TE Vwgh Erkenntnis 1999/2/12 95/21/1079

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Veröffentlicht am 12.02.1999
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §13;
AVG §37;
FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
FrG 1993 §54 Abs1;
VwRallg;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn): 95/21/1064 E 23. März 1999

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Ogris, über die Beschwerde des N S, (geboren am 23. September 1966), in Salzburg, vertreten durch Dr. Gerhard O. Mory und Dr. Heinrich Schellhorn, Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Wolf-Dietrich-Straße 19, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg vom 7. September 1995, Zl. Fr-5852/2/95, betreffend Feststellung gemäß § 54 Fremdengesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird, soweit sie sich gegen die Zurückweisung des Antrages des Beschwerdeführers auf Feststellung der Unzulässigkeit seiner Abschiebung nach Rußland und in die weiteren Durchreisestaaten richtet, als unbegründet abgewiesen.

Im übrigen, d.h. im Umfang der Zurückweisung des Antrages des Beschwerdeführers auf Feststellung der Unzulässigkeit seiner Abschiebung nach Sri Lanka, wird der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg (der belangten Behörde) vom 7. September 1995 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 9. Juni 1995 auf Feststellung der Unzulässigkeit seiner Abschiebung nach Sri Lanka und nach Rußland sowie in die weiteren Durchreisestaaten gemäß § 54 Abs. 2 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, zurückgewiesen.

Nach Wiedergabe des wesentlichen Inhaltes der gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobenen Berufung und der maßgeblichen Gesetzesbestimmungen führte die belangte Behörde aus, daß der Beschwerdeführer laut Aktenlage über das ihm gemäß § 54 Abs. 1 FrG zustehende Recht in Kenntnis gesetzt worden sei, was er auch durch seine Unterschrift bestätigt habe. Wie aus den Niederschriften vom 25. April bzw. 28. April 1995 ersichtlich sei, habe er zwar geschildert, daß er nicht in seine Heimat zurück könnte, weil er dort Repressalien durch die Behörden zu befürchten hätte, und diese Repressalien näher dargestellt. Einen Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung habe er jedoch nicht eingebracht. Sehr wohl sei sein Vorbringen aber als konkludenter Asylantrag zu werten gewesen, was von der erstinstanzlichen Behörde auch wahrgenommen worden sei. Sein Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung sei jedoch erst mit Schriftsatz vom 9. Juni 1995, sohin nach Rechtskraft des gegen ihn erlassenen Aufenthaltsverbotes eingebracht worden, sodaß dieser Antrag zu Recht zurückgewiesen worden sei.

Ebenfalls sei die Zurückweisung seines Antrages vom 9. Juni 1995 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand betreffend die Versäumung der Frist zur Stellung eines Antrages auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung rechtmäßig, weil ein solcher Antrag nur während des Verfahrens zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes eingebracht werden könne.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Vorauszuschicken ist, daß die in der Begründung des angefochtenen Bescheides angeführte, mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Salzburg vom 19. Juni 1995 erfolgte Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrages des Beschwerdeführers vom 9. Juni 1995 vom Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren unbekämpft blieb - für die diesbezüglichen Ausführungen im angefochtenen Bescheid bestand daher keine Veranlassung - und nur die Zurückweisung des Feststellungsantrages gemäß § 54 Abs. 2 FrG Gegenstand der Beschwerde ist.

2. Gemäß § 54 Abs. 2 FrG kann ein Antrag des Fremden (nach Abs. 1) auf Feststellung, ob stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, daß dieser Fremde in einem von ihm bezeichneten Staat gemäß § 37 Abs. 1 oder 2 FrG bedroht ist, nur während des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes eingebracht werden.

3. Die Beschwerde macht geltend, daß der Beschwerdeführer, bevor gegen ihn ein rechtskräftiges Aufenthaltsverbot bestanden habe, in eindeutiger Weise zu erkennen gegeben habe, er suche in Österreich Schutz vor Verfolgung dahingehend, daß er nicht nach Sri Lanka abgeschoben werde. Dies ergebe sich eindeutig aus den Protokollen der Bundespolizeidirektion Salzburg vom 25. April 1995 und vom 28. April 1995 über seine Einvernahmen. Sein dort erstattetes Vorbringen, nicht in seine Heimat zurückkehren zu können, da er dort Repressalien durch die Behörden zu befürchten habe, sei zwar als Asylantrag, nicht jedoch als Antrag nach § 37 iVm § 54 FrG gewertet worden. Nach den maßgeblichen Umständen des Einzelfalles, der Tatsache, daß der Beschwerdeführer nicht der deutschen Sprache mächtig sei und den in Rede stehenden Einvernahmen auch kein geeigneter Dolmetscher beigezogen worden sei - so hätten sich im Hinblick darauf, daß er nur bruchstückhaft englisch spreche, erhebliche Mängel in der Übersetzung ergeben -, hätte eine Wertung seines Vorbringens als Antrag iS des § 54 FrG vorgenommen werden müssen, zumal es die Behörde unterlassen habe, ihn rechtzeitig und ordnungsgemäß iS des § 54 Abs. 2 zweiter Satz FrG zu belehren. Dem Beschwerdeführer drohe wegen seiner Zugehörigkeit zur tamilischen Volksgruppe und der Verdächtigung, daß er bei der militanten tamilischen Organisation "Tigers" tätig gewesen wäre, in Sri Lanka der Tod.

4. Dieses Vorbringen führt die Beschwerde teilweise zum Erfolg.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind für die Beurteilung eines Anbringens (§ 13 AVG) dessen wesentlicher Inhalt, der sich aus dem gestellten Antrag erkennen läßt, und die Art des in diesem gestellten Begehrens maßgebend. Es kommt nicht auf Bezeichnungen und zufällige Verbalformen an, sondern auf den Inhalt des Anbringens, das erkennbare oder zu erschließende Ziel eines Parteischrittes. Ist erkennbar, daß ein Antrag entgegen seinem Wortlaut auf etwas anderes abzielt, kommt es auf die erkennbare Absicht des Einschreiters an (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 24. April 1998, Zl. 96/21/0306, mwN).

Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, daß die belangte Behörde das Vorbringen des Beschwerdeführers im Rahmen seiner Vernehmungen vor der Bundespolizeidirektion Salzburg vom 25. April 1995 und 28. April 1995 als Antrag auf Feststellung, daß er im Fall seiner Abschiebung nach Sri Lanka iS des § 37 Abs. 1 oder 2 FrG bedroht sei, zu werten gehabt hätte und daß es sich bei dem mit dem angefochtenen Bescheid zurückgewiesenen Antrag vom 9. Juni 1995, soweit dieser die Unzulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers nach Sri Lanka zum Gegenstand hat, um keinen neuen Feststellungsantrag, sondern um eine Bekräftigung des ursprünglichen Antrages handelt. So gab er bei seiner Vernehmung am 25. April 1995 an, dem tamilischen Volksstamm anzugehören und aufgrund der ständigen Auseinandersetzungen zwischen Tamilen und Singalesen aus Sri Lanka ausgereist zu sein. Nach der Ankündigung durch den vernehmenden Beamten, daß gegen ihn ein Aufenthaltsverbot erlassen und er in seine Heimat abgeschoben werde, brachte der Beschwerdeführer ergänzend vor, daß er nicht in seine Heimat zurück könne, weil er dort Repressalien durch die Behörden zu befürchten habe. Bei seiner Vernehmung am 28. April 1995 ergänzte er dieses Vorbringen dahingehend, daß in Sri Lanka die Singalesen den größten Teil der Regierung und der Armee bzw. Polizei stellten, die Tamilen eine unterdrückte Minderheit seien und es ständig Konflikte mit der Armee und der Polizei gebe. Da viele Tamilen von der singalesischen Armee und Polizei getötet worden seien, sei die tamilische Befreiungsorganisation (LTTE) gegründet worden, die bewaffnete Auseinandersetzungen mit den Singalesen führe. Die singalesische Armee durchkämme mittels Steckbriefe tamilische Dörfer bzw. Städte, und wenn sie einen steckbrieflich gesuchten Tamilen bzw. LTTE-Angehörigen gefunden habe, werde dieser sofort umgebracht. Obwohl der Beschwerdeführer dieser Organisation nicht angehöre, schienen er bzw. seine Verwandten auf dem Steckbrief auf. Etwa drei Monate zuvor seien Angehörige der singalesischen Armee in das Dorf des Beschwerdeführers gekommen und hätten seine Eltern und Geschwister getötet. Bei seiner Rückkehr würde der Beschwerdeführer von der singalesischen Polizei sofort verhaftet und umgebracht werden.

Aus diesen Behauptungen des Beschwerdeführers ist seine eindeutige Absicht zu erkennen, die Feststellung der Unzulässigkeit seiner Abschiebung nach Sri Lanka zu erreichen, weil ihm dort Gefahren iS des § 37 Abs. 1 und Abs. 2 FrG drohten. Diese Absicht hat die erstinstanzliche Fremdenpolizeibehörde angesichts des Umstandes, daß sie das Vorbringen des Beschwerdeführers als Asylantrag wertete (vgl. den Auszug der Asylwerberinformationsdatei vom 13. Juli 1995, Nr. 21 der Verwaltungsakten), zumindest teilweise erkannt. Zu einer Beurteilung dieses Vorbringens als Feststellungsantrag iS des § 54 Abs. 1 FrG hätte die belangte Behörde umso eher gelangen müssen, als ihr bekannt war, daß der Beschwerdeführer nur bruchstückhaft englisch spreche, weshalb sie es in weiterer Folge auch nicht mehr für zweckmäßig hielt, den Beschwerdeführer in englischer Sprache zu vernehmen (vgl. den vorzitierten Auszug der Asylwerberinformationsdatei), und sie den Vernehmungen vom 25. April 1995 und 28. April 1995 noch keinen Dolmetscher für die tamilische Sprache beigezogen hatte.

Nach dem Inhalt des Vorbringens des Beschwerdeführers vom 25. April 1995 und 28. April 1995 war die belangte Behörde allerdings nicht gehalten, dieses auch auf Rußland und weitere Staaten zu beziehen, fehlt es doch in diesem Vorbringen gänzlich an einem Hinweis auf eine Gefährdung und/oder Bedrohung des Beschwerdeführers iS des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG in diesen Staaten.

5. Da somit die belangte Behörde verkannte, daß der Beschwerdeführer bereits anläßlich dieser Vernehmungen, somit noch vor rechtskräftiger Erlassung des Aufenthaltsverbotes gegen ihn - nach Ausweis der Verwaltungsakten wurde der diesbezügliche Aufenthaltsverbotsbescheid der Bundespolizeidirektion Salzburg dem Beschwerdeführer am 13. Mai 1995 zugestellt -, den Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit seiner Abschiebung nach Sri Lanka iS des § 54 Abs. 1 FrG gestellt hat, und sie das Vorbringen des Beschwerdeführers keiner Beurteilung nach § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG unterzog, belastete sie ihren Bescheid insoweit mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Der angefochtene Bescheid war daher im Umfang der Zurückweisung des Feststellungsantrages betreffend die Unzulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers nach Sri Lanka gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Hinsichtlich der Zurückweisung des Antrages des Beschwerdeführers auf Feststellung der Unzulässigkeit seiner Abschiebung nach Rußland und in die weiteren Durchreisestaaten war die Beschwerde hingegen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen, weil dieser Antrag erstmals mit Schriftsatz vom 9. Juni 1995, somit erst nach rechtskräftiger Erlassung des besagten Aufenthaltsverbotes, gestellt worden ist. Daß der Antrag zurückgewiesen, statt richtigerweise abgewiesen wurde, bewirkte keine Verletzung von Rechten des Beschwerdeführers.

6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 12. Februar 1999

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1995211079.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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