Entscheidungsdatum
10.04.2019Norm
BFA-VG §22a Abs1 Z1Spruch
W154 2177996-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. KRACHER als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , StA. Kosovo vertreten durch XXXX , gegen die Festnahme der Beschwerdeführerin am 12.10.2017, um 10:40 Uhr und die Anhaltung im Rahmen der Festnahme bis 14.10.2017, 10:16 Uhr zu Recht erkannt:
A)
I. Der Beschwerde gegen die Festnahme und Anhaltung im Rahmen der Festnahme wird gemäß § 22a Abs. 1 Z 1 und 2, § 34 Abs. 1 Z 2, § 40 Abs. 1 Z 1 BFA-VG stattgegeben und festgestellt, dass die Festnahme und Anhaltung im Rahmen der Festnahme rechtswidrig waren.
II. Gemäß § 35 VwGVG iVm VwG-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 517/2013, hat der Bund (Bundesminister für Inneres) der Beschwerdeführerin zu Handen ihres ausgewiesenen Vertreters Aufwendungen in Höhe von € 737,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Der Antrag der Beschwerdeführerin auf Befreiung von der Eingabegebühr wird als unzulässig zurückgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige des Kosovo, stellte am 31.03.2015 bei der Bezirkshauptmannschaft Baden einen Erstantrag auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels "Aufenthaltsbewilligung - Studierender" nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG). Am 18.08.2015 wurde ihr ein solcher - bis zum 17.08.2016 gültiger - Aufenthaltstitel erteilt. Aufgrund ihres rechtzeitig eingebrachten Verlängerungsantrages wurde dieser bis 17.08.2017 verlängert.
Am 31.07.2017 stellte die Beschwerdeführerin einen weiteren Verlängerungsantrag, welchen sie jedoch am 09.10.2017 zurückzog.
Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) vom 12.10.2017, Zl. 1063932906+171163088, wurde der Beschwerdeführerin ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt I.), gegen sie gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt II.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG die Zulässigkeit der Abschiebung gemäß § 46 FPG in den Kosovo festgestellt (Spruchpunkt II.), gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG gegen sie ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt III.) und einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV.).
Am selben Tag wurde seitens des Bundesamtes gegen die Beschwerdeführerin unter der Zahl 1063932906 ein Festnahmeauftrag in Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehlsgewalt (§§ 34 Abs. 5 und 47 Abs. 1 BFA-VG) erlassen. Als Rechtsgrundlage berief sich das Bundesamt auf § 34 Abs. 1 Z 2 BFA-VG - unrechtmäßiger Aufenthalt. Als Grund für die Anordnung der Festnahme wurde angeführt, dass der Aufenthaltstitel abgelaufen sei, keine Aufenthaltsberechtigung vorliege und die Beschwerdeführerin mittellos sei. Laut Festnahmeauftrag habe sich die Person in der Regionaldirektion Niederösterreich in Traiskirchen im Parteienverkehr befunden. Angeordnet wurde, die Beschwerdeführerin nach Festnahme um 12:00 Uhr vorzuführen und anschließend in das Polizeianhaltezentrum einzuliefern. Um 10:40 Uhr wurde die Beschwerdeführerin festgenommen und um 16:05 Uhr im Polizeianhaltezentrum eingeliefert.
Am 14.10.2017 wurde die Beschwerdeführerin um 10:16 Uhr auf dem Luftweg in den Kosovo abgeschoben.
Am 27.11.2017 langte beim Bundesverwaltungsgericht die verfahrensgegenständliche Beschwerde gemäß § 22a Abs. 1 Z 1 und 2 BFA-VG i.V.m. Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG ("Maßnahmenbeschwerde") gegen die Festnahme am 12.10.2017 und gegen die Anhaltung im Rahmen der Festnahme vom 12.10.2017 bis zur Abschiebung in den Kosovo am 14. 10.2017 ein.
