Entscheidungsdatum
15.05.2019Norm
AlVG §1 Abs1 litaSpruch
W156 2003296-1/6E
I M N A M E N D E R R E P U B L I K !
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Alexandra Krebitz über die Beschwerde (vormals Einspruch) der M XXXX XXXX GmbH, vertreten durch Sattlegger Dorninger Steiner & Partner, 1010 Wien, Opernring 7, gegen den Bescheid der Wiener Gebietskrankenkasse vom 24.11.2009, Zl. XXXX , betreffend Feststellung der Pflichtversicherung des R XXXX N XXXX ab dem 01.06.2005 nach dem ASVG und AlVG zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und festgestellt,
dass Herr R XXXX N XXXX , VSNR XXXX , im Zeitraum vom 01.06.2006 bis 12.10.2008 aufgrund seiner Beschäftigung bei der M XXXX XXXX GmbH der Pflichtversicherung in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung nach dem ASVG und der Arbeitslosenversicherung nach dem AlVG unterliegt.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
1. Mit Bescheid vom 24.11.2009, Zl. XXXX , stellte die Wiener Gebietskrankenkasse (in der Folge als belangte Behörde bezeichnet) fest, dass R XXXX N XXXX ab dem 01.06.2005 (in der Folge auch als mitbeteiligte Partei bezeichnet) aufgrund seiner beim Dienstgeber M
XXXX XXXX GmbH (in der Folge als Beschwerdeführerin, kurz BF, bezeichnet), ausgeübten Tätigkeit ab dem 01.06.2005 gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 in Verbindung mit Abs. 2 des ASVG in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung (voll-) versichert und gemäß § 1 Abs. 1 lit. a des AlVG arbeitslosenversichert sei.
2. Gegen diesen Bescheid erhob die anwaltlich vertretene BF rechtzeitig und zulässig Einspruch (nunmehr Beschwerde).
3. Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 10.10.2011, Zl. XXXX , wurde das Verfahren bis zur rechtskräftigen Beendigung des finanzbehördlichen Verfahrens ausgesetzt.
4. Mit Schreiben vom 11.10.2011 teilte die belangte Behörde mit, dass die mitbeteiligte Partei aufgrund seiner Beschäftigung bei der BF im Zeitraum vom 01.06.2005 bis 12.10.2008 der Voll- (Kranken-, Unfall- und Pensions-) und Arbeitslosenversicherungspflicht unterliege.
5. Mit auf § 82 EStG 1988 gestützten (Haftungs-) Bescheide vom 12.11.2008 für den Zeitraum 1. Jänner 2004 bis 31. Dezember 2007 und vom 05.10.2012 für den Zeitraum 01.01.2008 bis 31.12.2008 zog das zuständige Finanzamt die BF zur Haftung für Lohnsteuer heran und schrieb ihr Dienstgeberbeitrag, Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag sowie Säumniszuschlag vor.
6. Die gegen diese Bescheide erhobenen Berufungen an den Unabhängigen Finanzsenat wurden mit Entscheidungen vom 19.12.2012, ZL. RV/ XXXX , und vom 09.01.2013, Zl. RV/ XXXX , als unbegründet zurückgewiesen.
In der Begründung wurde festgestellt, dass das Finanzamt zu Recht das Vorliegen eines Dienstverhältnisses iSd § 47 Abs. 2 EStG 1988 angenommen hat. Da eine Integration in den Organismus der Firma vorliege, kein Unternehmerwagnis, weiters keine Weisungsfreiheit bestehe und auch keine Vertretungsbefugnis vorgelegen sei, sei von einem Dienstverhältnis auszugehen. Für die angegebenen Zeiträume sei daher die Nachforderung der Lohnsteuer, die Vorschreibung des Dienstgeberbeitrages und eines Säumniszuschlages zu Recht erfolgt.
7. Die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerden an den Verwaltungsgerichtshof wurden von diesem mit Beschlüssen vom 30.09.2015, Zlen 2013/15/0101 und 2013/15/0115, abgelehnt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Der geschilderte Verfahrensgang ergibt sich in unbedenklicher Weise aus dem Akteninhalt der belangten Behörde und des Bundesverwaltungsgerichtes sowie Einsichtnahme in die Entscheidungen des Unabhängigen Finanzsenates via FINDOK.
Zu Spruchpunkt A):
1. Rechtliche Beurteilung:
1.1. Gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 ASVG (in der zeitraumbezogen anzuwendenden Fassungen BGBl. I
Nr. 99/2001, und BGBl. I Nr. 132/2005) sind in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung die bei einem oder mehreren Dienstgebern beschäftigten Dienstnehmer auf Grund dieses Bundesgesetzes versichert (vollversichert), wenn die betreffende Beschäftigung weder gemäß den §§ 5 und 6 von der Vollversicherung ausgenommen ist, noch nach § 7 nur eine Teilversicherung begründet.
Gemäß § 4 Abs. 2 ASVG ist Dienstnehmer im Sinne dieses Bundesgesetzes, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; hiezu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen. Als Dienstnehmer gelten jedenfalls Personen, die mit Dienstleistungsscheck nach dem Dienstleistungsscheckgesetz (DLSG), BGBl. I Nr. 45/2005, entlohnt werden. Als Dienstnehmer gilt jedenfalls auch, wer nach § 47 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 EStG 1988 lohnsteuerpflichtig ist, es sei denn, es handelt sich um
1. Bezieher von Einkünften nach § 25 Abs. 1 Z 4 lit. a oder b EStG 1988 oder
2. Bezieher von Einkünften nach § 25 Abs. 1 Z 4 lit. c EStG 1988, die in einem öffentlichrechtlichen Verhältnis zu einer Gebietskörperschaft stehen oder
(in der ab 01.06.2012 geltenden Fassung des BGBl. I Nr. 17/2012)
3. Bezieher/innen von Geld- oder Sachleistungen nach dem Freiwilligengesetz.
§ 47 Abs. 1 und 2 EStG (in der Fassung BGBl. I Nr. 8/2005) lautete auszugsweise:
"§ 47. (1) Bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (§ 25) wird die Einkommensteuer durch Abzug vom Arbeitslohn erhoben (Lohnsteuer), wenn im Inland eine Betriebsstätte (§ 81) des Arbeitgebers besteht. Arbeitnehmer ist eine natürliche Person, die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bezieht. Arbeitgeber ist, wer Arbeitslohn im Sinne des § 25 auszahlt.
(...)
(2) Ein Dienstverhältnis liegt vor, wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft schuldet. Dies ist der Fall, wenn die tätige Person in der Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist. Ein Dienstverhältnis ist weiters dann anzunehmen, wenn bei einer Person, die an einer Kapitalgesellschaft nicht wesentlich im Sinne des § 22 Z 2 beteiligt ist, die Voraussetzungen des § 25 Abs. 1 Z 1 lit. b vorliegen. Ein Dienstverhältnis ist weiters bei Personen anzunehmen, die Bezüge gemäß § 25 Abs. 1 Z 4 und 5 beziehen."
Der mit "Nichtselbständige Arbeit (§ 2 Abs. 3 Z 4)" überschriebene § 25 Abs. 1 Z 1 lit. a EStG 1988 (in der Fassung BGBl. I Nr. 104/2007) lautete (auszugsweise):
"§ 25. (1) Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (Arbeitslohn) sind:
1 a) Bezüge und Vorteile aus einem bestehenden oder früheren Dienstverhältnis. Dazu zählen auch Pensionszusagen, wenn sie ganz oder teilweise anstelle des bisher gezahlten Arbeitslohns oder der Lohnerhöhungen, auf die jeweils ein Anspruch besteht, gewährt werden, ausgenommen eine lohngestaltende Vorschrift im Sinne des § 68 Abs. 5 Z 1 bis 6 sieht dies vor.
b) (...)"
1.2 Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Rechtsansicht, dass die wesentliche Bedeutung der Verweisung auf die Lohnsteuerpflicht nach dem EStG 1988 in § 4 Abs. 2 ASVG darin liegt, dass für jene Zeiträume, für welche die Lohnsteuerpflicht der betreffenden Person nach § 47 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 EStG 1988 mit Bescheid der Finanzbehörde festgestellt ist, auch die Sozialversicherungspflicht nach § 4 Abs. 1 Z 1 in Verbindung mit Abs. 2 ASVG bindend feststeht (arg.: "jedenfalls" in § 4 Abs. 2 zweiter Satz ASVG). Eine solche bindende Wirkung kommt aber nur Bescheiden zu, die über die Lohnsteuerpflicht als Hauptfrage absprechen, in erster Linie also Haftungs- und Zahlungsbescheiden gemäß § 82 EStG 1988 (vgl. die Erk. des VwGH vom 24.11.2010, Zl. 200/08/0333; vom 19.01.2012, Zl. 2010/08/0240; u.a.).
1.3. Die Finanzbehörde beurteilte das zwischen dem Beschwerdeführer und den mitbeteiligten Parteien abgeschlossene Vertragsverhältnis als Dienstverhältnis gemäß § 47 Abs. 2 EStG 1988. Mit den in Rechtskraft erwachsenen Haftungsbescheiden vom 12.11.2008 für die Jahre 2004 bis 2007 und vom 05.10.2012 für das Jahr 2008 sprach sie über die Lohnsteuerpflicht der mitbeteiligten Partei hinsichtlich der verfahrensgegenständlichen Zeiträume gemäß § 82 EStG 1988 ab.
Damit kommt diesen Entscheidungen Bindungswirkung für die gegenständliche sozialversicherungsrechtliche Prüfung im Hinblick auf § 4 Abs. 2 ASVG zu.
Da auf Grund der im konkreten Fall festgestellten Lohnsteuerpflicht die
Vollversicherungspflicht gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 in Verbindung mit 2 ASVG bindend feststeht, braucht auf das weitere Beschwerdevorbringen nicht mehr eingegangen zu werden.
Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.
Da die mitbeteiligte Partei lediglich im Zeitraum vom 01.06.2005 bis 12.10.2006 bei der BF beschäftigt war, war die Einbeziehung in die Voll- (Kranken-, Unfall- und Pensions-) und Arbeitslosenversicherungspflicht auf diesen Zeitraum einzuschränken.
2. Abstandnahme von einer mündlichen Verhandlung:
Nach § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Im gegenständlichen Fall kann von einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden, weil sich Fragen der Beweiswürdigung nicht stellen und der Sachverhalt feststeht sowie die (Rechts-) Frage, wonach mit der Feststellung der Lohnsteuerpflicht nach § 47 EStG 1988 durch die rechtskräftigen (Haftungs-) Bescheide der Finanzbehörde gemäß § 82 EStG "jedenfalls" die Sozialversicherungspflicht nach § 4 Abs. 1 und Abs. 2 ASVG verbunden ist, bindend feststeht.
Durch eine mündliche Erörterung ist eine weitere Klärung der Rechtssache nicht zu erwarten und ist eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) gelegen, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.
Zu Spruchpunkt B):
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder fehlt es zur Frage der mit der rechtskräftigen Feststellung der Lohnsteuerpflicht bindend festgestellten Versicherungspflicht an einer Rechtsprechung, noch weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Lohnsteuerpflicht, Pflichtversicherung, VersicherungspflichtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W156.2003296.1.00Zuletzt aktualisiert am
26.06.2019