TE Vwgh Erkenntnis 2019/4/29 Ra 2019/16/0091

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Veröffentlicht am 29.04.2019
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/07 Verwaltungsgerichtshof
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht

Norm

BAO §279 Abs1
BAO §93 Abs2
VwGG §34 Abs1
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Thoma als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., in der Revisionssache der G S in O, vertreten durch die Rechtsanwälte Steflitsch OG in 7400 Oberwart, Hauptplatz 14, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Burgenland vom 22. Februar 2019, Zl. E G03/06/2018.004/005, betreffend Gebühr für die Benützung einer Abfallsammelstelle, (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Gemeinderat der Stadtgemeinde Oberwart; weitere Partei: Burgenländische Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Die Revisionswerberin und ihr Ehemann Dr. S. waren seit dem Jahr 1997 je zur Hälfte Eigentümer einer Liegenschaft in der Gemeinde Oberwart.

2 Am 12. August 2017 verstarb Dr. S. und mit Beschluss des Bezirksgerichtes Oberwart vom 30. November 2017 wurde der Nachlass nach Dr. W.S. der Revisionswerberin als Erbin zur Gänze eingeantwortet.

3 Mit Erledigung vom 21. Juni 2018, welche nach dem Adressfeld an "Verlassenschaft nach W. S. Rechtsnachfolger (Anschrift)" erging, schrieb der Bürgermeister der Stadtgemeinde Oberwart eine Abfallbehandlungsabgabe in näher angeführter Höhe vor, wobei im Spruch als "Anschlusspflichtiges Objekt" die Anschrift der in Rede stehenden Liegenschaft angeführt ist und darunter aufscheint:

4 "Bescheidadressat(en)

Name

Adresse

(Revisionswerberin) (Anschrift)

W.S.

(Anschrift)"

5 Mit Schriftsatz vom 11. Juli 2018 erhob die Revisionswerberin dagegen Berufung.

6 Der Gemeinderat der Stadtgemeinde Oberwart entschied mit Bescheid vom 10. September 2018 über die "rechtzeitig eingelangte Beschwerde" mit folgendem Spruch:

"Der als Beschwerde zu wertende Einspruch gegen den Bescheid des Bürgermeisters vom 21.06.2018, Zl. ..., betreffend die Vorschreibung der Abfallbehandlungsabgabe für das Objekt (Anschrift) wird gem. § 288 Bundesabgabenordnung abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt."

7 Die Revisionswerberin erhob mit Schriftsatz vom 18. September 2018 dagegen Beschwerde.

8 Mit dem angefochtenen Erkenntnis sprach das Landesverwaltungsgericht Burgenland aus, dass der Spruch des vor ihm bekämpften Bescheides wie folgt abgeändert werde:

"Gemäß § 260 Abs. 1 lit. a der Bundesabgabenordnung (BAO) in Verbindung mit § 288 Abs. 1 BAO wird die Berufung vom 11.07.2018 als nicht zulässig zurückgewiesen."

9 Das Landesverwaltungsgericht sprach weiters aus, dass eine Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.

10 Im Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Oberwart sei als Bescheidadressat "(die Revisionswerberin) und W.S."

angeführt. Der Hinweis im Bescheid auf die Zustellfiktion des § 101 BAO zeige, dass die Behörde offensichtlich von einem Gesamtschuldverhältnis dieser beiden Personen als Miteigentümer ausgegangen sei. Die Behörde habe - da Dr. W.S. zum Zeitpunkt der Erstellung des erstinstanzlichen "Bescheides" bereits verstorben war - im Adressfeld die "Verlassenschaft" als Empfängerin des Schriftstückes angeführt. Zu diesem Zeitpunkt sei der Nachlass der Revisionswerberin allerdings bereits eingeantwortet gewesen. Daher wäre die Revisionswerberin als Alleineigentümerin des Grundstücks die korrekte Bescheidadressatin gewesen. Zwar würde im Spruch als Bescheidadressatin auch die Revisionswerberin als eine der beiden Gesamtschuldner genannt, allerdings werde im Adressfeld die "Verlassenschaft nach Dr. S. Rechtsnachfolger" verfügt, welche zu diesem Zeitpunkt nicht mehr parteifähig gewesen sei. Bei der "Verlassenschaft" habe es sich um einen falschen Empfänger gehandelt. Damit liege im Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Oberwart kein gegenüber der Revisionswerberin rechtswirksam erlassener Bescheid vor. Die Abgabenbehörde zweiter Instanz wäre nicht zur Erlassung einer Sachentscheidung über die dagegen erhobene Berufung berechtigt, sondern hätte diese Berufung als unzulässig zurückweisen müssen.

11 Die dagegen erhobene außerordentliche Revision legte das Landesverwaltungsgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens dem Verwaltungsgerichtshof vor.

12 Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

13 Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nicht gebunden; er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

14 Die Revisionswerberin trägt zur Zulässigkeit ihrer Revision zunächst vor, das Verwaltungsgericht habe die §§ 260 und 288 BAO krass falsch angewendet. Es habe die Sachentscheidung der Berufungsbehörde in eine zurückweisende Formalentscheidung abgeändert. Aus der gewählten Entscheidungsform eines "Erkenntnisses" sei abzuleiten, dass das Verwaltungsgericht die Zurückweisung der Berufung als Berufungsvorentscheidung getroffen habe, was nach § 288 Abs. 3 BAO unzulässig sei. Zu dieser Vorgangsweise liege bislang keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor.

15 Gemäß § 279 Abs. 1 BAO hat das Verwaltungsgericht außer in hier nicht interessierenden Fällen des § 278 leg. cit. immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.

16 Besteht wie im Revisionsfall ein zweistufiger Instanzenzug für Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereichs der Gemeinden, so gelten gemäß § 288 Abs. 1 BAO für das Berufungsverfahren die für Bescheidbeschwerden und für den Inhalt der Berufungsentscheidungen die für Beschwerdevorentscheidungen anzuwendenden Bestimmungen sinngemäß, sind gemäß § 288 Abs. 2 BAO im Berufungsverfahren die §§ 278 und 279 Abs. 3 leg. cit. (Aufhebung unter Zurückverweisung, Bindung an die Rechtsanschauung) nicht anzuwenden und sind gemäß § 288 Abs. 3 BAO die §§ 262 bis 264 leg. cit. (Beschwerdevorentscheidung, Vorlageantrag) weder im Berufungsverfahren noch im Beschwerdeverfahren anzuwenden. 17 Die Abänderungsbefugnis des Verwaltungsgerichtes nach § 279 Abs. 1 BAO (insoweit ergab sich keine Änderung gegenüber der Abänderungsbefugnis der Abgabenbehörde zweiter Instanz nach § 289 Abs. 2 BAO idF vor der Verwaltungsgerichtsbarkeitsreform - FVwGG 2012, BGBl. I Nr. 14/2013) erfasst zweifelsfrei auch die Befugnis, eine meritorische Entscheidung der Abgabenbehörde über einen nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes unzulässigen Antrag dahingehend abzuändern, dass der Antrag als unzulässig zurückgewiesen wird (vgl. VwGH 24.2.2011, 2011/16/0020, und VwGH 2.3.2006, 2002/15/0017). Ob es sich dabei um einen unzulässigen Antrag (wie etwa einen bei der Abgabenbehörde gestellten Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens oder auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand) handelt, über den die Abgabenbehörde meritorisch entschieden hat, oder um eine bei zweistufigem Instanzenzug in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereichs der Gemeinden vorgesehene Berufung, über welche die Abgabenbehörde zweiter Instanz meritorisch entschieden hat, ist nicht ausschlaggebend.

18 Hat das Verwaltungsgericht daher im Revisionsfall die von der Revisionswerberin mit Berufung bekämpfte Erledigung des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Oberwart als Nichtbescheid gesehen, weil es diese Erledigung an die im Zeitpunkt der Erledigung nicht mehr bestehende Verlassenschaft nach Dr. W.S. gerichtet ansah, und die Berufung deshalb als unzulässig gewertet (vgl. dazu etwa VwGH 30.3.2006, 2004/15/0005), so hat es folgerichtig im Rahmen seiner Änderungsbefugnis nach § 279 Abs. 1 BAO mit Erkenntnis den vor ihm bekämpften, über die Berufung meritorisch absprechenden Bescheid des Gemeinderates der Stadtgemeinde Oberwart abgeändert.

19 Die Revisionswerberin trägt zur Zulässigkeit ihrer Revision weiters vor, das Verwaltungsgericht habe in seine rechtlichen Erwägungen zur "falschen Empfängerbezeichnung" im Fall der Gesamtrechtsnachfolge durch Einantwortung als Erbe die Neuregelung des Erbrechts durch das ErbRÄG 2015, insbesondere die §§ 546 ff ABGB, nicht miteinbezogen. Welche konkrete Rechtsfrage sich hiebei stelle, von welcher die Lösung der Revision abhinge, formuliert die Revisionswerberin nicht.

20 Die Revisionswerberin moniert anschließend, das Verwaltungsgericht verkenne, dass in der Adressierung ausdrücklich "Rechtsnachfolger" aufscheine. Rechtsprechung zur Frage, ob die Zustellung eines Bescheides an den Gesamtrechtsnachfolger wirksam sei, wenn sich aus der Adressierung ergebe, dass der Bescheid den "Rechtsnachfolger" angehe, sei nicht ersichtlich.

21 Gemäß § 93 Abs. 2 BAO ist jeder Bescheid ausdrücklich als solcher zu bezeichnen, hat den Spruch zu enthalten und in diesem die Person (Personenvereinigung, Personengemeinschaft) zu nennen, an die er ergeht. Die Personenbeschreibung ist notwendiger Bestandteil eines Bescheidspruchs mit der Wirkung, dass ohne gesetzmäßige Bezeichnung des Adressaten im Bescheidspruch, zu dem auch das Adressfeld zählt, kein individueller Verwaltungsakt gesetzt wird (vgl. VwGH 23.1.2019, Ra 2017/13/0033). 22 Die bloße Anführung "Rechtsnachfolger" kann die Bezeichnung der konkreten Person des Rechtsnachfolgers im Bescheidspruch nicht ersetzen (vgl. auch VwGH 1.10.2008, 2006/13/0123, und VwGH 24.2.2005, 2001/15/0160).

23 Dergestalt wird mit der Anführung "Verlassenschaft nach W.S. Rechtsnachfolger" im zum Bescheidspruch zählenden Adressfeld der Erledigung des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Oberwart im Revisionsfall die Verlassenschaft nach Dr. W.S. angesprochen. 24 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am 29. April 2019

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019160091.L00

Im RIS seit

26.07.2019

Zuletzt aktualisiert am

26.07.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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