, ohne dass für den meist kurzen Besitz eine gesonderte Bewilligung gemäß § 17 eingeholt werden muss. Die Bestimmungen über das Verbringen von Schusswaffen sind auch weiterhin von diesen Gewerbetreibenden zu beachten."
29 Im Revisionsfall ist nicht strittig, dass es sich bei den beim Mitbeteiligten vorgefundenen Schalldämpfern um verbotene Waffen iSd § 17 Abs. 1 Z 5 WaffG und beim bloß teilweise deaktivierten Maschinengewehr um Kriegsmaterial iSd § 5 Abs. 1, § 18 Abs. 1 WaffG handelte, sowie dass der Mitbeteiligte über keine Ausnahmebewilligungen iSd § 17 Abs. 3 WaffG bzw. § 18 Abs. 2 WaffG verfügte.
30 Das WaffG enthält Ausnahmebestimmungen, die im Wesentlichen der geringeren Gefährlichkeit der jeweiligen Konstellationen Rechnung tragen. So normiert § 14 WaffG, dass für die Benützung von Schusswaffen auf behördlich genehmigten Schießstätten die Bestimmungen über das Überlassen, den Besitz und das Führen von Schusswaffen nicht anzuwenden sind. Der 8. Abschnitt (die §§ 45, 46 und 47 WaffG) enthält Ausnahmebestimmungen für bestimmte Waffen (§ 45), Zwecke (§ 46) und Personen (§ 47).
31 Die Ausnahmebestimmung nach § 47 Abs. 2 WaffG knüpft an die "gewerberechtlichen Vorschriften" an. Die danach maßgeblichen Regelungen der GewO 1994 bestimmen Folgendes:
32 Gemäß § 74 Abs. 2 GewO 1994 bedürfen Errichtung und Betrieb einer gewerblichen Betriebsanlage regelmäßig - unter den in Abs. 2 Z 1 bis 5 genannten Voraussetzungen - einer Genehmigung der Behörde.
33 Gemäß § 139 Abs. 1 GewO 1994 bedarf es einer Gewerbeberechtigung für das Waffengewerbe (§ 94 Z 80 GewO 1994) für folgende Tätigkeiten:
1. hinsichtlich nichtmilitärischer Waffen und nichtmilitärischer Munition
a) die Erzeugung, Bearbeitung und Instandsetzung (einschließlich der Tätigkeit der Büchsenmacher),
b)
den Handel,
c)
das Vermieten,
d)
die Vermittlung des Kaufes und Verkaufes;
2. hinsichtlich militärischer Waffen und militärischer
Munition
a)
die Erzeugung, Bearbeitung und Instandsetzung,
b)
den Handel,
c)
die Vermittlung des Kaufes und Verkaufes.
34 Das Waffengewerbe einschließlich des Waffenhandels ist ein
reglementiertes Gewerbe (§ 94 Z 80 GewO 1994); für die Ausübung dieses Gewerbes ist somit ein Befähigungsnachweis erforderlich (§ 16 Abs. 1 GewO 1994), und zwar selbst dann, wenn es in Form eines Industriebetriebs ausgeübt wird (§ 7 Abs. 5 GewO 1994). 35 Bei diesem Gewerbe ist von der Behörde auch zu überprüfen, ob der Bewerber bzw. gegebenenfalls die natürliche Person, der maßgebender Einfluss auf den Geschäftsbetrieb zukommt, die für die Ausübung des Gewerbes erforderliche Zuverlässigkeit besitzt (§ 95 Abs. 1 GewO 1994).
36 Gemäß § 139 Abs. 3 GewO 1994 ist die Erzeugung, Bearbeitung und Instandsetzung, das Feilbieten und der Verkauf von Waffen und Munition sowie das Vermieten von nichtmilitärischen Waffen außerhalb der Betriebsstätte (Werkstätten oder Verkaufslokale) außer in den - im Revisionsfall nicht in Betracht kommenden - Fällen des Abs. 2 Z 5 unzulässig.
37 Auf behördlich genehmigten Schießstätten ist das Vermieten und die Instandsetzung von Schusswaffen sowie der Verkauf des dazugehörigen Schießbedarfes den gemäß § 139 Abs. 1 Z 1 lit. a, b oder c oder Z 2 lit. a oder b berechtigten Gewerbetreibenden gestattet; ansonsten ist das Vermieten von militärischen Waffen unzulässig (§ 139 Abs. 4 GewO 1994).
38 Gemäß § 141 Abs. 1 GewO 1994 erfordert die Erteilung einer Gewerbeberechtigung für die im § 139 Abs. 1 GewO 1994 angeführten Waffengewerbe zusätzlich zur Überprüfung der Zuverlässigkeit (§ 95 GewO 1994) u.a. auch, "dass die Gewerbeausübung vom Standpunkt der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit keinen Bedenken begegnet, wobei zur Frage des Vorliegens dieser Voraussetzung die örtlich zuständige Landespolizeidirektion im Anmeldungsverfahren zu hören ist" (Z 3). 39 § 147 GewO 1994 regelt "Weitere Betriebsstätten, Verlegung des Betriebes, Ruhen der Gewerbeausübung" und lautet (auszugsweise):
"§ 147. (1) Hat der Inhaber einer Gewerbeberechtigung für die Ausübung eines Waffengewerbes Anzeigen über die Ausübung des Gewerbes in einer weiteren Betriebsstätte oder die Verlegung des Betriebes in einen anderen Standort oder die Verlegung des Betriebes einer weiteren Betriebsstätte in einen anderen Standort erstattet, so hat die Behörde dies mit Bescheid zur Kenntnis zu nehmen oder bei Nichtvorliegen der Voraussetzungen hiefür die Gewerbeausübung im neuen Standort zu untersagen. Der Gewerbetreibende darf mit der Ausübung des Gewerbes im neuen Standort erst mit Rechtskraft des Bescheides beginnen. Im Anzeigeverfahren ist § 141 Abs. 1 Z 3 anzuwenden.
