TE Lvwg Erkenntnis 2018/8/7 VGW-141/057/777/2018

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.08.2018
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

07.08.2018

Index

L92059 Altenheime Pflegeheime Sozialhilfe Wien
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz

Norm

WSHG §25
WSHG §26 Abs1
WSHG §34 Abs3
ASVG §330a

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seine Richterin Dr. Doralt über die Beschwerde des Herrn A. B., vertreten durch RA, gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 40, Stabsstelle Sozialrechtlicher Support, vom 07.12.2017, Zl. ..., mit welchem gemäß §§ 25 iVm 26 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 3 WSHG, LGBl. f. Wien Nr. 11/1973 idgF. ein Kostenersatz zu leisten ist,

zu Recht e r k a n n t:

I.) Der Beschwerde wird Folge gegeben, der Bescheid behoben und das Kostenersatzverfahren eingestellt.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

Entscheidungsgründe

Mit dem Bescheid des Magistrats der Stadt Wien, Magistratsabteilung 40, vom 7.12.2017 wurde der Beschwerdeführer verpflichtet, dem Fonds Soziales Wien Ersatz für die Kosten, die diesem durch die Finanzierung der Pflege und Betreuung (einschließlich Lebensunterhalt) im Zeitraum von 1.2.2013 bis 31.12.2015 entstanden sind, zu ersetzen.

In der fristgerecht dagegen erhobenen Beschwerde führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, dass aufgrund der Gesetzesänderung im Herbst 2017 mit der Abschaffung des Pflegeregresses eine Rückforderung nicht mehr rechtmäßig sei.

Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:

Nach dem vorliegenden Verwaltungsakt steht folgender Sachverhalt fest:

Der Beschwerdeführer ist vom 2.5.2012 bis 20.10.2015 im ...spital Geriatriezentrum und seit 20.10.2015 im Pflewohnheim C. untergebracht gewesen und hat dort die Leistung „Pflegehaus mit ärztlicher Betreuung – Allgemeine Pflege und Betreuung“, somit Pflege im Sinne des § 15 WSHG unter Kostenbeteiligung des Fonds Soziales Wien als Träger der Pflege in Anspruch genommen.

Zum Zeitpunkt der Aufnahme in das Pflegeheim war der Beschwerdeführer Eigentümer einer Eigentumswohnung in Wien. Diese hat er mit Vertrag vom 18.6.2012 seinem Sohn, Herrn D. B., geschenkt.

Dieser Sachverhalt ist unbestritten.

Gemäß § 26 Abs 1 Z 2 Wiener Sozialhilfegesetz (WSHG) ist der Empfänger der Hilfe ist zum Ersatz der für ihn aufgewendeten Kosten verpflichtet, wenn er innerhalb der letzten drei Jahre vor der Zeit der Hilfeleistung, weiters während der Hilfeleistung oder innerhalb von drei Jahren nach ihrer Beendigung durch Rechtshandlungen oder diesbezüglich wirksame Unterlassungen, wie etwa die Unterlassung des Antrittes einer Erbschaft, die Mittellosigkeit selbst verursacht hat.

Mit dem Sozialversicherungs-Zuordnungsgesetz (SV-ZG), BGBl I 2017/125, wurde § 330a in das ASVG eingefügt. Diese Bestimmung unter der Überschrift „Verbot des Pflegeregresses“ steht im Verfassungsrang und lautet:

„(Verfassungsbestimmung) Ein Zugriff auf das Vermögen von in stationären Pflegeeinrichtungen aufgenommenen Personen, deren Angehörigen, Erben/Erbinnen und Geschenknehmer/inne/n im Rahmen der Sozialhilfe zur Abdeckung der Pflegekosten ist unzulässig.“

Nach den Materialien (Begründung des Abänderungsantrags im Nationalrat, AA-225 25. GP 3) soll mit dieser Bestimmung der Pflegeregress verboten werden. Ihr Inkrafttreten regelt die ebenfalls mit dem Sozialversicherungs-Zuordnungsgesetz eingefügte Verfassungsbestimmung des § 707a Abs 2 ASVG. Sie lautet:

„(Verfassungsbestimmung) § 330a samt Überschrift in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 125/2017 tritt mit 1. Jänner 2018 in Kraft. Ab diesem Zeitpunkt dürfen Ersatzansprüche nicht mehr geltend gemacht werden, laufende Verfahren sind einzustellen. Insoweit Landesgesetze dem entgegenstehen, treten die betreffenden Bestimmungen zu diesem Zeitpunkt außer Kraft. Nähere Bestimmungen über den Übergang zur neuen Rechtslage können bundesgesetzlich getroffen werden. [...].“

Nach den Materialien (aaO 3) soll mit dieser Übergangsregelung sichergestellt werden, dass ab dem Inkrafttreten sowohl laufende gerichtliche als auch verwaltungsbehördliche Verfahren eingestellt werden. Auch neue Rückzahlungsverpflichtungen sollen demnach nicht mehr auferlegt werden dürfen. Weiters wird unter beispielhafter Anführung der §§ 26 und 27 des WSHG angemerkt, dass die entgegenstehenden landesgesetzlichen Bestimmungen nur insoweit außer Kraft treten sollen, als sie sich auf den Zugriff auf das Vermögen von in stationären Pflegeeinrichtungen aufgenommenen Personen und ihrer Erben/Erbinnen und Geschenknehmer zur Abdeckung der Pflegekosten beziehen.

