Entscheidungsdatum
01.02.2019Norm
ADV §7 Abs1Spruch
W170 2211246-1/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Thomas MARTH über die Beschwerde von XXXX gegen den Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung vom 22.10.2018, Zl. S91555/80-DiszBW/2018, zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird gemäß §§ 28 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 57/2018, 67 Abd. 3 Heeresdisziplinargesetz 2014, BGBl. I Nr. 2/2014 in der Fassung BGBl. I Nr. 32/2018, als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 14/2019, nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgegenstand:
Gegenstand des Verfahrens ist, ob die mit dem im Spruch bezeichneten Bescheid verfügte amtswegige Aufhebung einer gegen XXXX (in Folge auch: Beschwerdeführer), eines ehemaligen Grundwehrdieners beim Militärkommando Wien, erlassenen Disziplinarverfügung des damaligen Einheitskommandanten des Beschwerdeführers rechtmäßig ist oder nicht.
Mit der gegenständlichen Disziplinarverfügung war gegen den Beschwerdeführer eine Geldbuße von € 45 verhängt worden, da dieser während seines Wachdienstes unbeabsichtigt einen Schuss aus dem ihm dienstlich zugewiesenen StG 77 abgegeben hat.
Der Bundesminister für Landesverteidigung (in Folge auch: Behörde) begründet die Aufhebung insbesondere mit einer gröblichen Verletzung der Bestimmungen über die Strafbemessung, da "aus generalpräventiven
Gründen ... hier zur Vermeidung von weiterer Sorglosigkeit im Umgang
mit der Dienstwaffe und zur Verhütung von weiteren Unfällen bzw. Personenschäden eine wesentlich strengere Strafe als eine Geldbuße gefordert" sei.
In der Beschwerde wurde angeführt, dass die Strafe schuldangemessen gewesen sei, da der Schuss unbeabsichtigt abgegeben worden sei; darüber hinaus sei auf Grund der Beendigung des Wehrdienstes "die Spezialprävention nicht erforderlich", ebenso sei eine höhere Strafe "aus Gründen der Generalprävention" nicht erforderlich, da alle Kameraden des Beschwerdeführers, die von dem Vorfall wissen würden, ebenfalls aus dem Präsenzdienst entlassen worden seien.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die rechtzeitige und zulässige Beschwerde erwogen:
1. Feststellungen:
XXXX war am 20.08.2018 als Grundwehrdiener beim Militärkommando Wien des Österreichischen Bundesheeres als Torposten der Wache der Liegenschaft Breitensee eingeteilt.
Im Rahmen dieser Aufgabenerfüllung hat XXXX am 20.08.2018, gegen 12.00 Uhr, einen Schuss aus dem ihm als Dienstwaffe zugeteilten StG 77 in den Boden der Torpostenhütte abgegeben.
Für diese Pflichtverletzung wurde XXXX mit Disziplinarverfügung des zuständigen Einheitskommandanten vom 29.08.2018 wegen der Verletzung von "ADV § 7" durch die unbeabsichtigte Abgabe eines Schusses aus der Dienstwaffe in den Boden der Torpostenhütte mit einer Geldbuße von € 45 bestraft. Gegen die Disziplinarverfügung wurde kein Rechtsmittel ergriffen.
Im Rahmen seiner verfahrensgegenständlichen Beschwerde hat sich XXXX insoweit verantwortet, dass er während des Aufenthaltes in der Torpostenhütte eine Ladehemmung - der Verschluss sei nicht ganz vorne gewesen - bemerkt habe und diese habe beheben wollen. Aus Angst vor dem OvT und des zu erwartenden Tadels habe XXXX dies nicht gemeldet und sei auch nicht zur Sandkiste gegangen, sondern habe versucht, die Hemmung in der Torpostenhütte zu beheben, dabei in der Aufregung einen Fehler gemacht, weshalb der Schuss gebrochen sei.
Aus der Dienstvorschrift für das Bundesheer "Wachdienst", S92011/52-Vor/2011, Juli 2011, ergibt sich, dass der Zustand der Handfeuerwaffe Sturmgewehr 77 (StG 77) während des gesamten Wachdienstes halbgeladen und gesichert zu sein hat, das bedeutet, dass ein mit Munition befülltes Magazin an der Waffe angesteckt ist, sich jedoch keine Patrone im Patronenlager der Waffe befindet und der Sicherungsknopf des StG 77 auf "gesichert" zu stehen hat. Darüber hinaus ist ausdrücklich angeordnet, dass beim Hantieren mit der Waffe der Abzugsfinger "lang" zu sein hat, das heißt, dass der Abzugsfinger ausgestreckt am Schaft, am Untergehäuse der Waffe liegt. Zur Abgabe eines Schusses muss daher die Waffe durch das Zurückziehen und Vorschnellen lassen des Verschlussfanghebels geladen werden, wodurch der Verschluss eine Patrone vom Magazin in das Patronenlager befördert, dann muss der Sicherungsknopf von gesichert auf entsichert gestellt bzw. gedrückt werden, der Finger auf den Abzug gelegt und dieser durchgedrückt werden.
Das Entladen der Waffe hat grundsätzlich am Lade- und Entladeplatz durch Einlegen der Laufmündung in eine mit feinkörnigem verdichtetem Sand gefüllte Kiste zu erfolgen.
XXXX wurde auf dem StG 77 soweit ausgebildet, dass er die Grundschießfertigkeit erlangt hat und hat die Wachsoldatenausbildung erfolgreich absolviert.
Der im Spruch bezeichnete Bescheid wurde am 24.10.2018 XXXX persönlich übergeben.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen ergeben sich aus der unbedenklichen Aktenlage, insbesondere aus dem Führungsblatt, mit dem die verhängte Disziplinarverfügung dokumentiert wurde, aus dem gegenständlichen Bescheid hinsichtlich der Erlangung der Grundschießfertigkeiten und der Wachsoldatenausbildung durch den Beschwerdeführer, da dem Bescheid diesbezüglich in der Beschwerde nicht widersprochen wurde, und - hinsichtlich der Verantwortung des Beschwerdeführers - aus seiner Beschwerde.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
1. Gemäß § 67 Abs. 3 Heeresdisziplinargesetz 2014, BGBl. I Nr. 2/2014 in der Fassung BGBl. I Nr. 32/2018 (in Folge: HDG) hat der Bundesminister für Landesverteidigung eine Disziplinarverfügung oder ein Disziplinarerkenntnis von Amts wegen aufzuheben und die Disziplinarsache an jenen Disziplinarkommandanten zurückzuverweisen, der die aufgehobene Entscheidung erlassen hat, wenn die Bestimmungen über die Strafbemessung gröblich verletzt wurden. Diese Aufhebung ist zulässig, (1.) sofern gegen das Disziplinarerkenntnis eine Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben wurde, bis zu dessen rechtskräftiger Entscheidung oder (2.) in allen anderen Fällen während des Zeitraumes von der Erlassung der Entscheidung bis drei Monate nach Eintritt der Rechtskraft.
Gegenständlich wurde gegen die Disziplinarverfügung kein Rechtsmittel ergriffen, diese ist daher am 06.09.2018 rechtskräftig geworden. Der diese Disziplinarverfügung behebende Bescheid wurde am 24.10.2018, daher jedenfalls innerhalb von drei Monaten nach Eintritt der Rechtskraft der Disziplinarverfügung erlassen und ist daher formal nicht unzulässig.
2. Es stellt sich somit die Frage, ob der Bescheid rechtsrichtig ist, wobei das Bundesverwaltungsgericht unter Bedachtnahme auf die Rechts- und Sachlage zu seinem Entscheidungszeitpunkt (VwGH 21.10.2014, Ro 2014/03/0076) nur hinsichtlich der Rechtmäßigkeit des Spruches, nicht hinsichtlich des Grundes, warum es zum Inhalt des Spruches gekommen ist, abzusprechen hat (VwGH 21.1.2016, Ra 2015/12/0027), das bedeutet, wenn das Ergebnis des Bescheides aus Sicht des Verwaltungsgerichtes aus anderen Gründen als den von der Behörde angenommenen rechtmäßig ist, ist die Beschwerde - unter hinreichender Begründung im Erkenntnis - abzuweisen. Es spielt daher keine Rolle, dass die Behörde dem Bescheid durch die Vermischung von festgestelltem Sachverhalt (Feststellungen), Beweiswürdigung und rechtlicher Würdigung eine an sich der Kontrolle nur eingeschränkt zugängliche Begründung zu Grunde gelegt hat, da der entscheidungsrelevante Sachverhalt feststeht (und somit eine Behebung und Zurückverweisung durch das Bundesverwaltungsgericht auch nicht in Betracht kommt).
Festgestellt wurde, dass der Beschwerdeführer vom Einheitskommandanten bestraft wurde, weil er durch die unbeabsichtigte Abgabe eines Schusses gegen § 7 der Verordnung der Bundesregierung vom 9. Jänner 1979 über die Allgemeinen Dienstvorschriften für das Bundesheer, BGBl. Nr. 43/1979 in der Fassung BGBl. II Nr. 362/2014 (in Folge: ADV), verstoßen habe.
3. Der Beschwerdeführer war zum Zeitpunkt der Dienstpflichtverletzung Grundwehrdiener. Gemäß § 46 HDG sind Disziplinarstrafen für Soldaten, die den Grundwehrdienst oder im Anschluss an diesen den Aufschubpräsenzdienst leisten, (1.) der Verweis, (2.) die Geldbuße, (3.) das Ausgangsverbot und (4.) die Unfähigkeit zur Beförderung und die Degradierung. Die Geldbuße ist gemäß § 47 Abs. 1 HDG mit höchstens 15 vH der Bemessungsgrundlage festzusetzen. Gemäß § 47 Abs. 2 HDG umfasst die Bemessungsgrundlage
(1.) das Monatsgeld, (2.) die Dienstgradzulage und (3.) die Grundvergütung, die jeweils im Monat der Erlassung der Disziplinarverfügung oder des Disziplinarerkenntnisses gebühren. Ein Grundwehrdiener erhält eine Grundvergütung von € 110,07 und Monatsgeld von € 211,15, eine Dienstgradzulage stand dem Beschwerdeführer nicht zu. Das bedeutet, seine Bemessungsgrundlage betrug € 321,22 und hätte daher höchstens eine Geldbuße von € 48,18 verhängt werden dürfen.
Die Geldbuße befindet sich daher im gesetzlichen Rahmen, allerdings stellt sich die Frage, ob nicht mit einer strengeren Strafe, also einem Ausgangsverbot oder der Unfähigkeit zur Beförderung und der Degradierung vorzugehen gewesen wäre.
4. Gemäß § 7 Abs. 1 ADV - nur dieser ist hier relevant - ist jeder Untergebene seinen Vorgesetzten gegenüber zu Gehorsam verpflichtet. Er hat die ihm erteilten Befehle nach besten Kräften vollständig, gewissenhaft und pünktlich auszuführen. Das bloß buchstäbliche Befolgen von Befehlen ohne Rücksicht auf die ihnen offenkundig zugrundeliegende Absicht genügt allein nicht zur Erfüllung dieser Pflicht.
Auch ein Erlass des Bundesministers ist als allgemeine Weisung bzw. als allgemeiner Befehl von der Gehorsamspflicht des § 7 ADV umfasst, somit auch der als Dienstvorschrift für das Bundesheer bezeichnete Erlass "Wachdienst", S92011/52-Vor/2011, Juli 2011.
