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68/01 Behinderteneinstellung;Norm
BEinstG §2 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zeller, über die Beschwerde der E in I, vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in Innsbruck, Franz-Fischer-Straße 16, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 31. Juli 1998, Zl. Vd-AR-2002-2/3-1998, betreffend Anerkennung als begünstigte Behinderte, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid gemäß § 2 Abs. 1 und § 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes festgestellt, daß die Beschwerdeführerin nicht zum Kreis der begünstigten Behinderten gehöre und der Grad ihrer Behinderung 40 v.H. betrage.
In ihrer an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend und beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat den unvollständigen Akt des Berufungsverfahrens vorgelegt, mitgeteilt, daß auf die Erstattung einer Gegenschrift verzichtet wird, und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 2 Abs. 1 erster Satz BEinstG sind begünstigte Behinderte im Sinne dieses Gesetzes österreichische Staatsbürger mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 v.H. Gemäß § 3 Abs. 2 leg. cit. sind für die Einschätzung des Grades der Behinderung die Vorschriften der §§ 7 und 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 ..... mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, daß Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 v.H. außer Betracht zu lassen sind, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.
Die belangte Behörde als Berufungsbehörde holte ein - mit 9. Juli 1998 datiertes - Gutachten ihres ärztlichen Amtssachverständigen ein. Darin wurde festgestellt, daß die Beschwerdeführerin ein Wirbelsäulenleiden (degenerative Veränderung der Halswirbelsäule) mit einer MdE von 30 v.H. sowie ein Migräneleiden mit einer MdE von 20 v.H. habe. Ein weiters vorliegendes Blasenleiden werde mit einer MdE von 10 v.H. eingeschätzt, eine Störung der Speiseröhrenperistaltik ebenfalls mit einer MdE von 10 v.H.; dasselbe gelte für einen leichten chronischen Entzündungszustand der Lunge. Die nach der Richtsatzverordnung vorzunehmende Zusammenschau mehrerer festgestellter Leidenszustände führe ausgehend von der höchsten MdE von 30 v.H., unter zusätzlicher Berücksichtigung des Migräneleidens mit 20 v.H. und dem Umstand, daß die übrigen Leidenszustände geringfügig seien, zu einer Gesamteinschätzung mit 40 v.H. Der Gutachter kam damit im Ergebnis zur selben Beurteilung wie die Erstbehörde.
Die Beschwerdeführerin brachte dagegen im Wege des Parteiengehörs vor, daß dieses Gutachten "bzgl. der neu hinzugekommenen Probleme (Blaseninkontinenz, Speiseröhre, Nervenschmerzen, Asthma, Verschlechterung Wirbelsäule)...... nicht schlüssig und widerspruchsfrei" sei. Eine nähere Begründung für diese Behauptung enthielt ihre Stellungnahme nicht.
In ihrer Beschwerde macht sie geltend, daß auf ihr Vorbringen bei der amtsärztlichen Untersuchung vom 8. Juli 1998 - welches im Befundteil des Gutachtens vom 9. Juli 1998 wiedergegeben wird - im angefochtenen Bescheid nicht ausdrücklich eingegangen werde. In diesem Zusammenhang verweist sie auch auf von ihr geltend gemachte Leidenszustände, die im Gutachten überhaupt nicht Erwähnung fänden (chronische Verstopfung, häufiges Sodbrennen und Aufstoßen, Krämpfe im Oberbauch, welche Schlafstörungen nach sich ziehen, Sehstörungen). Das Zusammenwirken aller dieser Leiden hätte eine höhere Einschätzung der MdE - sie nennt einen Behinderungsgrad von 50 v.H. - gerechtfertigt.
Die Beschwerdeführerin ist damit insoferne im Recht, als im Gutachten vom 9. Juli 1998 auf die dort in der Anamnese genannten, in der Beschwerde angesprochenen Behauptungen nicht eingegangen wird. Dazu kommt, daß auch eine Begründung für die Einschätzung des Zusammenwirkens der fünf im Gutachten mit einer MdE anerkannten Leiden - sieht man davon ab, daß sie bis auf die Wirbelsäulenproblematik und die Migräne als geringfügig bezeichnet werden - fehlt. Vor dem Hintergrund des § 3 Abs. 2 BEinstG ist diese Begründung aber nicht ausreichend, um darzutun, daß diese Leidenszustände im Zusammenwirken mit anderen nicht eine Erhöhung des Grades der Behinderung bewirkten.
Der angefochtene Bescheid, der sich auf dieses Gutachten stützt, ist damit mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften behaftet, weil das Gutachten nicht auf das gesamte Vorbringen der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren im einzelnen eingeht und eine nachvollziehbare Begründung in Ansehung der Summierung der Auswirkungen der Leidenszustände vermissen läßt. Der angefochtene Bescheid war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 9. Februar 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1998110290.X00Im RIS seit
20.11.2000