TE Vwgh Erkenntnis 2019/5/21 Ra 2018/19/0141

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Veröffentlicht am 21.05.2019
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
19/05 Menschenrechte
40/01 Verwaltungsverfahren
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AVG §46
B-VG Art50 Abs2 Z4
Übk Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt 2014
VwRallg

Betreff

?

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens sowie die Hofräte Mag. Stickler und Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, über die Revision der S T, vertreten durch Dr. Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Schottenfeldgasse 2-4/2/23, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. Februar 2018, I403 2170938-1/9E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Die Revisionswerberin, eine Staatsangehörige der Demokratischen Republik Kongo, stellte am 23. Juli 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2 Begründend brachte sie vor, ihr Ehemann und einer ihrer Söhne seien von Soldaten der Regierung getötet und sie selbst von diesen Soldaten vergewaltigt worden. Ihr Ehemann sei Mitglied einer Oppositionspartei und Soldat für diese Partei gewesen. Daher befürchte sie, bei einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat wie ihr Ehemann von der Regierung getötet zu werden.

3 Mit Bescheid vom 29. August 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag der Revisionswerberin zur Gänze ab, erteilte ihr keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen sie eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass ihre Abschiebung in die Demokratische Republik Kongo zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise betrage zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die dagegen erhobene Beschwerde der Revisionswerberin nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 8 Mit Beschluss vom 12. Juni 2018, E 2015/2018-5, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG ab und trat die Beschwerde mit Beschluss vom 2. Juli 2018, E 2015/2018-7, gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. 9 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Anwendbarkeit der sog. Istanbul-Konvention auf das Asylverfahren und zu den sich daraus ergebenden Rechten für das Asylverfahren. Das Bundesverwaltungsgericht habe einen näher genannten Bericht über die sexuelle Belästigung und Vergewaltigung von Frauen in der Republik Kongo nicht berücksichtigt. Die Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichts in Bezug auf die Glaubwürdigkeit der Revisionswerberin und ihr Fluchtvorbringen sei mangelhaft. Die vom Bundesverwaltungsgericht behaupteten Widersprüche seien nicht nachvollziehbar. Das Bundesverwaltungsgericht weiche auch von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, nach der eine von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehende, auf einem Konventionsgrund beruhende Verfolgung unter bestimmten Bedingungen Asylrelevanz zukomme. Auch habe das Bundesverwaltungsgericht in Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes den Antrag der Revisionswerberin auf Einholung eines psychologischen Sachverständigengutachtens, weil es ihr nicht möglich sei, in einer Einvernahme bzw. Verhandlungssituation das Erlebte in Bezug auf die Ermordung ihres Ehemannes und eines Sohnes und ihre Vergewaltigung entsprechend zu schildern, zu Unrecht abgewiesen. Die vom BVwG angenommenen Widersprüche im Vorbringen der Revisionswerberin seien ein "Indiz" für ihre Verhandlungsunfähigkeit bzw. dafür, dass sie das Erlebte in einer Verhandlung nicht entsprechend vorbringen könne. Die Abweisung des Antrages stelle eine vorgreifende Beweiswürdigung dar. 10 Der Nationalrat hat anlässlich der Genehmigung des Übereinkommens des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, BGBl. III Nr. 164/2014 (Istanbul-Konvention), beschlossen, dass dieser Staatsvertrag im Sinne des Art. 50 Abs. 2 Z 4 B-VG durch die Erlassung von Gesetzen zu erfüllen ist (vgl. RV 2449 BlgNR XXIV. GP 1). Die Istanbul-Konvention ist somit nicht unmittelbar anwendbar und kann folglich nicht die unmittelbare Grundlage für die Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz darstellen (vgl. VfSlg. 12.558/1990; VwGH 29.6.2017, Ra 2017/06/0104; Öhlinger/A Th Müller, Art. 50 B-VG, in Korinek/Holoubek et al, Bundesverfassungsrecht. Kommentar, Rz 97 f, 103 (2018)). Das rechtliche Schicksal der Revision hängt daher nicht von der Lösung der geltend gemachten Rechtsfrage ab.

11 Insoweit die Revision die Außerachtlassung eines bestimmten, näher genannten Länderberichtes rügt, ist darauf hinzuweisen, dass sich dieser Bericht auf die Republik Kongo und nicht auf den Herkunftsstaat der Revisionswerberin, die Demokratische Republik Kongo, bezieht.

12 Wenn die Revision - ohne einen Bezug zum konkreten Fall herzustellen - ein Abgehen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinsichtlich der Asylrelevanz einer Verfolgung durch Privatpersonen bzw. private Akteure geltend macht, ist ihr zu entgegen, dass die Revisionswerberin eine Verfolgung durch solche Personen(gruppen) im Verfahren nie behauptet, sondern durchgehend eine vom Staat ausgehende Verfolgung vorgebracht hat.

13 Soweit sich die Revision gegen die Beweiswürdigung wendet, ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dieser als Rechtsinstanz tätig und im Allgemeinen nicht zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Einzelfall berufen ist. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat. Die Beweiswürdigung ist damit nur insofern einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof zugänglich, als es sich um die Schlüssigkeit dieses Denkvorganges (nicht aber die konkrete Richtigkeit) handelt bzw. darum, ob die Beweisergebnisse, die in diesem Denkvorgang gewürdigt wurden, in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden sind. Der Verwaltungsgerichtshof ist nicht berechtigt, die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. etwa VwGH 15.11.2018, Ra 2018/19/0357, mwN).

14 Das Bundesverwaltungsgericht hat sich nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, in der es die Revisionswerberin ausführlich zu ihrer Fluchtgeschichte befragt hat, in seiner Beweiswürdigung mit dem Vorbringen der Revisionswerberin auseinandergesetzt und ist in nicht unvertretbarer Weise zu der Auffassung gelangt, dass dieses - insbesondere im Hinblick auf diverse Widersprüche - als unglaubwürdig anzusehen sei. 15 Insoweit sich die Revision gegen die Abweisung des Antrages auf Einholung eines psychologischen Sachverständigengutachtens wendet, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Beweisanträge nur dann abgelehnt werden dürfen, wenn die Beweistatsachen als wahr unterstellt werden, es auf sie nicht ankommt oder das Beweismittel an sich ungeeignet ist, über den Gegenstand der Beweisaufnahme einen Beweis zu liefern und damit zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts beizutragen (vgl. VwGH 19.6.2017, Ra 2017/19/0069, mwN). Ob eine Beweisaufnahme in diesem Sinn notwendig ist, unterliegt aber der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichts. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG läge nur dann vor, wenn diese Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre und zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Ergebnis geführt hätte (vgl. VwGH 8.1.2015, Ra 2014/08/0064; 23.2.2016, Ra 2016/01/0023; 27.4.2017, Ra 2016/12/0063; 10.8.2017, Ra 2016/20/0369; 21.3.2018, Ra 2018/18/0033).

16 Eine derart krasse Fehlbeurteilung zeigt die Revision vor dem Hintergrund der nicht unvertretbaren Beweiswürdigung fallbezogen nicht auf.

17 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 21. Mai 2019

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018190141.L00

Im RIS seit

22.07.2019

Zuletzt aktualisiert am

22.07.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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