TE Vwgh Beschluss 2019/4/30 Ra 2017/06/0142

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Veröffentlicht am 30.04.2019
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Index

L85007 Straßen Tirol
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art133 Abs4
LStG Tir 1989 §1 Abs3 lite idF 2017/026
LStG Tir 1989 §20 Abs9
VwGG §34 Abs1

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ra 2017/06/0143Ra 2017/06/0144

Betreff

?

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler sowie Hofrätin Dr. Bayjones und Hofrat Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schreiber, BA, über die Revision 1. des H S in S,

2. der H. GmbH in J und 3. der P GmbH in S, alle vertreten durch Mag. Roland Reisch, Rechtsanwalt in 6370 Kitzbühel, Franz-Reisch-Straße 11a, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 28. Februar 2017, LVwG-2017/25/0391-1, betreffend Bildung einer Straßeninteressentschaft nach dem Tiroler Straßengesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht:

Bürgermeister der Gemeinde Jochberg; weitere Partei: Tiroler Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Jochberg vom 28. November 2016 wurde der Antrag der revisionswerbenden Parteien auf Bildung einer Straßeninteressentschaft im Bereich der Bringungsgemeinschaft M-H gemäß § 1 Abs. 3 lit. e, § 20 Abs. 1 lit. b, Abs. 3 und 6 Tiroler Straßengesetz (im Folgenden: TStG) in der Fassung vor der Novelle LGBl. Nr. 26/2017 zurückgewiesen.

2 Begründend wurde ausgeführt, bei der Weganlage M-H handle es sich um einen Güterweg im Sinne des Tiroler Güter- und Seilwege-Landesgesetzes 1970 (GSLG 1970). Es bestehe ein Bescheid der Agrarbehörde vom 23. Juli 1985. Güter- und Seilwege nach dem GSLG 1970 seien gemäß § 1 Abs. 3 lit. e TStG vom Anwendungsbereich des TStG ausgenommen.

3 Die von den revisionswerbenden Parteien gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol (LVwG) vom 28. Februar 2017 als unbegründet abgewiesen.

4 In seinen Erwägungen hielt das LVwG unter anderem fest, der Verwaltungsgerichtshof habe in seinem Erkenntnis vom 31. Jänner 2008, 2007/06/0234, 0238, in dem jedoch keine Auseinandersetzung mit der Bestimmung des § 1 Abs. 3 lit. e TStG erfolgt sei, aufgrund des Vorliegens der Voraussetzungen des § 16 Abs. 3 TStG die grundsätzliche Zulässigkeit der Erklärung des dort verfahrensgegenständlichen Weges, eines Güterweges einer bestehenden Bringungsgemeinschaft, zur öffentlichen Interessentenstraße bestätigt. Diese Aussage ändere jedoch nichts an der damals wie heute gleichermaßen bestehenden Regelung des § 1 Abs. 3 lit. e TStG, wonach dieses Gesetz insbesondere nicht für Güterwege im Sinne des § 4 Abs. 1 GSLG 1970 gelte. Solange die Agrarbehörde das betreffende Bringungsrecht nicht aufgehoben habe, bleibe die Widmung als Güterweg bestehen und es unterliege dieser ausschließlich dem GSLG 1970.

5 Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluss vom 9. Juni 2017, E 942/2017-5, die Behandlung der von den revisionswerbenden Parteien gegen das Erkenntnis des LVwG vom 28. Februar 2017 erhobenen Beschwerde ab. Begründend hielt der Verfassungsgerichtshof unter anderem fest, im Hinblick auf den Kompetenztatbestand "Bodenreform, insbesondere agrarische Operationen und Wiederbesiedelung" gemäß Art. 12 Abs. 1 Z 3 B-VG bestünden keine Bedenken gegen § 1 Abs. 3 lit. e TStG, wonach dieses Gesetz nicht für "Güterwege im Sinne des § 4 Abs. 1 des Güter- und Seilwege-Landesgesetzes, LGBl. Nr. 40/1970" gelte. Im Übrigen liege es im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, die Möglichkeit der Antragstellung zur Erklärung eines - aktuell noch bestehenden - Güterweges nach GSLG 1970 zur zukünftigen Interessentenstraße durch Bildung einer Straßeninteressentschaft nach TStG nicht vorzusehen. 6 Gegen das Erkenntnis des LVwG vom 28. Februar 2017 richtet sich nun die vorliegende außerordentliche Revision wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 10 Gemäß § 1 Abs. 3 lit. e TStG, LGBl. Nr. 13/1989 in der Fassung LGBl. Nr. 37/2013, gilt dieses Gesetz insbesondere nicht für Güterwege im Sinne des § 4 Abs. 1 GSLG 1970.

