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19/05 Menschenrechte;Norm
FrG 1993 §17 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Ogris, über die Beschwerde der SP, (geboren am 8. Jänner 1977), in 4680 Haag/H., vertreten durch Dr. Gottfried Lindner und Mag. Thomas Fragner, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Landstraße 35B, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 15. Jänner 1996, Zl. St 370/95, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 15. Jänner 1996 wurde die Beschwerdeführerin, eine Staatsbürgerin von Bosnien-Herzegowina, gemäß § 17 Abs. 1 des Fremdengesetzes-FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ausgewiesen.
Die Beschwerdeführerin sei ihren eigenen Angaben zufolge Ende Juni 1995 mit einem von der österreichischen Botschaft in Zagreb mit Gültigkeit bis 23. Juni 1995 ausgestellten Touristensichtvermerk nach Österreich eingereist. Nach Ablauf ihres Touristensichtvermerkes habe sie das Bundesgebiet nicht verlassen. Am 4. August 1995 habe sie bei der Bundespolizeidirektion Wels, fremdenpolizeiliches Referat, vorgesprochen, wobei ihr zur Kenntnis gebracht worden sei, dass sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhielte. Anstatt das Bundesgebiet zu verlassen, habe sie sich am 7. August 1995 in 4680 Haag am Hausruck polizeilich angemeldet. In einer niederschriftlichen Einvernahme am 12. September 1995 bei der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen habe sie angegeben, dass ihr Lebensgefährte, der sie zuletzt vor zweieinhalb Jahren in Bosnien besucht hätte, in Althofen wohnhaft wäre und sie die Absicht hätte, sich mit ihm zu verehelichen.
Die Beschwerdeführerin halte sich nach Ablauf ihres Touristensichtvermerks am 23. Juni 1995 insofern rechtswidrig im Bundesgebiet auf, als ihr seit diesem Zeitpunkt weder ein Sichtvermerk noch eine Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz erteilt worden sei. Ein Aufenthaltsrecht nach § 1 der Verordnung der Bundesregierung über das Aufenthaltsrecht von kriegsvertriebenen Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina, BGBl. Nr. 389/1995, komme ihr ebenfalls insofern nicht zu, als sie unmittelbar nach ihrer Einreise nach Österreich am 31. Mai 1995 noch am selben Tag nach Deutschland weitergefahren und erst gegen Ende Juni wieder nach Österreich zurückgekehrt sei. Es müsse daher davon ausgegangen werden, dass sie schon anderweitig Schutz gefunden hätte.
Selbst wenn in Anbetracht des Umstandes, dass die Beschwerdeführerin bei ihrem Lebensgefährten lebe, durch die Ausweisung in ihr Privatleben eingegriffen würde, sei dieser Eingriff zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK), näherhin eines geordneten Fremdenwesens, dringend geboten. Die Beschwerdeführerin habe bei der österreichischen Botschaft in Zagreb den Sichtvermerk lediglich zum Zweck der Durchreise, also zum Transit durch Österreich nach Deutschland beantragt, was den weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet nicht mehr miteinschließe. Darüber hinaus werde ihr zufolge des zwingenden Sichtvermerksversagungsgrundes des § 10 Abs. 1 Z. 6 des Fremdengesetzes die Erlangung einer Aufenthaltsbewilligung im Bundesgebiet nicht möglich sein. Nach der bezeichneten Gesetzesbestimmung, die nach § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes auch für die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung in Betracht komme, sei die Erteilung eines Sichtvermerkes zu versagen, wenn dieser zeitlich an einen Touristensichtvermerk anschließe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und sah von der Erstattung einer Gegenschrift ab.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 17 Abs. 1 FrG sind Fremde, die sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, auszuweisen; hiebei ist auf § 19 leg. cit. Bedacht zu nehmen. Nach letzterer Bestimmung ist eine Ausweisung, durch die in das Privat- oder Familienleben des betroffenen Fremden eingegriffen wird, nur dann zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
Der - auf den unbestritten gebliebenen maßgeblichen Sachverhaltsfeststellungen gründenden - Rechtsansicht der belangten Behörde, dass sich die Beschwerdeführerin nach Ablauf ihres Touristensichtvermerks am 23. Juni 1995 insofern rechtswidrig im Bundesgebiet aufhalte, als ihr seit diesem Zeitpunkt weder ein Sichtvermerk noch eine Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz erteilt worden sei und ihr auch das Aufenthaltsrecht nach § 1 der Verordnung der Bundesregierung über das Aufenthaltsrecht von kriegsvertriebenen Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina, BGBl. Nr. 389/1995, nicht zukomme, wird in der Beschwerde nicht entgegengetreten. Auch der Gerichtshof hegt gegen diese Beurteilung keine Bedenken.
Die belangte Behörde hat im Hinblick darauf, dass die Beschwerdeführerin bei ihrem Lebensgefährten wohnhaft sei, die Annahme getroffen, dass mit der Ausweisung ein relevanter Eingriff in ihr Privatleben verbunden sein könnte. Wenn sie unter dieser Annahme zu dem Ergebnis gelangt ist, dass diese Maßnahme im Grunde des § 19 FrG zulässig, weil im Hinblick auf Art. 8 Abs. 2 EMRK notwendig wäre, so ist diese Beurteilung nicht als rechtswidrig zu erkennen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt nämlich bei der Beurteilung, ob eine Ausweisung im Grunde des § 19 FrG dringend geboten ist, dem öffentlichen Interesse an der Beachtung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften durch die Normadressaten ein hoher Stellenwert zu (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 1998, Zl. 97/21/0849). Dieses öffentliche Interesse hat die Beschwerdeführerin durch ihren unbestrittenen unrechtmäßigen Aufenthalt in Österreich beeinträchtigt - eine Beeinträchtigung, die durch die rechtliche Unmöglichkeit einer Legalisierung ihres Aufenthaltes vom Inland aus (§ 5 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz iVm § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG und § 6 Abs. 2 Aufenthaltsgesetz) noch verstärkt wird. Der Umstand, dass die Beschwerdeführerin am 4. November 1995 in Österreich eine Ehe begründet und "in Form" ihrer Schwiegereltern auch einen umfassenden Familienanschluss gefunden habe, stellt wohl eine Stärkung ihrer familiären Interessen dar, allerdings nicht derart, dass sie von der belangten Behörde schwerer zu gewichten gewesen wären, als das besagte maßgebliche öffentliche Interesse. Ihrem Vorbringen, dass sie keinerlei familiäre, wirtschaftliche oder sonstige Bindung zu Bosnien habe, ist entgegenzuhalten, dass von § 19 FrG nur das in Österreich geführte Privat- und Familienleben des Fremden geschützt wird (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 4. April 1997, Zl. 97/18/0079).
Der Verfahrensrüge, die belangte Behörde habe den Sachverhalt mangelhaft erhoben, fehlt die Relevanz, weil die Beschwerde nicht dartut, welche - von der Behörde nicht getroffenen - Tatsachenfeststellungen zu einem anderen (für die Beschwerdeführerin günstigen) Ergebnis hätten führen können.
Unter Zugrundelegung der vorstehenden Ausführungen erweist sich die Beschwerde als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 12. Februar 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1996210217.X00Im RIS seit
20.11.2000