Der Beschwerdeführer war in dem Zeitraum 2.5.2012 bis 20.10.2015 im ...spital Geriatriezentrum und seit 20.10.2015 im Pflewohnheim C. untergebracht und somit in einer vom Fonds Soziales Wien anerkannten Einrichtung. Dieser trug die dafür erforderlichen Pflege- und Betreuungskosten. Im Verfahren ist nicht strittig, dass es sich dabei um Leistungen für die stationäre Aufnahme in eine Pflegeeinrichtung handelt, die von § 330a ASVG erfasst ist.

Wie der OGH mit seiner Entscheidung vom 30.4.2018 festgestellt hat, sind auch Verfahren, die vor dem 31.12.2017 anhängig waren, von dem „Verbot des Pflegeregresses“ mitumfasst. Der OGH führt dazu Folgendes aus:

„Nach § 5 ABGB wirken Gesetze nicht zurück. Das wird als Zweifelsregel verstanden, nach der die Rückwirkung von (materiellrechtlichen) Gesetzen in die Zeit vor ihrem Inkrafttreten grundsätzlich ausgeschlossen, aber durch eine Rückwirkungsanordnung als lex specialis durchbrochen werden kann (RIS-Justiz RS0015520). Auch im Bereich des Sozialversicherungsrechts ist eine geänderte gesetzliche Bestimmung ohne besondere Übergangsregel nur auf jene Fälle anwendbar, die einen Sachverhalt zum Gegenstand haben, der sich nach dem Wirksamkeitsbeginn der geänderten Bestimmung ereignet (RIS-Justiz RS0008706). Gesetzesänderungen wirken daher im Allgemeinen auf bereits abgeschlossene Sachverhalte nicht zurück (vgl 9 ObA 8/16s mwN).

Eine ausdrückliche Rückwirkungsanordnung enthält die Übergangsregel des § 707a Abs 2 ASVG nicht. Sie lässt aber in Verbindung mit dem Wortlaut des § 330a ASVG keinen Raum für Zweifel daran, dass der Zugriff auf das Vermögen von in stationären Pflegeeinrichtungen aufgenommenen Personen oder – wie im vorliegenden Fall relevant – eines Erben nach dem 31. 12. 2017 unzulässig ist. Aus dem Umstand, dass der Verfassungsgesetzgeber auf den Zeitpunkt des Vermögenszugriffs abstellt, folgt zwingend, dass das in § 330a ASVG angeordnete Verbot auch dann zum Tragen kommen muss, wenn die Ersatzforderung (hier nach § 26 WSHG) auf einer stationären Aufnahme beruht, die zu Leistungen des Sozialhilfeträgers vor dem 1. 1. 2018 geführt hat. Insoweit enthält die vom Gesetzgeber gewählte Formulierung die Anordnung, dass die geänderte Rechtslage auch auf bereits abgeschlossene Sachverhalte Anwendung findet.

Auf eine Änderung der Rechtslage hat das Gericht in jeder Lage des Verfahrens Bedacht zu nehmen, sofern die neuen Bestimmungen nach ihrem Inhalt auf das in Streit stehende Rechtsverhältnis anzuwenden sind. Ob eine Gesetzesänderung für ein laufendes Verfahren zu beachten ist, richtet sich daher im Wesentlichen ebenfalls nach den Übergangsbestimmungen (RIS-Justiz RS0031419).

Die in der Übergangsbestimmung des § 707a Abs 2 ASVG enthaltene Anordnung, dass laufende Verfahren einzustellen sind, ergänzt § 330a ASVG, der den Zugriff auf das Vermögen des davon erfassten Personenkreises ab 1. 1. 2018 verbietet, und macht unmissverständlich klar, dass diese Bestimmung auch in anhängigen Verfahren anzuwenden ist. Nur dadurch ist sichergestellt, dass das Verbot, ab diesem Zeitpunkt auf Vermögen zuzugreifen, lückenlos umgesetzt werden kann, worauf der Verfassungsgesetzgeber mit den Neuregelungen zweifellos abzielte (s das Wort „auch“ in den Erläuterungen zu § 707a ASVG). Die Übergangsregel des § 707a ASVG steht damit der Anwendung der geänderten Gesetzeslage im Rechtsmittelverfahren nicht nur nicht entgegen, sondern setzt gerade voraus, dass die neue Rechtslage zum Tragen kommt, solange das Verfahren über den Kostenregress noch nicht rechtskräftig beendet ist.

……….

Als Ergebnis ist daher festzuhalten, dass das Verbot des § 330a ASVG bereits vor dem 1. 1. 2018 verwirklichte Sachverhalte erfasst und das geänderte Recht von Amts wegen auch noch im Rechtsmittelverfahren anzuwenden ist.“

Da somit nunmehr die Bestimmung des § 26 Abs. 1 WSHG, die die Grundlage für den vorgeschriebenen Kostenersatzbescheid gebildet hat, nicht mehr anwendbar ist, war der gegenständliche Bescheid zu beheben und das Kostenersatzverfahren einzustellen.

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Sozialrecht; Sozialhilfe; Kostenbeitrag; Kostenersatz; Vermögen; Pflegeregress; Pflegeleistung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2018:VGW.141.057.777.2018

Zuletzt aktualisiert am

25.06.2019
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten