Index
E1E;Norm
11992E177 EGV Art177;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 99/18/0033Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hofbauer, in der Beschwerdesache des S D in Wien, geboren am 28. April 1962, vertreten durch Dr. Eric Agstner, Rechtsanwalt in Wien I, Tuchlauben 11, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 15. Mai 1998, Zl. SD 246/98, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes,
Spruch
1. den Beschluß gefaßt:
Dem Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist wird stattgegeben.
2. zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
A. Zum Wiedereinsetzungsantrag:
Der Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 15. Mai 1998, mit dem über den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden war, wurde dem Beschwerdevertreter, der den Beschwerdeführer auch im zugrundeliegenden Verwaltungsverfahren vertreten hat, am 27. Mai 1998 zugestellt. Die dagegen gerichtete Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof wurde erst am 9. Juli 1998, somit einen Tag nach Ablauf der sechswöchigen Beschwerdefrist zur Post gegeben.
Mit dem an den Verfassungsgerichtshof gerichteten, am 14. Juli 1998 zur Post gegebenen Antrag begehrte der Beschwerdeführer die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist. Er brachte dazu vor, daß der Beschwerdevertreter am 8. Juli 1998 die fertige Beschwerde einem sonst immer verläßlichen Kanzleimitarbeiter mit dem mündlichen Auftrag übergeben habe, sie am selben Tag bei einem bestimmten Postamt als eingeschriebene Sendung aufzugeben. Auf dem Weg zur Post habe dieser Mitarbeiter plötzlich und unvermutet einen Schwächeanfall erlitten, weshalb er sich in seiner nahe gelegenen Wohnung habe kurzfristig erholen wollen. Tatsächlich sei dieser Mitarbeiter erst am 9. Juli 1998 in der Früh wach geworden und habe dem Beschwerdevertreter seinen Fehler mitgeteilt. Der Schwächeanfall und das Verhalten des Kanzleimitarbeiters sei für den Beschwerdevertreter ein unvorhersehbares und unabwendbares Ereignis.
Mit Beschluß vom 14. Oktober 1998, B 1249/98, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. Eine Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag erfolgte durch den Verfassungsgerichtshof nicht. In der Begründung seines Beschlusses hielt dieser Gerichtshof fest, daß die abgetretene Beschwerde nicht auf das Vorliegen sämtlicher Prozeßvoraussetzungen geprüft worden sei.
Über diesen Wiedereinsetzungsantrag hat - obwohl er an den Verfassungsgerichtshof gerichtet ist - der Verwaltungsgerichtshof zu entscheiden (vgl. aus der ständigen hg. Judikatur etwa die Erkenntnisse bzw. Beschlüsse vom 26. Juni 1992, Zlen. 88/17/0205 und 0207; vom 3. Dezember 1992, Zl. 92/18/0424; vom 17. August 1994, Zlen. 94/15/0112 und 0115; vom 13. September 1994, Zl. 94/14/0126; vom 9. März 1995, Zl. 95/18/0348, und vom 21. März 1996, Zl. 95/18/1265).
Aufgrund der vorgelegten eidesstättigen Erklärungen des Beschwerdevertreters und des im Wiedereinsetzungsantrag genannten Kanzleimitarbeiters wird der dem Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag entsprechende Sachverhalt festgestellt.
Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei, die durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, daß sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist ein Verschulden des Rechtsvertreters einem Verschulden der Partei selbst gleichzusetzen. Wenn einem Angestellten des Rechtsvertreters im Zusammenhang mit der Einhaltung einer Frist ein Fehler unterläuft, hat das die Partei selbst nur dann nicht zu vertreten, wenn der Rechtsvertreter der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht gegenüber seinen Angestellten nachgekommen ist. Bloß technische Vorgänge beim Abfertigen von Schriftstücken kann ein Rechtsanwalt ohne nähere Beaufsichtigung einer verläßlichen Kanzleikraft überlassen. Es ist ihm insbesondere nicht zuzumuten, sich nach der Übergabe der Poststücke an die Kanzleikraft in jedem Fall von der tatsächlichen Durchführung der Expedierung der Sendung zu überzeugen (vgl. etwa die hg. Beschlüsse vom 24. Juni 1998, Zl. 98/01/0243, und vom 15. Oktober 1998, Zl. 97/18/0512, je mit weiteren Nachweisen).
