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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §56;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde der 1965 geborenen IE in Wien, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 7. Mai 1998, Zl. 123.299/2-III/11/97, betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin verfügte über einen Touristensichtvermerk mit Geltungsdauer vom 1. Oktober 1996 bis 1. Jänner 1997. Mit einer von einem Dritten am 13. Dezember 1996 bei der österreichischen Botschaft in Budapest überreichten, als Erstantrag bezeichneten Eingabe, welche beim Landeshauptmann von Wien am 23. Dezember 1996 einlangte, beantragte die Beschwerdeführerin die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung.
Dieser Antrag wurde mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 7. Mai 1998 gemäß § 14 Abs. 2, § 20 Abs. 1 und § 10 Abs. 1 Z. 2 des Fremdengesetzes 1997 (FrG 1997) abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde in Ansehung des zuletzt genannten Versagungsgrundes aus, die Beschwerdeführerin, für die ein Touristensichtvermerk mit Geltungsdauer bis 1. Jänner 1997 ausgestellt gewesen sei, sei am 5. Oktober 1996 in das Bundesgebiet eingereist. Seither halte sie sich durchgehend ohne Unterbrechung in Österreich auf. Die Fortsetzung des Aufenthaltes im Bundesgebiet im Anschluß an ein Reisevisum sei jedoch aus dem Grunde des § 10 Abs. 1 Z. 2 FrG 1997 "nicht möglich". Der in dieser Bestimmung umschriebene Versagungsgrund liege vor. Ein Eingehen auf die persönlichen Verhältnisse der Beschwerdeführerin sei im Hinblick auf Art. 8 MRK nicht erforderlich.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 6 Abs. 1 und 5, § 10 Abs. 1 Z. 2 und 3 und Abs. 4, § 23 Abs. 1, 3 und 4, § 24 und § 112 FrG 1997 lauten (auszugsweise):
"§ 6. (1) Die Einreisetitel (Visa) werden als
...
2.
Durchreisevisum (Visum B) oder
3.
Reisevisum (Visum für den kurzfristigen Aufenthalt, Visum C)
oder
4. Aufenthaltsvisum (Visum für den längerfristigen Aufenthalt, Visum D)
erteilt.
...
(5) Durchreisevisa berechtigen zur ein- oder mehrmaligen Durchreise durch die Vertragsstaaten und Österreich binnen fünf Tagen. Reisevisa berechtigen zu einem Aufenthalt bis zu drei Monaten in Vertragsstaaten und Österreich. ... Aufenthaltsvisa berechtigen zu einem drei Monate übersteigenden Aufenthalt in Österreich.
...
§ 10. (1) Die Erteilung eines Einreise- oder Aufenthaltstitels ist zu versagen, wenn
...
2. der Aufenthaltstitel zeitlich an den durch ein Reise- oder Durchreisevisum ermöglichten Aufenthalt anschließen und nach der Einreise erteilt werden soll;
3. der Aufenthaltstitel - außer für Saisonarbeitskräfte (§ 9), für begünstigte Drittstaatsangehörige (§ 47) oder Angehörige von Österreichern (§ 49) - nach sichtvermerksfreier Einreise (§ 28 oder § 29) erteilt werden soll;
...
(4) Die Behörde kann Fremden trotz Vorliegens eines Versagungsgrundes gemäß Abs. 1 Z 2, 3 und 4 ... in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen aus humanitären Gründen von Amts wegen eine Aufenthaltserlaubnis erteilen. ...
...
§ 23. (1) Fremden, die nach Ablauf der Gültigkeitsdauer ihrer Niederlassungsbewilligung auf Dauer niedergelassen bleiben, ist - sofern die Voraussetzungen des 2. Abschnittes weiter gesichert scheinen - auf Antrag eine weitere Niederlassungsbewilligung mit demselben Zweckumfang zu erteilen. ...
...
(3) Nachziehenden Angehörigen, denen eine Niederlassungsbewilligung für jeglichen Aufenthaltszweck, ausgenommen Erwerbstätigkeit gemäß § 21 Abs. 4 erteilt wurde, ist vor Ablauf der Wartezeit auf Antrag eine weitere Niederlassungsbewilligung zu erteilen, wenn für sie eine Beschäftigungsbewilligung ausgestellt wurde oder sie über eine Arbeitserlaubnis oder einen Befreiungsschein verfügen.
(4) Sofern nicht die Voraussetzungen für die Erteilung einer unbefristeten Niederlassungsbewilligung vorliegen, sind die beiden ersten weiteren Niederlassungsbewilligungen mit einer Gültigkeitsdauer von höchstens zwei Jahren zu erteilen.
...
§ 24. Die Niederlassungsbewilligung ist einem Fremden auf Antrag unbefristet zu erteilen, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung (§ 8 Abs. 1) vorliegen, keine Tatsache es wahrscheinlich macht, daß in Zukunft ein Versagungsgrund wirksam werde, und der Fremde
1. seit fünf Jahren im Bundesgebiet dauernd niedergelassen ist und über ein regelmäßiges Einkommen aus erlaubter Erwerbstätigkeit verfügt;
2. Ehegatte oder minderjähriges Kind eines unter Z 1 fallenden Fremden ist, mit ihm in gemeinsamem Haushalt lebt und seit zwei Jahren seinen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet hat.
...
§ 112. Verfahren zur Erteilung eines Sichtvermerkes sowie Verfahren zur Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung, die bei Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes anhängig sind, oder gemäß der §§ 113 und 114 anhängig werden, sind nach dessen Bestimmungen - je nach dem Zweck der Reise oder des Aufenthaltes - als Verfahren zur Erteilung eines Einreisetitels oder als Verfahren zur Erteilung eines Erstaufenthaltstitels oder eines weiteren Aufenthaltstitels fortzuführen. ..."
In den Erläuterungen zum FrG 1997 (RV 685 BlgNR 20. GP) heißt es zu § 6 (auszugsweise):
"Das Durchreisevisum (Visum B) ist in Abs. 5 erster Satz definiert und ist das Visum, durch das einem Drittausländer die Durchreise durch das Gebiet der Vertragsstaaten gestattet wird, um vom Hoheitsgebiet eines Drittstaates in einen anderen Drittstaat zu gelangen. ...
Das Reisevisum (Abs. 5, Visum C) wird der am häufigsten ausgestellte Einreisetitel sein. Dieses Visum ist der für einen kurz befristeten Aufenthalt im Raum der Vertragsstaaten ausgestellte Einreisetitel, der einen Aufenthalt in der Gesamtdauer von maximal drei Monaten im Halbjahr im Schengener Raum ermöglichen soll. Dies ist das Visum, das für Besuchs- und Geschäftsreisen erteilt wird; ... Das Reisevisum entspricht intentional dem im geltenden FrG geregelten Touristensichtvermerk und bildet den einheitlichen Sichtvermerk des Art. 10 SDÜ im österreichischen Recht ab."
Zu § 10 heißt es (auszugsweise):
"Die absoluten Versagungsgründe des Abs. 1 Z 1, 3 und 4 sind bereits im geltenden Recht normiert und sie werden im Entwurf nur in einem Punkt verändert: Das absolute Verbot der Erteilung eines Aufenthaltstitels in unmittelbarem Anschluß an ein Reise- oder Durchreisevisum, das der geltende § 10 Abs. 1 Z 6 nahelegt, scheint überschießend zu sein. Unter der Voraussetzung der Antragstellung durch den Fremden im Ausland soll dieser unmittelbare Anschluß kein Hindernis sein, da in solchen Fällen wohl keine Mißbrauchsgefahr besteht. Wird der Aufenthaltstitel vom Inhaber eines nationalen Visums (Visum D) beantragt, ist dieser Antrag im Ausland zu stellen, der Aufenthaltstitel kann jedoch - so die sonstigen Voraussetzungen gegeben sind - im Inland ausgefolgt werden.
Der Versagungsgrund des Abs. 1 Z 3 normiert, daß ein Aufenthaltstitel nicht nach sichtvermerksfreier Einreise erteilt werden darf. ..."
§ 6 Abs. 1 Z. 1 und 2 und Abs. 2 sowie § 10 Abs. 1 Z. 6 des Fremdengesetzes 1992 (FrG 1992) lauteten:
"§ 6. (1) Sichtvermerke werden ausschließlich als
1.
gewöhnliche Sichtvermerke;
2.
Touristensichtvermerke;
...
erteilt.
(2) Touristensichtvermerke werden Touristen, Durchreisenden oder solchen Fremden erteilt, die Menschen mit Hauptwohnsitz im Bundesgebiet besuchen wollen.
...
§ 10. (1) Die Erteilung eines Sichtvermerkes ist zu versagen, wenn
...
