Index
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB)Norm
ABGB §1152Betreff
?
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler sowie die Hofrätin Dr. Julcher und den Hofrat Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision des M M in L, vertreten durch die Rechtsanwälte Waltl & Partner in 5700 Zell am See, Flugplatzstraße 52, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom 30. Mai 2016, 405-7/13/1/7- 2016, betreffend Bestrafung nach dem ASVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Zell am See), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet wird.
Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
2.1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis bestätigte das Verwaltungsgericht die Bestrafung des Revisionswerbers gemäß § 33 Abs. 1 iVm. § 111 Abs. 1 Z 1 ASVG zu einer Geldstrafe von EUR 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von 154 Stunden), weil dieser es als unbeschränkt haftender Gesellschafter (und damit als gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen Berufener) der M T KG zu verantworten habe, dass die genannte Gesellschaft es als Dienstgeberin unterlassen habe, den ab dem 12. Mai 2015 bis zur finanzpolizeilichen Kontrolle am 15. September 2015 als LKW-Fahrer beschäftigten W M (Vater des Revisionswerbers und Kommanditist der Gesellschaft) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger zur Pflichtversicherung (Vollversicherung) anzumelden.
Die Revision erklärte das Verwaltungsgericht gemäß § 25a Abs. 1 VwGG für nicht zulässig.
2.2. Dagegen wendet sich die außerordentliche Revision, in der eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht aufgezeigt wird.
3. Der Revisionswerber macht in der Zulässigkeitsbegründung unter dem Gesichtspunkt eines Abweichens von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs geltend, das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht von der Entgeltlichkeit der Tätigkeit des W M ausgegangen. Zwar bedürfe die Entgeltlichkeit keiner Vereinbarung, weil im Zweifel ein angemessenes Entgelt als bedungen gelte (§ 1152 ABGB), wohingegen die Unentgeltlichkeit ausdrücklich oder zumindest konkludent vereinbart werden und einer Prüfung auf ihre sachliche Rechtfertigung standhalten müsse. Allerdings sei vorliegend laut der zeugenschaftlichen Aussage des W M eine ausdrückliche mündliche Vereinbarung über die Unentgeltlichkeit der im Familienverband aus Gefälligkeit geleisteten Tätigkeit erfolgt. Das Verwaltungsgericht habe zu dieser Vereinbarung keine konkrete Feststellung getroffen.
4. Gemäß § 4 Abs. 2 ASVG ist Dienstnehmer und daher gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 ASVG pflichtversichert, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird.
Vorliegend stellt der Revisionswerber nur (mehr) die Entgeltlichkeit - nicht auch die sonstigen Voraussetzungen für die Annahme eines meldepflichtigen Dienstverhältnisses im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG - in Abrede. Wie in der Folge zu zeigen sein wird, ist das Verwaltungsgericht aber auch vom Vorliegen der Entgeltlichkeit der Beschäftigung auf nicht unvertretbare Weise ausgegangen.
5. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs kommt es für das Vorliegen der Entgeltlichkeit einer Beschäftigung nicht darauf an, ob ein Entgelt vereinbart wurde oder eine solche Vereinbarung unterblieben ist, gilt doch im Zweifel für die Erbringung von Dienstleistungen ein angemessenes Entgelt als bedungen (vgl. § 1152 ABGB). Folglich ist die Unentgeltlichkeit einer Verwendung nicht schon beim Fehlen einer Entgeltvereinbarung zu vermuten, sie muss vielmehr ausdrücklich und erwiesenermaßen - wenigstens konkludent - vereinbart worden sein und einer Prüfung auf ihre sachliche Rechtfertigung standhalten (vgl. VwGH 19.12.2012, 2012/08/0165). Dabei ist es Sache der Partei, entsprechende konkrete Behauptungen aufzustellen und Beweise anzubieten (vgl. VwGH 14.3.2013, 2010/08/0229).
6. Vorliegend wurde eine (ausdrückliche oder konkludente) Vereinbarung der Unentgeltlichkeit im Sinn des Vorgesagten vom Revisionswerber nicht einmal behauptet (die erstmals in der Revision erhobene Behauptung verstößt gegen das Neuerungsverbot). Das in der mündlichen Verhandlung erstattete Vorbringen, W M sei unentgeltlich und innerhalb der Familie aus Gefälligkeit tätig gewesen, stellt - ausgehend von der schon erwähnten Vermutung des Vorliegens eines Dienstverhältnisses im üblichen Sinn - keine konkrete Behauptung einer expliziten Vereinbarung der Unentgeltlichkeit dar (vgl. auch VwGH 26.5.2014, 2012/08/0207; neuerlich 2012/08/0165). Das aufgezeigte Vorbringen kann nämlich auch dahin verstanden werden, dass ein Entgelt bloß tatsächlich nicht begehrt bzw. geleistet wurde, woraus aber nicht auf die Vereinbarung der Unentgeltlichkeit zu schließen ist (vgl. abermals VwGH 2010/08/0229).
7. Auch das Verwaltungsgericht ging davon aus, dass eine Vereinbarung der Unentgeltlichkeit der Tätigkeit des W M (jedenfalls) nicht erfolgt ist. Es hielt dazu in den Feststellungen zunächst fest, dass keine (insbesondere schriftlichen) Aufzeichnungen über eine derartige Vereinbarung existierten. In der Folge bejahte es ausdrücklich das Bestehen von Entgeltansprüchen (arg: "Abgesehen von einschlägigen Entgeltansprüchen ...") und brachte damit zum Ausdruck, dass auch eine anderweitige (mündliche bzw. konkludente) Vereinbarung der Unentgeltlichkeit nicht erfolgt ist. Im Hinblick darauf hat aber das Verwaltungsgericht eindeutige und ausreichende Feststellungen getroffen, wonach die Unentgeltlichkeit der Tätigkeit nicht - weder ausdrücklich noch konkludent - vereinbart wurde. Der vom Revisionswerber insofern monierte Feststellungsmangel liegt nicht vor.
8. Soweit der Revisionswerber geltend macht, das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht von der Entgeltlichkeit der Tätigkeit ausgegangen und habe insbesondere die Aussage des W M - wonach eine ausdrückliche mündliche Vereinbarung über die Unentgeltlichkeit der im Familienverband aus Gefälligkeit geleisteten Tätigkeit erfolgt sei - außer Acht gelassen, wendet er sich gegen den Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts.
Die Beweiswürdigung ist freilich einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof als Rechtsinstanz nur insofern zugänglich, als es (insbesondere) um die Frage geht, ob die vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, also nicht den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut widersprechen. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung wäre nur dann gegeben, wenn das Verwaltungsgericht die Würdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte (vgl. VwGH 27.4.2017, Ra 2016/22/0119; 23.10.2017, Ra 2015/08/0135).
Vorliegend hält die Beweiswürdigung den aufgezeigten Kriterien einer Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof stand. Das Verwaltungsgericht legte die wesentlichen Erwägungen (wenngleich mit der rechtlichen Beurteilung vermengt) dar, wobei nicht davon auszugehen ist, dass die vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Weise erfolgt wäre. Das Verwaltungsgericht wies insbesondere darauf hin, dass als Hilfs- bzw. Gefälligkeitsdienste nur kurzfristige Dienste anzusehen sind (vgl. neuerlich VwGH 2010/08/0229). Fallbezogen war W M ununterbrochen mehrere Monate hindurch mit durchschnittlich mehr als 38 Wochenstunden tätig und hat (laut den Feststellungen) "in vollem Umfang eine Arbeitskraft ersetzt". Es widerspricht jedoch der allgemeinen Erfahrung, dass W M, der sich bereits in Alterspension befindet, eine derartig beschaffene Tätigkeit ohne jegliche Vergütung ausgeübt haben sollte. Das familiäre Verhältnis zum Geschäftsführer allein bildet dafür kein nachvollziehbares Motiv. Anderweitige Umstände wurden nicht konkret vorgebracht bzw. sind auch nicht ersichtlich.
Hinzu kommt, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs besondere Zweifel am Vorliegen unentgeltlicher Gefälligkeitsdienste dort angebracht sind, wo der Vorteil aus der Tätigkeit nicht unmittelbar jener natürlichen Person, zu der eine spezifische Bindung bzw. Nahebeziehung besteht (hier dem Revisionswerber), sondern einer juristischen Person oder Personengesellschaft (hier der KG) zugute kommt (vgl. VwGH 17.9.2013, 2011/08/0390; 24.4.2014, 2012/08/0177).
9. Insgesamt vermochte daher der Revisionswerber - in der maßgeblichen Zulässigkeitsbegründung (vgl. VwGH 19.12.2018, Ra 2015/08/0098) - keine Rechtsfrage aufzuzeigen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war deshalb gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 2. Mai 2019
Schlagworte
Dienstnehmer Begriff Beschäftigung gegen EntgeltEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2016080126.L00Im RIS seit
04.09.2019Zuletzt aktualisiert am
04.09.2019