Darin wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass die Beschwerdeführerin bei der Zurückziehung ihres Verlängerungsantrages den Vertretern der Bezirkshauptmannschaft die Bedingung mitgeteilt habe, den Antrag nur dann zurückzuziehen, wenn sie binnen einer Woche freiwillig nach Hause zurückkehren dürfe. Dazu habe sie auch einen handschriftlichen Vermerk verfasst. In den folgenden Tagen habe die Beschwerdeführerin sofort begonnen, ihre Ausreise zu organisieren, ihr Bankkonto aufgelöst und das Geld bei einer in Österreich lebenden Nichte deponiert. Am 10.10.2017 sei die Beschwerdeführerin von ihrer Vertreterin zum Busbahnhof Südtiroler Platz gebracht worden, um von dort in den Kosovo auszureisen. Vertreter der Busagentur hätten ihr mitgeteilt, dass sie sich nach der Zurückziehung des Antrages auf Verlängerung ihres Aufenthaltstitels unrechtmäßig im Schengengebiet aufhalte und daher für die Durchreise durch Ungarn ein Visum benötigen würde. Daraufhin hätte sich die Nichte der Beschwerdeführerin am Flughafen Wien erkundigt, ob eine Ausreise per Flugzeug möglich wäre, dabei jedoch die Auskunft bekommen, dass die Beschwerdeführerin dafür eine Bestätigung benötigen würde, aus der hervorgehe, dass sie sich bis zur Zurückziehung rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten habe. Die Beschwerdeführerin habe sich dann zum nächstmöglichen Zeitpunkt wieder zur Bezirkshauptmannschaft Baden begeben und dort die Auskunft erhalten, dass eine solche Bestätigung nur vom Bundesamt ausgestellt werden könne, woraufhin sie noch am selben Tag die Regionaldirektion Niederösterreich aufgesucht habe. Dort habe sie erneut angegeben, nach Hause in den Kosovo reisen zu wollen, aber kein Visum für Ungarn zu besitzen und deshalb eine Bestätigung über ihren bisherigen rechtmäßigen Aufenthalt zu benötigen, um mit dem Flugzeug ausreisen zu können. Daraufhin sei die Beschwerdeführerin zunächst festgenommen und dann niederschriftlich durch eine Vertreterin der Regionaldirektion einvernommen worden. Nach Ende der Amtshandlung habe die belangte Behörde den Bescheid vom 12.10.2017, gegen den bereits Beschwerde erhoben worden sei, erlassen. Außerdem sei die Beschwerdeführerin nach Ende der Amtshandlung festgenommen und in Verwaltungsverwahrungshaft zur Vorbereitung der Abschiebung in den Kosovo genommen und anschließend am 14.10.2017 abgeschoben worden. Die Festnahme hätte ein Organ des Bundesamtes angeordnet. Aufgrund Art. 15 der Rückführungsrichtlinie sei eine Festnahme nur bei Vorliegen von Fluchtgefahr zulässig. Dies sei jedoch im gegenständlichen Fall gar nicht geprüft worden. Die Beschwerdeführerin habe gegenüber der belangten Behörde mehrmals angegeben, freiwillig aus dem Bundesgebiet ausreisen zu wollen und es gebe keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass sie sich dem Verfahren entzogen hätte. Ganz im Gegenteil habe sie sich freiwillig und im Glauben auf geeignete Unterstützung an das Bundesamt gewendet. Auch sei der Beschwerdeführerin der Festnahmeauftrag nicht zur Kenntnis gebracht worden und die Anordnung der Haft ihr gegenüber nicht auf schriftlichem Wege ergangen.
