TE Vwgh Erkenntnis 1999/2/12 96/19/1417

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Veröffentlicht am 12.02.1999
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §6 Abs2 idF 1995/351;
AVG §37;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde des 1963 geborenen S B in Wien, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 18. August 1995, Zl. 302.315/2-III/11/95, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.740,-- zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Mazedoniens, stellte am 21. Februar 1995 bei der österreichischen Botschaft in Budapest einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung, wobei er als Aufenthaltszweck die Familiengemeinschaft mit seiner österreichischen Ehegattin, die er am 18. Jänner 1995 in Österreich geheiratet hatte, sowie Erwerbstätigkeit, angab. Die Rubrik "derzeitiger Wohnort" wurde im Antrag nicht ausgefüllt, in der Rubrik "aufrechte Meldung in Österreich" wurde eine Wiener Adresse angegeben.

Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Landeshauptmanns von Wien vom 21. März 1995 gemäß §§ 1 Abs. 1 und 6 Abs. 1 AufG abgewiesen. Der Beschwerdeführer erhob Berufung.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 18. August 1995 wies der Bundesminister für Inneres die Berufung gemäß § 6 Abs. 2 AufG ab. Die belangte Behörde führte begründend aus, der Beschwerdeführer habe nach auf eigenen Angaben beruhender Aktenlage den Antrag nicht vor der Einreise, mit der er seinen derzeitigen Aufenthalt begonnen habe, gestellt. Er sei seit 7. Februar 1995 aufrecht in Österreich polizeilich gemeldet und sei folglich vor, während und nach der Antragstellung in Österreich polizeilich gemeldet bzw. aufhältig gewesen. Er habe am 18. Jänner 1995 am Standesamt in E. die Ehe mit Frau E.B. geschlossen und sich demnach bereits zu diesem Zeitpunkt in Österreich aufgehalten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die zunächst an den Verfassungsgerichts-hof gerichtete Beschwerde, der ihre Behandlung mit Beschluß vom 7. März 1996, B 3175/95, ablehnte und sie antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

Der Beschwerdeführer macht in seiner ergänzten Beschwerde inhaltliche Rechtswidrigkeit und Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften geltend. Er sei zur Inlandsantragstellung gemäß der Verordnung vom 27.6.1995, BGBl. Nr. 408/1995 berechtigt gewesen, weil er Angehöriger einer österreichischen Staatsbürgerin und als mazedonischer Staatsbürger zur sichtvermerksfreien Einreise berechtigt gewesen sei. Darüber hinaus habe die Behörde aktenwidrig festgestellt, daß der Beschwerdeführer während und nach der Antragstellung in Österreich aufhältig gewesen sei. Dies sei unzulässigerweise lediglich aus dem Umstand der polizeilichen Meldung geschlossen worden. Weiters sei dem Beschwerdeführer nicht die Gelegenheit gegeben worden, gemäß § 45 Abs. 3 AVG zum Ergebnis der Beweisaufnahme Stellung zu nehmen. Der Beschwerdeführer sei dadurch auch in seinem Recht auf Gehör verletzt worden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (die Zustellung erfolgte am 5. September 1995) ist für die Überprüfung seiner Rechtmäßigkeit durch den Verwaltungsgerichtshof das Aufenthaltsgesetz in der Fassung BGBl. Nr. 351/1995 maßgeblich.

§ 6 Abs. 2 AufG lautete:

"(2) Der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung ist vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. (...) Eine Antragstellung im Inland ist ausnahmsweise zulässig: im Fall des Verlusts der österreichischen Staatsbürgerschaft, des Asyls oder des Aufenthaltsrechts gemäß § 1 Abs. 3 Z. 1; weiters in den Fällen des § 7 Abs. 2, des § 12 Abs. 4 und einer durch zwischenstaatliche Vereinbarung oder durch eine Verordnung gemäß § 14 FrG ermöglichten Antragstellung nach Einreise; schließlich für jene im Bundesgebiet aufhältigen Personen, für die dies in einer Verordnung gemäß § 2 Abs. 3 Z. 4 festgelegt ist. Der Antrag auf Verlängerung einer Bewilligung und auf Änderung des Aufenthaltszwecks kann bis zum Ablauf der Geltungsdauer der Bewilligung auch vom Inland aus gestellt werden."

§ 3 Z. 4 der im vorliegenden Fall anzuwendenden Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz für 1995, BGBl. Nr. 408/1995, lautete:

"§ 3. Der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung kann ausnahmsweise im Inland gestellt werden von:

...

4. Angehörigen von österreichischen Staatsbürgern (§ 3 Abs. 1 Z. 1 Aufenthaltsgesetz), die gemäß § 14 Abs. 3 FrG einreisen oder denen vor der Einreise ein gewöhnlicher Sichtvermerk erteilt wurde."

§ 14 Abs. 1 und 3 FrG, BGBl. Nr. 838/1992 idF

BGBl. Nr. 110/1994, lauteten:

"§ 14 (1) Sofern die Bundesregierung zum Abschluß von Regierungsübereinkommen gemäß Art. 66 Abs. 2 B-VG ermächtigt ist, kann sie zur Erleichterung des Reiseverkehrs unter der Voraussetzung, daß Gegenseitigkeit gewährt wird, vereinbaren, daß Fremde berechtigt sind, ohne Sichtvermerk in das Bundesgebiet einzureisen und sich in diesem aufzuhalten.

....

(3) In Übereinkommen gemäß Abs. 1 und in Verordnungen gemäß Abs. 2 kann unter der Voraussetzung der Gegenseitigkeit vorgesehen werden, daß Fremden ein Sichtvermerk auch nach sichtvermerksfreier Einreise erteilt werden kann."

Bis einschließlich 14. Mai 1995 wurde das Abkommen zwischen der Bundesregierung der Republik Österreich und der Regierung der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über die Aufhebung der Sichtvermerkspflicht, BGBl. Nr. 365/1965, in vollem Umfang gegenüber der Ehemaligen Jugoslawischen Republik Mazedonien pragmatisch weiter angewendet (vgl. die Kundmachung BGBl. Nr. 322/1995 betreffend die teilweise Aussetzung dieser pragmatischen Anwendung).

Art. 1 und 3 dieses Abkommens lauteten auszugsweise:

"Artikel 1

(1) Die Staatsbürger der Vertragsstaaten, die einen der in Artikel 3 angeführten Reiseausweise mit sich führen, können ohne Sichtvermerk des anderen Vertragsstaates die Grenzen der Vertragsstaaten überschreiten und sich drei Monate auf dem Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates aufhalten.

(2) Den Personen, die sich länger als drei Monate auf dem Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates aufhalten wollen, können die zuständigen Behörden dieses Vertragsstaates die Aufenthaltsberechtigung verlängern.

...

Artikel 3

(3) Der Grenzübertritt aufgrund dieses Abkommens ist jugoslawischen Staatsbürgern, die Inhaber eines der nachstehend angeführten gültigen Reiseausweise sind, gestattet:

a)

Reisepaß (persönlicher oder Familienreisepaß)

b)

Diplomatenpaß..."

Da der Beschwerdeführer weder nach seinem Vorbringen noch nach der Aktenlage jemals über eine Aufenthaltsbewilligung verfügte, wertete die belangte Behörde seinen Antrag zu Recht nicht als Verlängerungsantrag. Der angefochtene Bescheid ist daher auch nicht gemäß § 113 Abs. 6 oder 7 des Fremdengesetzes 1997 außer Kraft getreten.

Der Beschwerdeführer tritt in seiner Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof den Feststellungen der belangten Behörde, daß er sich vor, während und nach der Antragstellung im Bundesgebiet aufgehalten habe, entgegen. Aus seiner aufrechten Meldung allein könne diese Tatsache nicht gefolgert werden. Er verweist bezüglich des Sachverhaltes auf die ursprünglich an den Verfassungsgerichtshof gerichtete Beschwerde. Darin führt er insbesondere aus, er habe als mazedonischer Staatsbürger bis zum Mai 1995 sichtvermerksfrei nach Österreich ein- und ausreisen können. Es sei daher kein rechtswidriges Verhalten des Beschwerdeführers in der Tatsache zu sehen, daß er in der Zeit bis Mitte 1995 mehrmals ein- und ausgereist sei.

Da die belangte Behörde anders als die Behörde erster Instanz ihren Bescheid auf § 6 Abs. 2 AufG stützte, fällt das diesbezügliche Vorbringen in der Beschwerde nicht unter das Neuerungsverbot.

Dem Beschwerdeführer ist beizupflichten, daß nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der bloße Umstand einer aufrechten Meldung an einer inländischen Adresse im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung Ermittlungen über den tatsächlichen Aufenthalt des Antragstellers nicht ersetzen kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Oktober 1996, Zl. 95/19/0214). Soweit die belangte Behörde ihre Beweiswürdigung allein auf diesen Umstand stützt, kann daraus ein Inlandsaufenthalt des Beschwerdeführers nicht zwingend gefolgert werden.

Der Beschwerdeführer hat nach dem Akteninhalt jedoch, abgesehen von seiner aufrechten Meldung im Bundesgebiet, unbestritten die Berufung persönlich bei der erstinstanzlichen Behörde überreicht und darin ausdrücklich auf seine seit dem Zeitpunkt seiner Eheschließung aufrechte Lebensgemeinschaft mit seiner Ehefrau im Bundesgebiet verwiesen. Daher ist die belangte Behörde nach dem eigenen Vorbringen des Beschwerdeführers zu Recht davon ausgegangen, daß er sich im Inland aufhält.

Gemäß § 6 Abs. 2 AufG ist der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen und die Entscheidung grundsätzlich im Ausland abzuwarten. Das bloße Einbringen eines Antrages im Ausland, wenn sich der Beschwerdeführer vor und nach der Antragstellung im Bundesgebiet aufhält, erfüllt diese Anforderung nicht.

Der Beschwerdeführer bringt vor, er sei zur Inlandsantragstellung gemäß der Verordnung vom 27.6.1995, BGBl. Nr. 408/1995 berechtigt gewesen, da er Angehöriger einer österreichischen Staatsbürgerin und als mazedonischer Staatsbürger zur sichtvermerksfreien Einreise berechtigt gewesen sei.

Das Abkommen zwischen der Bundesregierung der Republik Österreich und der SFR Jugoslawien über die Aufhebung der Sichtvermerkspflicht, BGBl. Nr. 365/1965, wurde auf Grundlage des § 12 PaßG 1951 idF BGBl. Nr. 61/1954 abgeschlossen. Dieses Abkommen gilt nunmehr (ebenso wie die von der Bundesregierung gemäß § 23 Abs. 2 PaßG abgeschlossenen Abkommen) als auf der Grundlage des § 14 Abs. 1 FrG 1992 abgeschlossen. Artikel 1 Abs. 2 des Abkommens, wonach die zuständigen Behörden des Aufenthaltsstaates den Fremden, die sich länger als drei Monate auf seinem Hoheitsgebiet aufhalten wollen, die Aufenthaltsberechtigung verlängern können, qualifiziert das vorliegende Abkommen als ein solches gemäß § 14 Abs. 3 FrG 1992, da das Abkommen die Möglichkeit der Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung durch die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach sichtvermerksfreier Einreise vorsieht. Dies hat zur Folge, daß eine sichtvermerksfreie Einreise aufgrund dieses Abkommens nach dem 18. Februar 1994 (Inkrafttreten des § 14 Abs. 3 FrG 1992) als Einreise gemäß dieser Bestimmung im Sinne des § 3 Z. 4 der Verordnung BGBl. Nr. 408/1995 anzusehen ist (vgl. das zur gleichlautenden Bestimmung des § 4 Z. 2 der Verordnung BGBl. Nr. 854/1995 ergangene hg. Erkenntnis vom 18.3.1998, Zl. 96/19/1677).

Sollte der Beschwerdeführer also im Zeitraum zwischen dem 18. Februar 1994 und spätestens dem 14. Mai 1995 (vor Aussetzung des vorgenannten Abkommens) sichtvermerksfrei ins Bundesgebiet eingereist sein, so läge eine Einreise gemäß § 14 Abs. 3 FrG 1992 vor (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18.3.1998, Zl. 96/19/1677).

Aufgrund der Aktenlage ist es nicht auszuschließen, daß der Beschwerdeführer im vorgenannten Zeitraum in das Bundesgebiet eingereist ist. In diesem Fall läge eine Einreise gemäß § 14 Abs. 3 FrG vor, und der Beschwerdeführer wäre gemäß § 3 Z 4 der Verordnung BGBl. Nr. 408/1995 zur Antragstellung vom Inland aus berechtigt gewesen. Auch eine erst nachträgliche (nach der Einreise) begründete Angehörigeneigenschaft wäre unschädlich. Der Bestimmung des § 3 Z. 4 der zitierten Verordnung ist nämlich nicht zu entnehmen, daß die Angehörigeneigenschaft bereits im Zeitpunkt der Einreise vorliegen müsse (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1997, Zl. 96/19/1010).

Die belangte Behörde hat aufgrund ihrer unrichtigen Rechtsauffassung, daß eine Inlandsantragstellung des Beschwerdeführers nicht in Frage komme, das Vorliegen der Voraussetzungen des § 3 Z. 4 der Verordnung BGBl. Nr. 408/95 nicht geprüft und es unterlassen, Feststellungen zu diesem Umstand zu treffen.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 12. Februar 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1996191417.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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