TE Vwgh Beschluss 2019/4/29 Ra 2019/20/0154

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Veröffentlicht am 29.04.2019
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

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Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Mag. Schindler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, in der Rechtssache der Revision des N U in W, vertreten durch Mag. Nadja Lindenthal, Rechtsanwältin in 1070 Wien, Siebensterngasse 23/3, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. März 2019, Zl. W261 2168854- 1/22E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 6. Oktober 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Begründend führte der Revisionswerber zusammengefasst aus, sein Bruder sei von den Taliban gezwungen worden, für diese zu kämpfen und in weiterer Folge getötet worden. Seine Familie sei deshalb in das Visier der Regierung geraten. Im Fall seiner Rückkehr befürchte er eine Verfolgung und Zwangsrekrutierung durch die Taliban.

2 Mit Bescheid vom 10. August 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag des Revisionswerbers auf internationalen Schutz ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei und legte eine 14-tägige Frist für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest. 3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis - nach Durchführung einer Verhandlung - als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 7 Die Revision bringt zunächst zur Begründung ihrer Zulässigkeit vor, das BVwG habe die Beweiswürdigung zum Fluchtvorbringen in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen, weil es zur Begründung einseitig und tendenziös Feststellungen aus den Länderberichten gewählt und es unterlassen habe, näher bezeichnete vom Revisionswerber im Verfahren vorgelegte Länderinformationen, insbesondere das Gutachten von F.S. zu berücksichtigen.

8 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes ist dieser - als Rechtsinstanz - zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat. Der - zur Rechtskontrolle berufene - Verwaltungsgerichtshof ist nicht berechtigt, eine Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. VwGH 19.4.2018, Ra 2018/20/0157, mwN).

9 Eine derartige Fehlbeurteilung vermag die Revision nicht aufzuzeigen. Das BVwG hat sich - nach Durchführung einer Verhandlung - mit dem Vorbringen des Revisionswerbers in einer auf den Einzelfall Bedacht nehmenden, umfassenden Beweiswürdigung auseinandergesetzt und ist in nicht unvertretbarer Weise zum Ergebnis gelangt, dieser habe keine asylrelevante Verfolgung glaubhaft machen können.

10 Insoweit der Revisionswerber die beweiswürdigenden Überlegungen zur Stichhaltigkeit des Fluchtvorbringens auch im Zusammenhang mit den Länderberichten angreift und die Nichtberücksichtigung von vorgelegten Länderberichten und Vorbringen des Revisionswerbers sowie Begründungsmängel behauptet, macht er weitere Verfahrensmängel geltend. Werden solche Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für die Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt (in Bezug auf Feststellungsmängel) voraus, dass - auch in der gesonderten Begründung für die Zulässigkeit der Revision zumindest auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. VwGH 24.10.2018, Ra 2018/14/0107, mwN). Die Revision wird diesen Anforderungen nicht gerecht.

11 Entgegen dem Revisionsvorbringen setzte sich das BVwG mit der ins Treffen geführten Abhandlung von F.S. auseinander und legte im Rahmen seiner nicht als unvertretbar zu erkennenden Beweiswürdigung dar, weshalb es dieser nicht folgte (vgl. Seite 25 des Erkenntnisses). Zudem stützte sich das BVwG auch auf begründete Zweifel an der persönlichen Glaubwürdigkeit des Revisionswerbers in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG und näher dargelegte Widersprüche bzw. Ungereimtheiten in dessen Vorbringen. Die Revision spricht weiters eine mangelnde Berücksichtigung der Minderjährigkeit des Revisionswerbers bei Erleben der vorgebrachten Fluchtgründe an, zeigt jedoch nicht auf, welche konkreten Erwägungen vor dem Hintergrund der Minderjährigkeit des Revisionswerbers anzustellen gewesen wären (vgl. VwGH 3.5.2018, Ra 2018/19/0171, mwN).

12 Die Revision vermag zur Frage, ob subsidiärer Schutz zuzuerkennen sei, nicht darzulegen, inwiefern das BVwG von den durch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aufgestellten Leitlinien betreffend die Beurteilung des Vorliegens einer innerstaatlichen Fluchtalternative abgewichen wäre (vgl. dazu VwGH 23.1.2018, Ra 2018/18/0001).