In der Beschwerde wurde beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge:
Feststellen, dass die Festnahme vom 12.10.2017 in rechtswidriger Weise erfolgt sei;
Feststellen, dass die Anhaltung im Rahmen der Festnahme vom 12.10.2017 bis zur Abschiebung in den Kosovo in rechtswidriger Weise erfolgt sei;
Feststellen, dass die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf persönliche Freiheit und Sicherheit gemäß Art. 1 Abs. 1 PersFrG verletzt worden sei;
Eine mündliche Beschwerdeverhandlung unter Einvernahme der Beschwerdeführerin als Zeugin durchführen (eventuell über die Vertretungsbehörde);
Die Beschwerdeführerin von der Eingabengebühr gemäß § 2 Abs. 1 BuLvwG-Eingabengebührverordnung befreien;
Der Beschwerdeführerin die Aufwendungen gemäß § 35 VwGVG i.V.m. Art. 1 der VwG-Aufwandsersatzverordnung ersetzen;
Der Beschwerdeführerin etwaige Dolmetschkosten ersetzen und im Falle eines Obsiegens der Behörde die Beschwerdeführerin vom Ersatz des Aufwandsersatzes im Sinne der VwG- Aufwandsersatzverordnung befreien.
Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22.05.2018, GZ G301 2177836-1/5E, wurde die Beschwerde gegen den Bescheid vom 12.10.2017 hinsichtlich der Spruchpunkte I., II. und IV. des angefochtenen Bescheides mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der Spruchpunkt I. zu lauten habe:
"I. Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG, wird gegen Sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 2 FPG erlassen.
Es wird gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG in den Kosovo zulässig ist."
Der Beschwerde wurde hinsichtlich des Spruchpunktes III. des angefochtenen Bescheides stattgegeben und dieser ersatzlos aufgehoben.
Am 29.03.2019 langten beim Bundesverwaltungsgericht der Festnahmeauftrag vom 12.10.2017 sowie eine Stellungnahme des Bundesamtes zum Beschwerdevorbringen ein.
In dieser Stellungnahme wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass der von der Bezirkshauptmannschaft Baden am 18.08.2016 ausgestellte Aufenthaltstitel am 17.08.2017 seine Gültigkeit verloren und die Beschwerdeführerin den diesbezüglichen Verlängerungsantrag nach Einbringung zurückgezogen habe. Aufgrund dessen sei die Beschwerdeführerin zu jenem Zeitpunkt zum Aufenthalt von 90 in 180 Tagen im Schengenraum für touristische Zwecke berechtigt gewesen. Es habe jedoch festgestellt werden können, dass sie zu dem Zeitpunkt nicht die finanziellen Mittel zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts in Österreich nachweisen habe können und nicht mehr zur Arbeitsaufnahme in Österreich berechtigt gewesen sei. Aufgrund der nicht vorhandenen finanziellen Mittel sei die Beschwerdeführerin illegal im Bundesgebiet aufhältig gewesen und der Festnahmeauftrag gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 BFA-VG erlassen worden. Eine Bestätigung über einen rechtmäßigen Aufenthalt (wie in der Beschwerde angeführt) könne durch das Bundesamt nicht ausgestellt werden. Auch könne bei illegalem Aufenthalt keine Bestätigung für die Durchreise in einem anderen EU-Land ausgestellt werden. In der durchgeführten Einvernahme sei der Beschwerdeführerin der Grund für die Festnahme sowie für die Erlassung der Rückkehrentscheidung i.V.m. einem Einreiseverbot im Beisein eines Dolmetschers erläutert worden. Gegen die Rückkehrentscheidung i.V.m. einem Einreiseverbot sei fristgerecht Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht eingebracht und die Entscheidung des Bundesamtes mit Erkenntnis vom 22.05.2018 betreffend der erlassenen Rückkehrentscheidung, der Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung sowie der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung bestätigt worden. Das erlassene Einreiseverbot habe das Bundesverwaltungsgericht ersatzlos behoben. Die Beschwerdeführerin habe sich zum Zeitpunkt der Festnahme illegal in Österreich aufgehalten. Da das Einreiseverbot behoben worden sei, sei der Beschwerdeführerin die Einreise in den Schengenraum unter Einhaltung der Einreisebestimmungen gestattet worden. Die Abschiebung in den Kosovo habe am 14.10.2017 stattgefunden.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige des Kosovo und somit Fremde im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG.
