TE Bvwg Erkenntnis 2019/3/26 W257 2147824-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.03.2019
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Entscheidungsdatum

26.03.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

W257 2147824-1/21E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Herbert Gerhard MANTLER, MBA, als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , (alias XXXX ), Staatsbürger der Islamischen Republik Afghanistan, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Steiermark vom 19.01.2017, Zl. 1072065803-150610570, nach Durchführung einer öffentlich mündlichen Verhandlung am 24.08.2018 zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

1. Verfahrensgang

1.1. Der Beschwerdeführer stellte am 01.06.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

1.2. In seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 05.06.2015 gab der Beschwerdeführer an, er sei Staatsbürger der Islamische Republik Afghanistan, sei am XXXX geboren und stamme aus der Provinz Ghazni. Er sei ledig.

Aus Afghanistan sei er geflohen, weil sein Vater vor acht Jahren in Afghanistan festgenommen worden sei. Von wem wisse er nicht. Seither sei er nicht mehr gesehen worden. Der Beschwerdeführer wisse nicht, ob er noch lebe oder nicht. Daraufhin sei seine Mutter mit ihnen nach Pakistan geflüchtet. Er sei dann mit seinem Bruder weiter in den Iran geflüchtet. Dort hätten sie dann in XXXX gearbeitet, um ihrer Mutter finanziell helfen zu können. Weil er sich dort illegal aufgehalten und Angst gehabt habe, von der Polizei erwischt zu werden, sei er in die EU geflüchtet. Wenn ihn die Polizei im Iran ohne Dokumente erwischt hätte, dann hätten sie ihn wieder zurück nach Afghanistan geschickt. Er könne nach Afghanistan nicht mehr zurückkehren, weil sein Leben in Gefahr gewesen sei. Das was seinem Vater passiert sei, könne auch ihm passieren.

1.3. Mit Verfahrensanordnung vom 11.09.2015 setzte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, das Geburtsdatum des Beschwerdeführers unter Verweis auf das medizinische Sachverständigengutachten vom 14.08.2015 XXXX mit 14.08.1997 fest.

1.4. In seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge teilweise auch "Behörde" genannt) am 05.01.2017 führte der Beschwerdeführer ergänzend aus, ihr Dorfältester habe die Grundstücke seines Vaters haben wollen. Dieser sei der Meinung gewesen, dass es seine Grundstücke seien. Sein Vater sei dagegen gewesen. Eines Tages sei sein Vater mit der Ernte in die Stadt gegangen, um sie zu verkaufen. Seitdem sei er nicht mehr nach Hause zurückgekehrt. Sie hätten zwei Tage nach ihm gesucht. Die Dorfbewohner hätten gemeint, er könne von den Taliban getötet worden sein. Seine Mutter habe ihm gesagt, dass ganz sicher der Dorfälteste dahinterstecken würde. Zwei Tage nach diesem Vorfall habe ihre Mutter große Angst um sie gehabt, woraufhin sie beschlossen habe, mit ihnen das Land zu verlassen.

Folgende Unterlagen, welche die Integration in Österreich bezeugen sollen, wurden vorgelegt:

-

vier Fotos zum Nachweis einer fortschreitenden Integration des Beschwerdeführers in Österreich (AS 137 - AS 143)

-

Integrationsdokumentation (AS 145 f)

-

Bestätigung zum Besuch des Lehrgangs für Jugendliche ohne Kenntnisse der Unterrichtssprache Deutsch vom 12.04.2016 (AS 149)

-

Deutschzertifikat, ÖSD Zertifikat A1, sehr gut bestanden, vom 14.07.2016

-

Bestätigung des Besuchs des Vorbereitungslehrganges zur Pflichtschulabschlussprüfung vom 07.12.2016

1.5. Die Behörde wies den Antrag des Beschwerdeführers mit dem im Spruch genannten Bescheid hinsichtlich der Zuerkennung des internationalen Schutzes ab. Darüber hinaus wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und eine Rückkehrentscheidung erlassen sowie festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan zulässig ist. Für die freiwillige Ausreise wurde dem Beschwerdeführer eine vierzehntägige Frist zugestanden.

Zur Nichtzuerkennung des Asylantrages vermeinte die Behörde, dass der Beschwerdeführer keinen glaubhaften Fluchtgrund hätte vorbringen können.

Die Behörde vermeinte zusätzlich, dass keine Gründe hervortraten oder glaubhaft gemacht werden konnten, welche gegen eine Wiederansiedelung in Afghanistan, insbesondere in der Hauptstadt Kabul, hervortraten und so keine reale Gefahr einer Verletzung seiner verbrieften Menschenrechte zu erwarten wäre.

1.6. Gegen den Bescheid richtet sich die fristgerecht eingebrachte vollumfängliche Beschwerde des Beschwerdeführers, wobei er im Wesentlichen die Verletzung von Verfahrensvorschriften und inhaltliche Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung geltend machte.

1.7. Der Verwaltungsakt langte am 17.02.2017 am Bundesverwaltungsgericht ein und wurde entsprechend der Geschäftseinteilung der Gerichtsabteilung W257 zugewiesen (OZ 1).

1.8. Am 27.09.2017 und 20.06.2018 übermittelte der Beschwerdeführer weitere Dokumente zum Nachweis seiner fortschreitenden Integration:

-

Bescheid des Arbeitsmarktservice Leibnitz (AMS) vom 27.09.2017 mit welchem dem Beschwerdeführer eine Beschäftigungsbewilligung für die Zeit 01.10.2017 bis 31.12.2021 erteilt wurde

-

Nachweis der Abmeldung per 20.06.2018 aus der Grundversorgung

1.9. Das Bundesverwaltungsgericht setzte für den 24.08.2018 eine mündliche Verhandlung fest, wovon die Parteien nachweislich verständigt wurden.

1.10. Folgende Länderberichte des Herkunftsstaates wurden der Einladung angeschlossen und den Parteien im Rahmen des Parteiengehörs Gelegenheit geboten, dazu binnen 14 Tagen Stellung zu nehmen (OZ 7).