Die Tatsache, daß der sonst verläßliche Kanzleimitarbeiter die ihm vom Beschwerdevertreter rechtzeitig zur Aufgabe beim Postamt übergebene Sendung tatsächlich erst am Tag nach Ablauf der Frist aufgegeben hat, stellt daher einen Wiedereinsetzungsgrund dar.
Dem Antrag auf Wiedereinsetzung war somit stattzugeben.
B. Zur Beschwerde:
I.
1. Die belangte Behörde hat den Bescheid vom 15. Mai 1998, mit welchem über den Beschwerdeführer ein unbefristetes Aufenthaltsverbot verhängt wurde, wie folgt begründet:
Der Beschwerdeführer befinde sich seit 18. Dezember 1989 in Österreich. Die einzige familiäre Bindung im Bundesgebiet bestehe zu einem Bruder, der mit dem Beschwerdeführer allerdings nicht im gemeinsamen Haushalt lebe.
Am 4. November 1997 sei der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens der versuchten absichtlichen schweren Körperverletzung gemäß §§ 15 und 87 Abs. 1 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 18 Monaten rechtskräftig verurteilt worden. Dem liege zugrunde, daß der Beschwerdeführer am 26. August 1997 im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit seinem Bruder versucht habe, einem anderen türkischen Staatsangehörigen durch Versetzen je eines Messerstiches in den Bereich des rechten Rippenbogens und der Lendenwirbelsäule absichtlich eine schwere Körperverletzung zuzufügen. Der schwere Verletzungserfolg sei nur zufällig ausgeblieben, weil das Messer an einer Rippe des Verletzen abgeprallt sei und daher keine Öffnung der Brusthöhle bzw. des Bauchraumes eingetreten sei.
Es sei daher nicht nur der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG erfüllt, sondern auch die in § 36 Abs. 1 leg. cit. umschriebenen Annahme gerechtfertigt. Erschwerend trete hinzu, daß der Beschwerdeführer am 21. August 1990 die Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin geschlossen habe, um sich dadurch einen Befreiungsschein und den Zugang zum inländischen Arbeitsmarkt zu verschaffen. Eine eheliche Lebensgemeinschaft habe nie bestanden. Die Ehe sei am 20. Jänner 1993 rechtskräftig für nichtig erklärt worden. Auch dieser Rechtsmißbrauch gefährde die öffentliche Ordnung in hohem Maß. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sei daher - vorbehaltlich der Bestimmungen der §§ 37 und 38 FrG - im Grund des § 36 FrG gerechtfertigt.
Aufgrund der Aufenthaltsdauer sei das Aufenthaltsverbot mit einem Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers verbunden. Angesichts der in der Straftat des Beschwerdeführers zum Ausdruck kommenden krassen Mißachtung der körperlichen Sicherheit und Gesundheit anderer Menschen sei das Aufenthaltsverbot jedoch zum Schutz der öffentlichen Ordnung, zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen und zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer dringend geboten und daher im Grund des § 37 Abs. 1 FrG zulässig.
Bei der Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 2 FrG sei zu berücksichtigen, daß die Integration des Beschwerdeführers einerseits erst durch das rechtsmißbräuchliche Eingehen einer Ehe ermöglicht worden sei und andererseits die dafür erforderliche soziale Komponente durch das strafbare Verhalten wesentlich gemindert werde. Die Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes wögen daher schwerer als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers.
Art. 14. Abs. 1 des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80 betreffend die Freizügigkeit türkischer Arbeitnehmer in den Staaten der EU mache deutlich, daß dieser Beschluß der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit nicht entgegenstehe.