Zum Zeitpunkt der Festnahme und Anhaltung hatte die Beschwerdeführerin keinen gültigen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet mehr.
Die Beschwerdeführerin wurde am 12.10.2017, um 10:40 Uhr auf Grundlage eines Festnahmeauftrages gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 BFA-VG in den für den Parteienverkehr vorgesehenen Räumlichkeiten des Bundesamtes festgenommen und am 14.10.2017, um 10:16 Uhr in den Kosovo abgeschoben.
Es wird festgestellt, dass sich die Beschwerdeführerin von sich aus und mit dem Ziel in die Räumlichkeiten des Bundesamtes begab, ihre Ausreise zu regeln.
Es wird festgestellt, dass die Festnahme der Beschwerdeführerin nicht notwendig war, um die Ausreise (Abschiebung) durchzusetzen.
2. Beweiswürdigung:
Der oben angeführte Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes und der vorliegenden Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichtes sowie aus der Einsicht in die Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung.
Die Feststellungen darüber, dass sich die Beschwerdeführerin von sich aus in die Räumlichkeiten des Bundesamtes begeben hatte, basieren einerseits auf dem plausiblen und schlüssigen Beschwerdevorbringen, dem diesbezüglich auch von der belangten Behörde im Rahmen ihrer Stellungnahme nicht widersprochen wurde. Zudem lässt sich dem Festnahmeauftrag vom 12.10.2017 entnehmen, dass sich die Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt von dessen Erlassung in der Regionaldirektion Niederösterreich Traiskirchen, Haus zwei, Parteienverkehr befunden hat.
In der Stellungnahme des Bundesamtes wurde zwar darauf hingewiesen, dass sich die Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt der Festnahme illegal im Bundesgebiet aufhielt - was von dieser auch niemals bestritten wurde - jedoch brachte die belangte Behörde keine konkrete Begründung vor, warum im konkreten Fall die Festnahme vor der Durchführung der Abschiebung notwendig war. Es gibt im gesamten Akt keinerlei Hinweise darauf, bzw. wurde von der belangten Behörde auch nicht behauptet, dass die Beschwerdeführerin versucht hätte, sich der Ausreise oder Abschiebung zu widersetzen. In einer Gesamtschau und vor allem i.V.m. der Tatsache, dass die Beschwerdeführerin selbstständig das Bundesamt aufgesucht hatte, wird somit dem Beschwerdevorbringen Glauben geschenkt, dass sie willens war, ihrer Ausreiseverpflichtung nachzukommen und sich eben deshalb an die belangte Behörde gewandt hat. Somit waren aber auch die Festnahme und die Anhaltung zur Erreichung des angestrebten Erfolges (der Außerlandesbringung der Beschwerdeführerin) nicht notwendig.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß Artikel 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden
1. gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit;
2. gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit;
3. wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch eine Verwaltungsbehörde;
4. gegen Weisungen gemäß Art. 81a Abs. 4.
Gemäß § 9 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.
§ 7 Abs. 1 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) lautet:
(1) Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet über
1. Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes,
2. Beschwerden gegen Bescheide der Vertretungsbehörden gemäß dem 11. Hauptstück des FPG,
3. Beschwerden gegen Maßnahmen unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt gemäß dem 1. Hauptstück des 2. Teiles des BFA-VG und gemäß dem 7. und 8. Hauptstück des FPG,
4. Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesamtes und
5. Beschwerden gegen Bescheide des Bundesministers für Inneres in Verfahren gemäß §§ 3 Abs. 2 Z 1 bis 6 und 4 Abs. 1 Z 1 und 2
Gemäß § 7 Abs. 2 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der Verwaltungsgerichtshof einer Revision oder der Verfassungsgerichtshof einer Beschwerde gegen ein Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes gemäß Abs. 1 stattgegeben hat.
Zu A)
Zu Spruchpunkt I. Beschwerde gegen die Festnahme und Anhaltung im Rahmen der Festnahme
Gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG hat der Fremde das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist (Z 1), er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde (Z 2), oder gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde (Z 3). Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten gemäß Abs. 1a leg.cit. die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.
