TE Vwgh Beschluss 2019/4/25 Ra 2019/19/0114

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.04.2019
beobachten
merken

Index

19/05 Menschenrechte
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §4a
AsylG 2005 §55
BFA-VG 2014 §9 Abs2
BFA-VG 2014 §9 Abs2 Z8
BFA-VG 2014 §9 Abs3
FrPolG 2005 §61
MRK Art8

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens sowie die Hofräte Mag. Stickler und Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, in der Revisionssache des H A C, vertreten durch Dr.in Julia Ecker, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Opernring 7/18, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 31. Jänner 2019, W165 2121638-3/4E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Somalias, stellte bereits in den Jahren 2015 und 2017 Anträge auf internationalen Schutz in Österreich, die jeweils gemäß § 4a AsylG 2005 zurückgewiesen wurden, da ihm bereits in Italien der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden war.

2 Am 14. August 2017 stellte der Revisionswerber den dritten, gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Begründend brachte er vor, dass er bei seiner Familie - seine Frau, eine Tochter und ein während des anhängigen Verfahrens geborener Sohn, denen in Österreich der Status der Asylberechtigten zuerkannt worden sei - sein wolle. 3 Mit Bescheid vom 17. November 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Revisionswerbers gemäß § 4a AsylG 2005 als unzulässig zurück, sprach aus, dass sich der Revisionswerber nach Italien zurückzubegeben habe, erteilte ihm keine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß § 57 AsylG 2005, ordnete seine Außerlandesbringung an und sprach aus, dass seine Abschiebung nach Italien zulässig sei. 4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wie das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) - ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung - die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei. 5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 8 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, es fehle Rechtsprechung zur Frage, ob § 4a AsylG 2005 auch auf Anträge zur Anwendung gelange, über die ein Familienverfahren gemäß § 34 AsylG 2005 durchzuführen sei, und ob im Sinne des Art. 8 EMRK nicht § 34 AsylG 2005 Vorrang vor § 4a AsylG 2005 zukomme. Auch seien die Beweiswürdigung und die Feststellungen hinsichtlich des Bestehens einer Ehe des Revisionswerbers mangelhaft. Es sei fraglich, ob der Revisionswerber bei einer Rückkehr nach Italien tatsächlich Unterstützung erhalten könne. Auch sei die Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK unvertretbar, weil keine hinreichende Auseinandersetzung mit der Frage erfolgt sei, ob und wo ein gemeinsames Familienleben tatsächlich möglich sei. Das BVwG habe auch nicht berücksichtigt, dass das Familienleben nicht erst in Österreich, sondern schon vor der Flucht begründet worden sei. Schließlich seien dem BVwG Ermittlungsmängel unterlaufen, es sei bei der Anordnung zur Außerlandesbringung keine Einzelfallprüfung vorgenommen worden und die mündliche Verhandlung sei zu Unrecht unterblieben.

9 Insoweit die Revision Rechtsfragen betreffend das Verhältnis von § 34 AsylG 2005 zu § 4a AsylG 2005 aufwirft, gleicht die vorliegende Rechtssache in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht jener, die vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 4. März 2019, Ra 2019/14/0023, entschieden wurde.

10 In diesem Erkenntnis, auf dessen Begründung gemäß § 43 Abs. 2 iVm Abs. 9 VwGG verwiesen wird, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass das Vorliegen der Voraussetzungen des § 4a AsylG 2005 ein Prozesshindernis für eine inhaltliche Behandlung eines Antrages auf internationalen Schutz bzw. eine Sachentscheidung (auch) nach § 34 AsylG 2005 begründet. 11 Vor diesem Hintergrund geht auch das Vorbringen der Revision, insoweit es sich in Zusammenhang mit § 34 AsylG 2005 auf das Bestehen einer Ehe des Revisionswerbers bezieht, ins Leere. 12 Insoweit die Revision lediglich allgemein die tatsächliche Unterstützung des Revisionswerbers als subsidiär Schutzberechtigter in Italien in Frage stellt, legt sie damit eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung, von deren Lösung die Entscheidung über die Revision abhängt, nicht dar.

13 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme (hier: Anordnung zur Außerlandesbringung) unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalls eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen, insbesondere unter Berücksichtigung der im § 9 Abs. 2 BFA-VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA-VG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen (vgl. grundlegend VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101). 14 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel (vgl. etwa VwGH 12.12.2018, Ra 2018/19/0521, mwN).