In Anbetracht des aufgezeigten Gesamt(fehl)verhaltens des Beschwerdeführers könne ein Wegfall der für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Gründe in keinem absehbaren Zeitraum erwartet werden, weshalb die Maßnahme für unbefristete Zeit zu erlassen gewesen sei.
2. Die dagegen gerichtete, vom Verfassungsgerichtshof abgetretene Beschwerde enthält den an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
II.
1.1. Die Auffassung der belangten Behörde, daß vorliegend der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 (dritter Fall) verwirklicht sei, begegnet auf dem Boden der unbestrittenen maßgeblichen Sachverhaltsfeststellungen keinen Bedenken.
1.2. Gegen die Ansicht der belangten Behörde, es sei die im § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt, führt der Beschwerdeführer ins Treffen, daß das Gericht seinen bisher ordentlichen Lebenswandel und die Tatsache, daß es bei der Straftat nur beim Versuch geblieben sei, als mildernd gewertet und daher nur eine bedingte Strafe verhängt habe.
1.3. Dem ist zunächst zu entgegnen, daß die belangte Behörde die Frage des Gerechtfertigt-seins des Aufenthaltsverbotes unabhängig von den die Strafbemessung und die bedingte Nachsicht der Strafe begründenden Erwägungen des Gerichtes und ausschließlich aus dem Blickwinkel des Fremdenrechtes zu beurteilen hatte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Oktober 1998, Zl. 95/18/1352 mwN).
Daß auch eine bedingt nachgesehene Strafe ein Aufenthaltsverbot rechtfertigen kann, ergibt sich im übrigen schon aus § 36 Abs. 2 Z. 1 dritter Fall FrG.
Dem Beschwerdeführer liegt eine in bewußtem und gewolltem Zusammenwirken mit seinem Bruder begangene, versuchte absichtliche schwere Körperverletzung zur Last, wobei es unbestritten nur deshalb beim Versuch geblieben ist, weil das in den Körper des Opfers gerammte Messer zufällig von einer Rippe abgeprallt ist. In der der Beschwerde beigelegten Berufung brachte der Beschwerdeführer dazu vor, daß es sich bei dem Opfer um seinen Vermieter gehandelt habe, der ihn "auf die Straße gesetzt" habe. Aus dem Verhalten des Beschwerdeführers ist ersichtlich, daß er dazu neigt, Konflikte in völlig unangemessener Weise durch Gewalt zu "lösen". Sein weiterer Aufenthalt im Bundesgebiet stellt daher - auch unter Berücksichtigung des Umstandes, daß er nur einmal gerichtlich bestraft wurde - eine große Gefährdung der öffentlichen Sicherheit dar, weshalb die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt ist. Darüber hinaus hat die belangte Behörde zu Recht auch berücksichtigt, daß der Beschwerdeführer zum Zweck der Erlangung einer Beschäftigungs- und einer Aufenthaltserlaubnis rechtsmißbräuchlich eine - inzwischen rechtskräftig für nichtig erklärte - Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin eingegangen ist. Dieses Verhalten stellt eine erhebliche Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung (auf dem Gebiet des Fremdenwesens) dar (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa das Erkenntnis vom 4. Dezember 1997, Zl. 97/18/0097). In dem zitierten Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof zwar ausgesprochen, daß die im dort gegenständlichen Fall siebeneinhalb Jahre zurückliegende rechtsmißbräuchliche Eingehung der Ehe die in § 18 Abs. 1 Fremdengesetz, BGBl. Nr. 838/1992, (welche Bestimmung im hier maßgeblichen Umfang mit § 36 Abs. 1 FrG übereinstimmt) umschriebene Annahme nicht mehr rechtfertigte, wenn der Fremde seit Eheschließung kein relevantes Fehlverhalten gesetzt habe, doch kann daraus für den Beschwerdeführer nichts gewonnen werden, weil er sich seit der rechtsmißbräuchlichen Eheschließung eben nicht wohl verhalten hat, sondern die festgestellte strafbare Handlung begangen hat.
