TE Lvwg Erkenntnis 2018/8/14 VGW-141/025/764/2018

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Veröffentlicht am 14.08.2018
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Entscheidungsdatum

14.08.2018

Index

L92059 Altenheime Pflegeheime Sozialhilfe Wien
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz

Norm

WSHG §25
WSHG §26 Abs1
WSHG §34 Abs3
ASVG §330a

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Dr. Frey über die Beschwerde der Frau A. B., vertreten durch Rechtsanwältin, vom 29.12.2017 gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 40, Stabsstelle Sozialrechtlicher Support, vom 01.12.2017, Zl. ..., mit welchem ihr gemäß §§ 25, 26 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 3 WSHG idgF ein Kostenersatz vorgeschrieben wurde,

zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird Folge gegeben, der angefochtene Bescheid aufgehoben und das Verfahren eingestellt.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Mit dem angefochtenen Bescheid wird die Beschwerdeführerin verpflichtet, dem Sozialhilfeträger Fonds Soziales Wien (FSW) Ersatz zu leisten für die Kosten, die dem FSW durch die Finanzierung der Pflege und Betreuung (einschließlich Lebensunterhalt) entstanden sind, und zwar:

I.) Kostenersatz, der aufgrund hinreichenden Einkommens zu leisten sei, für den Zeitraum vom 01.01.2016 bis 30.11.2016 in Höhe von EUR 32.197,22;

II.) Kostenersatz, der aufgrund hinreichenden Vermögens zu leisten sei, für den Zeitraum vom 01.06.2013 bis 31.10.2016 in Höhe von EUR 133.859,18.

Rechtsgrundlagen seien die §§ 25 iVm § 26 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 3 des Wiener Sozialhilfegesetzes (WSHG), LGBl. für Wien Nr. 11/1973 in der geltenden Fassung.

Begründend führt die Verwaltungsbehörde – außer einer Wiedergabe einschlägiger Bestimmungen und einer Aufschlüsselung der genannten Beträge – Folgendes aus:

„Die Magistratsabteilung 40 hat als Behörde erster Instanz auf Antrag zu entscheiden, ob und in welcher Höhe der Empfänger der Hilfe dem Sozialhilfeträger Fonds Soziales Wien zum Ersatz der für ihn aufgewendeten Kosten verpflichtet ist. Inwieweit die Kostenersatzverpflichtung durch schon erfolgte Zahlungen erfüllt ist (allenfalls auch im Wege der Legalzession) sowie die Entscheidung sonstiger Streitigkeiten in Zusammenhang mit der Zahlung sind mangels sachlicher Zuständigkeit nicht Gegenstand dieses Verwaltungsverfahrens, sondern allenfalls eines anschließenden Verwaltungsvollstreckungsverfahrens.

Fest steht, dass Frau A. B. seit 26.4.2013 im „C.“ die Leistung „Pflegeplatz – Leistung Milieubetreuung“ – also Pflege im Sinne des § 15 WSHG unter Kostenbeteiligung des Fonds Soziales Wien als Träger der Pflege nach WSHG in Anspruch nimmt.

Frau A. B. unterzeichnete am 21.3.2013 den Antrag auf Gewährung einer Förderung zum Zwecke der Pflege. In diesem Antrag ist festgehalten, dass sie zum Ersatz der für sie aufgewendeten Kosten verpflichtet ist, soweit sie über hinreichendes Einkommen oder Vermögen verfügt oder hierzu gelangt.

Der Bausparvertrag, die Depots, die Erlebensversicherung, das Kontoguthaben und die Liegenschaften von Frau B. stellen hinreichendes Vermögen im Sinne des § 26 Abs. 1 Z 1 WSHG dar und waren bei der Bemessung des Kostenersatzanspruches zu berücksichtigen.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH) bedeutet der Begriff „hinreichend“, dass der Hilfeempfänger auf Einkommen oder Vermögen greifen kann, ohne dass es ihm in Ansehung der Bestreitung des eigenen Lebensunterhaltes (bzw. seiner unterhaltsberechtigten Angehörigen) unzumutbar wäre.

Dabei ist die gleiche Grenze maßgebend, wie für die Beurteilung der Hilfsbedürftigkeit, weshalb auf die Regelungen über die Anrechenbarkeit vom Einkommen oder Vermögen zurückgegriffen werden kann (vgl. VwGH vom 29.4.2002, Zl. 98/03/0125 sowie vom 29.1.2010, Zl. 2009/10/0128).

Nach der Bestimmung des § 26 WSHG ist Frau A. B. somit verpflichtet, Ersatz für die Kosten der Pflege, Betreuung und des Lebensunterhalts zu leisten, die dem FSW durch die Finanzierung der an sie erbrachten Leistungen entstehen.

