TE Bvwg Erkenntnis 2019/4/18 W171 2142285-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.04.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

18.04.2019

Norm

AVG §18 Abs4
BFA-VG §22a Abs1 Z2
BFA-VG §40 Abs1
BFA-VG §40 Abs4
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §35

Spruch

W171 2142285-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gregor MORAWETZ, MBA als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA Algerien, vertreten durch ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zahl:

XXXX , zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde wird gemäß § 22a Abs. 1 Z 2 BFA-VG idgF, § 18 Abs. 4 AVG idgF, Art. 4 Abs. 2 1. Satz PersFrG idgF, § 40 Abs. 1 BFA-VG idgF iVm § 40 Abs. 4 BFA-VG idgF stattgegeben und die Anhaltung vom 29.10.2016, 20:15 Uhr bis 07.11.2016, 16:46, für rechtswidrig erklärt.

II. Gemäß § 35 Abs. 2 VwGVG iVm § 1 Z. 1 VwG-AufwErsV hat der Bund (Bundesminister für Inneres) dem Beschwerdeführer zu Handen seiner ausgewiesenen Vertreter Aufwendungen in Höhe von € 737,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

III. Der Antrag des Bundesamtes für Fremdenwesen u. Asyl auf Kostenersatz wird gemäß § 35 Abs. 2 VwGVG abgewiesen.

IV. Gemäß § 35 VwGVG wird der Antrag, dem Beschwerdeführer die Eingabengebühr zu ersetzen, abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Algeriens, reiste illegal in Österreich ein und stellte am 16.01.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser wurde mit Bescheid vom 19.07.2016, rechtskräftig ab 01.10.2016, abgewiesen und dem Beschwerdeführer kein Aufenthaltstitel erteilt.

1.2. Am 29.10.2016 wurde der Beschwerdeführer im Zuge einer Personenkontrolle betreten, festgenommen und in ein Polizeianhaltezentrum überstellt.

1.3. Nach Durchführung einer Einvernahme wurde über den Beschwerdeführer mit Bescheid vom 29.10.2016 die Schubhaft gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung verhängt.

Der Bescheid wurde dem Beschwerdeführer persönlich übergeben. Der dem Beschwerdeführer ausgehändigte Bescheid wies keine Unterschrift des zuständigen Referenten auf.

1.3. In einem Aktenvermerk des BFA vom 07.11.2016 wurde festgehalten, dass bei Aktendurchsicht festgestellt worden sei, dass der im Akt aufliegende Schubhaftbescheid zwar vom zuständigen Referenten und dem Beschwerdeführer unterzeichnet worden sei, am dem Beschwerdeführer ausgehändigten Exemplar die Unterschrift des Referenten jedoch nicht ersichtlich sei. Dem Beschwerdeführer sei daher am selben Tag ein unterschriebenes Exemplar ausgehändigt worden.

1.4. Der Beschwerdeführer wurde am 07.11.2016 um 16:46 aus der Schubhaft entlassen.

1.5. Mit Beschwerdeschriftsatz vom 15.12.2016 wurde gegen die Festnahme und die Anhaltung vom 29.10.2016 bis 07.11.2016, in eventu gegen den gegenständlichen Schubhaftbescheid vom 29.10.2016 Beschwerde gemäß § 22a BFA-VG erhoben. Darin wurde vorgebracht, dass auf dem dem Beschwerdeführer ausgehändigten Bescheid die Unterschrift des Referenten oder eine elektronische Amtssignatur fehlten. Dies führe zur absoluten Nichtigkeit des Bescheids. § 76 Abs. 4 FPG deute darauf hin, dass Mandatsbescheide stets schriftlich zu erlassen seien. Überdies müsse die Erlassung eines mündlichen Bescheids schriftlich protokolliert werden. Die Anhaltung nach § 40 BFA-VG sei daher rechtswidrig. Gegenständlich sei die Festnahme darüber hinaus nicht auf eine konkrete Rechtsgrundlage gestützt und daher rechtswidrig. Die für eine Festnahme nach § 40 BFA-VG zulässige Anhaltedauer sei überschritten worden und sei zudem schon ab dem 29.10.2016 rechtswidrig gewesen, da die Anhaltung schon am selben Tag aufgehoben oder durch Verhängung der Schubhaft hätte ersetzt werden können. Aus juristischer Vorsicht wurden noch Ausführungen zur inhaltlichen Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheids getroffen. Abschließend wurden der Ersatz etwaiger Dolmetschkosten, der Ersatz des Aufwandes nach § 35 VwGVG, der Ersatz sämtlicher Kommissionsgebühren, Barauslagen und der Eingabengebühr beantragt.