(2) Gewerbetreibende, die zur Ausübung eines Waffengewerbes (§ 139 Abs. 1) berechtigt sind, haben das Ruhen und jede Aufnahme der Gewerbeausübung in der Hauptbetriebsstätte und in den weiteren Betriebsstätten der Bezirksverwaltungsbehörde, im Gebiet einer Gemeinde, für das die Landespolizeidirektion zugleich Sicherheitsbehörde erster Instanz ist, auch der Landespolizeidirektion, hinsichtlich einer Gewerbeberechtigung für militärische Waffen und militärische Munition (§ 139 Abs. 1 Z 2) auch dem Bundesminister für Landesverteidigung binnen drei Wochen anzuzeigen."
40 Zusammenfassend ist für den revisionsgegenständlichen Zusammenhang also festzuhalten, dass die Ausübung des Waffengewerbes nicht nur von fachlichen (Befähigungsnachweis, § 16 Abs. 1 GewO 1994) und persönlichen (Zuverlässigkeit, § 95 Abs. 1 GewO 1994) Voraussetzungen des Bewilligungswerbers bzw. -inhabers abhängig, sondern auch standortgebunden (§ 139 Abs. 3 GewO 1994) ist: Die gewerberechtliche Befugnis zu Erzeugung, Bearbeitung, Instandsetzung, Vermietung von und zum Handel mit Waffen bzw. Munition erstreckt sich nur auf die den Gegenstand der Geschäftstätigkeit bildenden Waffen bzw. Munition, und sie gilt nur am jeweiligen Standort bzw. in der jeweiligen Betriebsstätte, damit die Einschränkungen des WaffG nicht zum Tragen kommen. 41 § 47 Abs. 2 WaffG stellt insoweit sicher, dass gewerberechtlich befugte (natürliche und juristische) Personen ihr Gewerbe betreiben können, ohne ansonsten nach dem WaffG erforderliche Bewilligungen (etwa Waffenbesitzkarte, Ausnahmegenehmigungen nach § 17 Abs. 3 oder § 18 Abs. 2 WaffG) erlangen zu müssen. Dem regelmäßig dem WaffG innewohnenden Ziel, nur fachlich dazu befähigten und persönlich zuverlässigen Personen den Besitz von Waffen zu ermöglichen, wird durch die jeweiligen gewerberechtlichen Vorschriften selbst insofern entsprochen, als diese ihrerseits fachliche Befähigung und persönliche Zuverlässigkeit des Gewerbetreibenden fordern, ein Aspekt, der auch in den - oben wiedergegebenen - Materialien ("besondere
Erfahrung ... behördlicher Kontrolle ...") angesprochen wird.
42 Das Fehlen waffenrechtlicher Bewilligungen nach dem WaffG
wird allerdings nur insoweit substituiert, als die gewerberechtliche Befugnis reicht: § 47 Abs. 2 WaffG stellt auf die Befugnis nach den "gewerberechtlichen Vorschriften" ab und bezieht sich - schon nach dem Wortlaut - nur auf die "den Gegenstand (der) Geschäftstätigkeit bildenden" Waffen, sodass also allfällige Privatwaffen nicht erfasst sind (vgl. VwGH 25.3.1999, 98/20/0471, zur insofern gleichgelagerten Ausnahmebestimmung nach § 47 Abs. 1 Z 2 lit. a WaffG).
43 Da die GewO 1994 die Erzeugung und die Bearbeitung bzw. Instandsetzung von Waffen und Munition grundsätzlich nur am Standort bzw. in der Betriebsstätte des Gewerbeinhabers erlaubt, nicht aber in der Wohnung eines "Beschäftigten", unterliegt die Erzeugung, Bearbeitung und Verwahrung von Waffen in einer solchen Wohnung - sei es durch den gewerberechtlich Befugten selbst, sei es durch einen bei ihm Beschäftigten - nicht der Ausnahmebestimmung des § 47 Abs. 2 WaffG.
44 Für dieses Auslegungsergebnis spricht im Übrigen schon der Wortlaut des § 47 Abs. 2 WaffG ("die bei diesen beschäftigten ...", also nicht etwa "von diesen beschäftigten", "durch diese beschäftigten" oder "ihre Beschäftigten"), der insofern eine örtliche Komponente aufweist und mit der "Regel" der GewO 1994, wonach das Waffengewerbe ein standortgebundenes ist, übereinstimmt.
45 Das Verwaltungsgericht hat daher, indem es das dem Mitbeteiligten angelastete Verhalten, aus dem die belangte Behörde seine waffenrechtliche Unzuverlässigkeit abgeleitet hatte, der Ausnahmebestimmung des § 47 Abs. 2 WaffG unterstellt hat, die Rechtslage unzutreffend beurteilt.
46 Das angefochtene Erkenntnis war deshalb wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
47 Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 47 Abs. 4 VwGG.
Wien, am 21. Mai 2019
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RO2019030017.J00Im RIS seit
26.07.2019Zuletzt aktualisiert am
26.07.2019