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001 Verwaltungsrecht allgemeinNorm
GSpG 1989 §50 Abs4Betreff
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Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rosenmayr und den Hofrat Dr. Doblinger und die Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Hotz, über die außerordentliche Revision des M L in G, vertreten durch Mag. Julia Eckhart, Rechtsanwältin in 8010 Graz, Hofgasse 3, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 22. Juni 2018, LVwG 30.23- 568/2018-9, betreffend Übertretung des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Steiermark), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang des Schuldspruches, dass der Revisionswerber vor dem Eindringen der Kontrollorgane das Stromnetz im Glücksspielraum getrennt habe, sowie in den Ausprüchen über die Strafe und die Verfahrenskosten wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Im Übrigen wird die Revision mit Beschluss zurückgewiesen.
Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von 1.346,40 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Im Lokal S in G fand am 30. Juni 2017 eine Kontrolle nach dem Glücksspielgesetz (GSpG) statt.
2 Mit Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Steiermark vom 27. Dezember 2017 wurde der Revisionswerber in seiner Eigenschaft als zur Mitwirkung Verpflichteter der Übertretung des § 50 Abs. 4 iVm § 52 Abs. 1 Z 5 GSpG schuldig erkannt und über ihn eine Geldstrafe in Höhe von 5.000,-- Euro (samt Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt, weil er den Kontrollorganen den Zutritt zum Haupteingang und zum zweiten Eingang verweigert habe sowie der Aufforderung der Einsatzleiterin die Türe zum Glücksspielveranstaltungsraum zu öffnen nicht nachgekommen sei, sodass die Türen zwangsweise geöffnet hätten werden müssen. Des Weiteren habe er vor dem Eindringen der Kontrollorgane in den Glücksspielveranstaltungsraum das Stromnetz getrennt. 3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Steiermark (LVwG) der dagegen erhobenen Beschwerde insoweit Folge, als es den Tatvorwurf dahingehend einschränkte, dass der Revisionswerber gegen seine Mitwirkungspflicht im Sinne des § 50 Abs. 4 GSpG verstoßen habe, da er der Aufforderung der Einsatzleiterin die Türe zum Glücksspielveranstaltungsraum zu öffnen nicht nachgekommen sei, sodass die Türe zwangsweise geöffnet habe werden müssen. Außerdem habe er vor dem Eindringen der Kontrollorgane das Stromnetz im Glücksspielgeräteraum getrennt (Spruchpunkt I.). Weiters setzte das LVwG die verhängte Geldstrafe auf 2.400,-- Euro (samt Ersatzfreiheitsstrafe) herab und verminderte den Kostenbeitrag für das Verwaltungsstrafverfahren auf 240,-- Euro (Spruchpunkt II.). Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte das LVwG für nicht zulässig (Spruchpunkt III.).
4 Gegen das Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision, in der die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und/oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
5 Das Verwaltungsgericht legte die Verwaltungsakten vor. Die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde verzichtete auf eine Revisionsbeantwortung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
6 Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 8 Die vorliegende Revision erweist sich schon im Hinblick auf das Zulässigkeitsvorbringen, es liege eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung deshalb vor, weil in der angefochtenen Entscheidung ein Widerspruch zwischen Spruch und Begründung bzw. ein Begründungsmangel vorliege, als zulässig. Die Revision ist auch berechtigt.
9 Gemäß § 50 Abs. 4 GSpG sind die Behörden gemäß § 50 Abs. 1 GSpG (die Bezirksverwaltungsbehörden bzw. die Landespolizeidirektion) und die in § 50 Abs. 2 und 3 GSpG genannten Organe (Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und der Abgabenbehörden) zur Durchführung ihrer Überwachungsaufgaben berechtigt, Betriebsstätten und Betriebsräume sowie Räumlichkeiten zu betreten, auch wenn dies sonst der Allgemeinheit untersagt ist, soweit dies zur Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen des Glücksspielgesetzes erforderlich ist. Veranstalter und Inhaber sowie Personen, die Glücksspieleinrichtungen bereithalten, haben der Behörde nach Abs. 1, dem Amtssachverständigen und den Organen der öffentlichen Aufsicht umfassend Auskünfte zu erteilen, umfassende Überprüfungen und Testspiele unter Bereitstellung von Geld oder Spieleinsätzen zu ermöglichen und Einblick in die geführten Aufzeichnungen, in die Aufzeichnungen der Glücksspieleinrichtungen und in die nach dem Glücksspielgesetz aufzulegenden Spielbeschreibungen zu gewähren sowie dafür zu sorgen, dass eine anwesende Person diesen Verpflichtungen gegenüber Kontrollorganen nachkommt. Die Behörde nach Abs. 1 und die in Abs. 2 und 3 genannten Organe sind ermächtigt, diese Überwachungsaufgaben mit unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durchzusetzen. Die Ausübung ist dem Betroffenen anzudrohen. Die Organe haben deren Ausübung zu beenden, sobald der angestrebte Erfolg erreicht wurde, sich zeigt, dass er auf diesem Wege nicht erreicht werden kann oder der angestrebte Erfolg außer Verhältnis zu dem für die Durchsetzung erforderlichen Eingriff steht. Eine Gefährdung des Lebens oder eine nachhaltige Gefährdung der Gesundheit ist jedenfalls unzulässig.
10 Mit den in § 50 Abs. 4 GSpG enthaltenen Duldungs- und Mitwirkungspflichten wollte der Gesetzgeber dem Versuch der Glücksspielanbieter begegnen, durch mangelnde Kooperation die Behörden an der Erlangung hinreichender Verdachtsmomente zu hindern und so bereits im Ansatz die Einleitung von Strafverfahren zu vereiteln. Nicht nur, dass den Kontrollorganen Testspiele unentgeltlich ermöglicht werden sollten, es sollten sich die Verpflichteten auch nicht durch mangelnde Vorkehrungen ihrer Mitwirkungspflicht entziehen können (vgl. ErläutRV 1960 BlgNR 24. GP 51 zu § 50 Abs. 4 zweiter Satz GSpG). Ohne diese Pflichten wäre es den Behörde nicht oder nur mit unangemessen hohem Aufwand möglich, Verstöße gegen das Glücksspielgesetz festzustellen und entsprechend zu ahnden (vgl. VwGH 13.12.2018, Ra 2018/09/0066).
11 Im Spruch des angefochtenen Erkenntnisses wurde dem Revisionswerber - neben dem Vorwurf, er sei der Aufforderung der Einsatzleiterin die Tür zum Glücksspielveranstaltungsraum zu öffnen nicht nachgekommen, sodass diese zwangsweise geöffnet habe werden müssen - weiters auch vorgeworfen, er habe vor dem Eindringen der Kontrollorgane das Stromnetz im Glücksspielgeräteraum getrennt.
12 Im "entscheidungsrelevanten Sachverhalt" wurden unter anderem folgende Feststellungen getroffen: "In diesem (gemeint: dem zwangsweise geöffneten) Raum befanden sich sechs Automaten, wobei Walzenspiele angeboten wurden. (...) Nachdem der Glücksspielgeräteraum von den Beamten betreten wurde, musste festgestellt werden, dass die Stromkabel von den Glücksspielautomaten abgesteckt waren. Die Stromkabel wurden in einem Technikraum vorgefunden. Vor der Kontrolle hat der Zeuge S an den Geräten gespielt." In der Beweiswürdigung wurde disloziert festgestellt, dass zum Zeitpunkt des Betretens des Lokales durch die Kontrollorgane die Stromkabel von den Glückspielgeräten bereits abgesteckt und in einem gesonderten Raum gelagert gewesen seien. Da der Spieler unmittelbar vor der Kontrolle im Glücksspielgeräteraum Walzenspiele durchgeführt habe und erst danach im Gastraum gesessen sei und Fußball geschaut habe, sei der Schluss zwingend, dass der Kellner die Stromkabel entfernt und in einem gesonderten Raum gelagert habe, als er bemerkt habe, dass eine polizeiliche Kontrolle im Lokal durchgeführt werde. Der Kellner habe als einzig möglicher Verfügungsberechtigter im Lokal dazu die Möglichkeit gehabt.
13 Der Revision ist zuzugestehen, dass vor dem Hintergrund dieser Feststellungen die Beurteilung des LVwG, das Trennen der Stromkabel stelle ein strafbares Verhalten iSd § 50 Abs. 4 GSpG dar, nicht nachvollziehbar ist und vor allem im angefochtenen Erkenntnis auch nicht begründet wurde.
