TE Bvwg Erkenntnis 2019/5/8 W228 2176506-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.05.2019
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Entscheidungsdatum

08.05.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs5

Spruch

W228 2176506-1/20E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Harald WÖGERBAUER als Einzelrichter in der Beschwerdesache des XXXX , geboren am XXXX 1996, Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.10.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 18.01.2019 zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 stattgegeben und wird XXXX der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.

III. Gemäß § 8 Abs. 4 AslyG 2005 wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 08.05.2020 erteilt.

IV. Die Spruchpunkte III. und IV. des angefochtenen Bescheides werden ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, hat sein Heimatland verlassen, ist illegal in das Bundesgebiet eingereist und hat am 29.07.2015 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

Bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 31.07.2015 gab der Beschwerdeführer zu seinem Fluchtgrund an, dass er im Iran geboren und aufgewachsen sei. Er sei im Iran schlecht behandelt und geschlagen worden. Aus diesem Grund habe er beschlossen, den Iran zu verlassen.

Der Beschwerdeführer wurde am 13.10.2017 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Farsi niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er an, dass seine Eltern vor 32 Jahren von Afghanistan in den Iran gezogen seien. Der Beschwerdeführer sei im Iran geboren, habe bis zu seiner Ausreise dort gelebt und habe sich nie in Afghanistan aufgehalten. Seine Eltern und seine Geschwister würden nach wie vor im Iran leben. In Afghanistan habe er niemanden. Zu seinem Fluchtgrund führte der Beschwerdeführer aus, dass sich seine Fluchtgründe ausschließlich auf den Iran beziehen würden. Er sei dort immer ein Bürger zweiter Klasse gewesen, sei beschimpft und geschlagen worden. Er sei auch von der Polizei misshandelt worden. Er habe ständig Angst vor einer Abschiebung nach Afghanistan gehabt. Nach Afghanistan könne er nicht gehen, da er dort niemanden habe und sich noch nie dort aufgehalten habe. Außerdem sei die Sicherheitslage in Afghanistan schlecht.

Mit nunmehr angefochtenem Bescheid vom 17.10.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Gemäß § 57 AsylG wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und gemäß § 10 Abs.1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Weiters wurde ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).

In der Bescheidbegründung traf die belangte Behörde Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers, zu seinem Fluchtgrund, zur Situation im Falle seiner Rückkehr und zur Lage in seinem Herkunftsstaat. Es habe keine glaubhafte Gefährdungslage festgestellt werden können. Der Beschwerdeführer habe keine Verfolgung glaubhaft machen können. Dem Beschwerdeführer könne eine Rückkehr nach Afghanistan zugemutet werden.

Gegen verfahrensgegenständlich angefochtenen Bescheid wurde mit Schreiben der damaligen Rechtsvertretung des Beschwerdeführers vom 13.11.2017 Beschwerde erhoben. Darin wurde ausgeführt, dass die im angefochtenen Bescheid getroffenen Länderfeststellungen nicht vollständig seien. Die belangte Behörde habe es unterlassen, Ermittlungen hinsichtlich Personen, die nie in Afghanistan gelebt hätten, über keine familiären Anknüpfungspunkte im Herkunftsland verfügen würden, der ethnischen Minderheit der Hazara angehören würden und zudem westlich orientiert seien, durchzuführen. Es wurde in der Folge auf eine Vielzahl an Berichten zur allgemeinen Situation in Afghanistan verwiesen und wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan als Angehöriger der Volksgruppe der Hazara einer Verfolgung ausgesetzt wäre. Zudem wäre dem Beschwerdeführer aufgrund seiner (unterstellten) politischen Überzeugung aufgrund westlicher Orientierung einer asylrelevanten Verfolgungsgefahr ausgesetzt. Zumindest hätte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer jedoch subsidiären Schutz zuerkennen müssen, zumal der Beschwerdeführer nur im Iran gelebt, sich noch nie in Afghanistan aufgehalten habe und ausschließlich im Iran sozialisiert worden sei.

Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt langten am 15.11.2017 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

Am 06.11.2018 übermittelte die damalige Rechtsvertretung des Beschwerdeführers diverse Unterlagen zur Integration des Beschwerdeführers in Österreich an das Bundesverwaltungsgericht.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde in der gegenständlichen Rechtssache am 18.01.2019 eine öffentliche mündliche Verhandlung unter Beisein des Beschwerdeführers und seiner Rechtsvertretung, sowie eines Dolmetschers für die Sprache Farsi durchgeführt. Die belangte Behörde entschuldigte ihr Fernbleiben.

Am 01.02.2019 langte eine mit 31.01.2019 datierte Stellungnahme der Rechtsvertretung des Beschwerdeführers beim Bundesverwaltungsgericht ein, in welcher zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers Stellung genommen wurde und Unterlagen betreffend seinen Gesundheitszustand übermittelt wurden.

Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichts vom 06.02.2019 wurde der Rechtsvertretung des Beschwerdeführers die Vorlage eines Befundes, auf welchen in den am 01.02.2019 übermittelten Unterlagen Bezug genommen wurde, aufgetragen.

Am 15.02.2019 wurde seitens der Rechtsvertretung des Beschwerdeführers der Befund vom 23.01.2018 an das Bundesverwaltungsgericht übermittelt.

Das Bundesverwaltungsgericht hat am 06.02.2019 eine Anfrage an die Staatendokumentation gestellt.

