Entscheidungsdatum
02.04.2019Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W270 2174675-1/ 8E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. GRASSL über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. AFGHANISTAN, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 08.10.2017, Zl. XXXX , betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und FPG, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. XXXX (in Folge: "Beschwerdeführer") stellte am 30.09.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
2. Bei seiner am 01.10.2016 stattgefundenen Erstbefragung vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab er befragt zu seinen Fluchtgründen an, dass sie ständig von den Taliban belästigt worden seien. Die ältere Schwester des Beschwerdeführers sei Ärztin gewesen, sein Vater ein Unterstützer der Regierung. Dieser habe auch öfters die Polizei über die Taliban informiert. Deswegen sei die Familie auch von den Taliban bedroht worden. Der Vater des Beschwerdeführers sei nunmehr verschollen, weswegen die ganze Familie des Beschwerdeführers aus dem Heimatdorf geflohen sei.
3. Am 18.11.2016 unterzog sich der Beschwerdeführer einer Untersuchung zur Volljährigkeitsbeurteilung durch einen Sachverständigen. Daraus ergab sich, dass das angegebene Geburtsdatum - XXXX - seinem chronologischen Alter zum Untersuchungszeitpunkt entspricht.
4. Bei seiner Einvernahme am 16.08.2017 vor der belangten Behörde gab der Beschwerdeführer zu den Gründen für seine Asylantragstellung befragt zusammengefasst an, dass die Taliban gewollt hätten, dass der Beschwerdeführer mit diesen zusammenarbeite. Da seine Schwester Ärztin sei, hätte er von dieser lernen und dadurch den Taliban helfen sollen. Die Taliban hätten den Beschwerdeführer mitgenommen und auf einem Berg gefangen gehalten. Während seiner Gefangenschaft hätten die Taliban auch mit seinem Vater telefoniert und gefordert, dass der Beschwerdeführer mit ihnen arbeiten solle. Sein Vater habe den Taliban jedoch gesagt, dass der Beschwerdeführer noch zu jung sei. Die Taliban hätten dem Beschwerdeführer während seiner Gefangenschaft auch gedroht, ihn umzubringen, sollte er nicht mit ihnen arbeiten. Als Beweis dafür hätten sie ihm seitlich in den Bauch geschnitten. Er sei dann nach Hause geflohen, von seiner Schwester verarztet worden und drei bis vier Tage bewusstlos gewesen. Die Familie des Beschwerdeführers habe dann beschlossen nach Kabul zu ziehen. Von der Reise dorthin habe er jedoch aufgrund der Schmerzmittel nichts mitbekommen. Sein Schwager habe alles Weitere organisiert und der Beschwerdeführer sei zwei Wochen später ausgereist. Als er bereits in Europa gewesen sei, habe er erfahren, dass sein Vater in Paktia verschwunden sei. Sein Schwager habe ihm auch erzählt, dass die Taliban in Kabul mit einem Motorrad beim Haus der Familie des Beschwerdeführers vorbeigefahren seien und einen Zettel geworfen hätten. In diesem Schreiben hätten sie den Beschwerdeführer von seiner Familie gefordert.
5. Die belangte Behörde wies den gegenständlichen Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 i.V.m.
§ 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.), als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) mit Bescheid vom 08.10.2017 ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 i.V.m. § 9 BFA-VG, wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist und dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für seine freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt III. und IV.).
Die belangte Behörde begründete ihren Bescheid im Wesentlichen damit, dass der Beschwerdeführer eine asylrelevante Verfolgung nicht glaubhaft machen konnte. Als gesundem, arbeitsfähigen, jungen Mann, der überdies über ein familiäres Netzwerk im Herkunftsstaat verfügen würde, wäre es ihm bei Rückkehr dorthin auch zumutbar, seinen künftigen Lebensunterhalt zu sichern.
6. In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wurden insbesondere eine Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens sowie eine mangelhafte Beweiswürdigung und eine unrichtige rechtliche Beurteilung gerügt. Des Weiteren wurde auf die allgemeine Sicherheitslage in der Stadt Kabul sowie die dortige Versorgung mit Nahrungsmittel und Wohnraum hingewiesen.
7. Gemeinsam mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht wurden dem Beschwerdeführer das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation sowie weitere länderkundliche und sonstige Informationen im Rahmen des Parteiengehörs zur Kenntnis gebracht.
8. Am 19.02.2019 fand am Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung statt, in deren Rahmen der Beschwerdeführer insbesondere nochmals zu den geltend gemachten Fluchtgründen, einer möglichen Rückkehr in seinen Herkunftsstaat sowie seinem Leben in Österreich einvernommen wurde und weitere Urkunden zur Integration vorlegte. In der mündlichen Verhandlung wurden außerdem von Seiten des Bundesverwaltungsgerichtes weitere länderkundliche und sonstige Informationen in das Verfahren eingeführt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
1.1.1. Identität, Herkunft und Sprachkenntnisse:
1.1.1.1. Der Beschwerdeführer trägt den Namen XXXX und ist Staatsbürger der Islamischen Republik Afghanistan. Das Geburtsdatum des Beschwerdeführers ist der XXXX .
1.1.1.2. Der Geburtsort des Beschwerdeführers liegt in Pakistan. Er wuchs jedoch in der Provinz Paktia, im Distrikt Janikhel auf.
1.1.1.3. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Paschtu. Neben dieser hat er noch Kenntnisse der Sprachen Dari und Deutsch (s. dazu unten Pkt. II.1.3.).
1.1.1.4. Der Beschwerdeführer hatte in seinem Herkunftsstaat weder Probleme mit den Behörden noch wurde er wegen seiner Nationalität, seinem Geschlecht, seiner sexuellen Orientierung oder seinem Bekenntnis zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam, seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Paschtunen oder wegen einer Zugehörigkeit zu einer anderen gesellschaftlichen Gruppe bedroht oder wurde sonst eine Handlung oder Maßnahme aus diesen Gründen gegen ihn gesetzt.
1.1.2. Volksgruppe und Religion:
Der Beschwerdeführer gehört der afghanischen Volksgruppe der Paschtunen an und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam.
1.1.3. Familiäre Situation und wirtschaftliche Lage:
1.1.3.1. Nicht festgestellt werden kann, wo sich die Familie des Beschwerdeführers derzeit aufhält.
1.1.3.2. Zum Zeitpunkt der Ausreise des Beschwerdeführers aus Afghanistan lebte die Familie des Beschwerdeführers - mit Ausnahme seines Vaters - in der Stadt Kabul. Der Vater des Beschwerdeführers verschwand nach dessen Ausreise aus Afghanistan ungefähr zu jenem Zeitpunkt, als der Beschwerdeführer nach Europa kam.
1.1.3.3. Als die Familie des Beschwerdeführers noch im Heimatdorf lebte konnte diese von den Erträgen der Landwirtschaft gut leben.
1.1.4. Ausbildung und Berufserfahrung:
1.1.4.1. Der Beschwerdeführer hat in seinem Herkunftsstaat sechs Jahre lang eine öffentliche Schule besucht.
1.1.4.2. Der Beschwerdeführer half seinem Vater bereits neben seinen Schulbesuchen in der familieneigenen Landwirtschaft. Auch nach Abschluss der Schule arbeitete der Beschwerdeführer in der Landwirtschaft mit.