2.1. Die Ansicht der belangten Behörde, daß der mit dem Aufenthaltsverbot verbundene Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers zur Erreichung der in Art. 8 EMRK genannten Ziele dringend geboten und daher im Grund des § 37 Abs. 1 FrG zulässig sei, begegnet keinen Bedenken, hat doch der Beschwerdeführer durch sein Verhalten die maßgeblichen öffentlichen Interessen (Verhinderung strafbarer Handlungen, Schutz der Rechte und Freiheiten anderer, Wahrung der Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens) erheblich beeinträchtigt.
2.2. Im Lichte dessen kann es auch nicht als rechtswidrig erkannt werden, daß die belangte Behörde bei der Abwägung gemäß § 37 Abs. 2 FrG den nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes ein größeres Gewicht beigemessen hat als den gegenläufigen privaten Interessen des Beschwerdeführers. Zu Recht verwies die belangte Behörde darauf, daß das Gewicht der Dauer des inländischen Aufenthaltes dadurch relativiert werde, daß die Aufenthaltsberechtigung auf einer rechtsmißbräuchlich eingegangenen Ehe beruhe und die für die Integration maßgebliche soziale Komponente durch die Straftat gemindert werde. Ebenso zu Recht hat die belangte Behörde bei der Abwägung nicht auch ein inländisches Familienleben des Beschwerdeführers berücksichtigt, lebt er doch mit seinem Bruder unbestritten nicht im gemeinsamen Haushalt. Der Schutzumfang von § 37 FrG umfaßt die Beziehung zu anderen Verwandten als Eltern und Kindern jedoch nur dann, wenn diese Personen mit dem Fremden im gemeinsamen Haushalt leben (vgl. aus der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes etwa das zum Fremdengesetz aus 1992 ergangene, auch hier maßgebliche Erkenntnis vom 14. Dezember 1995, Zl. 95/18/1139 (zu Geschwistern und Schwägern) und das Erkenntnis vom 12. November 1998, Zl. 98/18/0319 (zu anderen Verwandten)). Den solcherart nicht schwer ins Gewicht fallenden privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Inland stehen die aufgrund des gravierenden Fehlverhaltens sehr gewichtigen öffentlichen Interessen an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes gegenüber.
3. Der Beschwerdeführer wendet sich auch gegen die unbefristete Dauer des Aufenthaltsverbotes.
Nach der hg. Rechtsprechung (vgl. das Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 99/18/0018) ist ein Aufenthaltsverbot - unter Bedachtnahme auf § 39 Abs. 1 FrG - für jene Zeitraum, nach dessen Ablauf vorhersehbarerweise der Grund für seine Verhängung weggefallen sein wird, und auf unbestimmte Zeit (unbefristet) zu erlassen, wenn ein Wegfall des Grundes für seine Verhängung nicht vorhergesehen werden kann.
Der belangten Behörde kann nicht entgegengetreten werden, wenn sie angesichts des gesamten Fehlverhaltens des Beschwerdeführers, insbesondere seiner schweren Straftat, die Auffassung vertrat, daß der Zeitpunkt des Wegfalles der für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Umstände, nämlich der Gefährdung des durch das besagte Verhalten betroffenen öffentlichen Interesses an der Verhinderung weiterer Straftaten, am Schutz der öffentlichen Ordnung und der Rechte Dritter, nicht vorhergesehen werden könne, weshalb eine Befristung nicht in Betracht komme.
Wenn der Beschwerdeführer meint, die Dauer des Aufenthaltsverbotes sei "völlig unangemessen", weil die Freiheitsstrafe für eine Probezeit von lediglich drei Jahren bedingt nachgesehen und dem Beschwerdeführer aufgrund seiner Straftat der Führerschein für nur drei Jahre entzogen worden sei, so ist ihm zu entgegnen, daß weder die Dauer der Probezeit noch die Dauer der Entziehung der Lenkerberechtigung einen Einfluß auf die allein nach fremdenrechtlichen Kriterien zu beurteilende Frage haben können, ob ein Wegfall des Grundes für die Verhängung des Aufenthaltsverbotes vorhergesehen werden kann.
4. Zu Recht hat die belangte Behörde ausgeführt, daß das Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei aus dem Jahr 1963 und der darauf gestützte Beschluß Nr. 1/80 des Assoziationsrates vom 19. September 1980 dem Aufenthaltsverbot nicht entgegensteht. Art. 14 Abs. 1 dieses Beschlusses ("Dieser Abschnitt gilt vorbehaltlich der Beschränkungen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt sind.") macht deutlich, daß die die Beschäftigung und die Freizügigkeit türkischer Arbeitnehmer regelnden Bestimmungen (Abschnitt 1 des Kapitels II des Beschlusses) der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht entgegenstehen, wenn es - wie vorliegend - aus den genannten Gründen gerechtfertigt ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 6. September 1996, Zl. 96/18/0246). Dies gilt ungeachtet der Frage, ob für den Beschwerdeführer die Regelungen betreffend die Beschäftigung und die Freizügigkeit von türkischen Arbeitnehmern nach dem genannten Assoziationsratsbeschluß tatsächlich zum Tragen kommen.
5. Der Einwand, die Verhängung des Aufenthaltsverbotes verstoße gegen das Verbot der Doppelbestrafung, geht schon deshalb ins Leere, weil es sich bei einem Aufenthaltsverbot nicht um eine Strafe, sondern um eine administrativ-rechtliche Maßnahme handelt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 1998, Zl. 98/18/0358).
Aus dem Beschwerdehinweis, daß nach der Judikatur des EuGH ein Aufenthaltsverbot nicht auf ein Verhalten gestützt werden dürfe, das bei einem Inländer zu keinen rechtlichen Konsequenzen führe, läßt sich für den Beschwerdeführer nichts gewinnen, ist doch der von ihm verwirklichte strafrechtliche Tatbestand gleichermaßen auf Inländer und Ausländer anzuwenden.
Die vom Beschwerdeführer angeregte Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH zu der Frage, ob die Anwendung von § 36 FrG "mit dem Gemeinschaftsrecht im Widerspruch steht", konnte daher unterbleiben.
6. Soweit der Beschwerdeführer meint, der im erstinstanzlichen Bescheid enthaltene, von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid übernommene Hinweis, daß das Aufenthaltsverbot "gemäß § 95 SDÜ, BGBl. III Nr. 90/1997" für alle Vertragsstaaten des Schengener Übereinkommens gelte, sei "verwirrend", weil sich Art. 95 des Schengener Durchführungsübereinkommens nicht auf Aufenthaltsverbote beziehe, ist ihm zu entgegnen, daß es sich hiebei offensichtlich um einen Schreibfehler handelt und Art. 96 des genannten Übereinkommens gemeint ist. Diese Bestimmung regelt die Ausschreibung von "Drittausländern" zur Einreiseverweigerung u.a. wegen Begehung von mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedrohten Straftaten.
Die vom Beschwerdeführer auch zu der Frage, "ob die Bestimmung des Art. 95 SDÜ ... ein Aufenthaltsverbot in allen Vertragsstaaten des Schengener Übereinkommens zuläßt", angeregte Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH konnte daher schon aus diesem Grund ebenfalls unterbleiben.
7. Dem Beschwerdevorbringen, daß die Nichtigerklärung der Ehe nicht hätte berücksichtigt werden dürfen, weil darüber ein Verfahren beim Verwaltungsgerichtshof anhängig sei, ist zu entgegnen, daß nicht die Nichtigkeit der Ehe, sondern die Versagung einer Aufenthaltsbewilligung Gegenstand des erwähnten hg. Verfahrens ist. Die in diesem Zusammenhang geltend gemachte "massive" Verletzung von Verfahrensvorschriften liegt somit nicht vor.
8. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.
9. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Wien, am 9. Februar 1999
Schlagworte
Individuelle Normen und Parteienrechte Bindung der Verwaltungsbehörden an gerichtliche Entscheidungen VwRallg9/4European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1999180015.X00Im RIS seit
12.12.2001