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21/03 GesmbH-RechtNorm
AlVG 1977 §12 Abs1Betreff
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Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler und den Hofrat Dr. Strohmayer, die Hofrätin Dr. Julcher sowie die Hofräte Mag. Berger und Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision des Ing. W A in L, vertreten durch Mag. Paolo Caneppele, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Alter Platz 23, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. Jänner 2019, Zl. G308 2192351-1/6E, G308 2192352-1/6E, G308 2192354-1/6E, betreffend Widerruf und Rückforderung von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe sowie Nichtzuerkennung von Notstandshilfe (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Arbeitsmarktservice Spittal an der Drau), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden des Revisionswerbers gegen drei Bescheide der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice (im Folgenden: AMS) als unbegründet ab, wobei es die jeweils ergangenen Beschwerdevorentscheidungen bestätigte. Die Bescheide betrafen den Widerruf und die Rückforderung von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe in näher bezeichneten Zeiträumen sowie die Abweisung eines Antrags auf Notstandshilfe. Begründet wurden sie damit, dass der Revisionswerber infolge seiner Tätigkeit zunächst als Liquidator und in der Folge (nach Ablauf mehrerer Monate) als Nachtragsliquidator (§ 93 Abs. 5 GmbHG) nicht arbeitslos im Sinn des § 12 AlVG gewesen sei. Das Bundesverwaltungsgericht teilte diese Ansicht des AMS, sprach jedoch gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei, weil es an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der Frage fehle, welche Auswirkungen die Bestellung als Nachtragsliquidator auf einen etwaigen Anspruch aus der Arbeitslosenversicherung habe.
2 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Vorverfahren durchgeführt, in dem das AMS eine Revisionsbeantwortung erstattete, und die Akten dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
3 Die Revision wiederholt unter dem Gesichtspunkt einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG die Zulassungsbegründung des Bundesverwaltungsgerichts,
wonach es an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der Frage fehle, welche Auswirkungen die Bestellung als Nachtragsliquidator auf einen etwaigen Anspruch aus der Arbeitslosenversicherung habe.
4 Die Revision ist aus dem genannten Grund zulässig. Sie ist, wie im Folgenden zu zeigen sein wird, auch berechtigt. 5 Der Verwaltungsgerichtshof judiziert in ständiger Rechtsprechung - die auch auf die Rechtslage nach der Novelle BGBl. I Nr. 104/2007 zu übertragen ist -, dass im Fall eines Geschäftsführers einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung die Arbeitslosigkeit im Sinn des § 12 AlVG nicht schon dann vorliegt, wenn beim anwartschaftsbegründenden Beschäftigungsverhältnis der Anstellungsvertrag aufgelöst wurde, sondern erst dann, wenn auch die Hauptleistungspflicht, soweit sie mit der Innehabung der Funktion eines Geschäftsführers nach dem GmbHG zwingend verbunden ist, nicht mehr besteht, das heißt, dass auch das Organschaftsverhältnis zur Gesellschaft erloschen sein muss. Besteht das Organschaftsverhältnis weiter, ist es ohne Bedeutung, ob der Geschäftsführer tatsächlich eine Tätigkeit entfaltet oder ob er ein Entgelt erhält. Es spielt auch keine Rolle, dass über das Vermögen der Gesellschaft - verbunden mit Auflösung der Gesellschaft - der Konkurs eröffnet wurde (vgl. VwGH 2.7.2008, 2007/08/0338 ua, mwN).
6 Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn der bisherige Geschäftsführer einer GmbH nach deren Auflösung gemäß § 89 Abs. 2 GmbHG als Liquidator eintritt, finden doch - soweit das GmbHG nichts anderes vorsieht - gemäß § 92 Abs. 1 leg. cit. alle in diesem Gesetz hinsichtlich der Geschäftsführung getroffenen Bestimmungen sinngemäß auch in Bezug auf die Liquidatoren Anwendung. Gemäß § 93 Abs. 1 GmbHG haben die Liquidatoren nach Beendigung der Liquidation und Nachweisung der durch Beschluss der Gesellschafter erwirkten Entlastung beim Handelsgericht um die Löschung der Liquidationsfirma anzusuchen. Daraus folgt, dass die Organstellung der Liquidatoren nicht mit der Beendigung der Liquidation endet, sondern auch noch das Ansuchen um Löschung der Liquidationsfirma umfasst (vgl. VwGH 23.10.2002, 2000/08/0119, mwN).
7 Der Ausschluss der Arbeitslosigkeit in diesen Fällen beruht darauf, dass zufolge ununterbrochener Fortdauer der Organstellung zu keinem Zeitpunkt die während der Dauer der Arbeitslosenversicherungspflicht anwartschaftsbegründende Beschäftigung im Sinn des § 12 Abs. 1 AlVG beendet wurde (so ausdrücklich VwGH 2.7.2008, 2007/08/0338 ua).
8 Diese Voraussetzung liegt aber im Fall der Bestellung zum "Nachtragsliquidator" gemäß § 93 Abs. 5 GmbHG nicht vor. Nach dieser Bestimmung sind die bisherigen Liquidatoren wieder zu berufen oder andere Liquidatoren zu ernennen, wenn sich nachträglich noch weiteres, der Verteilung unterliegendes Vermögen herausstellt. Die Tätigkeit der "Nachtragsliquidatoren" stellt - ebenso wie jene der gemäß § 89 Abs. 2 GmbHG als Liquidatoren eintretenden Geschäftsführer - eine aus der Organstellung resultierende Erwerbstätigkeit dar. Allerdings handelt es sich dabei - zufolge der zwischen dem (vorläufigen) Ende der Liquidation und der Bestellung zum Nachtragsliquidator notwendigerweise liegenden Unterbrechung - nicht um die Fortsetzung der bisherigen (anwartschaftsbegründenden), sondern um die Aufnahme einer neuen Erwerbstätigkeit (mag sie auch den gleichen Inhalt haben wie die zunächst beendete Tätigkeit). Eine solche neue (das heißt: nach Beendigung der anwartschaftsbegründenden Erwerbstätigkeit begonnene) Erwerbstätigkeit schließt aber - abgesehen vom hier nicht vorliegenden Fall der Aufnahme einer Beschäftigung beim selben Dienstgeber innerhalb von einem Monat (vgl. § 12 Abs. 3 lit. h AlVG) - Arbeitslosigkeit gemäß § 12 Abs. 1 Z 3 iVm Abs. 6 AlVG nur dann aus, wenn daraus ein über der Geringfügigkeitsgrenze des § 5 Abs. 2 ASVG liegendes Entgelt erzielt wird (vgl. dazu etwa VwGH 31.7.2014, 2013/08/0282, mwN). 9 Da das Bundesverwaltungsgericht in Verkennung der Rechtslage der Ansicht war, eine Tätigkeit als Nachtragsliquidator schließe Arbeitslosigkeit jedenfalls aus, hat es jegliche Feststellungen zum Entgeltanspruch des Revisionswerbers unterlassen (vgl. zur Maßgeblichkeit des Anspruchslohns etwa VwGH 14.11.2012, 2011/08/0025, mwN). Die Feststellungen, die sich in nur drei Sätzen erschöpfen, sind im Übrigen auch darüber hinaus unzulänglich. Insbesondere enthält das angefochtene Erkenntnis keine Feststellungen - aber auch keine rechtliche Beurteilung - zu den Voraussetzungen der Rückforderung nach § 25 AlVG. Im fortgesetzten Verfahren werden vor allem auch präzise Feststellungen zum Zeitpunkt der Beendigung der anwartschaftsbegründenden Beschäftigung zu treffen sein. 10 Das angefochtene Erkenntnis war gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
11 Dem Revisionswerber war mangels darauf gerichteten Antrags kein Aufwandersatz zuzusprechen (vgl. § 59 Abs. 1 und 2 VwGG). Wien, am 8. Mai 2019
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RO2019080010.J00Im RIS seit
23.08.2019Zuletzt aktualisiert am
30.08.2019