11 Unstrittig handelt es sich auch bei dem vorliegend in Rede stehenden Weg um einen Güterweg im Sinne des GSLG 1970. 12 Das LVwG ging im angefochtenen Erkenntnis erkennbar von einer eindeutigen Rechtslage nach § 1 Abs. 3 lit. e TStG in der Fassung vor der Novelle LGBl. Nr. 26/2017 aus. Die Behauptung der revisionswerbenden Parteien in ihrer Zulässigkeitsbegründung, das LVwG habe sich bloß auf eine näher genannte Lehrmeinung berufen, trifft nicht zu.

13 Abgesehen davon, dass der VwGH (worauf die Verfahrensparteien nicht eingegangen sind) in seinem Erkenntnis vom 18. Oktober 2012, 2010/06/0060, zu der vom Verwaltungsgericht anzuwendenden Rechtslage vor der Novelle zum TStG durch LGBl. Nr. 26/2017 bereits ausgesprochen hat, dass die Bildung einer Straßeninteressentschaft aufgrund des § 1 Abs. 3 lit. e TStG nicht in Betracht komme, wenn es sich bei der betroffenen Weganlage um einen Güterweg im Sinne des GSLG 1970 handle, wurde § 1 Abs. 3 lit. e TStG durch die genannte Novelle LGBl. Nr. 26/2017 mit Wirksamkeit vom 31. März 2017 durch den Satz "Für solche Güterwege ist jedoch § 20 Abs. 9 anzuwenden" ergänzt. Gemäß dem verwiesenen, mit der genannten Novelle in § 20 TStG neu eingefügten Abs. 9 erster Satz TStG ist ein Bescheid über die Bildung einer Straßeninteressentschaft, der sich auf einen derzeitigen Güter- und Seilweg im Sinn des § 4 Abs. 1 des GSLG 1970 bezieht, unter der aufschiebenden Bedingung zu erlassen, dass innerhalb eines Jahres nach der Erlassung des Bescheides die Aufhebung der Bringungsrechte durch die Agrarbehörde erfolgt. 14 Es kann daher im Revisionsfall dahinstehen, ob angesichts des ohne Bezugnahme auf § 1 Abs. 3 lit. e TStG ergangenen Erkenntnisses vom 31. Jänner 2008, 2007/06/0234, 0238, und des Erkenntnisses vom 18. Oktober 2012, 2010/06/0060, eine divergierende Rechtsprechung vorliegt.

15 Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt nach der hg. Judikatur nämlich nicht vor, wenn die revisionsgegenständliche Regelung bereits außer Kraft getreten ist und es angesichts eines kleinen Kreises potentiell betroffener Personen nicht wahrscheinlich ist, dass noch über eine nennenswerte Anzahl vergleichbarer Fälle zu entscheiden sein wird (VwGH 25.11.2015, Ra 2015/16/0115; 24.6.2016, Ra 2016/02/0123; 11.10.2016, Ro 2016/01/0007). Dies gilt in gleicher Weise im vorliegenden Fall, in dem § 1 Abs. 3 lit. e TStG zwar nicht außer Kraft getreten ist, aber das TStG dahingehend ergänzt worden ist, dass die im Revisionsfall zu entscheidende Frage nunmehr im Sinne der Zulässigkeit einer Bildung einer Straßeninteressentschaft nach TStG unter einer aufschiebenden Bedingung eindeutig geklärt wurde. 16 Angesichts dieser bereits vor geraumer Zeit erfolgten Novellierung ist nicht zu erwarten, dass über eine nennenswerte Anzahl vergleichbarer Fälle nach der früheren Rechtslage zu entscheiden sein wird.

17 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 30. April 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2017060142.L00

Im RIS seit

26.08.2019

Zuletzt aktualisiert am

26.08.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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