1.6. Am 20.12.2016 erfolgte die Aktenvorlage durch das BFA unter gleichzeitiger Übersendung einer Stellungnahme. Darin wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass im Rahmen der erfolgten Einzelfallprüfung ein Sicherungsbedarf erkannt und Schubhaft angeordnet worden sei. Unbestritten sei das ausgedruckte Exemplar des Schubhaftbescheides durch den Referenten nicht unterschrieben worden. Jedoch sei im Zuge der Einvernahme auch der Spruch des Bescheids soweit die Rechtsmittelbelehrung durch den Dolmetscher verlesen worden. Der Bescheid gelte somit als mündlich verkündet, eine schriftliche Ausfertigung sei dem Beschwerdeführer in den Tagen danach übergeben worden. Den Anforderungen des § 62 AVG sei somit genüge getan worden. Der im Akt hinterlegte Bescheid und die Ausfertigung, die dem Polizeianhaltezentrum übergeben worden sei, seien durch den Referenten hingegen unterfertigt worden. Die Entlassung aus der Schubhaft sei erfolgt, da bekannt geworden sei, dass eine Überprüfung im Heimatstaat noch etwa drei Monate Zeit in Anspruch nehmen werde. Abschließend wurden der Ersatz des Vorlageaufwands und des Schriftsatzaufwands beantragt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Zur Person und zum Verfahren:

Der Beschwerdeführer reiste illegal ins Bundesgebiet ein und stellte am 16.01.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. Er ist nicht österreichischer Staatsbürger und daher Fremder im Sinne des § 2 Absatz 4 FPG. Er ist Staatsangehöriger Algeriens.

Mit Bescheid vom 19.07.2016 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz abgewiesen, eine Rückkehrentscheidung getroffen und die Abschiebung nach Algerien für zulässig erklärt. Der Bescheid erwuchs am 01.10.2016 in Rechtskraft. Zum Zeitpunkt der Festnahme bestand gegen den Beschwerdeführer daher eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung.

Zur Festnahme:

Der BF wurde am 29.10.2016 festgenommen und zunächst in Verwaltungsverwahrungshaft genommen. Nach einer Einvernahme des Beschwerdeführers am selben Tag wurde ihm um 20:15 Uhr ein Schubhaftbescheid übergeben.

Der Original-Bescheid, welcher sich im Akt des BFA befindet, wurde vom verfügenden Referenten unterzeichnet, der an den Beschwerdeführer übergebenen Ausfertigung fehlte jedoch eine entsprechende Unterschrift bzw. eine unterfertigte "Bestätigung der Richtigkeit der Ausfertigung".

In der Einvernahme am 29.10.2016 erfolgte keine mündliche Verkündung des Schubhaftbescheids iSd § 62 Abs. 2 AVG.

Der Beschwerdeführer wurde am 07.11.2016 um 16:46 aus der Schubhaft entlassen.

2. Beweiswürdigung:

Zur Person und zum Verfahren:

Die Feststellungen zum Verfahrensgang und zur Person des Beschwerdeführers ergeben sich im Wesentlichen aus dem unstrittig gebliebenen Akteninhalt des Schubhaftaktes.

Zur Festnahme:

Aus den Unterlagen im Verfahrensakt ergibt sich, dass der Beschwerdeführer vorerst in Verwaltungsverwahrungshaft genommen worden ist. Nach der Intention des BFA ist diese Verwahrungshaft mit Bescheiderlassung vom 29.10.2016 in eine Schubhaft übergegangen. Eine diesbezügliche Eintragung in der Anhaltedatei ist vorhanden.

Unbestritten ist, dass der dem Beschwerdeführer am 29.10.2016 ausgehändigte Bescheid keine Unterschrift des zuständigen Referenten, eine elektronische Amtssignatur oder eine Kanzleibeglaubigung aufwies. Dies geht sowohl aus dem Beschwerdeschriftsatz als auch aus der Stellungnahme des BFA vom 20.12.2016 hervor.

