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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
AsylG 2005 §11Betreff
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Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens sowie den Hofrat Dr. Pürgy und die Hofrätin Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, in der Revisionssache des S K J K alias K alias J, vertreten durch Mag. Susanne Singer, Rechtsanwältin in 4600 Wels, Ringstraße 9, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. November 2018, Zl. W246 2146152-1/18E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Antragsteller, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 7. April 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Zu seinen Fluchtgründen gab er an, er sei von Mitgliedern der Taliban aufgrund eines von ihm betriebenen Geschäfts, in dem er Musikdateien verkauft habe, verfolgt worden.
2 Mit Bescheid vom 2. Jänner 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) diesen Antrag sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen den Revisionswerber eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise setzte das BFA mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.
3 Die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis als unbegründet ab. Die Revision wurde gemäß § 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt.
4 Begründend führte das BVwG - auf das Wesentliche zusammengefasst - aus, es verkenne zwar nicht, dass Tätigkeiten im Zusammenhang mit dem Verkauf von Musik in Afghanistan als "unislamisch" betrachtet werden und zu Verfolgungshandlungen führen können, jedoch sei es dem Revisionswerber nicht gelungen, eine derartige berufliche Tätigkeit sowie daraus resultierende Bedrohungen seiner Person in Afghanistan glaubhaft zu machen. Der Revisionswerber könne zwar nicht in seine Herkunftsprovinz, die eine besonders volatile Sicherheitslage aufweise, zurückkehren, für ihn als alleinstehenden, gesunden Mann im erwerbsfähigen Alter bestehe jedoch in Mazar-e Sharif beziehungsweise Herat Stadt eine innerstaatliche Fluchtalternative.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 8 In der vorliegenden Revision wird zur Begründung ihrer Zulässigkeit vorgebracht, die Beweiswürdigung des BVwG sei insofern mangelhaft, als nicht nachvollziehbar sei, weshalb Aussagen hinsichtlich der Freunde des Revisionswerbers, die ebenfalls ein Musikgeschäft betrieben haben, Einfluss auf die Glaubwürdigkeit der eigenen Probleme des Revisionswerbers haben sollten. Auch enthalte die Beweiswürdigung keine Ausführungen zu der vom BVwG getroffenen Annahme, dass der Revisionswerber in seinem Heimatort kein Musikgeschäft betrieben habe. Weiters mangle es den vom BVwG getroffenen Feststellungen zur Sicherheitslage insofern an der nötigen Aktualität, als diesen ausschließlich Berichte zugrunde gelegt worden seien, die zeitlich vor der UNHCR-Position vom 30. August 2018 lägen. Schließlich habe sich das BVwG mit dem Aspekt des sozialen Netzwerks als Voraussetzung einer IFA in Mazar-e Sharif und Herat nicht auseinandergesetzt, obwohl aus den UNHCR-Richtlinien sowie dem EASO-Leitfaden hervorgehe, dass ein entsprechendes soziales und familiäres Netzwerk für die Neuansiedelung eine maßgebliche Rolle spiele.
9 Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Soweit sich der Revisionswerber gegen die Beweiswürdigung des BVwG richtet, ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach dieser - als Rechtsinstanz - zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen ist. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 23.1.2019, Ra 2018/19/0712, mwN). 10 Der Revision gelingt es mit ihrem Vorbringen nicht, eine derartige Mangelhaftigkeit der Beweiswürdigung aufzuzeigen. Das BVwG ist nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung in nicht unvertretbarer Weise zu dem Ergebnis gelangt, dass der Revisionswerber eine gegen ihn gerichtete individuelle und konkrete Verfolgung oder Bedrohung nicht glaubhaft machen konnte. Entgegen dem Vorbringen setzte sich das BVwG im Rahmen seiner Beweiswürdigung auch mit der Frage nach dem Betreiben eines Musikgeschäftes durch den Revisionswerber auseinander. 11 Hinsichtlich des Vorbringens in der Zulässigkeitsbegründung, die Feststellungen zur Sicherheitslage in Afghanistan hätten zum Entscheidungszeitpunkt nicht die gebotene Aktualität aufgewiesen, ist auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach das BVwG seinem Erkenntnis die zum Entscheidungszeitpunkt aktuellen Länderberichte zugrunde zu legen hat. Eine Verletzung dieser Vorgabe stellt einen Verfahrensmangel dar. Es reicht jedoch nicht aus, die Außerachtlassung von Verfahrensvorschriften zu behaupten, ohne die Relevanz der genannten Verfahrensmängel in konkreter Weise darzulegen (vgl. VwGH 23.1.2019, Ra 2018/19/0409, mwN). Dies gelingt der Revision mit ihrem pauschalen Verweis auf die Sicherheitslage nicht, wobei das diesbezügliche konkrete Vorbringen zu Mazar-e Sharif und Herat den UNHCR-Richtlinien 2018 nicht entnommen werden kann.
12 Was schließlich die Frage des sozialen Netzwerkes bei der Prüfung der innerstaatlichen Schutzalternative in Mazar-e Sharif betrifft, ist der Revisionswerber darauf hinzuweisen, dass für einen alleinstehenden, gesunden, erwachsenen Mann sowohl nach dem EASO-Leitfaden vom Juni 2018 als auch nach den UNHCR-Richtlinien vom 30. August 2018 das Vorhandensein eines sozialen Netzwerkes in Mazar-e Sharif keine Voraussetzung für deren Verfügbarkeit ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat das fehlende soziale Netzwerk des Revisionswerbers in seine Beurteilung miteinbezogen und ist in vertretbarer Weise zu der Auffassung gelangt, dass ihm dessen ungeachtet eine innerstaatliche Schutzalternative zur Verfügung steht (vgl. zu Mazar-e Sharif, VwGH 14.3.2019, Ra 2019/18/0079). 13 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 21. Mai 2019
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018190717.L00Im RIS seit
23.07.2019Zuletzt aktualisiert am
23.07.2019