15 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine Trennung von Ehepartnern nur dann gerechtfertigt, wenn dem öffentlichen Interesse an der Vornahme der aufenthaltsbeendenden Maßnahme ein sehr großes Gewicht beizumessen ist, wie etwa bei Straffälligkeit des Fremden (vgl. etwa VwGH 11.11.2013, 2013/22/0224, und 7.5.2014, 2012/22/0084), oder bei einer von Anfang an beabsichtigten Umgehung der Regelungen über eine geordnete Zuwanderung und den "Familiennachzug" (vgl. etwa VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0271; 23.2.2017, Ra 2016/21/0235; 6.9.2018, Ra 2018/18/0026; jeweils mwN). So hat der Verwaltungsgerichtshof in Fällen, in denen ein Fremder seinen in Österreich aufenthaltsberechtigten Familienangehörigen (Ehegatten bzw. Kindern) nachgereist war und einen Antrag auf internationalen Schutz bzw. auf Erteilung eines Aufenthaltstitels missbräuchlich zur von Anfang an beabsichtigten Umgehung der Regeln über den Familiennachzug gestellt hatte, festgehalten, dass in solchen Konstellationen das öffentliche Interesse besonders schwer wiegt, zumal von den Beteiligten nicht von einem (rechtmäßigen) Verbleib in Österreich ausgegangen werden konnte (vgl. VwGH 23.1.2019, Ra 2018/19/0683, mwN).

16 In diesem Sinn hat das BVwG im Rahmen seiner Interessenabwägung zu Recht darauf Bedacht genommen, dass der Revisionswerber nach seiner jeweiligen Abschiebung nach Italien dreimal wieder illegal in Österreich einreiste und neuerliche Anträge auf internationalen Schutz stellte, die er gleichbleibend lediglich mit dem Wunsch nach einem gemeinsamen Familienleben begründete.

17 Auch darf nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei der Gewichtung der für den Fremden sprechenden Umstände im Sinn des § 9 Abs. 2 Z 8 BFA-VG maßgeblich relativierend einbezogen werden, dass er sich seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste (vgl. etwa VwGH 13.11.2018, Ra 2018/21/0205, mwN).

18 Im Einklang mit dieser Rechtsprechung hat das BVwG im Rahmen seiner Interessenabwägung berücksichtigt, dass die "Wiederaufnahme" des Familienlebens des Revisionswerbers mit seiner Ehefrau durch seine unrechtmäßige Einreise in das Bundesgebiet anlässlich der erstmaligen Asylantragstellung im Jahr 2015 zu einem Zeitpunkt erfolgte, zu dem diesen der unsichere Aufenthaltsstatus bewusst sein musste, und dass die Geburt der beiden gemeinsamen Kinder im Zeitraum nach dem rechtskräftigen negativen Abschluss des ersten Asylverfahrens des Revisionswerbers erfolgte. Der Revisionswerber konnte daher zu keinem Zeitpunkt von einem rechtmäßigen Verbleib in Österreich ausgehen, sodass das BVwG zu Recht davon ausgehen konnte, dass die familiären Interessen gegenüber dem öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung in den Hintergrund tritt (vgl. zu einem ähnlichen Fall VwGH 23.1.2019, Ra 2018/19/0683).

19 Vor diesem Hintergrund zeigt die Revision nicht auf, dass das Ergebnis der Interessenabwägung fallbezogen als unvertretbar anzusehen wäre.

20 Insoweit die Revision pauschal und ohne Bezug zum vorliegenden Verfahren ein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den Ermittlungspflichten im Asylverfahren behauptet, legt sie die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht dar (vgl. zum Erfordernis der Relevanzdarstellung etwa VwGH 23.1.2019, Ra 2018/19/0580, mwN). 21 Wenn die Revision schließlich behauptet, es seien im vorliegenden Verfahren "besondere Umstände" vorgelegen, wegen derer eine mündliche Verhandlung durchzuführen gewesen wäre, legt sie damit nicht dar, inwiefern die Revision von den Leitlinien des Verwaltungsgerichtshofes zur Verhandlungspflicht im Zulassungsverfahren abgewichen sein sollte (vgl. dazu grundlegend VwGH 30.6.2016, Ra 2016/19/0072).

22 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Wien, am 25. April 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019190114.L00

Im RIS seit

09.07.2019

Zuletzt aktualisiert am

09.07.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten