TE Vwgh Erkenntnis 2019/5/21 Ra 2018/19/0528

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Veröffentlicht am 21.05.2019
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Index

19/05 Menschenrechte
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §58 Abs2
BFA-VG 2014 §9
MRK Art8

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ra 2018/19/0529

Betreff

?

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens sowie die Hofräte Mag. Stickler und Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, in der Revisionssache 1.) der G O, und 2.) der C I, beide vertreten durch Mag. Alexander Fuchs, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Lüfteneggerstraße 4, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. August 2018, 1.) I412 2121523- 1/19E und 2.) I412 2194244-1/10E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Die Revisionswerberinnen sind Staatsangehörige Nigerias. Die Erstrevisionswerberin ist die Mutter der im Bundesgebiet geborenen minderjährigen Zweitrevisionswerberin.

2 Die Erstrevisionswerberin stellte am 8. August 2013 einen Antrag auf internationalen Schutz.

3 Die Zweitrevisionswerberin stellte am 7. März 2018 durch ihre Mutter als gesetzliche Vertreterin einen Antrag auf internationalen Schutz. Eigene Fluchtgründe wurden für sie nicht geltend gemacht, im Laufe des Verfahrens jedoch vorgebracht, ihr drohe bei Rückkehr die Gefahr einer Genitalverstümmelung. 4 Mit Bescheiden vom 3. Februar 2016 und vom 13. April 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Anträge der Revisionswerberinnen jeweils zur Gänze ab, erteilte ihnen keine Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen sie Rückkehrentscheidungen und stellte fest, dass ihre Abschiebung nach Nigeria zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise betrage 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobenen Beschwerden der Revisionswerberinnen nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

6 Mit Beschluss vom 26. Februar 2019, E 3934/2018-17, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der von der Zweitrevisionswerberin dagegen erhobenen Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG ab. Begründend führte der Verfassungsgerichtshof u. a. aus, dem BVwG könne unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht entgegengetreten werden, wenn es auf Grund der Umstände des vorliegenden Falles davon ausgehe, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts von Fremden ohne Aufenthaltstitel das Interesse am Verbleib im Bundesgebiet aus Gründen des Art. 8 EMRK überwiege. 7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 10 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, der Verwaltungsgerichtshof habe in seiner bisherigen Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet, ob bei einem Sachverhalt wie dem vorliegenden die Versagung bzw. Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK nach § 55 AsylG 2005 zulässig sei. Angesichts der Feststellungen des angefochtenen Erkenntnisses über Vergewaltigungen und Genitalverstümmelungen von Frauen hätte den Revisionswerberinnen subsidiärer Schutz zuerkannt werden müssen. Es gebe keine Garantie, dass die Erstrevisionswerberin ihre Tochter vor Genitalverstümmelung schützen könne.

11 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist nach dem klaren Wortlaut des § 58 Abs. 2 AsylG 2005 die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 nur dann von Amts wegen zu prüfen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird. Es handelt sich dabei um jene Fälle, in welchen der Erlassung einer Rückkehrentscheidung eine sonst drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens gemäß Art. 8 EMRK entgegensteht (vgl. VwGH 11.2.2019, Ra 2019/20/0031, mwN).

12 Eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK ist im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel (vgl. etwa VwGH 12.12.2018, Ra 2018/19/0521, mwN).

13 Die Revision zeigt mit ihrem bloß allgemeinen Vorbringen nicht auf, dass die Interessenabwägung fallbezogen unvertretbar wäre.

14 Insoweit sich die Revision gegen die Annahme des BVwG wendet, die Erstrevisionswerberin werde ihre Tochter in Nigeria vor einer Genitalverstümmelung schützen können, greift sie die Beweiswürdigung an.

15 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser - als Rechtsinstanz - zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 23.1.2019, Ra 2018/19/0712 bis 0715, mwN).

16 Das BVwG hat nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung auf Grundlage von Länderinformationen zur Genitalverstümmelung von Frauen in Nigeria die Feststellung getroffen, die Zweitrevisionswerberin werde bei Rückkehr nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Opfer von Genitalverstümmelung werden. Die Revision kann mit ihrem bloß allgemeinen gehaltenen Vorbringen nicht aufzeigen, dass die dieser Feststellung zu Grunde liegende Beweiswürdigung unvertretbar wäre.

17 Auf das erstmals in der Revision erstattete Vorbringen, für die Revisionswerberinnen bestünde bei Rückkehr nach Nigeria die konkrete Gefahr, Opfer von Vergewaltigung zu werden, war im Hinblick auf das Neuerungsverbot gemäß § 41 VwGG nicht einzugehen. 18 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Wien, am 21. Mai 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018190528.L00

Im RIS seit

21.08.2019

Zuletzt aktualisiert am

21.08.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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