14 Aus den bisherigen in diesem Punkt unpräzisen und nicht
deckungsgleichen Feststellungen einerseits zum Zeitpunkt des Trennens des Stromnetzes und andererseits der näheren Umstände zum Stromabschalten selbst (Kabel abgezogen und/oder Stromnetz getrennt) ist nämlich nicht erkennbar, wann und wodurch es tatsächlich zum inkriminierten Verhalten gekommen ist (vor oder im Zuge der Kontrolle), um den erforderlichen unmittelbaren Bezug zur Kontrolle und damit zu einer etwaigen unterlassenen Mitwirkungspflicht herstellen zu können. Das LVwG wird in diesem Zusammenhang im Rahmen des gegen den Revisionswerber im Verwaltungsstrafverfahren erhobenen Vorwurfs geeignete Feststellungen zu treffen haben, ob er Handlungen gesetzt oder unterlassen hat, die seiner Mitwirkungspflicht entgegenlaufen. Erst bei Vorliegen entsprechender Feststellungen kann ein allfälliger Verstoß gegen die in § 50 Abs. 4 GSpG statuierte Mitwirkungspflicht geprüft werden.
15 Zusammenfassend tragen die bisherigen Feststellungen die rechtliche Beurteilung einer unterlassenen Mitwirkungspflicht iSd § 50 Abs. 4 GSpG in Bezug auf das Trennen des Stromnetzes nicht, weshalb das angefochtene Erkenntnis diesbezüglich mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet ist.
16 Die Revision bekämpft in der Zulassungsbegründung auch die Strafbemessung, wonach weder Milderungs- noch Erschwerungsgründe angenommen worden seien und sich das LVwG auch nicht mit dem entsprechenden Vorbringen zum Milderungsgrund des § 34 Z 8 StGB im Rahmen der mündlichen Verhandlung auseinandergesetzt habe. 17 Nach § 19 Abs. 1 VStG sind Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsguts und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat. Im für den Revisionsfall maßgeblichen ordentlichen Verfahren sind § 19 Abs. 2 VStG zufolge überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechts sind die §§ 32 bis 35 StGB sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen. Entscheidend für die Beurteilung des Unrechtsgehalts der Tat im Sinne des § 19 Abs. 1 VStG ist nicht die abstrakte Wertigkeit des durch die verletzte Norm geschützten Rechtsguts - diese findet ihren Ausdruck bereits in der Höhe des gesetzlichen Strafrahmens - sondern das Ausmaß, in dem dieses Rechtsgut durch die in Rede stehende Tat konkret beeinträchtigt wurde (vgl. VwGH 26.7.2018, Ra 2017/17/0804, mwN).
18 Das Verwaltungsgericht ist verpflichtet, in der Begründung seines Erkenntnisses gemäß § 29 Abs. 1 zweiter Satz VwGVG die für die Überprüfung der Ermessensübung maßgeblichen Gründe insoweit offen zu legen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien und die Nachprüfung der Ermessensentscheidung auf ihre Übereinstimmung mit dem Sinn des Gesetzes durch den Verwaltungsgerichtshof erforderlich sein kann (vgl. VwGH 11.1.2018, Ra 2017/02/0136, mwN).
19 Diesen Anforderungen ist das Verwaltungsgericht im angefochtenen Erkenntnis ohne begründete Auseinandersetzung mit Milderungs- und Erschwerungsgründen nicht nachgekommen. Das LVwG selbst geht einerseits von mehreren Tathandlungen aus. Andererseits ist es auf das Vorbringen, wonach der Revisionswerber unter Androhung von Waffengewalt aufgefordert worden sei, sich auf den Boden zu legen, nicht eingegangen. Ausführungen zur Schwere der Tat, dem Verschulden und zu spezial- und generalpräventiven Gründen fehlen zur Gänze, sodass im Ergebnis eine Nachvollziehbarkeit der Strafbemessung und damit eine Überprüfbarkeit durch den Verwaltungsgerichtshof nicht möglich war.
20 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG in dem aus dem Spruch ersichtlichen Umfang aufzuheben, ohne dass auf das übrige Revisionsvorbringen einzugehen war. 21 Soweit die Revision gegen den Schuldspruch, der Revisionswerber habe entgegen der Aufforderung der Einsatzleiterin die Tür zum Glücksspielraum nicht geöffnet, gerichtet ist, war sie mangels eines ausreichenden Zulässigkeitsvorbringens zurückzuweisen.
22 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 22. Mai 2019
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2Besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018090171.L00Im RIS seit
22.07.2019Zuletzt aktualisiert am
22.07.2019