Am 08.04.2019 langte die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsbürger, geboren XXXX .1996. Er wurde im Iran geboren und lebte dort durchgehend bis zu seiner Ausreise nach Europa. Er hat sich noch nie in Afghanistan aufgehalten. Der Beschwerdeführer hat keine Angehörigen in Afghanistan, seine gesamte Familie lebt nach wie vor im Iran. Er verfügt weder über ein soziales noch ein familiäres Netzwerk in Afghanistan.

Der Beschwerdeführer ist volljährig und ledig. Der Beschwerdeführer gehört der Volksgruppe der Hazara an, ist schiitischer Moslem und spricht Farsi. Er hat fünf Jahre lang im Iran eine Schule für afghanische Flüchtlinge besucht. Er hat im Iran zudem auf einer Baustelle, in der Landwirtschaft und als Teppichknüpfer gearbeitet.

Der Beschwerdeführer ist illegal spätestens am 29.07.2015 in das Bundesgebiet eingereist. Es halten sich keine Familienangehörigen oder Verwandten des Beschwerdeführers in Österreich auf. Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten.

Es wird festgestellt, dass eine individuelle Bedrohung des Beschwerdeführers in Afghanistan nicht vorliegt. Es wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer keiner Bedrohung in Afghanistan ausgesetzt war und er im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan keiner Bedrohung ausgesetzt wäre.

Es wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer als Rückkehrer mit westlicher Orientierung in Afghanistan einer Verfolgung nicht ausgesetzt wäre.

Weiters wird festgestellt, dass dem Beschwerdeführer wegen seiner Zugehörigkeit zur Religionsgemeinschaft der Schiiten oder zur Volksgruppe der Hazara keine Verfolgung in Afghanistan droht.

Der Beschwerdeführer leidet an einem essenziellen Tremor mit Verschlechterung bei chronischer Stressbelastung, ebenfalls liegen stressassoziierte Schlafstörungen vor. Aus einem ärztlichen Befund vom 28.01.2019 geht hervor, dass die vor wenigen Tagen eingeleitete Therapie mit dem Medikament XXXX (2 x 10 mg) bisher noch keinen Erfolg brachte und eine langsame Dosissteigerung, vermutlich 2-3 x 40 mg, erforderlich ist.

Das Medikament XXXX ist in Afghanistan verfügbar. Eine Packung mit 50 Tabletten à 40 mg ist für AFN 200 (€ 2,32) erhältlich. Es gibt keine Unterstützung für den Kauf von Medikamenten; die Kosten sind vom Beschwerdeführer selbst zu tragen.

Der Beschwerdeführer hätte im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan mit unüberwindbaren Hindernissen, eine Arbeit zu finden, zu kämpfen und hätte Probleme ein regelmäßiges Einkommen zu lukrieren. Im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan könnte der Beschwerdeführer grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen, ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Er könnte nicht selbst für sein Auskommen und Fortkommen sorgen.

Im Falle einer Verbringung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat droht diesem ein reales Risiko einer Verletzung der Art. 2 oder 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958 (in der Folge EMRK).

Zur Situation im Herkunftsland Afghanistan wird Folgendes festgestellt:

Mazar-e Sharif:

Mazar-e Sharif ist die Hauptstadt der Provinz Balkh. Mazar-e Sharif liegt an der Autobahn zwischen Maimana und Pul-e-Khumri und ist gleichzeitig ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst.

In Mazar-e Sharif gibt es einen internationalen Flughafen, durch den die Stadt sicher zu erreichen ist.

Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans, sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan. Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften.

Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.382.155 geschätzt.

Hazara:

Die schiitische Minderheit der Hazara macht etwa 10% der Bevölkerung aus. Die Hazara besiedelten traditionell das Bergland in Zentralafghanistan, das sich zwischen Kabul im Osten und Herat im Westen erstreckt und unter der Bezeichnung Hazaradschat (azarajat) bekannt ist. Das Kernland dieser Region umfasst die Provinzen Bamyan, Ghazni, Daikundi und den Westen der Provinz Wardak. Es können auch einzelne Teile der Provinzen Ghor, Uruzgan, Parwan, Samangan, Baghlan, Balkh, Badghis, und Sar-e Pul dazugerechnet werden. Wichtige Merkmale der ethnischen Identität der Hazara sind einerseits ihr ethnisch-asiatisches Erscheinungsbild, woraus gern Schlussfolgerungen über eine turko-mongolische Abstammung der Hazara gezogen werden; andererseits gehören ethnische Hazara hauptsächlich dem schiitischen Islam an (mehrheitlich Zwölfer-Schiiten). Eine Minderheit der Hazara, die vor allem im nordöstlichen Teil des Hazaradschat leben, sind Ismailiten.

Nicht weniger wichtig als Religion und Abstammung ist für das ethnische Selbstverständnis der Hazara eine lange Geschichte von Unterdrückung, Vertreibung und Marginalisierung. Jahrzehntelange Kriege und schwere Lebensbedingungen haben viele Hazara aus ihrer Heimatregion in die afghanischen Städte, insbesondere nach Kabul, getrieben. Dennoch hat sich die Lage der Hazara, die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgt waren, grundsätzlich verbessert; vornehmlich aufgrund von Bildung und vor allem auf ökonomischem und politischem Gebiet. Hazara in Kabul gehören jetzt zu den am besten gebildeten Bevölkerungsgruppen und haben auch eine Reihe von Dichtern und Schriftstellern hervorgebracht. Auch wenn es nicht allen Hazara möglich war diese Möglichkeiten zu nutzen, so haben sie sich dennoch in den Bereichen Bildung, öffentliche Verwaltung und Wirtschaft etabliert.