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Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan, Gesamtaktualisierung am 02.03.2017, letzte Kurzinformation eingefügt am 30.01.2018 (Beilage 1)

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"Fact-Finding Mission Report" der Staatendokumentation zu Afghanistan vom April 2018 (Beilage 2)

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UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfes afghanischer Asylsuchender vom 19.04.2016, (Beilage 3)

Die Parteien nahmen von dieser Möglichkeit nicht Gebrauch.

1.11. Nachdem das Länderinformationsblatt (siehe vorherigen Punkt, erster Spiegelstrich) eine Gesamtaktualisierung erfuhr, wurde die aktuelle Fassung vom 29.06.2018 den Parteien am 04.07.2018 zur Stellungnahme übersandt (OZ 9). Eine Stellungnahme hierzu langte nicht ein.

1.12. Am 16.08.2018 brachte der Beschwerdeführer im Wege seiner Rechtsvertretung weitere Urkunden zum Nachweis seiner fortschreitenden Integration in Vorlage: - Aufzählung der einzelnen Empfehlungsschreiben der namentlich aufgezählten Personen sowie die bezughabenden Empfehlungsschreiben

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Deutschzertifikat, ÖSD Zertifikat B1, befriedigend bestanden, vom 30.05.2018

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Vereinbarung eines dreimonatigen Volontariats vom 22.06.2017

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Jahreszeugnis der Landesberufsschule Bad Gleichenberg sowie Externistenprüfungszeugnis vom 02.03.2018

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Teilnahmebestätigung an einem Werte- und Orientierungskurs des Österreichischen Integrationsfonds

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Empfehlungsschreiben des Bürgermeisters Traiskirchen vom August 2018

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Bestätigung der Volkshilfe Steiermark über ehrenamtliche Tätigkeiten im Seniorenzentrum vom 30.05.2017

-

Konvolut an Fotos, die die soziale Integration des Beschwerdeführers dokumentieren

1.13. Vor dem Bundesverwaltungsgericht brachte der Beschwerdeführer,

zu seinem primären Fluchtgrund befragt, ergänzend vor:

Sein Vater habe Probleme mit einem Kommandanten dieser Gegend gehabt. Er habe die Grundstücke seines Vaters wegnehmen wollen. Der Kommandant habe zu seinem Vater gesagt, er solle seine Grundstücke hergeben, aber sein Vater habe dies nicht gewollt. Er habe ein, zwei Mal die Grundstücke seines Vaters verlangt. Er habe gemeint, wenn sich sein Vater weigere, würde es nicht gut für ihn enden. Der Kommandant sei sehr stark gewesen und habe auch Kontakt mit den Taliban gehabt. Als sein Vater eines Tages in die Stadt gegangen sei, um Getreide zu kaufen, sei er nicht mehr zurückgekehrt. Jeder habe etwas Anderes vermutet, die einen hätten gesagt, dass die Taliban ihn umgebracht hätten, die anderen hätten gemeint, dass der Kommandant ihn umgebracht habe. Seine Mutter habe ihm später gesagt, dass es der Kommandant gewesen sei.

Zu den erst in der Beschwerde vorgebrachten Nachfluchtgründen, der Annahme eines "westlichen Lebensstils" und einer bestehenden Gefahr im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan aufgrund seiner Aufenthalte in Österreich bzw. in Europa und dem Iran, führte er in der mündlichen Verhandlung zusammengefasst aus:

Dass er sich nicht vorstellen könne, jemals nach Afghanistan zurückzukehren. Er habe schon sehr lange sein Leben außerhalb von Afghanistan verbracht. Seit er in Europa lebe, habe er sich stark verändert, in seinem Benehmen und in seinem Verhalten. Er sei sowieso als Hazara und Schiite in Afghanistan bedroht. Man bezeichne ihn als ungläubig, weil er Schiite sei, noch dazu komme er aus Europa und deswegen werde er noch mehr als Ungläubiger dargestellt.

Befragt, warum er nicht nach Afghanistan zurückkehren könne, führte er aus:

Er habe schon einmal ein Attentat in Pakistan sehr nah gesehen und er habe Angst davor. Er sei Hazara und Schiite. Das sei sowohl in Pakistan als auch in Afghanistan ein Verbrechen. Er habe seit langem nicht mehr in Afghanistan gelebt und habe sich stark verändert. Er würde sich dort auch nicht zurechtfinden, Die Leute, die aus Europa nach Afghanistan zurückkehren, vermute man, dass die Leute Ungläubige seien. Er habe Angst, dass man ihn umbringe, weil er sich von seinem Glauben abgewendet habe.

1.14. Mit Schreiben vom 30.08.2018 erstattete der Beschwerdeführer eine Stellungnahme u.a. zur aktuellen Sicherheits- bzw. Menschenrechtslage in Afghanistan und verwies dabei auf zahlreiche weitere Länderberichte.

1.15. Am 11.09.2018 brachte der Beschwerdeführer ein weiteres Dokument in Vorlage:

- UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfes afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018 (Englische Version)

1.16. Mit Schreiben vom 25.02.2019 wurden den Parteien ein aktualisierter und ein weiterer Länderbericht zur Stellungnahme übermittelt:

-

Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan, Gesamtaktualisierung am 29.06.2018, letzte Kurzinformation eingefügt am 30.01.2019

-

UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfes afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018 (Deutsche Version)

1.17. Am 21.03.2019 langte eine Stellungnahme des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers ein. Darin wird ausgeführt: "Unter Zugrundelegung der glaubhaften und nachvollziehbaren Angaben des BF, insbesondere das Beschwerdevorbringens und der zahlreichen im Verfahren vorgelegten Urkunden, die die soziale Integration des BF nachvollziehbar dokumentieren, ist ergänzend betreffend der Situation in Afghanistan darauf zu verweisen, dass die Schutzunfähigkeit und Schutzunwilligkeit des afghanischen Staates betreffend Verfolgungshandlungen durch die Taliban als amtsbekannt anzunehmen sind. Die Sicherheitskräfte sind durch die Taliban infiltriert und kann jedenfalls der BF auf Grund der Verfolgung durch die Taliban keinen staatlichen Schutz in Anspruch nehmen. Das Bundesverwaltungsgericht hat in jüngster Zeit auf die aktuellen Richtlinien des UNHCR reagiert und geht zwischenzeitig auch davon aus, dass keine Möglichkeit einer inländischen Fluchtalternative hinsichtlich Kabul vorliegt, dies trifft auch auf Mazar-e Sharif zu. Der BF selbst ist sozial integriert, die Interessen des BF an einem weiteren Verbleib in Österreich sind jedenfalls höher anzusetzen, als jene der Republik selbst. Betreff der Dauer des Aufenthaltes des BF in Österreich ist ein fünfjähriger rechtmäßiger Aufenthalt nicht als Muss-Kriterium zu bewerten und erlaubt sich der BF auszugsweise auf Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichtes wie folgt zu verweisen: ..."