1.1.4.3. Darüber hinaus verfügt er auch über gewisse Kenntnisse im Schneiderhandwerk, weil seine Mutter Schneiderin ist. Nachbarn haben dieser in Afghanistan Kleidung zum Nähen gebracht. Dabei erlernte auch der Beschwerdeführer selbst das Nähen.
1.1.5. Gesundheitszustand:
Der Beschwerdeführer leidet an keiner Erkrankung oder keinem Gebrechen. Er hatte bei einem Autounfall in Klagenfurt im August 2018, bei welchem er leicht verletzt wurde. Er gegen Schmerzen an Schulter und Rücken täglich Tabletten ein, welche ihm helfen.
1.1.6. Ausreise aus Afghanistan und Antragstellung in Österreich
Der Beschwerdeführer reiste ungefähr im Februar 2016 aus Afghanistan aus und stellte schließlich am 30.09.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
1.2. Zum individuellen Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:
1.2.1. Nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführer von den Taliban bedroht wurde oder eine sonstige Maßnahme oder Handlung gegen ihn gesetzt wurde.
1.2.2. Insbesondere kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer von den Taliban entführt worden ist bzw. von diesen zwangsrekrutiert werden sollte.
1.2.3. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass die Familie des Beschwerdeführers - von den Taliban - bedroht oder sonstige Handlungen oder Maßnahmen gegen diese gesetzt wurden.
1.3. Zum Leben des Beschwerdeführers in Österreich:
1.3.1. Der Beschwerdeführer lebt in einer Unterkunft in XXXX t.
1.3.2. In Österreich leben weder Verwandte noch sonstige nahe Angehörige des Beschwerdeführers. Er selbst ist ledig.
1.3.3. Der Beschwerdeführer hat bereits zwei von der Caritas angebotene Deutschkurse sowie am 16.02.2017 eine Informationsveranstaltung des Österreichischen Integrationsfonds besucht. Der Beschwerdeführer ist in der Lage, in einfachen Situationen des Alltagslebens auf elementarer Basis auf Deutsch zu kommunizieren. Der Beschwerdeführer hilft darüber hinaus in seiner Asylwerberunterkunft bei der Essensausgabe.
1.3.4. Der Beschwerdeführer ist weder Mitglied in einem Verein noch betätigt er sich in einem solchen.
1.3.5. Die Kontaktpersonen und Freunde des Beschwerdeführers sind Afghanen, Syrer, Kurden und Somalier. Diese kennt er aus seiner Unterkunft. Zu Österreichern hat der Beschwerdeführer keinen Kontakt.
1.3.6. In seiner Freizeit spielt der Beschwerdeführer mit seinen Freunden Fußball oder Cricket oder unterhält sich mit diesen im Zimmer der Unterkunft.
1.3.7. Sein soziales Umfeld bezeichnet den Beschwerdeführer als freundlich, zuvorkommend und hilfsbereit.
1.3.8. Er war bisher in Österreich nicht erwerbstätig. Er lebt von der Grundversorgung und ist nicht selbsterhaltungsfähig. Ferner verfügt er über keine Einstellzusage.
1.3.9. Der Beschwerdeführer ist in Österreich unbescholten.
1.4. Zur persönliche Situation des Beschwerdeführers bei Rückkehr nach Afghanistan:
Für den Beschwerdeführer besteht die Möglichkeit, staatliche Rückkehrhilfe zu beziehen:
Von 1. Jänner 2017 bis 31. Dezember 2019 implementiert die Internationale Organisation für Migration (IOM), Landesbüro für Österreich, das Projekt "RESTART II - Reintegrations-unterstützung für Freiwillige Rückkehrer/innen nach Afghanistan und Iran". Das Projekt wird durch den Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds der Europäischen Union und das Österreichische Bundesministerium für Inneres kofinanziert.
Im Rahmen des Projekts können Drittstaatsangehörige bei ihrer freiwilligen Rückkehr in die Islamische Republiken Afghanistan und Iran sowie bei ihrer nachhaltigen Reintegration im jeweiligen Herkunftsland unterstützt werden.
Das Projekt sieht die Teilnahme von 490 Personen vor. Pro Haushalt kann nur eine Person teilnehmen.
Die Maßnahmen, die die Rückkehrer/innen bei ihren Reintegrationsbemühungen unterstützen, werden gemeinsam mit den Teilnehmer/innen erarbeitet und sind auf deren individuelle Bedürfnisse und Fähigkeiten abgestimmt.
IOM setzt im Rahmen des Projekts folgende Maßnahmen um:
Rückkehrunterstützung
* Informationsgespräche vor der Abreise in Österreich;
* Möglichkeit der Erhebung der familiären Situation im Rückkehrland im Falle der Rückkehr von unbegleiteten Minderjährigen;
* Logistische Organisation der Reise (inklusive Kauf des Flugtickets);
* Unterstützung bei der Abreise am Flughafen Wien Schwechat;
* Empfang und Unterstützung bei der Ankunft sowie Organisation der Weiterreise zum endgültigen Zielort in Afghanistan und der Islamischen Republik Iran;
* Temporäre Unterkunft nach der Ankunft im Rückkehrland.
Reintegrationsunterstützung
* Beratung der Projektteilnehmer/innen nach der Rückkehr bezüglich ihrer Möglichkeiten unter Berücksichtigung der lokalen Gegebenheiten, ihres Ausbildungs- und beruflichen Hintergrunds und ihrer persönlichen Lebenssituation;
* Finanzielle Unterstützung in Form von Bargeld: EUR 500,- für jede/n Projektteilnehmer/in, um die dringendsten Bedürfnisse direkt nach der freiwilligen Rückkehr in das Herkunftsland abzudecken;
* Unterstützung in Form von Sachleistungen wie
* Unterstützung bei Gründung von oder Beteiligung an einem Unternehmen (z.B. Kauf von Ausstattung, Waren);
* Aus- und Weiterbildung;
* Unterkunft;
* Unterstützung für Kinder;
* Medizinische Unterstützung
* Leitfaden zur Unternehmensgründung und Weitervermittlung zu kostenlosen Business Trainings.
1.5. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:
1.5.1. Zur allgemeinen Lage in Afghanistan:
Sicherheitslage
Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil.
Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren.
Die Provinz Kabul verzeichnete die höchste Zahl ziviler Opfer - speziell in der Hauptstadt Kabul: von den 1.612 registrierten zivilen Opfer (440 Tote und 1.172 Verletzte). Hauptursache waren Selbstmordanschläge, gefolgt von IEDs und gezielte Tötungen.
Die Zahl der Luftangriffe hat sich im Vergleich zum Jahr 2016 um 67% erhöht, die gezielten Tötungen um 6%. Ferner hat sich die Zahl der Selbstmordattentate um 50% erhöht. Östliche Regionen hatten die höchste Anzahl an Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von südlichen Regionen. Diese beiden Regionen zusammen waren von 55% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle betroffen. Für den Berichtszeitraum 15.12.2017 - 15.2.2018 kann im Vergleich zum selben Berichtszeitraum des Jahres 2016, ein Rückgang (-6%) an sicherheitsrelevanten Vorfällen verzeichnet werden.
Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren. Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt) bedrohen - ein signifikanter Meilenstein für die ANDSF; diesen Meilenstein schrieben afghanische und internationale Sicherheitsbeamte den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zu.
