TE Vwgh Beschluss 2019/5/23 Ra 2019/08/0088

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Veröffentlicht am 23.05.2019
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze

Norm

ASVG §4 Abs2
B-VG Art133 Abs4
GSVG 1978 §4 Abs2
VwGG §34 Abs1

Betreff

?

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler und den Hofrat Dr. Strohmayer als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision der

P GmbH in T, vertreten durch Dr. Georg Lehner, Rechtsanwalt in 4600 Wels, Südtirolerstraße 12a, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. November 2018, Zl. W228 2004888- 1/56E, betreffend Pflichtversicherung nach dem ASVG und dem AlVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Oberösterreich; mitbeteiligte Parteien: 1. V M, U,

2. Oberösterreichische Gebietskrankenkasse, 4021 Linz, Gruberstraße 77, 3. Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich Hillegeist-Straße 1, 4. Allgemeine Unfallversicherungsans talt, 1201 Wien, Adalbert Stifterstraße 65-67), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 4 Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis hat das Bundesverwaltungsgericht festgestellt, dass der Erstmitbeteiligte gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG und § 1 Abs. 1 lit. a AlVG auf Grund seiner Tätigkeit als Speisenzusteller für die revisionswerbende Partei als Dienstgeberin vom

1. bis 31. Jänner 2003 der Voll- (Kranken-, Unfall-, Pensions-) und Arbeitslosenversicherungspflicht unterliegt. Die Revisionswerberin unterhalte in der F.-Straße einen Speisen- und Getränkezustelldienst, bei dem der Erstmitbeteiligte nach einer Einschulungsphase mit seinem eigenen PKW und den von der Revisionswerberin zur Verfügung gestellten Betriebsmitteln nach einem monatlich im Voraus erstellten Schichtplan als Zusteller tätig gewesen sei. Er habe sich am Beginn der Schicht anmelden und seine Fahrten im EDV-System der revisionswerbenden Partei einspeichern müssen. Die revisionswerbende Partei sei stets exakt darüber informiert gewesen, an welche Kunden und an welchen Orten der Erstmitbeteiligte gerade zugestellt habe. Dadurch sei eine Kontrolle möglich gewesen, ob die Zustellungen auf direktem Weg bzw. in der vorgesehenen Zeit erledigt würden. In monatlichen Zusteller-Besprechungen sei erörtert worden, was gut laufe und was zu verbessern sei. Der Erstmitbeteiligte sei dadurch in die betriebliche Organisation der revisionswerbenden Partei eingebunden gewesen. Er habe im gegenständlichen Zeitraum nach einem vereinbarten Stundenhonorar eine die Geringfügigkeitsgrenze übersteigende Entlohnung von EUR 625,65 für insgesamt 215 Zustellungen erhalten. Im Fall einer Verhinderung des Zustellers habe dieser selbst oder die Kassenkraft eine Vertretung ausschließlich aus dem "Zustellerpool" (aus dem internen Kreis der anderen Zusteller) organisieren müssen.

5 Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

6 Gegen dieses Erkenntnis hat die revisionswerbende Partei Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben. Dieser hat mit Beschluss vom 25. Februar 2019, E 11/2019-5, die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und diese über nachträglichen Antrag dem Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 21. März 2019 zur Entscheidung abgetreten.

7 Gegen das genannte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes richtet sich die außerordentliche Revision.

8 Die revisionswerbende Partei erblickt entgegen dem genannten Ausspruch eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung darin, dass dem Bundesverwaltungsgericht schwere Verfahrensmängel unterlaufen seien. Die revisionswerbende Partei habe "zum Beweis

dafür, dass (der Mitbeteiligte) ... nicht als Dienstnehmer nach

dem ASVG versichert war" mehrere Zeugen ("Zustellkollegen") genannt, die das Bundesverwaltungsgericht nicht alle vernommen habe. Der revisionswerbenden Partei sei "die Möglichkeit genommen (worden), Fragen an beantragte Zeugen zu stellen". Wären die Zeugen vernommen worden, hätte sich insbesondere erweisen lassen, dass der Mitbeteiligte an keinen Dienstort und an keine Zeiteinteilung gebunden gewesen sei, dass er nicht verpflichtet gewesen sei, Zustellaufträge anzunehmen, dass er nach der Anzahl der Zustellungen entlohnt worden sei sowie dass er sich beliebig habe vertreten lassen können und dies auch getan habe. 9 Das Bundesverwaltungsgericht hat im Rahmen zweier mündlicher Verhandlungen den Erstmitbeteiligten, sechs Zusteller der revisionswerbenden Partei sowie deren Prokuristen vernommen und hat die oben wiedergegebenen Feststellungen auf Grund einer unbedenklichen Beweiswürdigung getroffen. Die revisionswerbende Partei hat nicht vorgebracht, welche konkreten davon abweichenden Wahrnehmungen die weiteren von ihr namhaft gemachten Zusteller gemacht haben sollten, die in der gleichen Situation wie die bereits vernommenen Zusteller tätig gewesen waren. Damit unterlässt sie es, einen konkreten, durch die von ihr angestrebten Einvernahmen zu beweisenden Sachverhalt zu bezeichnen, bei dessen Berücksichtigung ein anderer, für sie günstiges Erkenntnis zu erwarten wäre. Sie vermag damit die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht aufzuzeigen (vgl. insbesondere zur Unzulässigkeit eines Erkundungsbeweises bzw. Ausforschungsbeweises in diesem Zusammenhang VwGH 14.2.2013, 2013/08/0006, mwN). 10 Soweit die revisionswerbende Partei die Feststellungen über die Höhe des Entgelts unter Hinweis darauf in Zweifel zieht, dass das Bundesverwaltungsgericht sich mit den Reisekosten des Erstmitbeteiligten hätte beschäftigen müssen und "Fahrtkosten nicht in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen sind", ist ihr zu erwidern, dass das Bundesverwaltungsgericht weder festgestellt hat, dass die revisionswerbende Partei Fahrtkosten bezahlt hätte, noch derartige Zahlungen in die Bemessungsgrundlage einbezogen hat.

11 Die revisionswerbende Partei erblickt schließlich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung darin, dass das Erkenntnis im Widerspruch zu einzelnen näher genannten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts, des Verwaltungsgerichtshofes und des Obersten Gerichtshofes stehen würde.

12 Die Entscheidung über das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung iSd § 4 Abs. 2 ASVG ist das Ergebnis einer im Einzelfall vorzunehmenden Gesamtabwägung der maßgeblich für bzw. gegen das Vorliegen eines abhängigen Beschäftigungsverhältniss es sprechenden Umstände und Merkmale. Wurde diese - wie hier - auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen, so ist eine solche einzelfallbezogene Beurteilung im Allgemeinen nicht revisibel. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung läge nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht diese Gesamtabwägung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte. Das war hier nicht der Fall. Der Frage, ob die besonderen Umstände des Einzelfalles auch eine andere Entscheidung gerechtfertigt hätten, kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu (VwGH 12.01.2018, Ra 2017/08/0032, mwN).

13 Im Übrigen hat der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt - zu ähnlichen Sachverhalten wie hier - ausgesprochen, dass bei der Tätigkeit eines "Pizzazustellers", bei der es sich um eine einfache manuelle Tätigkeit ohne einen ins Gewicht fallenden Gestaltungsspielraum in Bezug auf Arbeitsausführung und Verwertbarkeit handelt, vom Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit und damit von einem (echten) Dienstverhältnis im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG auszugehen ist (VwGH 4.4.2016, Ra 2015/08/0195 ua, mit zahlreichen wN).

14 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 23. Mai 2019

Schlagworte

Dienstnehmer Begriff Persönliche AbhängigkeitDienstnehmer Begriff Wirtschaftliche Abhängigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019080088.L00

Im RIS seit

04.09.2019

Zuletzt aktualisiert am

04.09.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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