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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §17 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Enzlberger, über die Beschwerde des RV in W, vertreten durch Dr. Heinz Wille und Dr. Manfred Weidinger, Rechtsanwälte in 1090 Wien, Ferstelgasse 1, gegen den Bescheid des Berufungssenates der Stadt Wien vom 16. Jänner 1996, Zl. P 85746, Punkt I., betreffend Akteneinsicht in einer Disziplinarangelegenheit, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Das gegenständliche Erkenntnis bezieht sich nur auf Punkt I. des angefochtenen Bescheides vom 16. Jänner 1996. Diesem Bescheidpunkt liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Auf Grund der Beschwerde eines Fahrgastes, daß der Beschwerdeführer ihn beleidigt habe, führte die Direktion der Wiener Stadtwerke - Verkehrsbetriebe ein Disziplinarverfahren durch. Mit Bescheid der Disziplinarbehörde vom 17. Mai 1995 wurde "das gegen Sie (den Beschwerdeführer) wegen des Verdachtes des ungebührlichen Benehmens sowie der Beschimpfung eines Fahrgastes am 5.2.1995 anhängige Disziplinarverfahren gemäß § 97 Abs. 1 Z. 2 der Dienstordnung 1994" eingestellt.
Mit Schriftsatz vom 25. April 1995 hatte der Beschwerdeführer unter anderem ausgeführt, ihm sei anläßlich der Einsichtnahme in den Disziplinarakt die Bekanntgabe des beschwerdeführenden Fahrgastes verweigert worden. Er habe ein Recht auf Akteneinsicht und auch ein Recht darauf, den Namen des beschwerdeführenden Fahrgastes zu erfahren. Er hatte beantragt, entweder durch Gewährung der Akteneinsicht "auch in den Teil, in welchem sich Name und Adresse des Beschwerdeführers befinden oder durch schriftliche Bekanntgabe die Daten des Beschwerdeführers betreffend die Beschwerde vom 5.2.1995 bekanntzugeben". Werde ihm die diesbezügliche Einsicht nicht tatsächlich gewährt, so beantrage er die Erlassung eines Bescheides. Mit ergänzendem Schriftsatz vom 20. Juni 1995 wies der Beschwerdeführer darauf hin, daß er den genannten Antrag aufrecht halte. Mit Punkt I. wies die Behörde erster Instanz mit Bescheid vom 7. Juli 1995 den Antrag auf Bekanntgabe der Identität des beschwerdeführenden Fahrgastes bzw. auf diesbezügliche Akteneinsicht gemäß § 17 AVG ab.
In der dagegen erhobenen Berufung beantragte der Beschwerdeführer:
"Der Bescheid wird sowohl in seinen Punkt I als auch II insoferne angefochten, als meine Anträge auf Akteneinsicht in den Disziplinarakt, insoweit es sich um die Identität des Beschwerdeführers betreffend des Vorfalles vom 5.2.1995 handelt und die Einsicht in den Personalakt gemäß § 17 Abs. 1 AVG abgewiesen werden."
Des weiteren brachte er vor, es liege kein schutzwürdiges, gegen die Bekanntgabe seiner Identitätsdaten an den Beschwerdeführer sprechendes Interesse des Fahrgastes vor. Der "einzig vorstellbare Zweck" wäre, den Fahrgast "vor allfälligen rechtlichen Schritten" des Beschwerdeführers zu schützen. Dies sei kein schützenswertes Interesse des Fahrgastes, da dieser, wenn er eine derartige Anzeige erstatte, damit rechnen müsse, vom Beschwerdeführer "allenfalls auch belangt zu werden".
Mit Punkt I. des nunmehr angefochtenen Bescheides vom 16. Jänner 1996 wies die belangte Behörde die Berufung ab.
Dagegen richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die belangte Behörde hat mit dem Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides nur über das vom Beschwerdeführer in der Berufung geltend gemachte Recht auf Akteneinsicht abgesprochen.