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

2. Feststellungen:

Der entscheidungswesentliche Sachverhalt steht fest.

2.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

2.1.1. Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX ist am XXXX geboren. Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und bekennt sich zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam.

Der Beschwerdeführer wurde im Dorf XXXX im Distrikt XXXX in der Provinz Ghazni in Afghanistan geboren.

Im Alter von 7 Jahren verließ er gemeinsam mit seiner Familie Afghanistan und zog in die Stadt XXXX in Pakistan. In Pakistan hielt sich der Beschwerdeführer fünf Jahre auf und reiste im Jahr 2012 in den Iran in die Stadt XXXX , wo er gemeinsam mit seinem Bruder vier Jahre, bis 2015, lebte.

Anschließend reiste der Beschwerdeführer unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich ein und stellte am 01.06.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Der Beschwerdeführer hat bis zu seinem Aufenthalt in Österreich nie eine Schule besucht.

Der Beschwerdeführer verfügt über mehrjährige Berufserfahrungen. In Pakistan arbeitete er als Straßenverkäufer und im Iran war er vier Jahre als Gelegenheitsarbeiter tätig; er verrichtete handwerkliche Tätigkeiten, wie Teppiche waschen usw., und arbeitete auf Baustellen.

Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder.

Die Familie des Beschwerdeführers besteht aus seiner Mutter und zwei jüngeren Brüdern. Die Mutter des Beschwerdeführers lebt in Pakistan; ein Bruder im Iran. Weiters hat der Beschwerdeführer einen Onkel väterlicherseits, der auch in Pakistan aufhältig ist.

Der Vater des Beschwerdeführers ist verschwunden. Die Ursachen, die zum Verschwinden des Vaters geführt haben, können nicht festgestellt werden.

Der Beschwerdeführer verfügt über keine familiären und sozialen Anknüpfungspunkte in Afghanistan.

Die wirtschaftliche Situation der Familie des Beschwerdeführers ist schlecht.

Eine finanzielle Unterstützung des Beschwerdeführers durch Familienangehörige, beispielsweise seinen Bruder oder seinen Onkel väterlicherseits, ist bei einer Rückkehr des Beschwerdeführers nach Afghanistan nicht zu erwarten.

Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig.

Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Dari. Zudem spricht der Beschwerdeführer Urdu und ein bisschen Deutsch.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

2.2. Zu den Flucht- bzw. Nachfluchtgründen des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer verließ den Iran aufgrund einer ihm wegen seines illegalen Aufenthaltes drohenden Abschiebung nach Afghanistan.

Der Beschwerdeführer verließ Pakistan, XXXX , aufgrund der schwierigen Lebensbedingungen, insbesondere aufgrund der Volksgruppenzugehörigkeit, für dort aufhältige Afghanen.

2.2.1. Zur Bedrohung bzw. Verfolgung aufgrund von Grundstücksstreitigkeiten:

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Vater des Beschwerdeführers wegen Grundstücksstreitigkeiten in Afghanistan getötet wurde und der Beschwerdeführer aufgrund des Verwandtschaftsverhältnisses zu seinem Vater konkret und individuell psychischer und/oder physischer Gewalt in Afghanistan ausgesetzt war bzw. im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan ist.

2.2.2. Zur Bedrohung bzw. Verfolgung aufgrund der Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit:

Es kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer wegen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara oder zur schiitischen Religion konkret und individuell physische und/oder psychische Gewalt in Afghanistan droht. Ebenso wenig kann festgestellt werden, dass jeder Angehörige der Volksgruppe der Hazara oder der schiitischen Religion in Afghanistan physischer und/oder psychischer Gewalt ausgesetzt ist.

2.2.3. Zur Bedrohung bzw. Verfolgung im Falle einer Rückkehr aufgrund der Aufenthalte im Iran und in Österreich bzw. Europa und der Annahme eines "westlichen Lebensstils":

Es kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer aufgrund der Tatsache, dass er im Iran und in Österreich bzw. Europa gelebt hat, konkret und individuell bzw. dass jedem afghanischen Rückkehrer aus dem Iran und Österreich bzw. Europa physische und/oder psychische Gewalt in Afghanistan droht.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan auf Grund einer "westlichen Orientierung" in Afghanistan psychischer und/oder physischer Gewalt ausgesetzt wäre.

2.2.4. Zusammenfassung:

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat einer systematischen Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention, dh. wegen der Zugehörigkeit zu einer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung ausgesetzt war oder ihm im Falle einer Rückkehr derartiges droht.

2.3. Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:

Dem Beschwerdeführer würde bei einer Rückkehr in seine Herkunftsprovinz in Afghanistan ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen.

Bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einer Ansiedelung außerhalb seiner Heimatprovinz, insbesondere in den Städten Herat und Mazar-e Sharif, liefe der Beschwerdeführer nicht Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.

2.4. Zum (Privat)Leben des Beschwerdeführers in Österreich:

Der Beschwerdeführer ist seit seiner Antragstellung am 01.06.2015 aufgrund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG 2005 durchgehend rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig.

Der Beschwerdeführer hat in Österreich keine Verwandten und keine sonstigen engen sozialen Bindungen. Eine Liebesbeziehung führt der Beschwerdeführer zurzeit nicht.

Der Beschwerdeführer hat Deutschkurse besucht. Die höchste deutschsprachige Ausbildung des Beschwerdeführers befindet sich entsprechend dem Europäische Referenzrahmen auf dem Niveau "B1". Er ist in der Lage, sich flüssig auf Deutsch zu unterhalten. Zurzeit besucht er einen Deutschkurs zur Erreichung des Niveaus "B2".

Der Beschwerdeführer bezog seit seiner Antragstellung bis zum 20.06.2018 Leistungen aus der vorübergehenden Grundversorgung. Mit 20.06.2018 wurde der Beschwerdeführer wegen der Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung aus der Grundversorgung des Landes Steiermark abgemeldet. Mit Bescheid des Arbeitsmarktservice (AMS) vom 27.09.2017 wurde dem Beschwerdeführer eine Beschäftigungsbewilligung für die Zeit vom 01.10.2017 bis 31.12.2021 erteilt.

Der Beschwerdeführer holte in Österreich den Pflichtschulabschluss nach. Von 24.06.2017 bis 24.09.2017 absolvierte der Beschwerdeführer ein dreimonatiges Volontariat bei XXXX . Seit 01.10.2017 macht der Beschwerdeführer die Lehre zum Restaurantfachmann in diesem Betrieb.

Ehrenamtlich war der Beschwerdeführer in einem Seniorenheim tätig und führte Besuchsdienste durch. Zudem ging er mit einer zum damaligen Zeitpunkt 91-jährigen Dame privat immer wieder spazieren und kümmerte sich um sie. Nach seiner Einreise in Österreich half er, gesammelte Gegenstände koordiniert im Erstaufnahmezentrum zu verteilen.

Der Beschwerdeführer nahm an einem Erste-Hilfe-Kurs und dem Werte- und Orientierungskurs des Österreichischen Integrationsfonds sowie am Projekt Connect und an Veranstaltungen im Rahmen der Integrationsplattform "Gemeinsam in Wildon" und der Dialogreihe: MEN TALK. Dialogreihe mit männlichen Asylwerbern in Österreich teil. Darüber hinaus besuchte er die ehrenamtlichen Unterstützungsangebote der christlichen Pfarrgemeinde (Nachhilfe-Angebote, ehrenamtliche Deutschkurse, Begegnungsmöglichkeiten).

Er wohnt in Österreich mit einer Kollegin in einer Wohnung und ist mit Schulkollegen befreundet; wenn sie Zeit haben gehen sie oft zusammen Eis essen. Zudem steht er in regelmäßigem Kontakt mit einer österreichischen Großfamilie. Er suchte während seines Aufenthaltes in Österreich regelmäßig den Kontakt zu Einheimischen.

Der Beschwerdeführer brachte zahlreiche Empfehlungsschreiben in Vorlage, denen besondere Integrationsschritte nicht zu entnehmen sind.

Er ist sichtlich um seine Integration in Österreich bemüht.

Es gibt keinen Hinweis auf außergewöhnliche Integrationsbestrebungen.

2.5. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

In der Folge bedeutet "LIB" folgende Quelle: Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, Gesamtaktualisierung am 29.06.2018, letzte Kurzinformation eingefügt am 30.01.2019

2.5.1. Zur allgemeinen Sicherheitslage:

"Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren (USDOD 12.2017). Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt; vgl. AAN 6.6.2018) bedrohen - ein signifikanter Meilenstein für die ANDSF (USDOD 12.2017; vgl. UNGASC 27.2.2018); diesen Meilenstein schrieben afghanische und internationale Sicherheitsbeamte den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zu (UNGASC 27.2.2018). (LIB auf Seite 24)."

2.5.2. Zur aktuellen Sicherheitslage in Ghazni, der Heimatprovinz des Beschwerdeführers (LIB ab Seite 112ff):

"Ghazni ist eine der wichtigsten Zentralprovinzen Afghanistans. Ghazni liegt 145 km südlich von Kabul Stadt entfernt und liegt an der Autobahn Kabul-Kandahar. Ghazni grenzt im Norden an die Provinzen (Maidan) Wardak und Bamyan, im Osten an Logar, Paktia und Paktika, im Süden an Zabul und im Westen an Uruzgan und Daikundi (UN-OCHA 4.2014; vgl. Pajhwok o.D.a). Laut dem afghanischen Statistikbüro (CSO) ist Ghazni die Provinz mit der zweithöchsten Bevölkerungszahl (Pajhwok o.D.a), die auf 1.270.3192 Bewohner/innen geschätzt wird (CSO 4.2017). Hauptsächlich besteht die Bevölkerung aus großen Stämmen der Paschtunen sowie Tadschiken und Hazara; Mitglieder der Bayat, Sadat und Sikh sind auch dort vertreten, wenngleich die Vielzahl der Bevölkerung Paschtunen sind (Pajhwok o. D.a).

Ghazni besteht aus den folgenden Distrikten: die Provinzhauptstadt Ghazni, sowie die Distrikte Andar, Muqur, Khugiani/Khugaini/Khogyani, Qara Bagh/Qarabagh, Gilan/Gelan/Gailan, Waghiz/Waghaz, Giro/Gairo, Deh Yak/Dehyak, Nawar/Nawur, Jaghori/Jaghuri, Malistan/Malestan, Rashidan, Ab Band/Abband, Khugiani, Nawa, Jaghato/Jaghato, Zankhan/Zanakhan, Ajeristan/Ajrestan und Khwaja Omari/Khwajaumari (Pajhwok o.D.a; vgl. UN OCHA 4.2014, GI o.D.). Ghazni ist eine der Schlüsselprovinz im Südosten, die die zentralen Provinzen inklusive der Hauptstadt Kabul mit anderen Provinzen im Süden und Westen verbindet (Khaama Press 2.7.2017; vgl. HoA 15.3.2016).

Nach mehr als zwei Jahrzehnten ohne Mohnanbau in der Provinz Ghazni (seit 1995), wird nun wieder Mohn angebaut. Mit Stand November 2017 wurden 1.027 Hektar Mohn angebaut: Opium/Mohn wurde insbesondere im Distrikt Ajrestan angebaut, in dem die Sicherheitslage schwach ist (UNODC 11.2017).

Allgemeine Information zur Sicherheitslage

Im Februar 2018 wurde verlautbart, dass die Provinz Ghazni zu den relativ volatilen Provinzen im südöstlichen Teil des Landes zählt; die Provinz selbst grenzt an unruhige Provinzen des Südens. Die Taliban und Aufständische anderer Gruppierungen sind in gewissen Distrikten aktiv (Khaama Press 1.2.2018; vgl. SD 1.2.2018). In der Provinz kommt es zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Aufständischen (Xinhua 18.3.2018).

Wie in vielen Regionen in Südafghanistan, in denen die Paschtunen die Mehrheit stellen, konnten die Taliban in Ghazni nach dem Jahr 2001 an Einfluss gewinnen. Die harten Vorgehensweisen der Taliban - wie Schließungen von Schulen, der Stopp von Bauprojekten usw. - führten jedoch auch zu Gegenreaktionen. So organisierten Dorfbewohner eines Dorfes im Distrikt Andar ihre eigenen Milizen, um die Aufständischen fernzuhalten - auch andere Distrikte in Ghazni folgten. Die Sicherheitslage verbesserte sich, Schulen und Gesundheitskliniken öffneten wieder. Da diese Milizen, auch ALP (Afghan Local Police) genannt, der lokalen Gemeinschaft entstammen, genießen sie das Vertrauen der lokalen Menschen. Nichtsdestotrotz kommt es zu auch bei diesen Milizen zu Korruption und Missbrauch (IWPR 15.1.2018).

Im Berichtszeitraum der Vereinten Nationen (UN) (15.12.2017-15.2.2018) haben regierungsfeindliche Elemente auch weiterhin Druck auf die afghanischen Sicherheitskräfte ausgeübt, indem koordinierte Angriffe auf Kontrollpunkte der afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte unter anderem in der Provinz Ghazni verübt wurden (UNGASC 27.2.2018).

Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 163 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, welche durch die folgende Darstellung der Staatendokumentation veranschaulicht werden sollen:

(Grafik)

Die meisten im Jahr 2017 registrierten Anschläge fanden - in absteigender Reihenfolge - in den Provinzen Nangarhar, Faryab, Helmand, Kandahar, Farah, Ghazni, Uruzgan, Logar, Jawzjan, Paktika und Kabul statt (Pajhwok 14.1.2018).

Im gesamten Jahr 2017 wurden 353 zivile Opfer in Ghazni (139 getötete Zivilisten und 214 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Bodenoffensiven, gefolgt von IEDs und gezielten/willkürlichen Tötungen. Dies deutet einen Rückgang von 11% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (UNAMA 2.2018).

Militärische Operationen in Ghazni

Miliärische Operationen werden in der Provinz Ghazni durchgeführt (Tolonews 17.3.2018; vgl. Xinhua 27.1.2018, ZNI 3.3.2018, Tolonews 5.2.2018, Tolonews 24.3.2018, MF 25.3.2018, Tolonews 5.12.2017; MF 18.3.2018, VoA 22.10.2017); Aufständische werden getötet und festgenommen (Pajhwok 13.3.2018; vgl. MF 25.3.2018, Tolonews 5.12.2017, MF 18.3.2018, VoA 22.10.2017). Luftangriffe werden ebenso durchgeführt (Khaama Press 1.2.2018), bei denen auch Taliban getötet werden (Khaama Press 1.2.2018; vgl. Pajhwok 12.3.2018).

Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften finden statt (AJ 11.6.2018; vgl. AJ 21.5.2018, VoA 22.10.2017).

Regierungsfeindliche Gruppierungen in Ghazni

Sowohl Das Haqqani-Netzwerk, als auch die Taliban sind in manchen Regionen der Provinz aktiv (VoA 10.1.2018). Sicherheitsbeamte sprechen von mehreren Gruppierungen, die in der Provinz aktiv sind, während die Taliban selbst behaupten, die einzige Gruppierung in der Provinz Ghazni zu sein (Pajhwok 1.7.2017).

Basierend auf geheimdienstlichen Informationen, bestritt das afghanische Innenministerium im Jänner 2018, dass der IS in der Provinz Ghazni aktiv sei (VoA 10.1.2018). Für den Zeitraum 1.1.15.7.2017 wurden IS-bezogene Vorfälle in der Provinz gemeldet - insbesondere an der Grenze zu Paktika. Zwischen 16.7.2017 - 31.1.2018 wurden hingegen keine Vorfälle registriert (ACLED 23.2.2018)."

2.5.3. Zur Möglichkeit sich in Mazar-e Sharif anzusiedeln ohne einer Existenzbedrohung und aus der Sicht (Seite 29 des LIB):

"Mazar-e Sharif

Auf der Militärbase Camp Shaheen in der nördlichen Stadt Mazar-e Sharif eröffnete Mitte Juni 2017 ein afghanischer Soldat das Feuer auf seine Kameraden und verletzte mindestens acht Soldaten (sieben US-amerikanische und einen afghanischen) (RFE/RL 17.6.2017).

Die Anzahl solcher "Insider-Angriffe" [Anm.: auch green-on-blue attack genannt] hat sich in den letzten Monaten erhöht. Unklar ist, ob die Angreifer abtrünnige Mitglieder der afghanischen Sicherheitskräfte sind oder ob sie Eindringlinge sind, die Uniformen der afghanischen Armee tragen (RFE/RL 17.6.2017). Vor dem Vorfall im Camp Shaheen kam es dieses Jahr zu zwei weiteren registrierten Insider-Angriffen: der erste Vorfall dieses Jahres fand Mitte März auf einem Militärstützpunkt in Helmand statt: ein Offizier des afghanischen Militärs eröffnete das Feuer und verletzte drei US-amerikanische Soldaten (LWJ 11.6.2017; vgl. auch: al-Jazeera 11.6.2017).

Der zweite Vorfall fand am 10.6.2017 im Zuge einer militärischen Operation im Distrikt Achin in der Provinz Nangarhar statt, wo ein afghanischer Soldat drei US-amerikanische Soldaten tötete und einen weiteren verwundete; der Angreifer wurde bei diesem Vorfall ebenso getötet (BBC 10.6.21017; vgl. auch: LWJ 11.6.2017; DZ 11.6.2017)."

Auf Seite 36 des LIB:

High-profile Angriffe:

Nahe der Provinzhauptstadt Mazar-e Sharif in der afghanischen Nordprovinz Balkh, sind bei einem Angriff der Taliban auf eine Militärbasis mindestens 140 Soldaten getötet und mehr als 160 verwundet worden (FAZ 21.4.2017; vgl. auch: al-Jazeera 29.4.2017, Reuters 23.4.2017). Balkh gehört zu den eher sicheren Provinzen Afghanistans; dort ist die Kommandozentrale für den gesamten Norden des Landes (FAZ 21.4.2017). Dies war afghanischen Regierungskreisen zufolge, der bislang folgenschwerste Angriff auf einen Militärstützpunkt. Laut dem Sprecher der Taliban war der Angriff die Vergeltung für die Tötung mehrerer ranghoher Rebellenführer. Vier der Angreifer seien in die Armee eingeschleust worden. Sie hätten dort einige Zeit ihren Dienst verrichtet. Das wurde aber von der afghanischen Armee nicht bestätigt (Reuters 23.4.2017).

Dies ist der zweite Angriff auf eine Militäreinrichtung innerhalb weniger Monate, nach dem Angriff auf ein Militärkrankenhaus in Kabul Anfang März, zu dem sich die Terrormiliz Islamischer Staat bekannt hatte. Damals kamen mindestens 49 Menschen ums Leben und 76 weitere wurden verletzt (FAZ 21.4.2017; vgl. auch: BBC 8.5.2017, NYT 7.5.2017, Dawn 7.5.2017, SIGAR 30.4.2017, FAZ 8.3.2017)."

Auf Seite 65 des LIB:

"Die Stadt Mazar-e Sharif ist eine Art "Vorzeigeprojekt" Afghanistans für wichtige ausländische Gäste (Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA 14.11.2014). Balkh ist, in Bezug auf Angriffe der Taliban, zentralasiatischer Aufständischer oder IS-Kämpfer die sicherste Provinz in Nordafghanistan. Grund dafür ist das Machtmonopol, das der tadschikisch-stämmige Gouverneur und ehemalige Warlord Atta Mohammed Noor bis in die abgelegensten Winkel der Provinz ausübt. Nichtsdestotrotz ist die Stabilität stark abhängig von den Beziehungen des Gouverneurs zum ehemaligen Warlord und nunmehrigen ersten Vizepräsidenten Abdul Rashid Dostum. Im Juni 2015 haben sich die beiden Rivalen darauf geeinigt, miteinander zu arbeiten, um die Sicherheit in Nordafghanistan wiederherzustellen. Die Stabilität der Provinz Balkh war ein Hauptfokus der NATO-Kräfte (RFE/RL 8.7.2015)."

2.5.4. Zur Möglichkeit sich in Herat anzusiedeln ohne einer Existenzbedrohung und aus der sicherheitsrelevanten Sicht (Seite 101 des LIB):

Herat

Herat ist eine der größten Provinzen Afghanistans und liegt im Westen des Landes. Herat grenzt im Norden an die Provinz Badghis und Turkmenistan, im Süden an die Provinz Farah, im Osten an die Provinz Ghor und im Westen an den Iran. Die Provinz ist in folgende Bezirke eingeteilt, die gleichzeitig auch die administrativen Einheiten bilden: Shindand, Engeel/Injil, Ghorian/Ghoryan, Guzra/Guzara und Pashtoon Zarghoon/Pashtun Zarghun, werden als Bezirke der ersten Stufe angesehen. Awba/Obe, Kurkh/Karukh, Kushk, Gulran, Kuhsan/Kohsan, Zinda Jan und Adraskan als Bezirke zweiter Stufe und Kushk-i-Kuhna/Kushki Kohna, Farsi, und Chisht-i-Sharif/Chishti Sharif als Bezirke dritter Stufe (UN OCHA 4.2014; vgl. Pajhwok o. D.). Provinzhauptstadt ist Herat-Stadt, welche sich im gleichnamigen Distrikt befindet und eine Einwohnerzahl von 506.900 hat (CP 21.9.2017). In der Provinz befinden sich zwei Flughäfen: ein internationaler in Herat-Stadt und ein militärischer in Shindand (vgl. Flughafenkarte der Staatendokumentation; Kapitel 3.35.). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.967.180 geschätzt (CSO 4.2017).

In der Provinz leben Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Turkmenen, Uzbeken und Aimaken (Pajhwok o.D.; vgl. NPS o.D.).

Herat ist eine relativ entwickelte Provinz im Westen des Landes. Das Harirud-Tal, eines der fruchtbarsten Täler des Landes, wo Baumwolle, Obst und Ölsaat angebaut werden, befindet sich in der Provinz (AJ 8.3.2012). Bekannt ist Herat auch wegen seiner Vorreiterrolle in der Safran-Produktion (AJ 8.3.2012; vgl. EN 9.11.2017). Es sollen Regierungsprogramme und ausländische Programme zur Unterstützung der Safran-Produktion implementiert werden. Safran soll eine Alternative zum Mohnanbau werden (Tolonews 10.11.2017; vgl. EN 9.11.2017). Anfang Jänner 2018 wurde ein Labor zur Kontrolle der Safran-Qualität in Herat errichtet (Pajhwok 13.1.2018). Die Safran-Produktion garantierte z.B. auch zahlreiche Arbeitsplätze für Frauen in der Provinz (Tolonews 10.11.2017; vgl. EN 9.11.2017). Auch in unsicheren Gegenden wird Safran angebaut. (Tolonews 10.11.2017). Insgesamt wurden 2017 in der Provinz min. 8 Tonnen Safran produziert; im Vorjahr 2016 waren es 6.5 Tonnen (Pajhwok 13.1.2018; vgl. EN 9.11.2017). Trotzdem stieg im Jahr 2017 in der Provinz die Opiumproduktion. In den Distrikten Shindand und Kushk, geprägt von schlechter Sicherheitslage, war der Mohnanbau am höchsten (UNODC 11.2017).

Im Dezember 2017 wurden verschiedene Abkommen mit Uzbekistan unterzeichnet. Eines davon betrifft den Bau einer 400 Km langen Eisenbahnstrecke von Mazar-e Sharif und Maymana nach Herat (UNGASC 27.2.2018; vgl. RFE/RL 6.12.2017).

Mitte März 2018 wurde der Bau der TAPI-Leitung in Afghanistan eingeweiht. Dabei handelt es sich um eine 1.800 Km lange Pipeline für Erdgas, die Turkmenistan, Afghanistan, Pakistan und Indien 30 Jahre lang mit 33 Billionen m³ turkmenischem Erdgas versorgen soll. Die geplante Leitung wird sich entlang der Herat-Kandahar-Autobahn erstrecken. Somit wird sie durch Gegenden, auf die die Taliban einen starken Einfluss haben, verlaufen. Jedoch erklärten die Taliban, TAPI sei ein "wichtiges Projekt" und sie würden es unterstützen (PPG 26.2.2018; vgl. RFE/RL 23.2.2018). Im Rahmen des TAPI-Projekts haben sich 70 Taliban bereit erklärt, an den Friedensprozessen teilzunehmen (Tolonews 4.3.2018). Um Sicherheit für die Umsetzung des TAPI-Projekts zu gewähren, sind tausende Sicherheitskräfte entsandt worden (Tolonews 14.3.2018).

Allgemeine Informationen zur Sicherheitslage

Herat wird als eine der relativ friedlichen Provinzen gewertet, dennoch sind Aufständische in einigen Distrikten der Provinz, wie Shindand, Kushk, Chisht-i-Sharif und Gulran, aktiv (AN 18.2.2018; vgl. UNODC 12.2017, Khaama Press 25.10.2017, AJ 25.6.2017). Des Weiteren wurde Ende Oktober 2017 verlautbart, dass die Provinz Herat zu den relativ ruhigen Provinzen im Westen des Landes zählt, wenngleich sich in den abgelegenen Distrikten die Situation in den letzten Jahren aufgrund der Taliban verschlechtert hat (Khaama Press 25.10.2017).

Die Provinz ist u.a. ein Hauptkorridor für den Menschenschmuggel in den Iran bekannt - speziell von Kindern (Pajhwok 21.1.2017).

Mitte Februar 2018 wurde von der Entminungs-Organisation Halo Trust bekannt gegeben, dass nach zehn Jahren der Entminung 14 von 16 Distrikten der Provinz sicher seien. In diesen Gegenden bestünde keine Gefahr mehr, Landminen und anderen Blindgängern ausgesetzt zu sein, so der Pressesprecher des Provinz-Gouverneurs. Aufgrund der schlechten Sicherheitslage und der Präsenz von Aufständischen wurden die Distrikte Gulran und Shindand noch nicht von Minen geräumt. In der Provinz leben u.a. tausende afghanische Binnenflüchtlinge (AN 18.2.2018).

Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 139 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, welche durch die folgende Darstellung der Staatendokumentation veranschaulicht werden sollen:

(Grafik)

Im gesamten Jahr 2017 wurden in der Provinz Herat 495 zivile Opfer (238 getötete Zivilisten und 257 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Selbstmordanschlägen/komplexen Attacken und gezielten Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 37% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (UNAMA 2.2018).

Militärische Operationen in Herat

In der Provinz werden militärische Operationen durchgeführt, um einige Gegenden von Aufständischen zu befreien (Khaama Press 18.1.2017; Khaama Press 15.1.2017). Auch werden Luftangriffe verübt (D&S 25.10.2017; vgl. NYT 29.8.2017); dabei wurden Taliban getötet (D&S 25.10.2017; vgl. NYT 29.8.2017). Zusammenstöße zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen finden statt (AJ 25.6.2017; vgl. AAN 11.1.2017). In Herat sind Truppen der italienischen Armee stationiert, die unter dem Train Advise Assist Command West (TAAC-W) afghanische Streitmächte im Osten Afghanistans unterstützen (MdD o. D.).

Regierungsfeindliche Gruppierungen in Herat

Herat wird als einer der relativ friedlichen Provinzen gewertet, dennoch sind Aufständische in einigen Distrikten der Provinz, wie Shindand, Kushk, Chisht-i-Sharif und Gulran, aktiv (AN 18.2.2018;

vgl. UNODC 12.2017, Khaama Press 25.10.2017, AJ 25.6.2017). Dem Iran wird von verschiedenen Quellen nachgesagt, afghanische Talibankämpfer auszubilden und zu finanzieren (RFE/RL 23.2.2018;

vgl. Gandhara 22.2.2018, IP 13.8.2017, NYT 5.8.2017). Regierungsfeindliche Aufständische griffen Mitte 2017 heilige Orte, wie schiitische Moscheen, in Hauptstädten wie Kabul und Herat, an (FAZ 1.8.2017; vgl. DW 1.8.2017). Dennoch erklärten Talibanaufständische ihre Bereitschaft, das TAPI-Projekt zu unterstützen und sich am Friedensprozess zu beteiligen (AF 14.3.2018; vgl. Tolonews 4.3.2018). Es kam zu internen Konflikten zwischen verfeindeten Taliban-Gruppierungen (D&S 25.10.2017; vgl. NYT 29.8.2017).

Anhänger des IS haben sich in Herat zum ersten Mal für Angriffe verantwortlich erklärt, die außerhalb der Provinzen Nangarhar und Kabul verübt wurden (UNAMA 2.2018).

ACLED registrierte für den Zeitraum 1.1.2017-15.7.2017 IS-bezogene Vorfälle (Gewalt gegen die Zivilbevölkerung) in der Provinz Herat (ACLED 23.2.2017).

2.5.5. Zur Erreichbarkeit:

Verkehrswesen

Das Verkehrswesen in Afghanistan ist eigentlich recht gut. Es gibt einige angemessene Busverbindungen in die wichtigsten Großstädte. Die Kernfrage bleibt nach wie vor die Sicherheit. Busverbindungen existieren auf der Kabul/Herat Straße nach Kandahar; Ausländern ist es nicht erlaubt, in den Bus einzusteigen. Es gibt aber Ausnahmen - in der Verbindung Mazar-e Sharif nach Kabul, war es erlaubt, ohne dass Fragen gestellt wurden (Uncharted Backpacker 3.2016).

[...]

Beispiele für Taxiverbindungen

Kabul

In Kabul gibt es mehr als 40.000 Taxis. Der Fahrpreis wird noch vor dem Einsteigen mit dem Fahrer ausverhandelt (Afghan Embassy Washington D.C. o.D.). Bis zu 80% der Taxis in Kabul sind Toyota Corolla (Khaama Press 29.11.2013).