Aus dem Einvernahmeprotokoll vom 29.10.2016 geht nicht hervor, dass dem Beschwerdeführer der Schubhaftbescheid vorgelesen und vom Dolmetscher übersetzt worden wäre. Eine mündliche Verkündung des Bescheids wurde nicht protokolliert.

Nach Ansicht des Gerichtes wurde gegenüber dem BF daher am 29.10.2016 kein rechtsgültiger Schubhaftbescheid erlassen, weshalb die laufende Anhaltung lediglich auf der seinerzeitigen Festnahme begründet ist.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchpunkt I. - Schubhaftbescheid, Anhaltung in Schubhaft

3.1.1. § 40 BFA-VG lautet:

"(1) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind ermächtigt, einen Fremden zum Zweck der Vorführung vor das Bundesamt festzunehmen,

1. gegen den ein Festnahmeauftrag (§ 34) besteht,

2. wenn dieser Auflagen gemäß §§ 56 Abs. 2 oder 71 Abs. 2 FPG verletzt oder

3. der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.

(2) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind ermächtigt, Asylwerber oder Fremde, die einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben, zum Zwecke der Vorführung vor das Bundesamt festzunehmen, wenn

1. dieser Fremde nicht zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt ist,

2. gegen diesen eine durchsetzbare - wenn auch nicht rechtskräftige - aufenthaltsbeendende Maßnahme gemäß dem 8. Hauptstück des FPG erlassen wurde,

3. gegen diesen nach § 27 AsylG 2005 ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme eingeleitet wurde,

4. gegen diesen vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme gemäß dem 8. Hauptstück des FPG erlassen wurde oder

5. auf Grund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird.

(3) In den Fällen der Abs. 1 und 2 kann die Festnahme unterbleiben, wenn gewährleistet ist, dass der Fremde das Bundesgebiet unverzüglich über eine Außengrenze verlässt.

(4) Das Bundesamt ist ohne unnötigen Aufschub über die erfolgte Festnahme zu verständigen. Die Anhaltung eines Fremden ist in den Fällen der Abs. 1 Z 2 und 3 und Abs. 2 bis zu 48 Stunden und in den Fällen des Abs. 1 Z 1 bis zu 72 Stunden zulässig; darüber hinaus ist Freiheitsentziehung nur gemäß § 77 Abs. 5 FPG oder in Schubhaft gemäß § 76 FPG möglich. Dem festgenommenen Fremden ist die Vornahme der Festnahme über sein Verlangen schriftlich zu bestätigen.

(5) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung auf Grund eines Festnahmeauftrags gemäß § 34 Abs. 3 Z 1 oder 3 einen Antrag auf internationalen Schutz, kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 gelten dabei sinngemäß.

(6) Während der Zulässigkeit der Sicherung der Zurückweisung im Flughafenverfahren sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ermächtigt, zu verhindern, dass ein zurückgewiesener Asylwerber in das Bundesgebiet einreist, soweit es ihm nicht gestattet ist."

§ 76 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) lautet:

"(1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß."

Die maßgeblichen Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (AVG) lauten:

"§ 18. (1) Die Behörde hat die Sache möglichst zweckmäßig, rasch, einfach und kostensparend zu erledigen und den wesentlichen Inhalt der Amtshandlung erforderlichenfalls in einer Niederschrift oder einem Aktenvermerk festzuhalten.

(2) Erledigungen haben jedenfalls schriftlich zu ergehen, wenn dies in den Verwaltungsvorschriften ausdrücklich angeordnet ist oder von der Partei verlangt wird.

(3) Schriftliche Erledigungen sind vom Genehmigungsberechtigten mit seiner Unterschrift zu genehmigen; wurde die Erledigung elektronisch erstellt, kann an die Stelle dieser Unterschrift ein Verfahren zum Nachweis der Identität (§ 2 Z 1 E-GovG) des Genehmigenden und der Authentizität (§ 2 Z 5 E-GovG) der Erledigung treten.