Die belangte Behörde geht im angefochtenen Bescheid davon aus, daß der Beschwerdeführer keinen Hinweis darauf gegeben habe, daß sein Begehren die Verfolgung seiner Rechte in der den Gegenstand des eingestellten Disziplinarverfahrens bildenden Sache zu ermöglichen. Er habe nur angeführt, allenfalls "rechtliche Schritte" gegen den beschwerdeführenden Fahrgast setzen zu wollen. Dieser Zweck liege außerhalb des von § 17 Abs. 1 AVG abgesteckten Zwecks der Rechtsverfolgung im ursprünglichen Verfahren und es liege daher kein Interesse auf Akteneinsicht in diesem Sinne vor. Das Begehren auf Akteneinsicht sei folglich schon nach § 17 Abs. 1 AVG abzuweisen und es habe eine Interessenabwägung gemäß § 17 Abs. 3 AVG nicht stattzufinden.
Diesen Feststellungen der belangten Behörde tritt der Beschwerdeführer in der Beschwerde nicht entgegen. Die behauptete Verletzung in dem aus § 17 AVG resultierenden Recht auf Akteneinsicht begründet der Beschwerdeführer im wesentlichen damit, daß weder aus dem Gesetz noch aus dem Zweck der Regelung des § 17 AVG erkennbar sei, daß das Recht auf Akteneinsichtnahme nur zur Verfolgung von Interessen im Verwaltungsverfahren, die dieser Verwaltungsakt betreffe, bestehe.
Diese Ansicht ist verfehlt.
Nach § 17 Abs. 1 AVG seit der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 199/1982 hat die Behörde, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen, den Parteien Einsicht in die ihre Sache betreffenden Akten oder Aktenteile zu gestatten.
Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits im Erkenntnis vom 12. Oktober 1987, Zl. 87/12/0140, Slg. 12.553 A, zu dieser Bestimmung in einem vergleichbaren Fall (dort wurde von der Partei eines seinerzeit anhängigen Berufungsverfahrens betreffend Rückzahlung einer Haushaltszulage die Akteneinsicht in die rechtskräftig abgeschlossene Sache beantragt, um allenfalls eine Disziplinaranzeige gegen einen Rechtsanwalt zu erstatten bzw. zivilrechtliche Ansprüche auf Grund einer vermuteten falschen Zeugenaussage geltend machen zu können) dargelegt, daß im Hinblick
auf die Wortfolge "... in die Ihre Sache betreffenden ..." das
Recht auf Akteneinsicht nur einer Partei bei der Rechtsverfolgung in ihrer den Gegenstand des (abgeschlossenen) Verfahrens bildenden Sache zukomme. Auf die Begründung dieses Erkenntnisses wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen. Auch im Beschwerdefall wurde vom Beschwerdeführer eine solche Rechtsbeziehung nicht dargelegt.
Der Hinweis des Beschwerdeführers, nach der Rechtsansicht der belangten Behörde wäre eine Verlesung von Verwaltungsakten im Rahmen eines (gerichtlichen) "Zivilverfahrens" als den Zweck des Verwaltungsverfahrens fremde Maßnahme nicht zulässig, geht schon aus dem Grund ins Leere, weil im Zivilverfahren nicht das AVG heranzuziehen ist.
Die weiteren Ausführungen des Beschwerdeführers befassen sich mit der Frage, ob gemäß § 17 Abs. 3 AVG ein berechtigtes Interesse des Fahrgastes durch eine im Rahmen einer Akteneinsicht erfolgte Bekanntgabe seines Namens und seiner Adresse beeinträchtigt würde. Die belangte Behörde ist auch in diesem Punkt im Recht, als sie davon ausgeht, daß diese Frage nicht zu prüfen ist, weil dem Beschwerdeführer aus obigen Gründen bereits gemäß § 17 Abs. 1 AVG kein Recht auf Akteneinsicht bei der Rechtsverfolgung in seiner den Gegenstand des eingestellten Disziplinarverfahrens bildenden Sache zukommt und daher keine Interessenabwägung gemäß § 17 Abs. 3 AVG stattzufinden hat.
Die Beschwerde war daher, was den Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides betrifft, gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen. Die Entscheidung hinsichtlich des Spruchpunktes II. des angefochtenen Bescheides bleibt - ebenso wie die Entscheidung über die Kosten - einer gesonderten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes im Verfahren 96/12/0152 vorbehalten.
Wien, am 10. Februar 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1996090097.X00Im RIS seit
20.11.2000Zuletzt aktualisiert am
27.11.2013