TE Bvwg Erkenntnis 2019/4/23 W275 2217639-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.04.2019
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Entscheidungsdatum

23.04.2019

Norm

BFA-VG §22a Abs1
B-VG Art.133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z1
VwGVG §35

Spruch

W275 2217639-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Stella VAN AKEN als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Türkei, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie Flüchtlingsdienst, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.04.2019, Zl. 495147509-190376444, sowie die Anhaltung in Schubhaft von 12.04.2019 bis 19.04.2019 zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde wird gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG stattgegeben und die Anhaltung in Schubhaft von 12.04.2019 bis 19.04.2019 für rechtswidrig erklärt.

II. Der Antrag der belangten Behörde auf Kostenersatz wird gemäß § 35 VwGVG abgewiesen.

III. Der Bund (Bundesminister für Inneres) hat gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG iVm § 1 Z 1 VwG-AufwErsV dem Beschwerdeführer Aufwendungen in Höhe von 737,60 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, stellte am 31.07.2009 einen (ersten) Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

Mit Bescheid des (damaligen) Bundesasylamtes vom 22.03.2010, Zahl 09 09.144-BAW, wurde dieser Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 3, 8 und 10 AsylG 2005 abgewiesen und der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Türkei ausgewiesen.

Gegen diesen dem Beschwerdeführer am 26.03.2010 durch Hinterlegung zugestellten Bescheid wurde kein Rechtsmittel erhoben.

In weiterer Folge stellte der Beschwerdeführer am 15.07.2010 einen weiteren (zweiten) Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

Mit Bescheid des (damaligen) Bundesasylamtes vom 30.07.2010, Zahl 10 06.206 EAST-Ost, wurde dieser (zweite) Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Türkei ausgewiesen.

Die dagegen erhobene Beschwerde wies der (damalige) Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 27.08.2010, E6 414.849-1/2010-4E, gemäß § 68 Abs. 1 AVG und § 10 AsylG 2005 als unbegründet ab.

Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 01.09.2016 wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung gemäß § 87 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten, davon 16 Monate bedingt, unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren verurteilt.

Am 25.10.2016 stellte der Beschwerdeführer aus dem Stande der Strafhaft einen neuerlichen (dritten) Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 15.11.2016 wurde der Beschwerdeführer gemäß § 114 Abs. 1 FPG, §§ 229 Abs. 1, 231 Abs. 1, 241e Abs. 3, 127 und 83 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten verurteilt, welche unter Anwendung von § 28 Abs. 1 StGB als Zusatzstrafe gemäß §§ 31 und 40 StGB unter Bedachtnahme auf das oben genannte Urteil vom 01.09.2016 ausgesprochen wurde.

Der Beschwerdeführer wurde im Februar 2017 aus der Strafhaft entlassen und im April 2017 von seiner Wohnadresse abgemeldet. Mangels aufrechter Meldeadresse wurde das Verfahren des Beschwerdeführers über seinen (dritten) Antrag auf internationalen Schutz in Österreich im September 2017 eingestellt.

In der Folge wurde der Beschwerdeführer am 11.04.2019 in Wien aufgegriffen und festgenommen.

Am 12.04.2019 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sowohl zu seinem (dritten) Antrag auf internationalen Schutz als auch seiner beabsichtigen Anhaltung in Schubhaft niederschriftlich einvernommen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 12.04.2019, Zahl 495147509-190376444, ordnete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG über den Beschwerdeführer die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme an. Begründend wurde unter Verweis auf § 67 FPG insbesondere ausgeführt, dass das persönliche Verhalten des Beschwerdeführers eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen müsse, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre, wobei strafrechtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen könnten und vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen nicht zulässig seien. Der Beschwerdeführer habe durch seine massive strafbare Handlung der absichtlichen schweren Körperverletzung bewiesen, dass er eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle. Aufgrund seines aggressiven und gewaltbereiten Verhaltens sei die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet und stelle ein solches Verhalten eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr dar, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre. Dem persönlichen Interesse des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt in Österreich stehe das öffentliche Interesse an der Verhinderung der Gewaltkriminalität sowie das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens gegenüber.

Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer durch persönliche Übernahme am 12.04.2019 zugestellt.