(4) Jede schriftliche Ausfertigung hat die Bezeichnung der Behörde, das Datum der Genehmigung und den Namen des Genehmigenden zu enthalten. Ausfertigungen in Form von elektronischen Dokumenten müssen mit einer Amtssignatur (§ 19 E-GovG) versehen sein; Ausfertigungen in Form von Ausdrucken von mit einer Amtssignatur versehenen elektronischen Dokumenten oder von Kopien solcher Ausdrucke brauchen keine weiteren Voraussetzungen zu erfüllen. Sonstige Ausfertigungen haben die Unterschrift des Genehmigenden zu enthalten; an die Stelle dieser Unterschrift kann die Beglaubigung der Kanzlei treten, dass die Ausfertigung mit der Erledigung übereinstimmt und die Erledigung gemäß Abs. 3 genehmigt worden ist. Das Nähere über die Beglaubigung wird durch Verordnung geregelt.

(5) Für Bescheide gilt der III. Teil, für Ladungsbescheide überdies § 19."

"§ 62. (1) Wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, können Bescheide sowohl schriftlich als auch mündlich erlassen werden.

(2) Der Inhalt und die Verkündung eines mündlichen Bescheides ist, wenn die Verkündung bei einer mündlichen Verhandlung erfolgt, am Schluß der Verhandlungsschrift, in anderen Fällen in einer besonderen Niederschrift zu beurkunden.

(3) Eine schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Bescheides ist den bei der Verkündung nicht anwesenden und jenen Parteien zuzustellen, die spätestens drei Tage nach der Verkündung eine Ausfertigung verlangen; über dieses Recht ist die Partei bei Verkündung des mündlichen Bescheides zu belehren.

(4) Schreib- und Rechenfehler oder diesen gleichzuhaltende, offenbar auf einem Versehen oder offenbar ausschließlich auf technisch mangelhaftem Betrieb einer automationsunterstützten Datenverarbeitungsanlage beruhende Unrichtigkeiten in Bescheiden kann die Behörde jederzeit von Amts wegen berichtigen."

3.1.2. Da die Festnahme am 29.10.2016 wegen des illegalen Aufenthalts des Beschwerdeführers erfolgte, ist die Anhaltung gemäß § 40 Abs. 1 Z 3 iVm § 40 Abs. 4 2 Satz BFA-VG im Höchstausmaß von 48 Stunden rechtskonform. Jede darüber hinausgehende Anhaltung hat in der Form der Schubhaft aufgrund eines Schubhaftbescheides zu erfolgen ("...auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise", Art 1 Abs. 2 BVG PersFrG; Art 5 Abs. 1 EMRK). Ob ein derartiger Schubhaftbescheid im gegenständlichen Fall rechtswirksam erlassen wurde, ist wiederum an § 18 AVG zu messen.

Nach der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts, zitiert in Hengtsschläger/Leeb AVG - Kommentar Anm. 14 zu § 18 AVG, (Hervorhebung im Original) "mangelt es der Ausfertigung einer Erledigung, die keiner der in § 18 AVG genannten Fertigungsformen entspricht, die also weder die Unterschrift des Genehmigenden (vgl. VwGH 16.02.1994, 93/03/0310) noch eine Beglaubigung noch eine Amtssignatur (zumindest als Ausdruck oder in Kopie davon) aufweist, an der Qualität als behördlicher Akt, insb als Bescheid (vgl. VwGH 19.02.1992, 92/12/0015; VfSlg 10.871/1986; 14.915/1997; 15.697/1999). Es handelt sich dabei um einen wesentlichen Fehler, der zur absoluten Nichtigkeit der Erledigung (des "Bescheides") führt (VwGH 18.12.1991, 91/12/0267; 15.12.1993, 93/12/0221)".

Da also - wie im gegenständlichen Fall - die Beifügung der Unterschrift oder der Beglaubigung iSd § 18 Abs. 4 AVG ein wesentliches Erfordernis einer papierenen behördlichen Erledigung darstellt (vgl. VwGH 06.02.1996, 95/20/0019), bedeutet das Fehlen eines dieser Formerfordernisse, dass dem Beschwerdeführer kein Schubhaftbescheid zugestellt wurde.

Wie in der Beschwerde zutreffend ausgeführt, hätte eine mündliche Verkündung des Bescheids im Rahmen der Einvernahme vom 29.10.2016 schriftlich protokolliert werden müssen, um den Anforderungen des § 62 Abs. 2 AVG zu entsprechen. Dies ist jedoch nicht erfolgt, weshalb auch keine rechtsgültige mündliche Verkündung des Schubhaftbescheids vorliegt.