[...]

Beispiele für Busverbindungen

Kabul

In Kabul stehen viele Busse für Fahrten innerhalb Kabuls und die angrenzenden Außenbezirke zur Verfügung (Afghan Embassy Washington D.C. o.D.; vgl. auch: Tolonews 26.7.2015). Der sogenannten "Afghan Milli Bus Enterprise", dem staatlich betriebenen Busunternehmen, wurden in den vergangenen 14 Jahren bereits 900 Busse zur Verfügung gestellt. Im Juli 2015 wurde verlautbart, dass weitere 1.000 Busse von Indien gespendet werden würden (Tolonews 26.7.2015).

[...]

Flugverbindungen

Laut dem World Factbook existieren in Afghanistan 23 Flughäfen mit asphaltierten Landebahnen und 29 Flughäfen, die nicht über asphaltierte Landebahnen verfügen (The World Factbook 25.2.2016).

2.5.6. Zu den Hazara (aus dem LIB):

"Die schiitische Minderheit der Hazara macht etwa 10% der Bevölkerung aus. (CRS 12.1.2015). Die Hazara besiedelten traditionell das Bergland in Zentralafghanistan, das sich zwischen Kabul im Osten und Herat im Westen erstreckt und unter der Bezeichnung Hazaradschat (azarajat) bekannt ist. Das Kernland dieser Region umfasst die Provinzen Bamyan, Ghazni, Daikundi und den Westen der Provinz Wardak. Es können auch einzelne Teile der Provinzen Ghor, Uruzgan, Parwan, Samangan, Baghlan, Balkh, Badghis, und Sar-e Pul dazugerechnet werden. Wichtige Merkmale der ethnischen Identität der Hazara sind die schiitische Konfession (mehrheitlich Zwölfer-Schiiten) und ihre ethnisch-asiatisches Erscheinungsbild, woraus gern Schlussfolgerungen über eine turko-mongolische Abstammung der Hazara gezogen werden. Eine Minderheit der Hazara, die vor allem im nordöstlichen Teil des Hazaradschat leben, sind Ismailiten. Nicht weniger wichtig als Religion und Abstammung ist für das ethnische Selbstverständnis der Hazara eine lange Geschichte von Unterdrückung, Vertreibung und Marginalisierung. Jahrzehntelange Kriege und schwere Lebensbedingungen haben viele Hazara aus ihrer Heimatregion in die afghanischen Städte, insbesondere nach Kabul, getrieben (Staatendokumentation des BFA 7.2016).

Ihre Gesellschaft ist traditionell strukturiert und basiert auf der Familie bzw. dem Klan. Die sozialen Strukturen der Hazara werden manchmal als Stammesstrukturen bezeichnet; dennoch bestehen in Wirklichkeit keine sozialen und politischen Stammesstrukturen. Das traditionelle soziale Netz der Hazara besteht größtenteils aus der Familie, obwohl gelegentlich auch politische Führer einbezogen werden können (Staatendokumentation des BFA 7.2016).

Für die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgten Hazara hat sich die Lage grundsätzlich verbessert (AA 9.2016); sie haben sich ökonomisch und politisch durch Bildung verbessert (CRS 12.1.2015). In der öffentlichen Verwaltung sind sie jedoch nach wie vor unterrepräsentiert. Unklar ist, ob dies Folge der früheren Marginalisierung oder eine gezielte Benachteiligung neueren Datums ist (AA 9.2016). In der Vergangenheit wurden die Hazara von den Pashtunen verachtet, da diese dazu tendierten, die Hazara als Hausangestellte oder für andere niedere Arbeiten einzustellen. Berichten zufolge schließen viele Hazara, auch Frauen, Studien ab oder schlagen den Weg in eine Ausbildung in Informationstechnologie, Medizin oder anderen Bereichen ein, die in den unterschiedlichen Sektoren der afghanischen Wirtschaft besonders gut bezahlt werden (CRS 12.1.2015).

Gesellschaftliche Spannungen bestehen fort und leben lokal in unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf (AA 9.2016; vgl. auch: USDOS 13.4.2016). Im Jahr 2015 kam es zu mehreren Entführungen von Angehörigen der Hazara (AA 9.2016; vgl. auch: UDOS 13.4.2016; NYT 21.11.2015; World Hazara Council 10.11.2016; RFE/RL 25.2.2016). Im Jahr 2016 registrierte die UNAMA einen Rückgang von Entführungen von Hazara. Im Jahr 2016 dokumentierte die UNAMA 15 Vorfälle in denen 82 Hazara entführt wurden. Im Jahr 2015 wurden 25 Vorfälle von 224 entführten Hazara dokumentiert. Die Entführungen fanden in den Provinzen Uruzgan, Sar-e Pul, Daikundi, Maidan Wardak und Ghor statt (UNAMA 6.2.2017). Im Juli 2016 sprengten sich mehrere Selbstmordattentäter bei einem großen Protest der Hazara in die Luft, dabei wurden mindestens 80 getötet und 250 verletzt; mit dem IS verbundene Gruppen bekannten sich zu dem Attentat (HRW 12.1.2017).

Die Hazara sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 10% in der Afghan National Army und der Afghan National Police repräsentiert (Brookings 31.10.2016).

Ausführliche Informationen zu den Hazara, können dem Dossier der Staatendokumentation (7.2016) entnommen werden."

2.5.7. Zur Rückkehr (aus dem LIB)

"Als Rückkehrer/innen werden jene afghanische Staatsbürger/innen bezeichnet, die nach Afghanistan zurückgekehrt sind, nachdem sie mindestens sechs Monate im Ausland verbracht haben. Dazu zählen sowohl im Ausland registrierte Afghan/innen, die dann die freiwillige Rückkehr über UNHCR angetreten haben, als auch nicht-registrierte Personen, die nicht über UNHCR zurückgekehrt sind, sondern zwangsweise rückgeführt wurden. Insgesamt sind in den Jahren 2012-2017 1.821.011 Personen nach Afghanistan zurückgekehrt. Die Anzahl der Rückkehrer/innen hat sich zunächst im Jahr 20

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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