6. der Sichtvermerk zeitlich an einen Touristensichtvermerk anschließen oder nach sichtvermerksfreier Einreise (§ 12 Aufenthaltsgesetz oder § 14) erteilt werden soll;"
Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, daß sie mit dem in Rede stehenden Touristensichtvermerk in das Bundesgebiet eingereist ist und sich seither in Österreich aufhält. Sie verweist darauf, daß ihr Ehegatte sich seit über zehn Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte und über eine unbefristete Aufenthaltsbewilligung und einen Befreiungsschein verfüge. Er sei seit 18. Jänner 1993 bei einem österreichischen Unternehmen beschäftigt. Die Beschwerdeführerin lebe mit ihrem Ehegatten und dem gemeinsamen, am 29. September 1997 in Wien geborenen Kind in Österreich. Das Kind der Beschwerdeführerin sei körperlich behindert und bedürfe der ständigen Pflege und der laufenden Kontrolle sowie der Untersuchung der behandelnden Ärzte. Eine schwere Operation des Kindes Ende November 1998 sei bevorgestanden.
Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Auffassung der belangten Behörde, ihr Antrag sei als solcher auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung zu werten. Richtigerweise wäre dieser nämlich als solcher auf Erteilung einer unbefristeten Niederlassungsbewilligung gemäß § 24 Z. 2 FrG 1997 einzuordnen gewesen.
Diesen Ausführungen ist folgendes entgegenzuhalten:
Gemäß § 112 FrG 1997 sind Verfahren zur Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung als Verfahren zur Erteilung eines Erstaufenthaltstitels oder eines weiteren Aufenthaltstitels fortzuführen. Gemäß § 23 Abs. 1 FrG 1997 ist Fremden, die nach Ablauf der Gültigkeitsdauer ihrer Niederlassungsbewilligung auf Dauer niedergelassen bleiben, auf Antrag eine weitere Niederlassungsbewilligung zu erteilen. Dies gilt gemäß § 23 Abs. 3 FrG 1997 auch für nachziehende Angehörige. Die Übergangsbestimmung des § 112 FrG 1997 ist nun dahingehend zu interpretieren, daß die Weiterführung eines Verfahrens über einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung als Verfahren zur Erteilung einer weiteren Niederlassungsbewilligung jedenfalls voraussetzt, daß dem Fremden schon vor Stellung des nunmehr anhängigen Antrages nach den damaligen Vorschriften eine Berechtigung zum Aufenthalt erteilt worden war, welche dem Fremden all jene Rechte eingeräumt hatte, die nunmehr mit einer Niederlassungsbewilligung verbunden sind. Dies wäre bei Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung oder eines vor dem 1. Juli 1993 ausgestellten gewöhnlichen Sichtvermerkes der Fall.
Da die Beschwerdeführerin nach der Aktenlage lediglich über einen Touristensichtvermerk, nicht aber über eine einer Niederlassungsbewilligung gleichzuhaltende Berechtigung zum Aufenthalt verfügte, wertete die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin zu Recht als solchen auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung.
Die Voraussetzungen des § 24 Z. 2 FrG 1997 erfüllt die Beschwerdeführerin schon deshalb nicht, weil sie mit ihrem Ehegatten noch nicht seit zwei Jahren ihren Hauptwohnsitz im Bundesgebiet hat, behauptet sie doch nicht, vor dem 1. Oktober 1996 eingereist zu sein, während der angefochtene Bescheid am 8. Mai 1998 zugestellt wurde. Auf die Frage, ob auch ein unrechtmäßig begründeter Hauptwohnsitz die Erteilung einer unbefristeten Niederlassungsbewilligung gemäß § 24 Z. 2 FrG 1997 ermöglicht, brauchte daher im vorliegenden Zusammenhang nicht eingegangen werden. Selbst wenn man diese Frage aber bejahen wollte, wäre damit lediglich eine Aussage über den Zeitraum, für den die Niederlassungsbewilligung erteilt werden kann, getroffen, nicht jedoch über die Frage, ob es sich bei einer solchen Niederlassungsbewilligung um eine Erstniederlassungsbewilligung oder um eine weitere Niederlassungsbewilligung handelt.
Im übrigen setzt sich die Beschwerdeführerin mit dem von der belangten Behörde gebrauchten Versagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 2 FrG 1997 nicht näher auseinander. Seine Heranziehung durch die belangte Behörde ist jedoch aus folgenden Gründen nicht als rechtswidrig zu erkennen:
Der Verwaltungsgerichtshof hat zum Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG 1992 folgende Rechtssätze geprägt:
Für die Beurteilung der Frage, ob der in Rede stehende Sichtvermerksversagungsgrund vorliegt, ist die Rechtslage im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides maßgeblich (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Mai 1997, Zlen. 96/19/0285 bis 0288). Die Bestimmung bezweckt, die Fortsetzung des Aufenthaltes von Fremden im Bundesgebiet im Anschluß an touristische Aufenthalte nicht zu gestatten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Oktober 1997, Zl. 97/19/1439). Die Frage, ob eine beantragte Bewilligung zeitlich an einen Touristensichtvermerk anschließen "soll", ist nach der Sachlage im Zeitpunkt der Entscheidung zu prüfen. Der in Rede stehende Sichtvermerksversagungsgrund ist dann verwirklicht, wenn sich der Fremde in dem für die Entscheidung der Behörde maßgeblichen Zeitpunkt - also jenem der Bescheiderlassung - im Anschluß an eine mit Touristensichtvermerk erfolgte Einreise im Bundesgebiet aufhält (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1996, Zl. 96/19/0032). Ein nahtloser Anschluß der zu erteilenden Bewilligung an die Geltungsdauer des Touristensichtvermerkes ist für den in Rede stehenden Versagungstatbestand nicht vorausgesetzt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. Juli 1993, Zl. 93/18/0293). Bedeutungslos ist es auch, ob der Antrag auf Erteilung der Aufenthaltsbewilligung vor oder nach der mit dem Touristensichtvermerk erfolgten Einreise gestellt wurde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Oktober 1995, Zl. 95/19/0500). Schließlich hat der Verwaltungsgerichtshof zum Ausdruck gebracht, daß bei einer auf § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG 1992 gestützten Entscheidung eine Bedachtnahme auf die durch Art. 8 MRK geschützten Rechte des Fremden aus den im Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 1. Juli 1993, Slg. Nr. 13.497, dargelegten Gründen nicht zu erfolgen hat (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1996, Zl. 96/19/0032).
Es ist zu unterstellen, daß diese Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes dem Gesetzgeber bei Erlassung des FrG 1997 bekannt war. Den Erläuterungen zur diesbezüglichen Regierungsvorlage ist nun zu entnehmen, daß der Regelungsgehalt des § 10 Abs. 1 Z. 2 FrG 1997 gegenüber jenem des § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG 1992 im wesentlichen unverändert bleiben sollte. Die gegenüber der letztgenannten Bestimmung leicht veränderte Formulierung sollte lediglich zum Ausdruck bringen, daß ein absolutes Verbot der Erteilung eines Aufenthaltstitels in unmittelbarem Anschluß an ein Reise- oder Durchreisevisum unter der Voraussetzung der Antragstellung durch den Fremden im Ausland nicht bestehen soll. Offenbar gehen aber auch die in Rede stehenden Erläuterungen davon aus, daß auch in diesem Fall die Erteilung des Aufenthaltstitels im Ausland zu erfolgen hätte. Lediglich dem Inhaber eines nationalen Visums (Visum D) kann nach diesen Gesetzesmaterialien aufgrund eines im Ausland gestellten Antrages ein Aufenthaltstitel im Inland ausgefolgt werden.
Aus dem Vorgesagten ergibt sich, daß die oben wiedergegebene Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG 1992 auch für den Versagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 2 FrG 1997 Anwendung findet. Maßgebend ist im unmittelbaren Anwendungsbereich der in Rede stehenden Norm daher, ob sich der Fremde im Anschluß an eine mit einem Reise- oder Durchreisevisum erfolgte Einreise im Zeitpunkt der Bescheiderlassung im Bundesgebiet aufhält (ohne daß er zwischenzeitig eine Berechtigung zum Aufenthalt aufgrund eines gewöhnlichen Sichtvermerkes, einer Aufenthaltsbewilligung, oder aber eines Aufenthaltstitels bzw. eines Aufenthaltsvisums nach dem FrG 1997 erlangt hätte). Der Begriff "soll" in § 10 Abs. 1 Z. 2 FrG 1997 stellt also - wie jener in § 10 Abs. 1 Z. 3 FrG 1997 (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 28. Jänner 1999, Zl. 98/19/0229) - auf den Zeitpunkt der Bescheiderlassung ab.
§ 10 Abs. 1 Z. 2 FrG 1997 trifft seine Anordnungen ausdrücklich nur für einen durch ein Reise- oder Durchreisevisum ermöglichten Aufenthalt. Vorliegendenfalls wurde aber der Aufenthalt der Beschwerdeführerin durch einen Touristensichtvermerk gemäß § 6 Abs. 1 Z. 2 FrG 1992 ermöglicht. Gemäß § 6 Abs. 2 FrG 1992 wurden Touristensichtvermerke an Touristen, Durchreisende oder solche Fremde erteilt, die Menschen mit Hauptwohnsitz im Bundesgebiet besuchen wollten. Den gleichen Zwecken dient nunmehr die Erteilung eines Reisevisums (Visum C) gemäß § 6 Abs. 1 Z. 3 FrG 1997. Wie aus den oben wiedergegebenen Erläuterungen ersichtlich, entspricht das Visum C intentional dem im FrG 1992 geregelten Touristensichtvermerk.
Wollte der Gesetzgeber des FrG 1997 aber die Erteilung eines Aufenthaltstitels im Anschluß an Aufenthalte, die u.a. zu jenen Zwecken bewilligt wurden, für die nunmehr ein Reisevisum zu erteilen ist, für unzulässig erklären, und handelt es sich bei diesen Zwecken um dieselben, für die seinerzeit ein Touristensichtvermerk auszustellen war, so trifft der Normzweck des § 10 Abs. 1 Z. 2 FrG 1997 auch auf jene Fremde zu, die zwar nicht mit einem Reise- oder Durchreisevisum, aber mit einem Touristensichtvermerk nach dem FrG 1992 in das Bundesgebiet eingereist sind und sich im Anschluß daran weiter hier aufhalten. Die in Ansehung solcher Fremder - mangels ausdrücklicher Übergangsvorschriften in den §§ 112 ff FrG 1997 - bestehende Regelungslücke in § 10 Abs. 1 FrG 1997 ist unter analoger Heranziehung der Regel des § 10 Abs. 1 Z. 2 FrG 1997 zu schließen.
Die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung aufgrund des gegenständlichen Antrages der Beschwerdeführerin war daher ausgeschlossen.
Dieser Beurteilung steht die in § 10 Abs. 4 FrG 1997 vorgesehene Möglichkeit, unter näher umschriebenen Voraussetzungen trotz Vorliegens des in Rede stehenden Versagungsgrundes von Amts wegen eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, nicht entgegen. Ein subjektives Recht des Fremden auf Erteilung eines solchen Aufenthaltstitels besteht nicht.
Nach dem Vorgesagten kann es im Hinblick auf die im Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 1. Juli 1993, Slg. Nr. 13.497, dargelegten Gründe nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn die belangte Behörde davon ausging, daß bei einer auf § 10 Abs. 1 Z. 2 FrG 1997 gestützten Entscheidung eine Bedachtnahme auf die privaten und familiären Verhältnisse des Fremden im Sinne des Art. 8 MRK nicht geboten ist. Da die Beschwerdeführerin weder über eine Aufenthaltsbewilligung, noch über gewöhnliche Sichtvermerke oder über einen Aufenthaltstitel nach dem FrG 1997 verfügte, liegt hier keine Konstellation vor, welche jenen vergleichbar wäre, die den Erkenntnissen des Verfassungsgerichtshofes vom 16. Juni 1995, Slg. Nr. 14.148, oder vom 10. Oktober 1995, B 1722/94 u.a., zugrundelagen.
Demnach stünde aber das in der Beschwerde erstattete, oben wiedergegebene Sachverhaltsvorbringen der Beschwerdeführerin einer auf § 10 Abs. 1 Z. 2 FrG 1997 gegründeten Versagung einer Bewilligung nicht entgegen. Den von der Beschwerdeführerin gerügten Verfahrensmängeln fehlt es daher an Relevanz, weil die belangte Behörde auch bei Vermeidung der behaupteten Verfahrensfehler zu keinem anderen Bescheid gelangt wäre.
Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen, ohne daß auf den von der belangten Behörde herangezogenen weiteren Versagungsgrund einzugehen gewesen wäre.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 12. Februar 1999
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Analogie Schließung von Gesetzeslücken VwRallg3/2/3 Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2 Maßgebende Rechtslage maßgebender SachverhaltEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1998190238.X00Im RIS seit
21.02.2002