Gegen den oben genannten Bescheid sowie die Anhaltung in Schubhaft erhob der Beschwerdeführer durch seinen ausgewiesenen Vertreter Beschwerde und brachte insbesondere unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor, dass bei der zu treffenden Gefährdungsprognose das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahingehend vorzunehmen sei, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils anzuwendende Gefährdungsannahme gerechtfertigt sei. Dabei sei nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Die belangte Behörde begründe die tatsächliche, gegenwärtige und hinreichend erhebliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit mit der Verurteilung des Beschwerdeführers im Jahr 2016. Diese Verurteilung liege jedoch bereits drei Jahre zurück, der Beschwerdeführer habe seine Haftstrafe verbüßt und sich seither nichts mehr zuschulden kommen lassen. Der reine Verweis auf eine Verurteilung stelle jedoch keine Gefährdungsprognose dar. Das Bundesverwaltungsgericht habe zudem in einem anderen Fall bereits ausgesprochen, dass nach einem zweieinhalbjährigen Wohlverhalten nicht mehr von einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit auszugehen sei.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl legte in der Folge die Verwaltungsakten vor und gab dazu am 18.04.2019, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 23.04.2019, eine Stellungnahme ab. Mit der Stellungnahme wurde zudem ein Bescheid vom 17.04.2019 über die Abweisung des (dritten) Antrages des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz übermittelt und ausgeführt, dass dieser Bescheid am 18.04.2019 an ein näher bezeichnetes Polizeianhaltezentrum zwecks Ausfolgung an den Beschwerdeführer übermittelt worden sei. Ein Zustellnachweis dieses Bescheides wurde dem Bundesverwaltungsgericht nicht übermittelt.

Mit Schreiben vom 23.04.2019 teilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit, dass der Beschwerdeführer am 19.04.2019 auf Grund von Haftunfähigkeit und stationärer Aufnahme aus der Schubhaft entlassen worden sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Zum Verfahrensgang:

Der unter I. geschilderte Verfahrensgang wird zur Feststellung erhoben.

Zur Person des Beschwerdeführers und den Voraussetzungen der Schubhaft:

1. Der Beschwerdeführer ist ein volljähriger Staatsangehöriger der Türkei. Die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt er nicht. Er ist Asylwerber in Österreich; der faktische Abschiebeschutz wurde im Verfahren über seinen (dritten) Antrag auf internationalen Schutz in Österreich nicht (rechtskräftig) aberkannt. Er wurde am 12.04.2019 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen. Mit Bescheid vom 17.04.2019 wurde der (dritte) Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vollinhaltlich abgewiesen, gegen den Beschwerdeführer ein Einreiseverbot erlassen und einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt. In der Rechtsmittelbelehrung dieses Bescheides findet sich der Hinweis, dass der Bescheid bis zum Ablauf von sieben Tagen nach Zustellung nicht vollstreckt werde.

2. Mit rechtskräftigem Urteil eines Landesgerichtes vom 01.09.2016 wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung gemäß § 87 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten, davon 16 Monate bedingt, unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren verurteilt. Als Datum der Tat wurde der 03.07.2016 festgestellt. Im Hinblick auf die Strafbemessung wurden bei dem Beschwerdeführer der bisher ordentliche Lebenswandel mildernd und kein Umstand erschwerend gewertet.

Mit rechtskräftigem Urteil eines Landesgerichtes vom 15.11.2016 wurde der Beschwerdeführer wegen Verbrechen bzw. Vergehen gemäß § 114 Abs. 1 FPG, §§ 229 Abs. 1, 231 Abs. 1, 241e Abs. 3, 127 und 83 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten verurteilt, welche unter Anwendung von § 28 Abs. 1 StGB als Zusatzstrafe gemäß §§ 31 und 40 StGB unter Bedachtnahme auf das oben genannte Urteil vom 01.09.2016 ausgesprochen wurde. Als Datum der (letzten) Tat wurde der 13.07.2015 festgestellt. Im Hinblick auf die Strafbemessung wurden bei dem Beschwerdeführer der bisher ordentliche Lebenswandel mildernd und kein Umstand erschwerend gewertet.

3. Der Beschwerdeführer wurde vom 12.04.2019 bis 19.04.2019 in Schubhaft angehalten.

4. Der Beschwerdeführer wurde am 19.04.2019 wegen des Verdachts einer Erkrankung an offener Tuberkulose nach ärztlicher Untersuchung als haftunfähig aus der Schubhaft entlassen und in einem näher genannten Spital stationär aufgenommen.