(Auszug bzw. Zusammenfassung entscheidungsrelevanter Passagen aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan, Gesamtaktualisierung am 29.06.2018 letzte Kurzinformation eingefügt am 19.10.2018 [in Folge: "LIB"], Pkt. 3. "Sicherheitslage")
Regierungsfeindliche Gruppierungen
Allgemeines
Terroristische und aufständische Gruppierungen stellen Afghanistan und die Koalitionskräfte vor erhebliche Herausforderungen. Derzeit sind rund 20 terroristische Organisationen in Afghanistan zu finden:
das von außen unterstützte Haqqani-Netzwerk stellt nach wie vor die größte Gefährdung für afghanische und internationale Kräfte dar. Die Verflechtung von Taliban und Haqqani-Netzwerk ist so intensiv, dass diese beiden Gruppierungen als Fraktionen ein und derselben Gruppe angesehen werden. Wenn auch die Taliban öffentlich verkündet haben, sie würden zivile Opfer einschränken, so führt das Haqqani-Netzwerk auch weiterhin Angriffe in bevölkerungsreichen Gegenden aus.
Im August 2017 wurde berichtet, dass regierungsfeindliche bewaffnete Gruppierungen - insbesondere die Taliban - ihre Aktivitäten landesweit verstärkt haben, trotz des Drucks der afghanischen Sicherheitskräfte und der internationalen Gemeinschaft, ihren Aktivitäten ein Ende zu setzen. Auch sind die Kämpfe mit den Taliban eskaliert, da sich der Aufstand vom Süden in den sonst friedlichen Norden des Landes verlagert hat, wo die Taliban auch Jugendliche rekrutieren. Ab dem Jahr 2008 expandierten die Taliban im Norden des Landes. Diese neue Phase ihrer Kampfgeschichte war die Folge des Regierungsaufbaus und Konsolidierungsprozess in den südlichen Regionen des Landes. Darüber hinaus haben die Taliban hauptsächlich in Faryab und Sar-i-Pul, wo die Mehrheit der Bevölkerung usbekischer Abstammung ist, ihre Reihen für nicht-paschtunische Kämpfer geöffnet.
Teil der neuen Strategie der Regierung und der internationalen Kräfte im Kampf gegen die Taliban ist es, die Luftangriffe der afghanischen und internationalen Kräfte in jenen Gegenden zu verstärken, die am stärksten von Vorfällen betroffen sind. Dazu gehören u.a. die östlichen und südlichen Regionen, in denen ein Großteil der Vorfälle registriert wurde. Eine weitere Strategie der Behörden, um gegen Taliban und das Haqqani-Netzwerk vorzugehen, ist die Reduzierung des Einkommens selbiger, indem mit Luftangriffen gegen ihre Opium-Produktion vorgegangen wird.
Außerdem haben Militäroperationen der pakistanischen Regierung einige Zufluchtsorte Aufständischer zerstört. Jedoch genießen bestimmte Gruppierungen, wie die Taliban und das Haqqani-Netzwerk Bewegungsfreiheit in Pakistan. Die Gründe dafür sind verschiedene:
das Fehlen einer Regierung, das permissive Verhalten der pakistanischen Sicherheitsbehörden, die gemeinsamen kommunalen Bindungen über die Grenze und die zahlreichen illegalen Netzwerke, die den Aufständischen Schutz bieten.
Taliban
Die Taliban führten auch ihre Offensive "Mansouri" weiter; diese Offensive konzentrierte sich auf den Aufbau einer "Regierungsführung" der Taliban (Engl. "governance") bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Gewalt gegen die afghanische Regierung, die ANDSF und ausländische Streitkräfte. Nichtsdestotrotz erreichten die Taliban, die Hauptziele dieser "Kampfsaison" laut US-Verteidigungsministerium nicht. Operation Mansouri sollte eine Mischung aus konventioneller Kriegsführung, Guerilla-Angriffen und Selbstmordattentaten auf afghanische und ausländische Streitkräfte werden. Auch wollten sich die Taliban auf jene Gegenden konzentrieren, die vom Feind befreit worden waren. Laut NATO Mission Resolute Support kann das Scheitern der Taliban-Pläne für 2017 auf aggressive ANDSF-Operationen zurückgeführt, aber auch auf den Umstand, dass die Taliban den IS und die ANDSF gleichzeitig bekämpfen müssen.
Im Jahr 2017 wurden den Taliban insgesamt 4.385 zivile Opfer (1.574 Tote und 2.811 Verletzte zugeschrieben. Die Taliban bekannten sich nur zu 1.166 zivilen Opfern. Im Vergleich zum Vorjahreswert bedeutet dies einen Rückgang um 12% bei der Anzahl ziviler Opfer, die den Taliban zugeschrieben werden. Aufgrund der Komplexität der in Selbstmord- und komplexen Anschlägen involvierten Akteure hat die UNAMA oft Schwierigkeiten, die daraus resultierenden zivilen Opfer spezifischen regierungsfreundlichen Gruppierungen zuzuschreiben, wenn keine Erklärungen zur Verantwortungsübernahme abgegeben wurde. Im Jahr 2017 haben sich die Taliban zu 67 willkürlichen Angriffen auf Zivilist/innen bekannt; dies führte zu 214 zivilen Opfern (113 Toten und 101 Verletzten). Auch wenn sich die Taliban insgesamt zu weniger Angriffen gegen Zivilist/innen bekannten, so haben sie dennoch die Angriffe gegen zivile Regierungsmitarbeiter/innen erhöht - es entspricht der Linie der Taliban, Regierungsinstitutionen anzugreifen.
Schätzungen von SIGAR zufolge kontrollierten im Oktober 2017 und im Jänner 2018 die Taliban 14% der Distrikte Afghanistans. Die Taliban selbst verlautbarten im März 2017, dass sie beinahe 10% der afghanischen Distrikte kontrollierten. Die Taliban halten auch weiterhin großes Territorium in den nördlichen und südlichen Gegenden der Provinz Helmand. Die ANDSF haben, unterstützt durch US-amerikanische Truppen, in den ersten Monaten des Jahres 2018 an Boden gewonnen, wenngleich die Taliban nach wie vor die Hälfte der Provinz Helmand unter Kontrolle halten. Helmand war lange Zeit ein Hauptschlachtfeld - insbesondere in der Gegend rund um den Distrikt Sangin, der als Kernstück des Taliban-Aufstands erachtet wird (JD News 12.3.2018; vgl. Reuters 30.3.2018). Die Taliban haben unerwarteten Druck aus ihrer eigenen Hochburg in Helmand erhalten:
Parallel zu der Ende März 2018 abgehaltenen Friedens-Konferenz in Uzbekistan sind hunderte Menschen auf die Straße gegangen, haben eine Sitzblockade abgehalten und geschworen, einen langen Marsch in der von den Taliban kontrollierten Stadt Musa Qala zu abzuhalten, um die Friedensgespräche einzufordern. Unter den protestierenden Menschen befanden sich auch Frauen, die in dieser konservativen Region Afghanistans selten außer Hauses gesehen werden.
Die Taliban geben im Kurznachrichtendienst Twitter Angaben zu ihren Opfern oder Angriffen. Ihre Angaben sind allerdings oft übertrieben. Auch ist es sehr schwierig Ansprüche und Bekennermeldungen zu verifizieren - dies gilt sowohl für Taliban als auch für den IS.
