TE Vwgh Beschluss 2019/4/30 Ra 2018/04/0196

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Veröffentlicht am 30.04.2019
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren
97 Öffentliches Auftragswesen

Norm

AVG §37
AVG §45 Abs3
BVergG 2006 §129
BVergG 2006 §187 Abs1
BVergG 2006 §320
BVergG 2006 §325 Abs1 Z2
BVergG 2006 §69
B-VG Art133 Abs4
VwGG §25a Abs1
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler sowie die Hofräte Dr. Mayr und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sowa, in der Revisionssache der E GmbH in S, vertreten durch Dr. Franz Xaver Berndorfer, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Lüfteneggerstraße 12, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 17. September 2018, Zl. LVwG-840158/9/KL/CG, betreffend vergaberechtliche Nachprüfung (mitbeteiligte Partei: L GmbH, vertreten durch Beurle / Oberndofer / Mitterlehner, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Landstraße 9), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Die Mitbeteiligte führte als Sektorenauftraggeberin ein Vergabeverfahren als Verhandlungsverfahren mit vorherigem Aufruf zum Wettbewerb im Oberschwellenbereich durch. Auftragsgegenstand war die Lieferung, Montage, Prüfung und Inbetriebnahme von kompletten 10 kV und 30 kV Innenraumschaltanlagen für eine näher bezeichnete Anlage. Die Auftragsvergabe sollte nach dem Bestbieterprinzip erfolgen. Die Revisionswerberin legte, nachdem sie zur Teilnahme eingeladen worden war, ein Angebot. 2 Mit Schreiben vom 18. Juli 2018 teilte die Mitbeteiligte der Revisionswerberin mit, dass ihr Angebot ausgeschieden werde. Begründet wurde dies damit, dass - im Hinblick auf die fehlende Gleichartigkeit bzw. die Nichterfüllung von Mindestanforderungen - der Nachweis der geforderten zwei Referenzen nicht erbracht worden sei.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 17. September 2018 wies das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich den Antrag der Revisionswerberin auf Nichtigerklärung dieser Ausscheidensentscheidung (ebenso wie den Antrag auf Pauschalgebührenersatz) als unbegründet ab. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für unzulässig erklärt.

4 Nach Darstellung des Vorbringens der Parteien im Verfahren sowie der wesentlichen Inhalte der (am 7. September 2018 durchgeführten) mündlichen Verhandlung stellte das Verwaltungsgericht - soweit für das vorliegende Revisionsverfahren von Relevanz - Folgendes fest:

Das Angebot müsse (den Ausschreibungsunterlagen zufolge) von einer Person signiert sein, die den Bieter rechtswirksam vertreten könne. Das Erstangebot der Revisionswerberin sei vom Geschäftsführer signiert worden, das (nach den Verhandlungen) überarbeitete Angebot und das Letztangebot vom Mitarbeiter und Mitgesellschafter E. Dieser sei laut Firmenbuchauszug nicht organschaftlich vertretungsbefugt, eine entsprechend unterfertigte Vertretungsvollmacht sei nicht vorgelegt worden.

Die technische Leistungsfähigkeit sei - so das Verwaltungsgericht weiter - durch Benennung von zwei Referenzen über gleichartige Aufträge nachzuweisen gewesen, welche die Mindesterfordernisse gemäß dem nachgefragten Ausschreibungsgegenstand erfüllen müssten. Diesbezüglich sei (u.a.) eine "Bemessungs-Kurzschlussdauer von 3s" gefordert gewesen. Die Mitbeteiligte habe die Revisionswerberin mit Schreiben vom 2. Juli 2018 darauf hingewiesen, dass mit dem Angebot ein Formblatt nur für eine Referenz übermittelt worden sei, und sie zur Behebung dieses Mangels aufgefordert. Die Revisionswerberin habe daraufhin drei Formblätter für Referenzen vorgelegt, in denen zur Bemessungs-Kurzschlussdauer "1s (3s)" bzw. "1s" angegeben gewesen sei.

5 In seinen rechtlichen Erwägungen verwies das Verwaltungsgericht zum einen auf näher zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, der zufolge das Fehlen einer rechtsgültigen Unterfertigung einen unbehebbaren Mangel darstelle. Die Revisionswerberin habe klar gegen die (dargestellten) Ausschreibungsbestimmungen verstoßen, womit der Ausscheidensgrund des § 269 Abs. 1 Z 5 BVergG 2006 verwirklicht sei.

Zum anderen erachtete das Verwaltungsgericht auch den von der Mitbeteiligten herangezogenen Ausscheidensgrund der fehlenden technischen Leistungsfähigkeit mangels Vorliegen der geforderten Referenzen als gegeben. Nach der klaren Ausschreibungsvorgabe könne ein Referenzprojekt nur gewertet werden, wenn es die Mindesterfordernisse gemäß dem Ausschreibungsgegenstand erfülle. Wenn die Revisionswerberin bei den als Referenzen angegebenen Projekten Produkte mit niedrigeren Werten montiert habe, entspreche dies nicht den Mindestanforderungen. Dass das gelieferte Produkt auch höhere Anforderungen erfüllen könne, sei nicht maßgeblich, wenn dies in der Referenzanlage nicht eingebaut worden sei. Es komme bei den Referenzprojekten nicht auf die vom Hersteller garantierten Höchstwerte an, sondern auf die vom Bieter tatsächlich durchgeführten Leistungen. Die vorgelegten Referenzformblätter widersprächen (im Hinblick auf die teilweise unklaren Angaben zur Bemessungs-Kurzschlussdauer) den Ausschreibungsbestimmungen. Der Ausscheidensgrund des § 269 Abs. 1 Z 2 BVergG 2006 sei daher (ebenfalls) gegeben. Der seitens der Revisionswerberin ins Treffen geführte Umstand, die Prüfung der Eignung sei bereits in der ersten Stufe erfolgt und nicht geeignete Bieter hätten nicht eingeladen werden dürfen, vermöge daran nichts zu ändern, weil die Eignung zu jedem Zeitpunkt des Vergabeverfahrens vorliegen müsse. Werde die fehlende Leistungsfähigkeit vom Auftraggeber erst zu einem späteren Zeitpunkt erkannt, mache dies eine Zuschlagserteilung (an den davon betroffenen Bieter) unzulässig.

6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG vom Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 8 Vorab ist dem von der Revisionswerberin erstatteten Vorbringen, wonach die Begründung des Verwaltungsgerichtes für die Nichtzulassung der Revision nicht ausreichend sei, entgegenzuhalten, dass damit keine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufgeworfen wird (vgl. VwGH 1.10.2014, Ra 2014/09/0022).

9 Die Revisionswerberin macht weiters geltend, die Mitbeteiligte habe die hier gegenständliche Ausscheidensentscheidung nicht auf die fehlende rechtsgültige Unterfertigung der Angebote der Revisionswerberin gestützt. Das Verwaltungsgericht sei nicht ermächtigt, von sich aus allfällige Ausscheidensgründe aufzugreifen, die in der angefochtenen Ausscheidensentscheidung nicht thematisiert worden seien. Das Verwaltungsgericht sei vielmehr an den Inhalt der Ausscheidensentscheidung gebunden. Jedenfalls liege dazu keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vor.

Selbst wenn man (entgegen der Auffassung der Revisionswerberin) ein Aufgreifen von Ausscheidensgründen durch das Verwaltungsgericht als zulässig ansehen sollte, müsste der Antragstellerin Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zehn Tagen eingeräumt werden. Es liege keine Rechtsprechung dazu vor, ob ein Verwaltungsgericht einen neuen möglichen Ausscheidensgrund in der mündlichen Verhandlung thematisieren und dann die Verhandlung schließen dürfe, ohne der Antragstellerin die Möglichkeit zu geben, sich "mit dieser Frage zeitlich ausreichend befassen zu können".

10 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits zum Ausdruck gebracht, dass die Möglichkeit der Vergabekontrollbehörde, einen vom Auftraggeber nicht herangezogenen Ausscheidensgrund zu berücksichtigen, sowohl bei der Antragszurückweisung als auch bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Ausscheidensentscheidung des Auftraggebers besteht (vgl. VwGH 10.10.2016, Ra 2016/04/0104 bis 0107, mwN). Die Vergabekontrollbehörde kann daher auch bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines vom Auftraggeber bekannt gegebenen Ausscheidens Ausscheidensgründe berücksichtigen, die der Auftraggeber dem Ausscheiden nicht zu Grunde gelegt hat. Dies ergibt sich schon aus § 325 Abs. 1 Z 2 BVergG 2006, wonach eine gesondert anfechtbare Entscheidung eines Auftraggebers (nur dann) für nichtig zu erklären ist, wenn (u.a.) die Rechtswidrigkeit für den Ausgang des Vergabeverfahrens von wesentlichem Einfluss ist. Letzteres wäre nicht der Fall, wenn das Ausscheiden zumindest im Ergebnis (also aus anderen als vom Auftraggeber herangezogenen Gründen) rechtmäßig ist (vgl. zu allem VwGH 12.5.2011, 2007/04/0012).

Zu der in der Revision aufgeworfenen Frage besteht somit entgegen dem Zulässigkeitsvorbringen bereits Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und das Verwaltungsgericht ist davon auch nicht abgewichen.

11 Soweit die Revisionswerberin eine hinreichende Möglichkeit zur Stellungnahme einmahnt, ist zwar festzuhalten, dass das Verwaltungsgericht in einem solchen Fall - somit bei einem Aufgreifen eines Ausscheidensgrundes, der nicht bereits Gegenstand einer Ausscheidensentscheidung des Auftraggebers war - das Recht auf Wahrung des Parteiengehörs zu beachten hat. Dem Antragsteller im Nachprüfungsverfahren muss Gelegenheit gegeben werden, die Stichhaltigkeit des (vom Verwaltungsgericht angenommenen) Ausscheidensgrundes anzuzweifeln. Dazu hat die Behörde dem Antragsteller vorzuhalten, welchen Sachverhalt sie als Ausscheidensgrund heranzuziehen beabsichtige (vgl. zu allem wiederum VwGH Ra 2016/04/0104 bis 0107; 2007/04/0012; jeweils mwN).

12 Vorliegend hat das Verwaltungsgericht - wie sich dem angefochtenen Erkenntnis und dem im Akt befindlichen Verhandlungsprotokoll entnehmen lässt - die Frage, von wem die Angebote der Revisionswerberin jeweils signiert worden sind und ob eine Vollmacht des E vorlag, in der mündlichen Verhandlung mit der Revisionswerberin eingehend erörtert (vgl. zur Möglichkeit eines derartigen Vorhaltes in der mündlichen Verhandlung VwGH 1.10.2008, 2005/04/0233).

13 Soweit die Revisionswerberin rügt, es hätte ihr nach der Verhandlung noch eine zehntägige Frist zur Stellungnahme eingeräumt werden müssen, ist zwar darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof bereits zum Ausdruck gebracht hat, dass ab einem derartigen Vorhalt eine ausreichende Frist zur Verfügung stehen muss (vgl. erneut VwGH 2007/04/0012). Auch bei Verfahrensmängeln wie der Verletzung des Parteiengehörs muss in den Zulässigkeitsgründen aber die Relevanz des Verfahrensmangels dargetan werden, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels (somit etwa auf Grund welchen konkreten Vorbringens, das bei Einräumung einer Frist zur Stellungnahme erstattet worden wäre) in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können (vgl. VwGH 21.11.2018, Ra 2017/04/0033, 0042, 0043, mwN).

14 Ein derartiges Vorbringen lässt sich der Revision aber nicht entnehmen. Insbesondere werden die vom Verwaltungsgericht seiner Beurteilung zugrunde gelegten Feststellungen betreffend die Vorgaben der Ausschreibung und die Unterfertigung der Angebote der Revisionswerberin in der Revision nicht bestritten. Der Auffassung des Verwaltungsgerichtes, es liege insoweit ein unbehebbarer Mangel vor, tritt die Revision nicht entgegen (vgl. im Übrigen VwGH 22.4.2010, 2008/04/0077).

15 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt ausgesprochen, dass die Revision unzulässig ist, wenn das angefochtene Erkenntnis auf einer tragfähigen Alternativbegründung beruht und dieser keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zugrunde liegt (siehe VwGH 8.8.2018, Ra 2017/04/0112, mwN). Da hinsichtlich der vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegten Rechtmäßigkeit des Ausscheidens des Angebotes der Revisionswerberin infolge des Fehlens einer Unterfertigung durch eine vertretungsbefugte Person und des damit bewirkten Verstoßes gegen die Ausschreibungsbestimmungen - wie soeben dargelegt - keine grundsätzliche Rechtsfrage aufgezeigt wurde, kommt es auf das weitere Revisionsvorbringen (im Zusammenhang mit den vorgelegten Referenzen) nicht mehr an.

16 Der Vollständigkeit halber wird aber auf Folgendes hingewiesen: Das Verwaltungsgericht ist unter Verweis auf § 187 Abs. 1 BVergG 2006 zutreffend davon ausgegangen, dass die Vergabe an einen geeigneten Bieter zu erfolgen hat. Ein Mangel der Leistungsfähigkeit, der bei einem mehrstufigen Verfahren erst in einer späteren Stufe zutage tritt, ist daher auch dann aufzugreifen, wenn die Eignung bereits in der ersten Stufe geprüft worden ist (vgl. dazu, dass die Eignung nicht verloren gehen darf, die Erläuterungen zur Regelung für öffentliche Auftraggeber in § 69 BVergG 2006, RV 1171 BlgNR 22. GP, 61).

17 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

18 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 30. April 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018040196.L00

Im RIS seit

06.08.2019

Zuletzt aktualisiert am

07.08.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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