Dies wiederum hat zur Folge, dass sich der Beschwerdeführer - worauf die Beschwerde zutreffend hinweist - im Stande der Anhaltung aufgrund der Festnahme befand. Hinsichtlich der gegenständlich erlaubten gesetzlichen Dauer ist aber noch folgende am "ultima-ratio-Prinzip" orientierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes maßgebend: Bereits in seinem Erkenntnis vom 12.09.2013, Zl. 2012/21/0204, führte der Verwaltungsgerichtshof zur damals im FPG geregelten Vorgängerbestimmung in Bezug auf die mögliche Länge von Anhaltungen - entscheidungswesentlich - unter Zitierung wesentlich weiter zurückreichender Entscheidungen aus (Hervorhebung durch den Einzelrichter): "Gemäß § 39 Abs. 5 zweiter Satz FPG ist die Anhaltung eines Fremden, der nach § 39 Abs. 1 FPG festgenommen wurde, zwar bis zu 24 Stunden zulässig. Dabei handelt es sich aber - nicht anders als bei der 24-stündigen Frist des § 36 Abs. 1 VStG - um eine Maximalfrist. (Auch) im Bereich fremdenpolizeilicher Festnahmen ist die Behörde schon aus verfassungsrechtlichen Gründen verpflichtet, die Anhaltedauer so kurz als möglich zu halten und im Interesse einer kurzen Haftdauer die dafür notwendigen und ihr zumutbaren organisatorischen und personellen Maßnahmen zu treffen (vgl. in diesem Sinn das hg. Erkenntnis vom 12. April 2005, Zl. 2003/01/0489). Die diesbezüglich verfassungsrechtliche Bestimmung lautet:

"Artikel 4 PersFrG

(2) Bei Gefahr im Verzug sowie im Fall des Art. 2 Abs. 1 Z 2 lit. a darf eine Person auch ohne richterlichen Befehl festgenommen werden. Sie ist freizulassen, sobald sich ergibt, daß kein Grund zu ihrer weiteren Anhaltung vorhanden sei, sonst ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber vor Ablauf von 48 Stunden, dem zuständigen Gericht zu übergeben."

Indem die Verwaltungsbehörde am 29.10.2016 um 20:15 Uhr einen Mandatsbescheid "erließ", bringt sie hinreichend zum Ausdruck, dass ab diesem Zeitpunkt eine rechtswirksame Anordnung der Schubhaft möglich war. Mangels Erlassung eines rechtswirksamen Schubhaftbescheides muss daher die Anhaltung ab 20:15 Uhr bis zum 07.11.2016 um 16:46 Uhr als rechtswidrige Anhaltung gewertet werden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. und III. (Kostenbegehren):

Da der Beschwerdeführer vollständig obsiegte, steht ihm nach den angeführten Bestimmungen dem Grunde nach der Ersatz seiner Aufwendungen zu. Die Höhe der zugesprochenen Verfahrenskosten stützt sich auf die im Spruch des Erkenntnisses genannten gesetzlichen Bestimmungen. Ein Kostenersatz für die Behörde besteht nach dem Gesetz in diesem Fall nicht.

3.3. Zu Spruchpunkt IV.:

Dem Mehrbegehren im Umfang der Eingabegebühr war nicht zu entsprechen und der Antrag auf Kostenersatz insoweit abzuweisen, da weder § 35 VwGVG, noch das Gebührengesetz 1957 einen Kostenersatzzuspruch im Umfang der Eingabengebühr durch das Bundesverwaltungsgericht vorsehen.

3.4. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt anzusehen war, konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA VG eine mündliche Verhandlung unterbleiben.

Zu Spruchpunkt B. - Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Wie zu Spruchpunkt I. ausgeführt sind keine Auslegungsfragen hinsichtlich der anzuwendenden Normen hervorgekommen, es waren auch keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Die Revision war daher in Bezug auf Spruchpunkt I. nicht zuzulassen. Im Hinblick auf die eindeutige Rechtslage in den übrigen Spruchpunkten war die Revision gleichfalls nicht zuzulassen.

Schlagworte

Anhaltung, Kostenersatz, Nichtbescheid, Rechtswidrigkeit, Schubhaft,
Unterschrift, Zustellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W171.2142285.1.00

Zuletzt aktualisiert am

26.06.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten