TE Vwgh Beschluss 2019/5/29 Ra 2018/14/0176

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Veröffentlicht am 29.05.2019
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

BFA-VG 2014 §9
B-VG Art133 Abs4
MRK Art8
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

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Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schweinzer, in der Revisionssache des X Y in Z, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Christian Schmaus in 1060 Wien, Chwallagasse 4/11, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. September 2018, W220 2100281- 1/39E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der aus Afghanistan stammende und unrechtmäßig in das Bundesgebiet eingereiste Revisionswerber wurde am 29. April 2014 von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes während einer Zugsfahrt einer Personenkontrolle unterzogen. Im Zuge dieser Kontrolle stellte er einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005. Er brachte (zusammengefasst) vor, in seinem Heimatland aufgrund seiner Tätigkeit als Polizist von den Taliban verfolgt zu werden.

2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies diesen Antrag mit Bescheid vom 16. Jänner 2015 sowohl in Bezug auf das Begehren auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch des subsidiär Schutzberechtigten ab. Unter einem sprach die Behörde aus, dass dem Revisionswerber ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt werde, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Die Frist für freiwillige Ausreise legte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest. 3 Dagegen erhob der Revisionswerber Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Mit Beschluss vom 29. April 2016 stellte dieses Gericht infolge teilweiser Zurückziehung der Beschwerde das Verfahren über die Beschwerde gegen jenen Spruchpunkt des oben angeführten Bescheides, mit dem der Status des Asylberechtigten versagt wurde, ein. In den übrigen Punkten wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde mit Erkenntnis vom selben Tag als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4 Der Verfassungsgerichtshof gab der gegen dieses Erkenntnis an ihn erhobenen Beschwerde mit Erkenntnis vom 23. Februar 2017 statt und hob das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. April 2016 auf. Dafür war maßgeblich, dass nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofes das Bundesverwaltungsgericht in nicht nachvollziehbarer Weise davon ausgegangen sei, der Revisionswerber verfüge in Kabul über ein "soziales Netzwerk". Die Annahme des Bundesverwaltungsgerichts, der Revisionswerber könne bei seinen früheren Arbeitskollegen unterkommen, entbehre konkreter Feststellungen.

5 Mit dem im zweiten Rechtsgang ergangenen Erkenntnis vom 5. September 2018 wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde gegen die Versagung des Status des subsidiär Schutzberechtigten sowie die weiteren rechtlich davon abhängenden Aussprüche neuerlich ab. Die Erhebung einer Revision erklärte das Bundesverwaltungsgericht für nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

6 Der Verwaltungsgerichtshof wies den Antrag des Revisionswerbers, ihm zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision gegen dieses Erkenntnis die Verfahrenshilfe zu bewilligen, mit Beschluss vom 29. Oktober 2018 ab.

7 Der Revisionswerber erhob Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte die Behandlung dieser Beschwerde mit Beschluss vom 13. März 2019, E 4102/2018-16, ab. Über nachträglichen Antrag des Revisionswerbers trat der Verfassungsgerichtshof die Beschwerde mit Beschluss vom 8. April 2019, E 4102/2018-18, gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

8 Mit Schreiben vom 14. Mai 2019 beantragte der Revisionswerber neuerlich, ihm für die Einbringung einer außerordentlichen Revision die Verfahrenshilfe zu bewilligen. Dieser Antrag wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 22. Mai 2019 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und unter einem darauf hingewiesen, dass der Bewilligung des Antrages - vor dem Hintergrund der Angaben des Revisionswerbers in diesem Antrag -

auch § 61 Abs. 7 VwGG entgegenstehe.

9 In der Folge wurde die gegenständliche Revision eingebracht. 10 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

11 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 12 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 13 Der Revisionswerber macht - auf das Wesentliche zusammengefasst - zur Zulässigkeit der Revision geltend, das Bundesverwaltungsgericht habe veraltete Länderberichte herangezogen und sich nicht mit den Afghanistan betreffenden UNHCR-Richtlinien vom August 2018 auseinandergesetzt. Hätte es dies getan, so hätte es zum Schluss kommen können, dass der Revisionswerber als ehemaliger Polizist und Angehöriger der Sicherheitskräfte ein besonderes Risikoprofil aufweise. Solche Personen seien landesweit den Angriffen der Taliban ausgesetzt. Daher bestehe auch keine innerstaatliche Fluchtalternative. Infolge dessen hätte dem Revisionswerber der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt werden müssen. Weiters habe das Bundesverwaltungsgericht die vom Revisionswerber vorgelegten Länderberichte, insbesondere die von UNHCR im Jahr 2016 zu Afghanistan veröffentlichten Richtlinien, übergangen. Im Grunde habe das Bundesverwaltungsgericht gar keine auf die konkrete Situation des Revisionswerbers als ehemaligen Angehörigen der Sicherheitskräfte eingehende Berichte herangezogen. Weiters habe das Bundesverwaltungsgericht die Durchführung einer Verhandlung unterlassen, obwohl im Rahmen einer Stellungnahme neue Entwicklungen betreffend die Rückkehrgefährdung "sowie das schützenswerte Privatleben in Österreich" geltend gemacht worden seien. In diesem Zusammenhang wird in der Revision auf eine psychische Störung des Revisionswerbers, seinen "langen Aufenthalt(.) im Westen", die Annahme "westlicher Gewohnheiten", einen beinahe fünfjährigen Aufenthalt, das Vorliegen von Beschäftigungsbewilligungen, die "teilweise" Selbsterhaltungsfähigkeit und die Mitgliedschaft in Vereinen verwiesen.