So haben Hazara eine neue afghanische Mittelklasse gegründet. Im Allgemeinen haben sie, wie andere ethnische Gruppen auch, gleichwertigen Zugang zum Arbeitsmarkt. Nichtsdestotrotz, sind sie von einer allgemein wirtschaftlichen Verschlechterung mehr betroffen als andere, da für sie der Zugang zu Regierungsstellen schwieriger ist - außer ein/e Hazara ist selbst Abteilungsleiter/in. Einer Quelle zufolge existiert in der afghanischen Gesellschaft die Auffassung, dass andere ethnische Gruppierungen schlecht bezahlte Jobs Hazara geben. Einer weiteren Quelle zufolge, beschweren sich Mitglieder der Hazara-Ethnie über Diskriminierung während des Bewerbungsprozesses, da sie anhand ihrer Namen leicht erkennbar sind. Die Ausnahme begründen Positionen bei NGOs und internationalen Organisationen, wo das Anwerben von neuen Mitarbeitern leistungsabhängig ist. Arbeit für NGOs war eine Einnahmequelle für Hazara - nachdem nun weniger Hilfsgelder ausbezahlt werden, schrauben auch NGOs Jobs und Bezahlung zurück, was unverhältnismäßig die Hazara trifft.

Gesellschaftliche Spannungen bestehen fort und leben lokal in unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf; soziale Diskriminierung gegen schiitische Hazara basierend auf Klasse, Ethnie oder religiösen Ansichten finden ihre Fortsetzung in Erpressungen (illegale Steuern), Zwangsrekrutierung, Zwangsarbeit, physischer Misshandlung und Festnahmen.

Die Hazara sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 10% in der Afghan National Army und der Afghan National Police repräsentiert.

Als "verwestlicht" wahrgenommene Personen:

Berichten zufolge werden Personen von regierungsfeindlichen Kräften angegriffen, die vermeintlich Werte und/oder ein Erscheinungsbild angenommen haben, die mit westlichen Ländern in Verbindung gebracht werden, und denen deshalb unterstellt wird, die Regierung und die internationale Gemeinschaft zu unterstützen. UNHCR ist der Ansicht, dass - je nach den Umständen des Einzelfalls - für solche Personen, die tatsächlich oder vermeintlich mit der Regierung oder mit der internationalen Gemeinschaft einschließlich der internationalen Streitkräfte verbunden sind, oder diese tatsächlich oder vermeintlich unterstützen, ein Bedarf an internationalem Flüchtlingsschutz aufgrund ihrer (zugeschriebenen) politischen Überzeugung oder aufgrund anderer relevanter Gründe bestehen kann.

Dokumentierte Fälle eines gezielten Vorgehens gegen zurückkehrende Afghanen auf Grundlage einer "Verwestlichung", weil diese in Europa gereist wären oder dort gelebt hätten, westliche Ausweisdokumente in ihrem Besitz oder Ideen angenommen hätten, welche als "unafghanisch", "westlich" oder "europäisch" angesehen werden, sind spärlich. Uneinheitliche Beschreibungen aus Quellen nennen vereinzelte Berichte vermeintlicher Entführungen oder sonstige, auf Einzelne abzielende Verfolgungshandlungen, oder, dass nicht für jede Person ein Risiko besteht, aber, dass solche Handlungen vorkommen, wobei allerdings der Grad und die Verbreitung schwierig zu quantifizieren sind, oder aber, dass Verfolgung nicht spezifisch vorkomme wegen des Asylwerbens oder des Bereisens westlicher Länder.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, Volksgruppenzugehörigkeit und Religion des Beschwerdeführers ergeben sich aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers.

Der Beschwerdeführer brachte glaubhaft vor, im Iran geboren zu sein und stets dort gelebt zu haben, wohingegen er sich nie in seinem Herkunftsstaat Afghanistan aufgehalten habe, in welchem er auch über keine verwandtschaftlichen Anknüpfungspunkte verfüge.

Die Feststellung betreffend die Erkrankung sowie die Medikation des Beschwerdeführers ergibt sich aus dem vorliegenden Befund von Dr. XXXX , Facharzt für Innere Medizin, Arzt für Allgemeinmedizin, vom 28.01.2019.

Die Feststellung betreffend die Verfügbarkeit des Medikaments XXXX in Afghanistan ergibt sich aus der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 08.04.2019.

Die Feststellung, wonach der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan grundlegende Lebensbedürfnisse nicht befriedigen könnte, ergibt sich ebenfalls aus der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 08.04.2019, in welcher ausgeführt wird: "[...] a person suffering from essential tremor combined with a psychological condition would face big challenges to integrate in the local job market. [...] This young man would face probably unmanageable challenges to find a job und hence would not be able to generate a regular income."

Die Feststellung, wonach der Beschwerdeführer in Afghanistan keiner konkreten individuellen Verfolgung ausgesetzt war, beruht darauf, dass der Beschwerdeführer eine solche weder im Verfahren vor der belangten Behörde noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht behauptet hat. Der Beschwerdeführer - welcher über keinerlei unmittelbare Wahrnehmungen hinsichtlich der Gegebenheiten in seinem Herkunftsstaat verfügt - hat weder eine konkrete Verfolgung, noch eine individuelle Bedrohung durch staatliche Organe oder Privatpersonen vorgebracht. Angesichts der Tatsache, dass sich der Beschwerdeführer nie in Afghanistan aufgehalten hat, sich nie politisch betätigte und von keinen Problemen mit den Behörden seines Herkunftsstaates betroffen gewesen ist, ging die belangte Behörde zutreffend vom Nichtbestehen eines realen Risikos einer individuellen Verfolgung des Beschwerdeführers im Falle seiner Rückkehr aus, zumal auch der Beschwerdeführer selbst zu keinem Zeitpunkt ein konkretes Vorbringen in diese Richtung erstattet hat.

Auch darüber hinaus vermochte der Beschwerdeführer eine individuelle und konkrete Betroffenheit von Verfolgung aufgrund seiner Eigenschaft als Hazara und Schiiten nicht aufzuzeigen:

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer wegen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der schiitischen Minderheit der Hazara keiner Gefahr einer Verfolgung im Herkunftsstaat unterliegt, beruht auf den eigenen Angaben des Beschwerdeführers, der eine solche Bedrohung im Verfahren nicht substantiiert behauptet hat, sowie auf den Feststellungen über die Situation der Volksgruppe der Hazara im Herkunftsstaat. Dazu ist auch auf das aktuelle Urteil des EGMR vom 05.07.2016 (EGMR AM/NL, 05.07.2016, 29.094/09) zu verweisen, das insbesondere feststellt, dass auch die Angehörigkeit zur Minderheit der Hazara nicht dazu führt, dass im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan eine unmenschliche Behandlung drohen würde (in diesem Sinne auch die Revisionszurückweisungen des Verwaltungsgerichtshofs vom 10.08.2017, Ra 2017/20/0041, vom 23.01.2018, Ra 2017/18/0377-6, sowie vom 30.01.2018, Ra 2017/20/0406).

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer als Rückkehrer mit westlicher Orientierung in Afghanistan keiner Verfolgung aus diesem Grund ausgesetzt wäre, ergibt sich aus dem diesbezüglich lediglich allgemein gehaltenen Vorbringen, mit dem mögliche Gewalthandlungen gegen die Person des Beschwerdeführers nicht hinreichend substantiiert aufgezeigt wurden. Wenn in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht ausgeführt wurde, dass der Beschwerdeführer in Österreich die Schule besuche, wandern und Fahrrad fahren gehe und seine Kleidung seine westliche Orientierung unterstreiche, so ist aus diesem Vorbringen nicht ersichtlich, worin sich sein Leben in Österreich von seinem Leben im Herkunftsstaat konkret unterscheiden würde. Bezüglich der Kleidung ist festzuhalten, dass aus dem Erscheinungsbild des Beschwerdeführers keine westliche Orientierung abgeleitet werden kann. Auch kann dem Vorbringen, dass der Beschwerdeführer aufgrund seines langjährigen Aufenthaltes im Iran im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan einer Bedrohung ausgesetzt sein könnte, nicht gefolgt werden. Der Beschwerdeführer hat im Iran eine Schule für afghanische Flüchtlinge besucht und kann in einer Gesamtschau nicht erkannt werden, dass er aufgrund seines Aufenthalts im Iran einer besonderen Gefährdung ausgesetzt sein sollte.

Die Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat ergeben sich aufgrund des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation (Gesamtaktualisierung am 29.06.2018) dem EASO-Bericht "Afghanistan Security Situation - Update" vom Mai 2018 und der UNHCR-RL vom 30.08.2018.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn (Z 1) der der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder (Z 2) die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Letztere Variante traf unter Berücksichtigung der in ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 28 VwGVG vertretenen Ansicht über den prinzipiellen Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auf die gegenständliche Konstellation zu (vgl. dazu etwa VwGH 28.07.2016, Zl. Ra 2015/01/0123).

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides

Die "Glaubhaftmachung" wohlbegründeter Furcht gemäß § 3 AsylG 1991 setzt positiv getroffene Feststellungen von Seiten der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus (vgl. VwGH 11.06.1997, Zl. 95/01/0627). Im Asylverfahren stellt das Vorbringen des Asylwerbers die zentrale Entscheidungsgrundlage dar. Dabei genügen aber nicht bloße Behauptungen, sondern bedarf es, um eine Anerkennung als Flüchtling zu erwirken, hierfür einer entsprechenden Glaubhaftmachung durch den Asylwerber (vgl. VwGH 04.11.1992, Zl. 92/01/0560). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Aufgabe des Asylwerbers, durch ein in sich stimmiges und widerspruchsfreies Vorbringen, allenfalls durch entsprechende Bescheinigungsmittel, einen asylrelevanten Sachverhalt glaubhaft zu machen (VwGH 25.03.1999, 98/20/0559).

So erscheint es im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht unschlüssig, wenn den ersten Angaben, die ein Asylwerber nach seiner Ankunft in Österreich macht, gegenüber späteren Steigerungen erhöhte Bedeutung beigemessen wird (vgl. VwGH 08.07.1993, Zl. 92/01/1000; VwGH 30.11.1992, Zl. 92/01/0832; VwGH 20.05.1992, Zl. 92/01/0407; VwGH 19.09.1990, Zl. 90/01/0133). Der Umstand, dass ein Asylwerber bei der Erstbefragung gravierende Angriffe gegen seine Person unerwähnt gelassen hat (hier Schläge, Ziehen an den Haaren, Begießen mit kaltem Wasser) spricht gegen seine Glaubwürdigkeit (VwGH 16.09.1992, Zl. 92/01/0181). Die gilt umso mehr für Widersprüche (vgl. zur Erstbefragung nach § 19 Abs. 1 AsylG 2005 auch VwGH 02.01.2017, Zl. Ra 2016/18/0323, Rz 8). Auch unbestrittene Divergenzen zwischen den Angaben eines Asylwerbers bei seiner niederschriftlichen Vernehmung und dem Inhalt seines schriftlichen Asylantrages sind bei schlüssigen Argumenten der Behörde, gegen die in der Beschwerde nichts Entscheidendes vorgebracht wird, geeignet, dem Vorbringen des Asylwerbers die Glaubwürdigkeit zu versagen (Vgl. VwGH 21.06.1994, Zl. 94/20/0140). Eine Falschangabe zu einem für die Entscheidung nicht unmittelbar relevanten Thema (vgl. VwGH 30.09.2004, Zl. 2001/20/0006, zum Abstreiten eines früheren Einreiseversuchs) bzw. Widersprüche in nicht maßgeblichen Detailaspekten (vgl. VwGH vom 23.01.1997, Zl. 95/20/0303 zu Widersprüchen bei einer mehr als vier Jahre nach der Flucht erfolgten Einvernahme hinsichtlich der Aufenthaltsdauer des BFs in seinem Heimatdorf nach seiner Haftentlassung) können für sich allein nicht ausreichen, um daraus nach Art einer Beweisregel über die Beurteilung der persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers die Tatsachenwidrigkeit aller Angaben über die aktuellen Fluchtgründe abzuleiten (vgl. dazu auch VwGH 26.11.2003, Zl. 2001/20/0457). Auch oberflächlich und allgemein gehaltene Angaben, welche jeden konkreten, (insbesondere zeitlich) nachprüfbaren Anhaltspunkt vermeiden, und die trotz mehrfacher Aufforderungen, Details zu schildern, erfolgen, sind grundsätzlich geeignet, in einer schlüssigen Begründung zur Verneinung der Glaubwürdigkeit dieser Angaben betreffend eine drohende individuelle Verfolgung herangezogen zu werden (vgl. etwa VwGH 26.06.1996, Zl. 95/20/0205).

Die amtswegigen Ermittlungspflichten im Asylverfahren sind im § 18 Abs. 1 AsylG 2005 geregelt, der inhaltlich nahezu wortgleich der Vorgängerbestimmung des § 28 AsylG 1997 entspricht. Der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 28 Abs. AsylG 1997 folgend stellt diese Gesetzesstelle eine Konkretisierung der aus § 37 AVG in Verbindung mit § 39 Abs. 2 AVG hervorgehende Verpflichtung der Verwaltungsbehörden dar, den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen vollständig zu ermitteln und festzustellen, begründet aber keine über den Rahmen der angeführten Vorschriften hinausgehende Ermittlungspflicht (vgl. VwGH 08.04.2003, Zl. 2002/01/0522). Grundsätzlich obliegt es dem Asylwerber, alles Zweckdienliche, insbesondere seine wahre Bedrohungssituation in dem seiner Auffassung nach auf ihn zutreffenden Herkunftsstaat, für die Erlangung der von ihm angestrebten Rechtsstellung vorzubringen (Vgl. VwGH 31.05.2001, Zl. 2001/20/0041; VwGH 23.07.1999, Zl. 98/20/0464). Nur im Fall hinreichend deutlicher Hinweise im Vorbringen eines Asylwerbers auf einen Sachverhalt, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention in Frage kommt, hat die Behörde gemäß § 28 AsylG 1997 in geeigneter Weise auf eine Konkretisierung der Angaben des Asylwerbers zu dringen. Aus dieser Gesetzesstelle kann aber keine Verpflichtung der Behörde abgeleitet werden, Asylgründe, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat, zu ermitteln (Vgl. VwGH 14.12.2000, Zl. 2000/20/0494; VwGH 06.10.1999, Zl. 98/01/0311; VwGH 14.10.1998, Zl. 98/01/0222). Die Ermittlungspflicht der Behörde geht auch nicht soweit, den Asylwerber zu erfolgversprechenden Argumenten und Vorbringen anzuleiten (vgl. VwGH vom 21.09.2000, Zl. 98/20/0361; VwGH 04.05.2000, Zl. 99/20/0599)

Im gegenständlichen Fall sind nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes die dargestellten Voraussetzungen, nämlich eine "begründete Furcht vor Verfolgung" im Sinne von Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK, nicht gegeben.

Wie beweiswürdigend dargelegt ergibt sich aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers, welcher sein gesamtes bisheriges Leben außerhalb seines Herkunftsstaates verbracht hat, keine diesem individuell drohende Gefährdungslage im obigen Sinne.

Dass ein Angehöriger der ethnischen und religiösen Minderheit der Hazara im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit befürchten müsste, alleine wegen seiner Zugehörigkeit zu dieser Gruppe Verfolgung im Sinne eines ungerechtfertigten Eingriffs von erheblicher Intensität ausgesetzt zu sein, kann das Bundesverwaltungsgericht nicht finden:

Den oben zitierten Länderberichten ist u.a. zwar zu entnehmen, dass Schiiten - speziell jene, die der Volksgruppe der Hazara angehören - Diskriminierungen durch die sunnitische Mehrheit ausgesetzt sind und sich Diskriminierungen von Angehörigen der Volksgruppe der Hazara in Zwangsrekrutierungen, Zwangsarbeit, Festnahmen, physischem Missbrauch oder illegaler Besteuerung äußern würden. In einer Gesamtschau des vorliegenden Länderberichtsmaterials erreicht diese Gefährdung nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes jedoch gegenwärtig nicht ein Ausmaß, das die Annahme rechtfertigen würde, dass in Afghanistan lebende schiitische Hazara wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer ethnischen und religiösen Minderheit mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine asylrelevante Verfolgung zu befürchten hätten, zumal die Gefährdung dieser Minderheit angesichts der in den Länderberichten dokumentierten allgemeinen Gefährdungslage in Afghanistan, die in vielen Regionen für alle Bevölkerungsgruppen ein erhebliches Gefahrenpotential mit sich bringt, (derzeit) nicht jenes zusätzliche Ausmaß erreicht, welches notwendig wäre, um eine spezifische Gruppenverfolgung der Hazara anzunehmen. Eine Gruppenverfolgung ist auch nicht daraus ableitbar, dass Hazara allenfalls Opfer krimineller Aktivitäten werden oder schwierigen Lebensbedingungen ausgesetzt sind.

Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte geht davon aus, dass die Zugehörigkeit zur Minderheit der Hazara - unbeschadet der schlechten Situation für diese Minderheit - nicht dazu führt, dass im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan eine unmenschliche Behandlung drohen würde (EGMR 05.07.2016, 29.094/09, A.M./Niederlande; vgl. zuletzt auch VwGH 23.1.2018, Ra 2017/18/0377-6).

Da eine Gruppenverfolgung - in Hinblick auf die Religions- und Volksgruppenzugehörigkeit - von Hazara und Schiiten in Afghanistan nicht gegeben ist und der Beschwerdeführer diesbezüglich auch keine individuelle Bedrohung dargetan hat, lässt sich aus diesem Vorbringen eine asylrelevante Verfolgung des Beschwerdeführers nicht ableiten.

Soweit der Beschwerdeführer behauptete, aufgrund seiner "westlichen" Lebenseinstellung asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt zu sein, so kommt seinem Vorbringen schon deshalb keine Glaubhaftigkeit zu, weil es ihm nicht gelungen ist, eine "westliche" Orientierung in einer ihn in Afghanistan exponierenden Weise glaubhaft zu machen. Der Beschwerdeführer vermochte nicht, eine konkret und gezielt gegen seine Person gerichtete aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität, welche ihre Ursache in einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe hätte, glaubhaft zu machen. Im Übrigen ist aus den vorhandenen Länderberichten nicht ableitbar, dass alleine ein Aufenthalt in Europa und eine westliche Geisteshaltung bei Männern bei einer Rückkehr nach Afghanistan bereits mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung asylrelevanter Intensität auslösen würden (vgl. hierzu auch die hg. Ausführungen in BVwG 07.11.2016, W169 2007031-1, Pkt. I.8.); die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung, wie es der Beschwerdeführer angibt, genügt dafür nicht (vgl. VwGH 10.11.2015, Ra 2015/19/0185, mwN).

Aus dem Vorbringen zur "westlichen Einstellung" wurde somit aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts keine die Intensität von Abschnitt A Z 2 der GFK erreichende Verfolgung bei Rückkehr an den angenommenen Zielort glaubhaft gemacht.

Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides

Wird ein Asylantrag "in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten" abgewiesen, so ist dem Asylwerber gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, "wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde". Nach § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung dieses Status mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 AsylG 2005 zu verbinden.

Gemäß Art. 2 EMRK wird das Recht jedes Menschen auf das Leben gesetzlich geschützt. Abgesehen von der Vollstreckung eines Todesurteils, das von einem Gericht im Falle eines durch Gesetz mit der Todesstrafe bedrohten Verbrechens ausgesprochen worden ist, darf eine absichtliche Tötung nicht vorgenommen werden. Letzteres wurde wiederum durch das Protokoll Nr. 6 beziehungsweise Nr. 13 zur Abschaffung der Todesstrafe hinfällig. Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.

Gemäß § 8 Abs. 3 und 6 AsylG 2005 ist der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich dieses Status abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offensteht oder wenn der Herkunftsstaat des Asylwerbers nicht festgestellt werden kann. Daraus und aus mehreren anderen Vorschriften (§ 2 Abs. 1 Z 13, § 10 Abs. 1 Z 2, § 27 Abs. 2 und 4 AsylG 2005) ergibt sich, dass dann, wenn dem Asylwerber kein subsidiärer Schutz gewährt wird, sein Antrag auf interanationalen Schutz auch in dieser Beziehung förmlich abzuweisen ist.

Unter "realer Gefahr" ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen ("a sufficiently real risk") im Zielstaat zu verstehen (VwGH 19.02.2004, Zl. 99/20/0573; auch ErläutRV 952 BlgNR 22. GP zu § 8 AsylG 2005). Die reale Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen und die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Artikels 3 EMRK zu gelangen (zB VwGH 26.06.1997, Zl. 95/21/0294; 25.01.2001, Zl. 2000/20/0438; 30.05.2001, Zl. 97/21/0560). Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (vgl. VwGH 27.02.2001, Zl. 98/21/0427; 20.06.2002, Zl. 2002/18/0028; siehe dazu vor allem auch EGMR 20.07.2010, N. gg. Schweden, Zl. 23505/09, Rz 52ff; 13.10.2011, Husseini gg. Schweden, Zl. 10611/09, Rz 81ff).

Trotz der weiterhin als instabil zu bezeichnenden allgemeinen Sicherheitslage scheint eine Rückkehr nach Afghanistan im Hinblick auf die regional und sogar innerhalb der Provinzen von Distrikt zu Distrikt unterschiedliche Sicherheitslage nicht grundsätzlich ausgeschlossen.

Was die Sicherheitslage betrifft, wird seitens des erkennenden Gerichts im Hinblick auf die Länderfeststellungen zwar nicht verkannt, dass die Situation (auch) in der Stadt Mazar-e Sharif nach wie vor angespannt ist. Dennoch ist festzuhalten, dass die afghanische Regierung die Kontrolle über die Hauptstadt Kabul, größere Transitrouten, Provinzhauptstädte und fast alle Distriktszentren hat. Darüber hinaus ist Mazar-e Sharif über den Luftweg aufgrund des vorhandenen Flughafens eine sicher erreichbare Stadt.

Aus dem vorliegenden Berichtsmaterial geht hervor, dass Anschläge, insbesondere auf Einrichtungen mit Symbolcharakter, nicht auszuschließen sind und in unregelmäßigen Abständen auch stattfinden. Hierzu ist auszuführen, dass die weltweit zu verzeichnende Zunahme von Terroranschlägen für sich alleine betrachtet noch nicht die Schlussfolgerung zu tragen vermag, dass die Ausweisung in einen von Terroranschlägen betroffenen Staat automatisch gegen Art. 3 EMRK verstoßen würde bzw. für den Betroffenen unzumutbar wäre. Die verzeichneten Anschläge ereignen sich hauptsächlich im Nahebereich staatlicher Einrichtungen und richten sich mehrheitlich gezielt gegen die Regierung und internationale Organisationen sowie Restaurants, Hotels oder ähnliche Einrichtungen, in denen vorwiegend ausländische Personen verkehren. Die genannten Gefährdungsquellen sind in reinen Wohngebieten nicht anzunehmen, weshalb die Sicherheitslage in der Stadt Mazar-e Sharif nach wie vor als ausreichend sicher zu bewerten ist.

Auch wenn die Verwirklichung grundlegender sozialer und wirtschaftlicher Bedürfnisse, wie etwa der Zugang zu Arbeit, Nahrung, Wohnraum und Gesundheitsversorgung häufig nur sehr eingeschränkt möglich ist, so ist die Versorgung der afghanischen Bevölkerung in diesen Städten dennoch zumindest grundlegend gesichert.

Laut den Richtlinien des UNHCR müssen die schlechten Lebensbedingungen sowie die prekäre Menschenrechtslage von intern vertriebenen afghanischen Staatsangehörigen bei der Prüfung der Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative berücksichtigt werden, wobei angesichts des Zusammenbruchs des traditionellen sozialen Gefüges der Gesellschaft auf Grund jahrzehntelang währender Kriege, massiver Flüchtlingsströme und interner Vertreibung hierfür jeweils eine Einzelfallprüfung notwendig ist (zur Indizwirkung von UNHCR-Richtlinien vgl. u.a. VwGH 10.12.2014, Ra 2014/18/0103).

Hierzu ist auszuführen, dass es sich beim Beschwerdeführer zwar um einen alleinstehenden, jungen Mann handelt, der grundsätzlich in einem erwerbsfähigen Alter ist. Das durchgeführte Ermittlungsverfahren ergab jedoch, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner Erkrankung mit Einschränkungen und Beeinträchtigungen im Alltag konfrontiert ist. Wie festgestellt, leidet der Beschwerdeführer an einem essenziellen Tremor mit Verschlechterung bei chronischer Stressbelastung, ebenfalls liegen stressassoziierte Schlafstörungen vor. Aus einem Befund vom 28.01.2019 geht hervor, dass die vor wenigen Tagen eingeleitete Therapie mit dem Medikament XXXX (2 x10 mg) bisher noch nichts gebracht hat und eine langsame Dosissteigerung, vermutlich 2-3 x 40 mg, erforderlich ist.

Diese besondere Vulnerabilität ist bei der Beurteilung, ob dem Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat eine Verletzung seiner durch Art 2 und 3 EMRK geschützten Rechte droht, im Speziellen zu berücksichtigen (vgl VwGH 30.8.2017, Ra 2017/18/0089, mwN; 30.8.2017, Ra 2017/18/0036, mwN). Dies erfordert insbesondere eine konkrete Auseinandersetzung damit, welche Rückkehrsituation der Beschwerdeführer tatsächlich vorfindet, insbesondere unter Berücksichtigung der dort herrschenden Sicherheitslage und Bewegungsfreiheit (vgl jüngst VwGH 21.3.2018, Ra 2017/18/0474 bis 0479-9).

Aus dem Befund vom 28.01.2019 geht hervor, dass sich der essenzielle Tremor typischerweise in Stresssituationen verstärkt. Es ist davon auszugehen, dass eine Rückkehr des Beschwerdeführers nach Afghanistan, folglich in ein Land, in dem er sich noch nie aufgehalten hat und in dem er auch über keine familiären Anknüpfungspunkte verfügt, eine solche Stresssituation darstellen würde. Der Beschwerdeführer wäre somit gerade in den Anfängen seiner Rückkehr nach Afghanistan - in denen er sich auf eine zügige Wohnraum- und Arbeitssuche konzentrieren müsste - einer zusätzlichen Beeinträchtigung durch mögliche Verschlechterungen seiner Erkrankung ausgesetzt.

Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführer im Iran geboren ist, stets dort gelebt hat, sich nie in Afghanistan aufgehalten hat und er über kein familiäres oder soziales Netzwerk in Afghanistan verfügt. Der Beschwerdeführer wäre somit zu einem gänzlichen Neuanfang gezwungen. Der Beschwerdeführer wäre im Falle einer Neuansiedelung in Mazar-e Sharif somit vor die Herausforderung gestellt, trotz seiner Erkrankung eine Arbeitsstelle zu finden und sich eine Lebensgrundlage zu schaffen. Die Situation am afghanischen Arbeitsmarkt ist aber generell angespannt. Aus der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 08.04.2019 geht hervor, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan mit unüberwindbaren Hindernissen, eine Arbeit zu finden, zu kämpfen hätte und Probleme hätte, ein regelmäßiges Einkommen zu lukrieren. Das erkennende Gericht geht davon aus, dass der Beschwerdeführer nicht als ausreichend leistungsfähig angesehen werden kann, um sich in einer fremden Stadt ohne jegliche Unterstützung selbständig eine Existenzgrundlage aufbauen zu können.

Der Beschwerdeführer ist überdies aufgrund seiner Erkrankung gezwungen, regelmäßig Medikamente einzunehmen. Wie festgestellt, gibt es in Afghanistan keine Unterstützung für den Kauf von Medikamenten. Der Beschwerdeführer würde somit zusätzlich zu den allgemeinen Lebenshaltungskosten in Mazar-e Sharif für Wohnraum und Nahrung auch noch dauerhaft finanzielle Mittel benötigen, um die Kosten seiner erforderlichen Medikamente abzudecken. Der Beschwerdeführer könnte vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Arbeitsmarktsituation in Afghanistan und im Lichte seines Wettbewerbsnachteils, den er aufgrund seiner Erkrankung zu tragen hat, bestenfalls als Tagelöhner oder Hilfsarbeiter tätig sein. Dass er hierdurch ein ausreichendes Einkommen erzielen würde, um sowohl die Kosten für eine adäquate Unterkunft und ausreichend Nahrung als auch für seine erforderlichen Medikamente zu stemmen, ist nicht zu gewärtigen.

Unter Berücksichtigung der dargelegten allgemeinen Gegebenheiten im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers und der - insbesondere unter dem Aspekt seiner Erkrankung und mangelnden Unterstützungsfähigkeit seiner Familie - aufgezeigten persönlichen Umstände des Einzelfalls des Beschwerdeführers erscheint es insgesamt nicht möglich, dass der Beschwerdeführer in Mazar-e Sharif Fuß fasst und dort ein Leben ohne unbillige Härten führen kann, wie es auch andere Landsleute führen (vgl VwGH 23.1.2018, Ra 2018/18/0001). Auch eine drohende Verletzung seiner Rechte unter dem Gesichtspunkt ökonomischer Überlegungen ist zu bejahen, da der Beschwerdeführer aufgrund einer Zurückführung in eine ausweglose Situation geraten würde.

Der erkennende Richter hat sogleich die Prüfung einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Mazar-e Sharif durchgeführt, ohne die Herkunftsprovinz Daikundi des Beschwerdeführers zu prüfen, da dort eine ausreichende Versorgung mit Medikamenten und öffentlichen Spitälern nicht gegeben ist.

Dem Beschwerdeführer würde daher vor dem Hintergrund der dargelegten Erkenntnisquellen unter Berücksichtigung der ihn betreffenden individuellen, exzeptionellen Umstände bei einer Rückkehr nach Afghanistan die reale Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung drohen, wobei eine innerstaatliche Fluchtalternative aus den dargelegten Erwägungen nicht zumutbar ist. Es ist damit dargetan, dass seine Abschiebung eine Verletzung in seinen Rechten nach Art 3 EMRK darstellen würde.

Ausschlussgründe nach § 8 Abs 3a iVm § 9 Abs 2 AsylG liegen nicht vor, weil sie einerseits nicht hervorgekommen sind (§ 9 Abs 2 Z 1 und 2 AsylG) und der Beschwerdeführer andererseits unbescholten ist (Z 3 leg cit).

Daher war der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides stattzugeben und dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuzuerkennen.

Zu Spruchpunkt III. - Erteilung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung

Gemäß § 8 Abs 4 AsylG ist einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, von der zuerkennenden Behörde gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl für jeweils zwei weitere Jahre verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.

Im gegenständlichen Fall ist dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuzuerkennen.

Daher ist dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 4 AsylG gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter für die Dauer eines Jahres zu erteilen.

Zu Spruchpunkt IV. - Ersatzlose Behebung der Spruchpunkte III. und IV. des angefochtenen Bescheides:

Im gegenständlichen Fall ist dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuzuerkennen.

Da die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung einer Rückkehrentscheidung und die Festsetzung einer Frist für die freiwillige Ausreise somit nicht mehr vorliegen, sind die Spruchpunkte III und IV. des angefochtenen Bescheides ersatzlos zu beheben (vgl dazu auch VfGH 13.9.2013, U 370/2012; VwGH 4.8.2016, Ra 2016/21/0162).

Es ist somit spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs.1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs.4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.

Schlagworte

befristete Aufenthaltsberechtigung, Glaubhaftmachung,
Gruppenverfolgung, individuelle Gefährdung, Lebensgrundlage,
mangelnde Asylrelevanz, psychische Erkrankung, Religion,
Sicherheitslage, subsidiärer Schutz, Volksgruppenzugehörigkeit,
vulnerable Personengruppe, westliche Orientierung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W228.2176506.1.00

Zuletzt aktualisiert am

27.06.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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