13 Das BVwG traf im angefochtenen Erkenntnis konkrete, sowohl die persönliche Situation des Revisionswerbers als auch die allgemeine Lage (Sicherheits- und Versorgungslage) im Herkunftsstaat betreffende Feststellungen. So führte das BVwG einzelfallbezogen aus, dass es sich beim Revisionswerber um einen jungen Mann im erwerbsfähigen Alter handle, der zwar keine Schule besucht habe und Analphabet sei, aber über Berufserfahrungen in der Landwirtschaft, als Maler und im Verkauf verfüge, sowie Sprachkenntnisse unter anderem in Patschu und Dari aufweise. Das BVwG berücksichtigte auch den Umstand, dass der Revisionswerber Afghanistan im Alter von ungefähr 14 Jahren verlassen und anschließend über Pakistan, den Iran und die Türkei nach Griechenland gelangt sei, wo er sechs Jahre gelebt habe. Es beachtete, dass beim Revisionswerber aufgrund einer funktionellen Dysphonie mit ausgeprägten Taschenbandpressen Einschränkungen der alltäglichen Kommunikationsfähigkeit gegeben seien, weil er etwas leiser spreche und der Stimmklang im Sinn einer Heiserkeit gestört sei, er jedoch ansonsten gesund sei. Vor dem Hintergrund der fallbezogenen die individuelle Situation des Revisionswerbers näher beleuchtenden Feststellungen des BVwG vermag die Revision keine besonderen Umstände aufzuzeigen, weshalb dem Revisionswerber ein Leben in Mazar-e Sharif als innerstaatliche Fluchtalternative nicht zumutbar wäre.

14 Im Hinblick auf das Zulässigkeitsvorbringen, das BVwG hätte aufgrund des vorliegenden Befundes, in welchem zum Erhalt der Berufsunfähigkeit eine weitere Behandlung angeraten werde, durch Einholung eines medizinischen Gutachtens klären müssen, ob und inwieweit diese Erkrankung Einfluss auf die Berufsfähigkeit habe, ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach die Frage, ob amtswegige Erhebungen erforderlich sind, keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung darstellt, weil es sich dabei um eine einzelfallbezogene Beurteilung handelt. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG läge nur dann vor, wenn diese Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre und zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Ergebnis geführt hätte (vgl. VwGH 10.9.2018, Ra 2018/19/0390). 15 Entgegen dem Vorbringen in der Revision befasste sich das BVwG mit der vorgelegten Verordnung einer logopädischen Therapie und sah das Vorliegen der darin enthaltenen Diagnose einer funktionellen Dysphonie mit ausgeprägten Taschenbandpressen als erwiesen an. Aufgrund des persönlichen Eindrucks im Rahmen der Verhandlung, wonach der Revisionswerber ohne weitere Beeinträchtigung ohne weiteres in der Lage gewesen sei, sein Vorbringen zu erstatten und sich umfassend zu den gestellten Fragen für die Dolmetscherin leicht verständlich zu äußern, kam es zum Schluss, dass der Beschwerdeführer zwar leiser spreche und eine "krächzende" Stimmlage habe, aber diese Erkrankung den Revisionswerber nicht maßgeblich daran hindern werde, einen Arbeitsplatz zu finden. Dies finde auch darin eine Stütze, dass diese körperliche Beeinträchtigung ihn auch bisher nicht gehindert habe, beruflich tätig zu sein und als Maler oder Verkäufer zu arbeiten. Das greift die Revision nicht an. Es kann daher fallbezogen nicht als fehlerhaft erkannt werden, dass sich das BVwG bei dieser Sachlage nicht veranlasst sah, von Amts wegen eine Begutachtung des Gesundheitstandes des Revisionswerbers vorzunehmen.

16 Wenn die Revision weiters bemängelt, das BVwG hätte zur Klärung der Frage, ob bei einer Nichtbehandlung mit einer Verschlimmerung zu rechnen sei, die zu einer Berufsunfähigkeit führe, ein Sachverständigengutachten einholen müssen, stellt sie lediglich die abstrakte Möglichkeit einer solchen in den Raum (vgl. VwGH 15.3.2018, Ra 2018/20/0090).

Der im Beschwerdeverfahren vertretene Revisionswerber stellte im Übrigen - worauf lediglich der Vollständigkeit halber hingewiesen wird - auch keinen Antrag auf Beiziehung eines medizinischen Sachverständigen.

17 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Wien, am 29. April 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019200154.L00

Im RIS seit

10.07.2019

Zuletzt aktualisiert am

10.07.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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