IS/ISIS/ISIL/ISKP/ISIL-K/Daesh - Islamischer Staat
Höchst umstritten ist von Expert/innen die Größe und die Gefahr, die vom IS ausgeht. So wird von US-amerikanischen Sicherheitsbeamten und weiteren Länderexpert/innen die Anzahl der IS-Kämpfer in Afghanistan mit zwischen 500 und 5.000 Kämpfern beziffert. Jeglicher Versuch die tatsächliche Stärke einzuschätzen, wird durch den Umstand erschwert, dass sich die Loyalität der bewaffneten radikalen Islamisten oftmals monatlich oder gar wöchentlich ändert, je nach ideologischer Wende, Finanzierung und Kampfsituation. Auch wurde die afghanische Regierung bezichtigt, die Anzahl der IS-Kämpfer in Afghanistan aufzublasen. Zusätzlich ist wenig über die Gruppierung und deren Kapazität, komplexe Angriffe auszuführen, bekannt. Viele afghanische und westliche Sicherheitsbeamte bezweifeln, dass die Gruppierung alleine arbeitet.
Die Fähigkeiten und der Einfluss des IS sind seit seiner Erscheinung im Jahr 2015 zurückgegangen. Operationen durch die ANDSF und die US-Amerikaner, Druck durch die Taliban und Schwierigkeiten die Unterstützung der lokalen Bevölkerung zu gewinnen, störten das Wachstum des IS und verringerten dessen Operationskapazitäten. Trotz erheblicher Verluste von Territorium, Kämpfern und hochrangigen Führern, bleibt der IS nach wie vor eine Gefährdung für die Sicherheit in Afghanistan und in der Region. Er ist dazu in der Lage, öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen (HPA) in städtischen Zentren zu verüben. Der IS hat sich nämlich in den vergangenen Monaten zu einer Anzahl tödlicher Angriffe in unterschiedlichen Teilen des Landes bekannt - inklusive der Hauptstadt. Dies schürte die Angst, der IS könne an Kraft gewinnen. Auch haben örtliche IS-Gruppen die Verantwortung für Angriffe auf Schiiten im ganzen Land übernommen.
Im Jahr 2017 wurden dem IS 1.000 zivile Opfer (399 Tote und 601 Verletzte) zugeschrieben sowie die Entführung von 81 Personen; er war damit laut UNAMA für 10% aller zivilen Opfer im Jahr 2017 verantwortlich - eine Zunahme von insgesamt 11% im Vergleich zum Jahr 2016. Im Jahr 2017 hat sich der IS zu insgesamt 18 willkürlichen Angriffen auf Zivilist/innen oder zivile Objekte bekannt; er agiert wahllos - greift Einrichtungen der afghanischen Regierung und der Koalitionskräfte an, aber auch ausländische Botschaften. Fast ein Drittel der Angriffe des IS zielen auf schiitische Muslime ab - sechs Angriffe waren auf schiitische Glaubensstätte. Der IS begründet seine Angriffe auf die schiitische Gemeinschaft damit, dass deren Mitglieder im Kampf gegen den IS im Mittleren Osten involviert sind.
Zusätzlich dokumentierte die UNAMA im Jahr 2017 27 zivile Opfer (24 Tote und drei Verletzte) sowie die Entführung von 41 Zivilist/innen, die von selbsternannten IS-Anhängern in Ghor, Jawzjan und Sar-e Pul ausgeführt wurden. Diese Anhänger haben keine offensichtliche Verbindung zu dem IS in der Provinz Nangarhar.
Der IS rekrutierte auf niedriger Ebene und verteilte Propagandamaterial in vielen Provinzen Afghanistans. Führung, Kontrolle und Finanzierung des Kern-IS aus dem Irak und Syrien ist eingeschränkt, wenngleich der IS in Afghanistan nachhaltig auf externe Finanzierung angewiesen ist, sowie Schwierigkeiten hat, Finanzierungsströme in Afghanistan zu finden. Dieses Ressourcenproblem hat den IS in einen Konflikt mit den Taliban und anderen Gruppierungen gebracht, die um den Gewinn von illegalen Kontrollpunkten und den Handel mit illegalen Waren wetteifern. Der IS bezieht auch weiterhin seine Mitglieder aus unzufriedenen TTP-Kämpfern (Tehreek-e Taliban in Pakistan - TTP), ehemaligen afghanischen Taliban und anderen Aufständischen, die meinen, der Anschluss an den IS und ihm die Treue zu schwören, würde ihre Interessen vorantreiben.
Auch ist der IS nicht länger der wirtschaftliche Magnet für arbeitslose und arme Jugendliche in Ostafghanistan, der er einst war. Die Tötungen von IS-Führern im letzten Jahr (2017) durch die afghanischen und internationalen Kräfte haben dem IS einen harten Schlag versetzt, auch um Zugang zu finanziellen Mitteln im Mittleren Osten zu erhalten. Finanziell angeschlagen und mit wenigen Ressourcen, ist der IS in Afghanistan nun auf der Suche nach anderen Möglichkeiten des finanziellen Überlebens.
(Auszüge aus dem LIB, Pkt. 3. "Sicherheitslage")
Grundversorgungs- und Wirtschaftslage
Im Jahr 2015 belegte Afghanistan auf dem Human Development Index (HDI) Rang 169 von 188. Seit 2002 hat Afghanistan mit Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft wichtige Fortschritte beim Wiederaufbau seiner Wirtschaft erzielt. Nichtsdestotrotz bleiben bedeutende Herausforderungen bestehen, da das Land weiterhin von Konflikten betroffen, arm und von Hilfeleistungen abhängig ist. Während auf nationaler Ebene die Armutsrate in den letzten Jahren etwas gesunken ist, stieg sie in Nordostafghanistan in sehr hohem Maße. Im Norden und im Westen des Landes konnte sie hingegen reduziert werden. Angesichts des langsamen Wachstums, sicherheitsbedingter Versorgungsunterbrechungen und schwacher landwirtschaftlicher Leistungen, nimmt die Armut weiterhin zu.
Die Verbraucherpreisinflation bleibt mäßig und wurde für 2018 mit durchschnittlich 6% prognostiziert. Der wirtschaftliche Aufschwung erfolgt langsam, da die andauernde Unsicherheit die privaten Investitionen und die Verbrauchernachfrage einschränkt. Während der Agrarsektor wegen der ungünstigen klimatischen Bedingungen im Jahr 2017 nur einen Anstieg von ungefähr 1.4% aufwies, wuchsen der Dienstleistungs- und Industriesektor um 3.4% bzw. 1.8%. Das Handelsbilanzdefizit stieg im ersten Halbjahr 2017, da die Exporte um 3% zurückgingen und die Importe um 8% stiegen.
(Auszug bzw. Zusammenfassung aus dem LIB, Pkt. 21. "Grundversorgung und Wirtschaft")
Rechtsschutz und Justizwesen in Afghanistan
Im Bereich des Rechtsschutzes und des Justizwesens in Afghanistan gibt es legislative Fortschritte; dennoch gibt es keine einheitliche und korrekte Anwendung der verschiedenen Rechtsquellen und werden Dispute überwiegend außerhalb des formellen Justizsystems gelöst. Das formale Justizsystem ist in den städtischen Zentren relativ stark verankert, in den ländlichen Gebieten aber schwächer ausgeprägt. Dem Justizsystem mangelt es an Leistungsfähigkeit, teils mangels qualifizierten Personals (insbesondere in ländlichen Gebieten), teils wegen der eingeschränkten Zugänglichkeit von Gesetzestexten; die Situation bessert sich jedoch. Innerhalb des Gerichtswesens ist auch Korruption vorhanden und sind Richterinnen und Richter und Anwältinnen und Anwälte oftmals Ziel von Bedrohung oder Bestechung durch lokale Anführer oder bewaffnete Gruppen.
(Zusammenfassung aus dem LIB, Pkt. 4. "Rechtsschutz/Justizwesen")
Sicherheitsbehörden in Afghanistan
In Afghanistan gibt es drei Ministerien, die mit der Wahrung der öffentlichen Ordnung betraut sind: das Innenministerium (MoI), das Verteidigungsministerium (MoD) und das National Directorate for Security (NDS). Das MoD beaufsichtigt die Einheiten der afghanischen Nationalarmee (ANA), während das MoI für die Streitkräfte der afghanischen Nationalpolizei (ANP) zuständig ist.
Die afghanischen nationalen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte (ANDSF) umfassen militärische, polizeiliche und andere Sicherheitskräfte. Bestandteile der ANDSF sind die afghanische Nationalarmee (ANA), die afghanische Nationalpolizei (ANP) und die afghanischen Spezialsicherheitskräfte (ASSF). Die ANA beaufsichtigt alle afghanischen Boden- und Luftstreitkräfte inklusive der konventionellen ANA-Truppen, der Luftwaffe (AAF), des ANA-Kommandos für Spezialoperationen (ANASOC) des Spezialmissionsflügels (SMW) und der afghanischen Grenzpolizei (ABP) (die ABP seit November 2017, Anm.). Die ANP besteht aus der uniformierten afghanischen Polizei (AUP), der afghanischen Nationalpolizei für zivile Ordnung (ANCOP), der afghanischen Kriminalpolizei (AACP), der afghanischen Lokalpolizei (ALP), den afghanischen Kräften zum Schutz der Öffentlichkeit (APPF) und der afghanischen Polizei zur Drogenbekämpfung (CNPA). Auch das NDS ist Teil der ANDSF.
Die ASSF setzen sich aus Kontingenten des MoD (u. a. dem ANASOC, der Ktah Khas [Anm.: auf geheimdienstliche Anti-Terror-Maßnahmen spezialisierte Einheit] und dem SMW) und des MoI (u.a. dem General Command of Police Special Unit (GCPSU) und der ALP) zusammen.
Schätzungen der US-Streitkräfte zufolge betrug die Anzahl des ANDSF-Personals am 31. Jänner 2018 insgesamt 313.728 Mann; davon gehörten 184.572 Mann der ANA an und 129.156 Mann der ANP. Diese Zahlen zeigen, dass sich die Zahl der ANDSF im Vergleich zu Jänner 2017 um ungefähr 17.980 Mann verringert hat. Die Ausfallquote innerhalb der afghanischen Sicherheitskräfte variiert innerhalb der verschiedenen Truppengattungen und Gebieten. Mit Stand Juni 2017 betrug die Ausfallquote der ANDSF insgesamt 2.31%, was im regulären Dreijahresdurchschnitt von 2.20% liegt.
Ausländische Streitkräfte und Regierungsvertreter sowie die als ihre Verbündeten angesehenen Angehörigen der afghanischen Sicherheitskräfte und Vertreter der afghanischen Regierung sind prioritäre Ziele der Aufständischen. In einer öffentlichen Erklärung der Taliban Führung zum Beginn der Frühjahrsoffensive 2018 (25. April 2018) hieß es: "Die Operation Al-Khandak wird sich neuer, komplexer Taktiken bedienen, um amerikanische Invasoren und ihre Unterstützer zu zermalmen, zu töten und gefangen zu nehmen". Bereits der Schwerpunkt der Frühjahroffensive 2017 "Operation Mansouri" lag auf "ausländischen Streitkräften, ihrer militärischen und nachrichtendienstlichen Infrastruktur sowie auf der Eliminierung ihres heimischen Söldnerapparats.". Afghanische Dolmetscher, die für die internationalen Streitkräfte tätig waren, wurden als Ungläubige beschimpft und waren Drohungen der Taliban und des Islamischen Staates (IS) ausgesetzt.
Aktuelle Tendenzen und Aktivitäten der ANDSF
Die afghanischen Sicherheitskräfte haben zwar im Jahr 2015 die volle Verantwortung für die Sicherheit des Landes übernommen; dennoch werden sie teilweise durch US-amerikanische bzw. Koalitionskräfte unterstützt. Die USA erhöhten ihren militärischen Einsatz in Afghanistan: Im ersten Quartal des Jahres 2018 wurden US-amerikanische Militärflugzeuge nach Afghanistan gesandt; auch ist die erste U.S. Army Security Force Assistance Brigade, welche die NATO-Kapazität zur Ausbildung und Beratung der afghanischen Sicherheitskräfte verstärken soll, in Afghanistan angekommen. Während eines Treffens der NATO-Leitung am 25.5.2017 wurde verlautbart, dass sich die ANDSF-Streitkräfte zwar verbessert hätten, diese jedoch weiterhin Unterstützung benötigen würden.
Die ANDSF haben in den vergangenen Monaten ihren Druck auf Aufständische in den afghanischen Provinzen erhöht; dies resultierte in einem Anstieg der Angriffe regierungsfeindlicher Gruppierungen auf Zivilisten in der Hauptstadt. Wegen der steigenden Unsicherheit in Kabul verlautbarte der für die Resolute Support Mission (RS) zuständige US-General John Nicholson, dass die Sicherheitslage in der Hauptstadt sein primärer Fokus sei. Die ANDSF weisen Erfolge in urbanen Zentren auf, hingegen sind die Taliban in ländlichen Gebieten, wo die Kontrolle der afghanischen Sicherheitskräfte gering ist, erfolgreich. Für das erste Quartal des Jahres 2018 weisen die ANDSF einige Erfolge wie die Sicherung der Konferenz zum Kabuler Prozess im Februar und den Schutz der Einweihungszeremonie des TAPI-Projekts in Herat auf. Nachdem die Operation Shafaq II beendet wurde, sind die ANDSF-Streitkräfte nun an der Operation Khalid beteiligt und unterstützen somit Präsident Ghanis Sicherheitsplan bis 2020.
Reformen der ANDSF
Die afghanische Regierung versucht die nationalen Sicherheitskräfte zu reformieren. Durch die Afghanistan Compact Initiative sollen u.a. sowohl die ANDSF als auch ihre einzelnen Komponenten ANA und ANP reformiert und verbessert werden. Ein vom Joint Security Compact Committee (JSCC) durchgeführtes Monitoring der afghanischen Regierung ergab, dass die für Dezember 2017 gesetzten Ziele des Verteidigungs- und des Innenministeriums zum Großteil erreicht wurden. Das Aufstocken des ANASOC, der Ausbau der AAF, die Entwicklung von Führungskräften, die Korruptionsbekämpfung und die Vereinheitlichung der Führung innerhalb der afghanischen Streitkräfte sind einige Elemente der 2017 angekündigten Sicherheitsstrategie der afghanischen Regierung. Auch soll diese im Rahmen der neuen US-amerikanischen Strategie für Südasien Beratung und Unterstützung bei Lufteinsätzen bekommen.
Mit Unterstützung der RS-Mission implementieren und optimieren das MoI und das MoD verschiedene Systeme, um ihr Personal präzise zu verwalten, zu bezahlen und zu beobachten. Ein Beispiel dafür ist das Afghan Human Resource Information Management System (AHRIMS), welches alle Daten inklusive Namen, Rang, Bildungsniveau, Ausweisnummer und aktuelle Position des ANDSF-Personals enthält. Auch ist das Afghan Personnel Pay System (APPS), das die AHRIMS-Daten u.a. mit Vergütungs- und in Lohndaten integrieren wird, in Entwicklung.
Geheimdienstliche Tätigkeiten
Das Sammeln sowie der Austausch von geheimdienstlichen Daten verbesserte sich sowohl im Verteidigungs- als auch im Innenministerium. Die drei geheimdienstlichen Verbindungszentren, das Network Targeting and Exploitation Center (NTEC) im Innenministerium, das National Military Intelligence Center (NMIC) in der ANA (unter dem Verteidigungsministerium, Anm.) und das Nasrat, auch National Threat Intelligence Center, unter dem NDS, tauschen sich regelmäßig aus. Obwohl der Austausch von geheimdienstlichen Informationen als Stärke der ANDSF gilt, blieb Mitte 2017 die geheimdienstliche Analyse schwach. Gemäß einem Bericht von SIGAR finden Ausbildungen zur Verbesserung der geheimdienstlichen Fähigkeiten des MoI und des MoD im Rahmen der Resolute Support Mission statt.
Das National Directorate for Security (NDS) fungiert als Geheimdienst und ist für die Untersuchung von Strafsachen zuständig, welche die nationale Sicherheit betreffen. Die Ermittlungsabteilung des NDS betreibt ein Untersuchungsgefängnis in Kabul. Die Bush- und die Obama-Administration konzentrierten sich auf den Ausbau des ANAund ANP-Personals und vernachlässigten dadurch den afghanischen Geheimdienst. Die Rekrutierungsmethode für NDS-Personal war mit Stand Juli 2017 sehr restriktiv und der Beitritt für Bewerber ohne Kontakte fast unmöglich.
Afghan National Police (ANP) und Afghan Local Police (ALP)
Die ANP gewährleistet die zivile Ordnung und bekämpft Korruption sowie die Produktion und den Schmuggel von Drogen. Der Fokus der ANP liegt derzeit aber auf der Bekämpfung von Aufständischen gemeinsam mit der ANA. Das Langzeitziel der ANP ist es weiterhin, sich in einen traditionellen Polizeiapparat zu verwandeln. Mit Stand 31. Jänner 2018 betrug das ANP-Personal etwa 129.156 Mann. Im Vergleich zu Jänner 2017 hat sich die Anzahl der ANP-Streitkräfte um 24.841 Mann verringert.
Quellen zufolge dauert die Grundausbildung für Streifenpolizisten bzw. Wächter acht Wochen. Für höhere Dienste dauern die Ausbildungslehrgänge bis zu drei Jahren. Lehrgänge für den höheren Polizeidienst finden in der Polizeiakademie in Kabul statt, achtwöchige Lehrgänge für Streifenpolizisten finden in Polizeiausbildungszentren statt, die im gesamten Land verteilt sind. Die standardisierte Polizeiausbildung wird nach militärischen Gesichtspunkten durchgeführt, jedoch gibt es Uneinheitlichkeit bei den Ausbildungsstandards. Es gibt Streifenpolizisten, die Dienst verrichten, ohne eine Ausbildung erhalten zu haben. Die Rekrutierungs- und Schulungsprozesse der Polizei konzentrierten sich eher auf die Quantität als auf den Qualitätsausbau und erfolgten hauptsächlich auf Ebene der Streifenpolizisten statt der Führungskräfte. Dies führte zu einem Mangel an Professionalität. Die afghanische Regierung erkannte die Notwendigkeit, die beruflichen Fähigkeiten, die Führungskompetenzen und den Grad an Alphabetisierung innerhalb der Polizei zu verbessern.
Die Mitglieder der ALP, auch bekannt als "Beschützer", sind meistens Bürger, die von den Dorfältesten oder den lokalen Anführern zum Schutz ihrer Gemeinschaften vor Angriffen Aufständischer designiert werden. Aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur lokalen Gemeinschaft wurde angenommen, dass die ALP besser als andere Streitkräfte in der Lage sei, die Sachverhalte innerhalb der Gemeinde zu verstehen und somit gegen den Aufstand vorzugehen. Die Einbindung in die örtliche Gemeinschaft ist ein integraler Bestandteil bei der Einrichtung der ALP-Einheiten, jedoch wurde die lokale Gemeinschaft in einigen afghanischen Provinzen diesbezüglich nicht konsultiert, so lokale Quellen. Finanziert wird die ALP ausschließlich durch das US-amerikanische Verteidigungsministerium und die afghanische Regierung verwaltet die Geldmittel.
Die Personalstärke der ALP betrug am 8. Februar 2017 etwa 29.006 Mann, wovon 24.915 ausgebildet waren, 4.091 noch keine Ausbildung genossen hatten und 58 sich gerade in Ausbildung befanden. Die Ausbildung besteht in einem vierwöchigen Kurs zur Benutzung von Waffen, Verteidigung an Polizeistützpunkten, Thematik Menschenrechte, Vermeidung von zivilen Opfern usw.
Die monatlichen Ausfälle der ANP im vorhergehenden Quartal betrugen mit Stand 26. Februar 2018 ca. 2%. Über die letzten zwölf Monate blieben sie relativ stabil unter 3%.
Afghanische Nationalarmee (ANA)
Die afghanische Nationalarmee (ANA) überwacht und kommandiert alle afghanischen Boden- und Luftstreitkräfte. Die ANA ist für die externe Sicherheit verantwortlich, dennoch besteht ihre Hauptaufgabe darin, den Aufstand im Land zu bekämpfen.
Mit Stand 31. Jänner 2018 betrug der Personalstand der ANA 184.572 Mann. Im Vergleich zum Jänner 2017 ist die Anzahl der ANA-Streitkräfte um 6.861 Mann gestiegen. Die monatlichen Ausfälle der ANA im vorhergehenden Quartal betrugen mit Stand 26. Februar 2018 im Durchschnitt 2%. Im letzten Jahr blieben sie relativ stabil unter 2%.
Quellen zufolge beginnt die Grundausbildung der ANA-Soldaten am Kabul Military Training Center (KMTC) und beträgt zwischen sieben und acht Wochen. Anschließend gibt es verschiedene weiterführende Ausbildungen für Unteroffiziere und Offiziere.
Resolute Support Mission (RS)
Die "Resolute Support Mission" ist eine von der NATO geführte Mission, die mit 1. Jänner 2015 ins Leben gerufen wurde. Hauptsächlich konzentriert sie sich auf Ausbildungs-, Beratungs- und Unterstützungsaktivitäten auf ministerieller und Behördenebene sowie in höheren Rängen der Armee und Polizei. Die Personalstärke der Resolute Support Mission beträgt 13.000 Mann (durch 39 NATO-Mitglieder und andere Partner). NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg verlautbarte am 9. November 2017, dass sie zukünftig auf 16.000 Mann angehoben werden soll. Die RS-Mission befasst sich mit zahlreichen Aspekten bzw. Problematiken der afghanischen Sicherheitsbehörden. Involviert ist die Mission z. B. in die Förderung von Transparenz, in den Kampf gegen Korruption, den Ausbau der Streitkräfte, die Verbesserung des Geheimdienstes usw.
Das Hauptquartier befindet sich in Kabul/Bagram mit vier weiteren Niederlassungen in Mazar-e Sharif im Norden, Herat im Westen, Kandahar im Süden und Laghman im Osten. Die US-amerikanischen Streitkräfte in Afghanistan (United States Forces-Afghanistan, USFOR-A) und die Resolute Support Mission werden von General John Nicholson koordiniert. Korruption, Vetternwirtschaft, schwache Führung usw. sind einige der Faktoren, welche die Leistungsfähigkeit der ANDSF unterminieren. Einer Quelle zufolge ist der Einsatz von ausländischen Sicherheitskräften ein wirksames Mittel für die Verbesserung von einigen Bereichen wie die Institutionalisierung einer meritokratischen Anwerbung, Beförderungen im afghanischen Sicherheitsbereich und die Entpolitisierung der ANDSF.
(Auszug aus dem LIB, Pkt. 5. "Sicherheitsbehörden")
Folter und unmenschliche Behandlung
Laut den Artikeln 29 und 30 der afghanischen Verfassung ist Folter verboten. Aussagen und Geständnisse, die durch Zwang erlangt wurden, sind ungültig. Auch ist Afghanistan Vertragsstaat der vier Genfer Abkommen von 1949, des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR) sowie des römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs (ICC). Am 22. April 2017 genehmigte die afghanische Regierung ein neues Anti-Folter-Gesetz und erweiterte das im ursprünglichen Strafgesetzbuch enthaltene Folterverbot. Das neue Gesetz bezieht sich jedoch nur auf Folterungen, die im Rahmen des Strafrechtssystems erfolgt sind, und nicht eindeutig auf Misshandlungen, die von militärischen sowie anderen Sicherheitskräften verübt werden. Fehlende Regelungen zur Entschädigung von Folteropfern wurden im August 2017 durch ein entsprechendes Addendum ergänzt.
Trotz dieser Vorgaben gibt es zahlreiche Berichte über Misshandlungen durch Regierungsbeamte, Sicherheitskräfte, Gefängnispersonal und Polizei. Quellen zufolge wenden die Sicherheitskräfte weiterhin exzessive Gewalt an, einschließlich Folter und Gewalt gegen Zivilisten. Personen, die im Rahmen des bewaffneten Konflikts festgenommen wurden, werden insbesondere während des ersten Verhörs gefoltert, um Geständnisse zu erhalten.
Im Zuge einer Befragung gaben für den Zeitraum 1.1.2015 - 31.12.2016 181 (39%) von 469 befragten Personen an, von den afghanischen nationalen Verteidigungs- und Sicherheitskräften (ANDSF) gefoltert worden zu sein. Auch 38 (45%) von 85 befragten Kinder gaben an im Berichtszeitraum Opfer von Folter oder Missbräuchen geworden zu sein. Die meisten Misshandlungen fanden unter der Obhut des National Directorate of Security (NDS) und der afghanischen Nationalpolizei statt (ANP).
Zwei Jahre nach der Verlautbarung des Nationalplans von 2015 zur Eliminierung der Folter durch die afghanische Regierung, hat diese einige dauerhafte Fortschritte gemacht, insbesondere auf der Gesetzesebene. Zahlreiche im Nationalplan eingegangene Hauptverpflichtungen wurden jedoch nur teilweise verwirklicht
(Zusammenfassung aus dem LIB, Pkt. 6. "Folter und unmenschliche Behandlung")
Binnenflüchtlinge
Wegen des Konflikts wurden im Jahr 2017 insgesamt 475.433 Menschen in Afghanistan neu zu Binnenvertriebenen (IDPs). Im Zeitraum 2012-2017 wurden insgesamt 1.728.157 Menschen im Land zu Binnenvertriebenen.
Zwischen 1.1.2018 und 15.5.2018 wurden 101.000 IDPs registriert. 23% davon sind erwachsene Männer, 21% erwachsene Frauen und 55% minderjährige Kinder (UN OCHA 15.5.2018).
Zwischen 1.1.2018 und 29.4.2018 waren die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Binnenvertriebenen Kunduz und Faryab (USAID 30.4.2018). Mit Stand Dezember 2017 waren die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Binnenvertriebenen Herat, Nangarhar, Kabul, Kandahar, Takhar, Baghlan, Farah, Balkh, Herat, Kunduz, Kunar, Khost, Nimroz, Logar, Laghman und Paktya. Vertriebene Bevölkerungsgruppen befinden sich häufig in schwer zugänglichen und unsicheren Gebieten, was die afghanischen Regierungsbehörden und Hilfsorganisationen bei der Beurteilung der Lage bzw. bei Hilfeleistungen behindert. Ungefähr 30% der 2018 vertriebenen Personen waren mit Stand 21.3.2018 in schwer zugänglichen Gebieten angesiedelt.
Die meisten IDPs stammen aus unsicheren ländlichen Ortschaften und kleinen Städten und suchen nach relativ besseren Sicherheitsbedingungen sowie Regierungsdienstleistungen in größeren Gemeinden und Städten innerhalb derselben Provinz. Mit Stand Dezember 2017 lebten 54% der Binnenvertriebenen in den afghanischen Provinzhauptstädten. Dies führte zu weiterem Druck auf die bereits überlasteten Dienstleistungen sowie die Infrastruktur sowie zu einem zunehmenden Kampf um die Ressourcen zwischen den Neuankömmlingen und der einheimischen Bevölkerung.
Die Mehrheit der Binnenflüchtlinge lebt, ähnlich wie Rückkehrer aus Pakistan und Iran, in Flüchtlingslagern, angemieteten Unterkünften oder bei Gastfamilien. Die Bedingungen sind prekär. Der Zugang zu Gesundheitsversorgung, Bildung und wirtschaftlicher Teilhabe ist stark eingeschränkt. Der hohe Konkurrenzdruck führt oft zu Konflikten. Ein Großteil der Binnenflüchtlinge ist auf humanitäre Hilfe angewiesen.
Der begrenzte Zugang zu humanitären Hilfeleistungen führt zu Verzögerungen bei der Identifizierung, Einschätzung und rechtzeitigen Unterstützung von Binnenvertriebenen. Diesen fehlt weiterhin Zugang zu grundlegendem Schutz, einschließlich der persönlichen und physischen Sicherheit sowie Unterkunft. Vor allem binnenvertriebene Familien mit einem weiblichen Haushaltsvorstand haben oft Schwierigkeiten grundlegende Dienstleistungen zu erhalten, weil sie keine Identitätsdokumente besitzen. Berichten zufolge werden viele Binnenvertriebene diskriminiert, haben keinen Zugang zu angemessenen Sanitäranlagen sowie anderen grundlegenden Dienstleistungen und leben unter dem ständigen Risiko, aus ihren illegal besetzten Quartieren delogiert zu werden.