Behörde im Inland nach diesem Bundesgesetz ist gemäß § 3 Abs. 1 BFA-VG das Bundesamt mit bundesweiter Zuständigkeit. Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes haben das Bundesamt gemäß § 6 BFA-VG bei der Erfüllung seiner Aufgaben, insbesondere durch Wahrnehmung der ihnen gemäß §§ 36 bis 47 leg.cit. eingeräumten Aufgaben und Befugnisse, zu unterstützen.
Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind gemäß § 40 Abs. 1 Z 1 BFA-VG ermächtigt, einen Fremden zum Zweck der Vorführung vor das Bundesamt festzunehmen, gegen den ein Festnahmeauftrag (§ 34) besteht.
Gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 BFA-VG kann das Bundesamt die Festnahme eines Fremden anordnen (Festnahmeauftrag), wenn dieser sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des sechsten Hauptstückes des FPG fällt. Gemäß Abs. 5 leg cit. ergeht der Festnahmeauftrag in Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehlsgewalt; er ist aktenkundig zu machen. Die Anhaltung aufgrund eines Festnahmeauftrages darf 72 Stunden nicht übersteigen und ist nach Durchführung der erforderlichen Verfahrenshandlungen zu beenden.
Gemäß Art. 2 Abs. 1 Z 7 des Bundesverfassungsgesetzes vom 29. November 1988 über den Schutz der persönlichen Freiheit darf die persönliche Freiheit einem Menschen auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden, wenn dies notwendig ist, um eine beabsichtigte Ausweisung oder Auslieferung zu sichern.
Wie in den Feststellungen im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung ausgeführt, war in diesem konkreten Fall die Festnahme und Anhaltung der Beschwerdeführerin zur Sicherung ihrer Ausweisung bzw. Abschiebung nicht notwendig und somit die Erlassung des Festnahmeauftrages und die darauf basierende Festnahme und Anhaltung rechtswidrig.
Zu Spruchpunkt II. (Kostenbegehren):
Die Beschwerdeführerin begehrte den Ersatz ihrer Aufwendungen entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen. Da sie vollständig obsiegte, steht ihr nach den angeführten Bestimmungen dem Grunde nach der Ersatz dieser Aufwendungen zu. Die Höhe der zugesprochenen Verfahrenskosten stützt sich auf die im Spruch des Erkenntnisses genannten gesetzlichen Bestimmungen.
Die Beschwerdeführerin stellte zudem den Antrag auf Befreiung von der Eingabegebühr.
Ein solcher Antrag ist jedoch gesetzlich nicht vorgesehen - es gibt dementsprechend keine rechtliche Grundlage für eine solche Befreiung bzw. einen solchen Zuspruch. Die Eingabegebühr ist zudem in § 35 Abs. 4 VwGVG nicht als Aufwendung definiert und insofern auch nicht ersatzfähig. Im Übrigen kann eine finanzielle Belastung iHv 30 Euro auch nicht als unüberwindliche oder unverhältnismäßige Hürde zur Wahrnehmung eines Rechtsmittels angesehen werden.
Der Antrag auf Zuspruch der Eingabegebühr war daher zurückzuweisen.
Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn (Z 1) der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder (Z 2) die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist. Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Das Verwaltungsgericht kann gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.
Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen.
Zu B)
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.
Wie der oben dargelegten rechtlichen Beurteilung zu Spruchpunkt I. zu entnehmen ist, warf die Tatsachenlastigkeit des gegenständlichen Falles keine Auslegungsprobleme der anzuwendenden Normen auf, schon gar nicht waren - vor dem Hintergrund der bereits bestehenden Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes - Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Die Revision war daher nicht zuzulassen.
Schlagworte
Ausreisewilligkeit, Festnahmeauftrag, RechtswidrigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W154.2177996.1.00Zuletzt aktualisiert am
26.06.2019