Der Kostenersatz für die stationäre Pflege und Betreuung war daher spruchgemäß zu bemessen.“

In der rechtzeitig erhobenen Beschwerde wird im Wesentlichen vorgebracht:

„Dieser Bescheid verletzt die Beschwerdeführerin in Rechten, weil der belangte Magistrat § 26 Abs. 1 Wiener Sozialhilfegesetz unzutreffend angewandt hat; insbesondere geht er bei Berechnung der Höhe des Kostenersatzes von unzutreffenden Prämissen aus. Die Höhe wurde unrichtig berechnet.

Das Verwaltungsgericht Wien hat – wenn es über die Beschwerde entscheidet – zu berücksichtigen, dass nach der Verfassungsbestimmung des § 330a ASVG, die gemäß der Verfassungsbestimmung des § 707a Abs 2 ASVG am 01. Jänner 2018 in Kraft tritt, „ein Zugriff auf das Vermögen von in stationären Pflegeeinrichtungen aufgenommenen Personen, deren Angehörigen, Erben/Erbinnen und Geschenknehmer/Innen im Rahmen der Sozialhilfe zur Abdeckung der Pflegekosten“ unzulässig ist. Diese mit Erlassung des Sozialversicherungs-Zuordnungsgesetzes, BGBl. I 2017/125 eingeführte Abschaffung des Pflegeregresses gilt auch für in Landesgesetzen geregelte Regressbestimmungen, denn nach der in § 707a Abs 2 ASVG enthaltenen Verfassungsbestimmung dürfen ab dem 01. Jänner 2018 „Ersatzansprüche nicht mehr geltend gemacht werden“ und sind „laufende Verfahren einzustellen. Insoweit Landesgesetze dem entgegenstehen, treten die betreffenden Bestimmungen zu diesem Zeitpunkt außer Kraft.“

Dies hat zur Folge, dass mit 01. Jänner 2018 jene Bestimmungen, auf die sich der belangte Magistrat bei Vorschreibung des Kostenersatzes stützen konnte, außer Kraft treten. Das über die Beschwerde entscheidende Verwaltungsgericht wird daher, da es für den im bekämpften Bescheid vorgeschriebenen Kostenersatz keine Rechtsgrundlage mehr gibt, diesen Bescheid ersatzlos zu beheben haben.“

In ihrer Stellungnahme vom 17.07.2018 führt die belangte Behörde aus:

„Seitens der MA 40 wird angemerkt, dass der Sachverhalt, in der im Betreff genannten Angelegenheit, geklärt ist.

Zur Lösung der Rechtsfrage wird seitens der MA 40 keine Stellungnahme abgegeben.“

Unbestritten steht aufgrund der Aktenlage folgender Sachverhalt fest:

Die Beschwerdeführerin nimmt seit 26.4.2013 im „C.“ die Leistung „Pflegeplatz – Leistung Milieubetreuung“, also stationäre Pflege unter Kostenbeteiligung des Fonds Soziales Wien als Träger der Pflege in Anspruch.

Die rechtliche Beurteilung ergibt Folgendes:

Die hier maßgeblichen Bestimmungen des ASVG lauten:

Verbot des Pflegeregresses

§ 330a. (Verfassungsbestimmung) Ein Zugriff auf das Vermögen von in stationären Pflegeeinrichtungen aufgenommenen Personen, deren Angehörigen, Erben/Erbinnen und Geschenknehmer/inne/n im Rahmen der Sozialhilfe zur Abdeckung der Pflegekosten ist unzulässig.

§ 707a (2) (Verfassungsbestimmung) § 330a samt Überschrift in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 125/2017 tritt mit 1.Jänner 2018 in Kraft. Ab diesem Zeitpunkt dürfen Ersatzansprüche nicht mehr geltend gemacht werden, laufende Verfahren sind einzustellen. Insoweit Landesgesetze dem entgegenstehen, treten die betreffenden Bestimmungen zu diesem Zeitpunkt außer Kraft. Nähere Bestimmungen über den Übergang zur neuen Rechtslage können bundesgesetzlich getroffen werden. Die Durchführungsverordnungen zu einem auf Grund dieser Bestimmung ergehenden Bundesgesetz sind vom Bund zu erlassen.

Der OGH hat dazu in seiner Entscheidung vom 30.04.2018, Zl. 1 Ob 62/18a, Nachstehendes ausgesprochen:

„Die in der Übergangbestimmung des § 707a Abs. 2 ASVG enthaltene Anordnung, dass laufende Verfahren einzustellen sind, ergänzt § 330a ASVG, der den Zugriff auf das Vermögen des davon erfassten Personenkreises ab 1. 1. 2018 verbietet, und macht unmissverständlich klar, dass diese Bestimmung auch in anhängigen Verfahren anzuwenden ist. Nur dadurch ist sichergestellt, dass das Verbot, ab diesem Zeitpunkt auf Vermögen zuzugreifen, lückenlos umgesetzt werden kann, worauf der Verfassungsgesetzgeber mit den Neuregelungen zweifellos abzielte (s das Wort „auch“ in der Erläuterungen zu § 707a ASVG). Die Übergangsregel des § 707a ASVG steht damit der Anwendung der geänderten Gesetzeslage im Rechtsmittelverfahren nicht nur nicht entgegen, sondern setzt gerade voraus, dass die neue Rechtslage zum Tragen kommt, solange das Verfahren über den Kostenregress noch nicht rechtskräftig beendet ist. …

Auch in der bisher zur neuen Rechtslage veröffentlichten Literatur besteht soweit Einigkeit, dass das in § 330a ASVG normierte Regressverbot jedenfalls dann greift, wenn ein Verfahren darüber zwar vor dem 1. 1. 2018 eingeleitet worden, aber bis zu diesem Stichtag keine Entscheidung über die Ersatzpflicht ergangen und rechtskräftig geworden ist (Pfeil, Umsetzungsfragen für das „Verbot des Pflegeregresses“, ÖZPR 2017/109, 184 [185]; Wetsch, Zivilrechtliches zur Abschaffung des Pflegeregresses, Zak 2017, 364 [365]; Hiesel, Die Abschaffung des Pflegeregresses, ÖZPR 2017/88, 152 [153]; vgl. auch Fucik/Mondel, Was bedeutet die Abschaffung des „Pflegeregresses“ für zivilgerichtliche Verfahren?, SWK 2017/36, 1561 [1562]).

Als Ergebnis ist daher festzuhalten, dass das Verbot des § 330a ASVG bereits vor dem 1. 1. 2018 verwirklichte Sachverhalte erfasst und das geänderte Recht von Amts wegen auch noch im Rechtsmittelverfahren anzuwenden ist.“

Im Hinblick auf die genannten Verfassungsbestimmungen und die zitierte höchstgerichtliche Rechtsprechung ist die Vorschreibung eines Kostenersatzes für Leistungen der Mindestsicherung bei stationärer Pflege wegen hinreichenden Vermögens im vorliegenden Fall unzulässig.

Soweit die belangte Behörde in Spruchpunkt I.) des angefochtenen Bescheides vom Dezember 2017 Pflegegeld und Pension aus dem Jahr 2016 als „Einkommen“ heranzieht, ist dem entgegenzuhalten, dass es sich hierbei nicht um laufendes Einkommen, sondern um zu Vermögen gewordene Ersparnisse im Sinne des § 12 Abs. 2 Z 2 WMG handelt, sodass auch diesbezüglich die Bestimmung des § 330a ASVG betreffend das Verbot eines Zugriffes auf das Vermögen anzuwenden ist (vgl. VwGH 22.04.2015, Zl. Ra 2015/10/0004; 31.05.2006, Zl. 2003/10/0203, 28.02.2018, Zl. 2016/10/0055).

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG konnte eine Verhandlung entfallen, da bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

Eine mündliche Verhandlung wurde von beiden Verfahrensparteien nicht beantragt.

Von einer öffentlichen mündlichen Verhandlung war auch deshalb abzusehen, da der für diese Entscheidung relevante Sachverhalt unbestritten blieb und im Ergebnis nur die rechtliche Beurteilung zu überprüfen war. Aus diesem Grund stehen die in § 24 Abs. 4 VwGVG genannten Bestimmungen der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union einem Entfall der Verhandlung nicht entgegen, zumal der Akt erkennen lässt, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt.

Dies entspricht insbesondere auch der Rechtsprechung des EGMR, der (siehe etwa das Urteil vom 18. Juli 2013, Nr 56422/09, Schädler-Eberle /Liechtenstein, Rz 97 ff) ebenfalls ausgesprochen hat, dass eine Verhandlung nicht geboten ist, wenn etwa keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten sind, sodass eine Verhandlung nicht notwendig ist und das Gericht aufgrund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden kann. Die staatlichen Behörden können auch auf Aspekte der Effizienz und Verfahrensökonomie Rücksicht nehmen und auf das Gebot der angemessenen Verfahrensdauer Bedacht nehmen (vgl. anknüpfend an diese Rechtsprechung auch die Erkenntnisse vom 29. Jänner 2014, Zl. 2013/03/0004, mwN, sowie vom 16. Oktober 2013, Zl. 2012/04/0086; VwGH 16.11.2015, Zl. Ra 2015/11/0091).

Die ordentliche Revision ist zulässig, da eine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Es fehlt – soweit ersichtlich – an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Rechtsfrage, ob ab 01.01.2018 die Vorschreibung eines Kostenersatzes für Leistungen der Mindestsicherung bei stationärer Pflege zulässig ist.

Schlagworte

Sozialrecht; Sozialhilfe; Kostenbeitrag; Kostenersatz; Vermögen; Pflegeregress; Pflegeleistung

Anmerkung

VwGH v. 28.5.2019, Ro 2019/10/0002; Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2018:VGW.141.025.764.2018

Zuletzt aktualisiert am

04.07.2019
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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