5. Anhaltspunkte dafür, dass durch den Aufenthalt des Beschwerdeführers eine gegenwärtige, tatsächliche und erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit besteht, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, liegen nicht vor.

6. Der geschiedene Beschwerdeführer hat in Österreich eine Freundin, die laut seinen Angaben im zweiten Monat von ihm schwanger ist. Die Angehörigen des Beschwerdeführers leben in der Türkei. Der Beschwerdeführer verfügt über keinen eigenen gesicherten Wohnsitz in Österreich. Er geht in Österreich keiner legalen Erwerbstätigkeit nach, hat in Österreich kein Einkommen und verfügt über kein zur Sicherung seiner Existenz ausreichendes Vermögen. Der Beschwerdeführer kam seiner Meldeverpflichtung in Österreich nur teilweise nach.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in die Akten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, den Akt des Asylgerichtshofes zur Zahl 414.849-1, des Bundesverwaltungsgerichtes zur Zahl 2217639-1, in das Zentrale Fremdenregister, in das Strafregister, in das Zentrale Melderegister, in das Grundversorgungsinformationssystem und in die Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres.

Zum Verfahrensgang:

Die Feststellungen zum Verfahrensgang ergeben sich aus den unbedenklichen und unstrittigen Inhalten der Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, dem Akt des Asylgerichtshofes sowie dem Akt des Bundesverwaltungsgerichtes.

Zur Person des Beschwerdeführers und den Voraussetzungen der Schubhaft:

1. Die Feststellung, dass es sich bei dem Beschwerdeführer um einen volljährigen Staatsangehörigen der Türkei handelt, basiert auf den eigenen Angaben des Beschwerdeführers (zuletzt insbesondere in seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 12.04.2019, Seite 2 der Niederschrift). Anhaltspunkte dafür, dass er die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Die Feststellung, wonach der Beschwerdeführer Asylwerber ist und der faktische Abschiebeschutz im Verfahren über seinen (dritten) Antrag auf internationalen Schutz in Österreich nicht (rechtskräftig) aberkannt wurde, ergibt sich - ebenso wie die am 12.04.2019 durchgeführte Einvernahme - aus dem vorliegenden Akteninhalt. Die Feststellung, wonach der (dritte) Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz mit Bescheid vom 17.04.2019 vollinhaltlich abgewiesen, gegen den Beschwerdeführer ein Einreiseverbot erlassen und einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, ergibt sich - ebenso wie der Hinweis auf die Unvollstreckbarkeit binnen sieben Tagen ab Zustellung - aus dem beim Bundesverwaltungsgericht am 23.04.2019 eingelangten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

2. Die Feststellungen zu den strafrechtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers ergeben sich aus einem Auszug aus dem Strafregister sowie den in den Verwaltungsakten einliegenden Urteilen.

3. Dass der Beschwerdeführer vom 12.04.2019 bis 19.04.2019 in Schubhaft angehalten wurde, ergibt sich aus dem Akt des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl sowie aus der Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres.

4. Die Feststellung, wonach der Beschwerdeführer am 19.04.2019 wegen des Verdachts einer Erkrankung an offener Tuberkulose nach ärztlicher Untersuchung als haftunfähig aus der Schubhaft entlassen und in einem näher genannten Spital stationär aufgenommen wurde, ergibt sich aus der Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres sowie dem Schreiben des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.04.2019.

5. Die Feststellung, wonach keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass durch den Aufenthalt des Beschwerdeführers eine gegenwärtige, tatsächliche und erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit besteht, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, basiert auf folgenden Erwägungen:

Der Beschwerdeführer wurde auf Grund einer im Juli 2016 begangenen absichtlichen schweren Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten, davon 16 Monate bedingt, unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren verurteilt. Gemäß § 87 Abs. 1 StGB ist die Bestrafung für ein derartiges Verbrechen eine Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren. Im Fall des Beschwerdeführers wurde vom Strafgericht sein bisher ordentlicher Lebenswandel mildernd und kein Umstand erschwerend gewertet. Der Beschwerdeführer befand sich in der Folge in Strafhaft und war nach seiner Entlassung - wenn auch nicht lange - an einer privaten Wohnadresse gemeldet. Wenn die belangte Behörde im gegenständlichen Fall ausführt, dass der Beschwerdeführer eine massive strafbare Handlung gesetzt habe, so ist dieser Schlussfolgerung ebenso wenig entgegenzutreten wie dem Hinweis der belangten Behörde auf die Wichtigkeit der Verhinderung der Gewaltkriminalität. Vor dem Hintergrund, dass die vom Beschwerdeführer begangene strafbare Handlung jedoch nunmehr bereits fast drei Jahre zurückliegt und sich der Beschwerdeführer seit damals bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt nichts mehr zuschulden kommen hat lassen, kann im gegenständlichen Fall in einer Gesamtbetrachtung aber nicht davon ausgegangen werden, dass durch den Aufenthalt des Beschwerdeführers aktuell eine gegenwärtige (tatsächliche und erhebliche) Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, besteht. An der mangelnden Gegenwärtigkeit kann auch der hohe Unwert der Tat des Beschwerdeführers letztlich nichts ändern.

6. Die Feststellungen zum Familienstand des Beschwerdeführers und dem Aufenthalt seiner Angehörigen in der Türkei sowie zur mangelnden sozialen und beruflichen Verankerung des Beschwerdeführers in Österreich beruhen auf seinen diesbezüglichen Angaben (siehe insbesondere die Seiten 3 und 4 der Niederschrift vom 12.04.2019 sowie Seite 9 der Niederschrift zum [dritten] Antrag auf internationalen Schutz). Dass der Beschwerdeführer über keinen gesicherten Wohnsitz in Österreich verfügt, ergibt sich - ebenso wie die Feststellung, dass der Beschwerdeführer seiner Meldeverpflichtung in Österreich nur teilweise nachkam - aus dem Zentralen Melderegister.

Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht aufzunehmen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchteil A) - Spruchpunkt I. - Schubhaftbescheid, Anhaltung in Schubhaft:

Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) lautet:

"§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß."

§ 77 FPG - Gelinderes Mittel

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat das Bundesamt bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1

FPG.

Gemäß § 77 Abs. 2 FPG ist Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

Gemäß § 77 Abs. 3 FPG sind gelindere Mittel insbesondere die Anordnung, (Z 1) in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen, (Z 2) sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder (Z 3) eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.

Kommt der Fremde gemäß § 77 Abs. 4 FPG seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.

Gemäß § 77 Abs. 5 FPG steht die Anwendung eines gelinderen Mittels der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

Gemäß § 77 Abs. 6 FPG hat sich zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

Gemäß § 77 Abs. 7 FPG können die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

Gemäß § 77 Abs. 8 FPG ist das gelindere Mittel mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

Gemäß § 77 Abs. 9 FPG können die Landespolizeidirektionen betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.

Der mit "Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft" betitelte § 22a BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) lautet:

"§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig."

3.1.2. Zur Judikatur:

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, 2008/21/0647; 30.08.2007, 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der - aktuelle - Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, 2005/21/0301; 23.09.2010, 2009/21/0280).

3.1.3. Zur Frage der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides, der Festnahme und der Anhaltung in Schubhaft von 12.04.2019 bis 19.04.2019:

§ 67 FPG lautet:

"§ 67. (1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

(2) Ein Aufenthaltsverbot kann, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.

(3) Ein Aufenthaltsverbot kann unbefristet erlassen werden, wenn insbesondere

1. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

2. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB);

3. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder

4. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

(4) Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes ist auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist des Aufenthaltsverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise."

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG zu treffenden Gefährdungsprognose das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils anzuwendende Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs. 1 FPG zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dem Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das "persönliche Verhalten" des Fremden abzustellen ist und strafrechtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können (vgl. VwGH 25.04.2014, 2014/21/0039; 12.09.2013, 2013/21/0101, jeweils mwN).

Der Beschwerdeführer wurde auf Grund einer im Juli 2016 begangenen absichtlichen schweren Körperverletzung - wie auch oben festgestellt - zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten, davon 16 Monate bedingt, unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren verurteilt. Gemäß § 87 Abs. 1 StGB ist die Bestrafung für ein derartiges Verbrechen eine Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren. Im Fall des Beschwerdeführers wurde vom Strafgericht sein bisher ordentlicher Lebenswandel mildernd und kein Umstand erschwerend gewertet. Der Beschwerdeführer befand sich in der Folge in Strafhaft und war nach seiner Entlassung - wenn auch nicht lange - an einer privaten Wohnadresse gemeldet (und somit hinsichtlich einer allfälligen Einvernahme zu seinem Antrag auf internationalen Schutz greifbar). Vor dem Hintergrund, dass die vom Beschwerdeführer begangene strafbare Handlung nunmehr bereits fast drei Jahre zurückliegt und sich der Beschwerdeführer seit damals bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt nichts mehr zuschulden kommen hat lassen, kann im gegenständlichen Fall in einer Gesamtbetrachtung aber - wie oben bereits dargelegt - nicht davon ausgegangen werden, dass durch den Aufenthalt des Beschwerdeführers aktuell eine gegenwärtige (tatsächliche und erhebliche) Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, besteht. An der mangelnden Gegenwärtigkeit kann auch weder der hohe Unwert der Tat des Beschwerdeführers noch die über ihn verhängte Zusatzfreiheitsstrafe letztlich etwas ändern.

Im vorliegenden Fall geht das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Ergebnis zu Unrecht von einer gegenwärtig bestehenden Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit in der erforderlichen Intensität aus.

Eine derartige, aktuell bestehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ist im Fall des Beschwerdeführers im Verfahren sohin letztlich nicht hervorgekommen, weshalb die Anordnung der Schubhaft gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG über ihn nicht in Betracht kommt. Damit erweist sich die Anordnung der Schubhaft als rechtswidrig und ist der Beschwerde im Ergebnis stattzugeben.

An diesem Umstand kann auch die fehlende Vertrauenswürdigkeit und Kooperationsbereitschaft des Beschwerdeführers nichts ändern. Die Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit kann vielmehr nicht durch eine besonders ausgeprägte Fluchtgefahr kompensiert werden, weshalb auf diese Punkte im angefochtenen Bescheid nicht näher eingegangen werden musste.

Gleiches gilt für die Fragen der Haftfähigkeit und der Verhältnismäßigkeit der Schubhaft, da diese die grundsätzliche Zulässigkeit der Anordnung der Schubhaft voraussetzen.

Durch die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides erweist sich auch die auf diesen Bescheid gestützte Anhaltung als rechtswidrig.

Lediglich der Vollständigkeit halber ist anzumerken, dass der Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.04.2019, mit welchem der (dritte) Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vollinhaltlich abgewiesen, gegen den Beschwerdeführer ein Einreiseverbot erlassen und einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, jedenfalls auf Grund offener Rechtsmittelfrist nicht rechtskräftig und mangels Ablaufes der siebentägigen Frist auch aktuell nicht vollstreckbar ist.

3.2. Zu Spruchteil A) - Spruchpunkte II. und III. - Kostenersatz:

3.2.1. Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (für die Zeit vor Inkrafttreten des § 22a Abs. 1a BFA-VG s. VwGH 23.04.2015, Ro 2014/21/0077).

3.2.2. Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei hat Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei.

3.2.3. Sowohl der Beschwerdeführer als auch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl haben einen Antrag auf Kostenersatz entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen gestellt.

Dem Beschwerdeführer gebührt als (vollständig) obsiegender Partei daher Kostenersatz im gesetzlich vorgesehenen Umfang, die belangte Behörde hat als unterlegene Partei keinen Anspruch auf Kostenersatz.

§ 1 Z 1 VwG-AufwErsV bestimmt die Höhe des zu ersetzenden Schriftsatzaufwandes des Beschwerdeführers als obsiegende Partei mit EUR 737,60.

3.2.4. Festzuhalten ist abschließend, dass weder § 35 VwGVG noch andere Rechtsgrundlagen die Möglichkeit einer Rückerstattung der Eingabegebühr vorsehen.

3.3. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn (Z 1) der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder (Z 2) die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist. Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Das Verwaltungsgericht kann gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen. In der Beschwerde finden sich auch keine substanziellen Hinweise auf einen sonstigen möglicherweise unvollständig ermittelten entscheidungsrelevanten Sachverhalt.

3.4. Zu Spruchteil B) - Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

In der Beschwerde findet sich kein schlüssiger Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben. Die Entscheidung folgt überdies der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Gefährdungsprognose, Kostenersatz, Rechtswidrigkeit, Schubhaft,
strafrechtliche Verurteilung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W275.2217639.1.00

Zuletzt aktualisiert am

26.06.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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