Binnenvertriebene, Flüchtlinge und Rückkehrende sind wegen des Mangels an landwirtschaftlichem Besitz und Vermögen besonders gefährdet. Berichten zufolge brauchen mehr als 80% der Binnenvertriebenen Nahrungsmittelhilfe. Die afghanische Regierung kooperierte mit dem Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR), IOM und anderen humanitären Organisationen, um IDPs, Flüchtlingen, Rückkehrern und anderen betroffenen Personen Schutz und Unterstützung zu bieten. Die Unterstützungsfähigkeit der afghanischen Regierung gegenüber vulnerablen Personen - inklusive Rückkehrern aus Pakistan und Iran - ist beschränkt und auf die Hilfe durch die internationale Gemeinschaft angewiesen. Die Regierung hat einen Exekutivausschuss für Vertriebene und Rückkehrer sowie einen politischen Rahmen und einen Aktionsplan eingerichtet, um die erfolgreiche Integration von Rückkehrern und Binnenvertriebenen zu fördern. Im Rahmen der humanitären Hilfe wurden IDPs je nach Region und klimatischen Bedingungen unterschiedlich unterstützt, darunter Nahrungspakete, Non-Food-Items (NFI), grundlegende Gesundheitsdienstleistungen, Hygienekits usw.
Organisationen wie Afghanaid, Action Contre La Faim (ACF), Agency for Technical Cooperation and Development (ACTED), Afghan Red Crescent Society (ARCS), Afghanistan National Disaster Management Authority (ANDMA), CARE, Danish Committee for Aid to Afghan Refugees (DACAAR), IOM, Danish Refugee Council (DRC), New Consultancy and Relief Organization (NCRO), Save the Children International (SCI), UN's Children Fund (UNICEF), UNHCR, World Food Programme (WFP) bieten u.a. Binnenvertriebenen Hilfeleistungen in Afghanistan an.
Flüchtlinge in Afghanistan
Die afghanischen Gesetze sehen keine Gewährung von Asyl oder Flüchtlingsstatus vor und es existiert kein staatliches System zum Schutz von Flüchtlingen aus anderen Ländern.
In Afghanistan leben pakistanische Flüchtlinge, die 2014 aus Nord-Waziristan in die Provinzen Khost und Paktika geflüchtet sind.
42.262 dieser Flüchtlinge sind in der Provinz Khost registriert: Das Gulan-Flüchtlingslager in Khost beherbergt 13.167 pakistanische Flüchtlinge und der Rest lebt in anderen Distrikten der Provinz Khost. In der Provinz Paktika wurden 2016 35.949 pakistanische Flüchtlinge registriert. In den Provinzen Khost und Paktika wurden ca. 76.925 pakistanische Flüchtlinge aus Nord-Waziristan registriert und verifiziert. In den urbanen Zentren leben ungefähr 505 Asylwerber, die auf die Verabschiedung eines Asylgesetzes warten. Ihre lokale Integration ist aus rechtlichen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und anderen Gründen derzeit unmöglich; auch bleiben die Umsiedlungsmöglichkeiten eingeschränkt.
(Auszug bzw. Zusammenfassung aus dem LIB, Pkt. 20.
"Binnenflüchtlinge (IDPs) und Flüchtlinge")
1.5.2. Lage der Heimatprovinz des Beschwerdeführers in Afghanistan:
Paktia ist eine gebirgige Provinz im südlichen Afghanistan. Sie grenzt an die Provinz Logar und an Pakistan im Norden, an Khost im Osten, an Paktika im Süden und an Ghazni im Osten. Die Provinz besteht aus folgenden Distrikten: Ahmadabad/Ahmad Abad, Sayed Karam/Mirzaka, Ahmadkhel/Lija Ahmad Khel/Laja Mangel, Zazi/Alikhel/Jaji, Janikhel, Tsamkani/Chamkani, Dandaw Patan/Dand Wa Patan, Shwak/Shawak, Gerda Serai, Wuza Zadran/Zadran, Zurmat und Gardez; Gardez ist auch die Provinzhauptstadt. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 570.534 geschätzt. In der Provinz leben Tadschiken und verschiedene Teilstämme der Paschtunen.
In der Provinz Paktia werden verschiedene Projekte zum Ausbau der ANP-Infrastruktur implementiert, die im März 2019 beendet werden sollen. Der Machalgho Damm im Ahmadabad, dessen Bau im Jahr 2014 unterbrochen wurde, soll innerhalb der nächsten drei Jahre fertiggestellt werden. Der Damm soll 2.300 Hektar Land bewässern, 800 Kilowatt Elektrizität generieren und 900 Familien mit Trinkwasser versorgen. Auch soll mit dem Bau des Narai Khwli Damm in Ahmadkhelo Distrikt bald begonnen werden
Paktia zählte im November 2017 zu den Opium-freien Provinzen Afghanistans.
Allgemeine Information zur Sicherheitslage
Paktia zählt zu den unruhigen Gebieten Afghanistans. Aufständische sind in einigen Distrikten der Provinz aktiv. Paktia ist eine strategische Provinz Afghanistans und gilt als Hochburg der Taliban und des Haqqani-Netwerks; sie grenzt an Pakistan sowie auch an die Stammesgebiete unter pakistanischer Bundesverwaltung und gilt als Zutrittspunkt für aufständische Gruppierungen wie die Taliban, Mitglieder des Haqqani-Netzwerks oder al-Qaida. Im November 2017 erklärten sich die Dorfältesten der Provinz Paktia bereit, zwischen der afghanischen Regierung und dem Haqqani-Netzwerk zu vermitteln.
In der östlichen Provinz Paktia leben Paschtunen-Familien traditionellerweise in einem großen Familienverband, um ihre Sicherheit, Ehre und Eigentum zu beschützen. Solche großen Familien werden besonders respektiert, nicht zuletzt, weil feindliche Parteien seltener eine Gruppe angreifen, die viele Männer und damit potenzielle Kämpfer umfasst.
In Bezug auf Stammesdispute unterstrich der Gouverneur von Khost bei einem Besuch in Paktia die Notwendigkeit der Zusammenarbeit, um die Sicherheitslage zu verbessern und Stammesdispute zu lösen. Die Beseitigung von Stammesdisputen beider Provinzen würde die Sicherheitslage in der Region verbessern und das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung wiederherstellen. Sicherheits- und Verteidigungsbeamte, Mitglieder des Provinzrates, Stammesälteste und andere Beamte der Provinzen Khost und Paktia diskutierten über eine verbesserte Kooperation und Koordination bei der Bekämpfung von Verbrechen.
Es wurden zwei Angriffe in Gardez auf die afghanischen Sicherheitskräfte durch Aufständische der Provinz verübt, bei denen zahlreiche Menschen, auch Zivilisten, ums Leben gekommen bzw. verletzt worden sind.
Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 60 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.
Im gesamten Jahr 2017 wurden 491 zivile Opfer (116 getötete Zivilisten und 375 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Selbstmordanschläge, gefolgt von gezielten Tötungen und Bodenoffensiven. Dies bedeutet eine Steigerung von 154% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016.
Militärische Operationen in Paktia
In der Provinz werden Militäroperationen durchgeführt, um gewisse Gegenden