14 Zunächst ist festzuhalten, dass das Bundesverwaltungsgericht das Vorbringen des Revisionswerbers, er und seine nach wie vor in Afghanistan lebende Familie wäre von den Taliban oder anderen regierungsfeindlichen Akteuren "drangsaliert" worden und er wäre im Fall seiner Rückkehr in sein Heimatland wegen seiner früheren Tätigkeit im Hinblick auf bereits geschehene Vorkommnisse einer maßgeblichen Gefährdung ausgesetzt, als unglaubwürdig eingestuft hat. Das gilt auch für das Vorbringen zu einer Desertion. Den ausführlichen beweiswürdigenden Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts, warum es den Angaben des Revisionswerbers zu den behaupteten Geschehnissen keinen Glauben geschenkt hat, setzt die Revision nichts Substantiiertes entgegen, sondern verweist wiederkehrend bloß pauschal auf die frühere Tätigkeit des Revisionswerbers als Polizist. Entgegen dem Vorbringen in der Revision hat sich das Bundesverwaltungsgericht aber auch vor dem Hintergrund der Feststellungen zur Lage im Heimatland des Revisionswerbers unter Bedachtnahme auf seine individuelle Situation mit der Frage des Näheren auseinandergesetzt, ob er im Fall der Rückkehr in sein Heimatland allein wegen seiner früheren Tätigkeit als Polizist mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine nach Art. 3 EMRK relevante Gefährdung zu gewärtigen habe. Zudem hat sich das Bundesverwaltungsgericht auch mit der Frage einer "Verwestlichung" des Revisionswerbers hinreichend befasst. Dass das Verwaltungsgericht sich dabei von den in der Rechtsprechung aufgestellten Leitlinien entfernt hätte und die Beurteilung in unvertretbarer Weise erfolgt wäre, vermag die Revision nicht darzutun.

15 Soweit in der Revision gerügt wird, das Bundesverwaltungsgericht habe seiner Entscheidung nicht die aktuellste Berichtslage zugrunde gelegt, so wird die Relevanz des behaupteten Verfahrensfehlers nicht aufgezeigt. Entgegen der Revision ist das Bundesverwaltungsgericht davon ausgegangen, dass es - was es schon aufgrund der von ihm herangezogenen Berichte abgeleitet hat - einer weitergehenden Betrachtung und Beurteilung bedarf, weil der Revisionswerber früher als Polizist tätig gewesen sei. Es gelingt der Revision demgegenüber nicht, aufzuzeigen, dass sich aus neuen Berichten andere oder zusätzliche wesentliche Aspekte hätten ableiten lassen können, wenn aus deren Inhalt - im Übrigen nicht näher konkretisierte - Feststellungen zu gewinnen gewesen wären.

16 Soweit der Revisionswerber dem Bundesverwaltungsgericht zum Vorwurf macht, es hätte eine Verhandlung nicht unterbleiben dürfen, so ist dem zu entgegnen, dass eine solche im Beschwerdeverfahren stattgefunden hat. Soweit der Revisionswerber erkennbar darauf abzielt, dass das Bundesverwaltungsgericht eine weitere Tagsatzung hätte anberaumen müssen, zeigt er nicht auf, weshalb dies fallbezogen gesetzlich geboten gewesen wäre. 17 Im Übrigen hat sich das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der bei der Erlassung der Rückkehrentscheidung vorzunehmenden Interessenabwägung nach § 9 BFA-Verfahrensgesetz mit den in der Revision angeführten Umständen - wenn auch zum Teil in der Begründung disloziert - hinreichend auseinandergesetzt. 18 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die bei Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG (vgl. etwa VwGH 28.3.2019, Ra 2019/14/0058, mwN). Mit dem Revisionsvorbringen wird nicht aufgezeigt, dass die vom Bundesverwaltungsgericht vorgenommene Interessenabwägung unvertretbar erfolgt wäre.

19 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 29. Mai 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018140176.L00

Im RIS seit

08.07.2019

Zuletzt aktualisiert am

08.07.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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