Laut diesem Erlass hat der Zustand der Handfeuerwaffe (StG 77) während des gesamten Wachdienstes halbgeladen und gesichert zu sein, das bedeutet, dass ein Magazin an der Waffe angesteckt ist, sich jedoch keine Patrone im Patronenlager der Waffe befindet und der Sicherungsknopf des StG 77 auf "gesichert" zu stehen hat. Darüber hinaus ist ausdrücklich angeordnet, dass der Abzugsfinger "lang" zu sein hat, das heißt, der Abzugsfinger hat sich ausgestreckt am Schaft zu befinden. Nun hat der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde angegeben, dass er während des Aufenthaltes in der Torpostenhütte eine Ladehemmung - der Verschluss sei nicht ganz vorne gewesen - bemerkt habe und diese habe beheben wollen. Aus Angst vor dem OvT und des zu erwartenden Tadels habe der Beschwerdeführer dies nicht gemeldet und sei auch nicht zur Sandkiste gegangen, sondern habe versucht, die Hemmung in der Torpostenhütte zu beheben, dabei in der Aufregung einen Fehler gemacht, weshalb der Schuss gebrochen sei.
Es ergibt sich also schon aus der Rechtfertigung des Beschwerdeführers, dass er nicht fahrlässig, sondern vorsätzlich und sogar wissentlich gegen die oben festgestellten Vorschriften zum Umgang mit der Dienstwaffe während des Wachdienstes verstoßen hat, da er in der Torpostenhütte an der Waffe hantiert hat und nicht wie vorgeschrieben (wohl nach sofortiger Ablöse) zum Hantieren mit der Waffe den Lade- und Entladeplatz aufgesucht hat; das bedeutet, dass die Gehorsamsverweigerung wissentlich erfolgte, auch wenn der Schuss vermutlich fahrlässig abgegeben wurde.
Darüber hinaus musste dem Beschwerdeführer als ausgebildetem Wachsoldaten klar sein, dass die Vorschriften zum Umgang mit der Dienstwaffe während der Wache hiezu dienen, die Gefährdung von Menschen und die Beschädigung von Sachen hintanzuhalten.
Der Verwaltungsgerichtshof hat ausgesprochen, dass Verletzungen der Gehorsamspflicht im Bereich der Landesverteidigung grundsätzlich nicht als geringfügig zu werten sind (VwGH 26.06.1997, 95/09/0265). Hiezu kommt, dass der Beschwerdeführer gegen Befehle verstoßen hat, deren Zweck die Verhinderung der Gefährdung von Menschen und der Beschädigung von Sachen durch Schusswaffen sind. Diesen Bestimmungen kommt im Hinblick auf die Sicherheit der täglichen Dienstverrichtung der Soldaten aber auch im Hinblick auf die Erhaltung des Vertrauens der Öffentlichkeit in das Bundesheer besondere Bedeutung zu. Daher ist die Dienstpflichtverletzung des Beschwerdeführers, die im Hinblick auf die Gehorsamsverweigerung nicht fahrlässig sondern wissentlich erfolgte, eine grundsätzlich schwerwiegende; darüber hinaus ist auch aus generalpräventiven Gründen - die Generalprävention umfasst alle Soldaten und nicht nur die Kameraden des Beschwerdeführers - eine strengere Strafe als eine Geldbuße jedenfalls angezeigt.
Somit kann der Behörde im Ergebnis nicht entgegengetreten werden, wenn sie davon ausgeht, dass der Einheitskommandant im gegenständlichen Fall die Bestimmungen über die Strafbemessung gröblich verletzt hat und daher die Disziplinarverfügung - Ermessen kommt dem Bundesminister diesbezüglich keines zu - von Amts wegen aufzuheben und die Disziplinarsache an den Disziplinarkommandanten, der die aufgehobene Entscheidung erlassen hat, zurückzuverweisen war.
5. Es ist daher die Beschwerde abzuweisen und spruchgemäß zu entscheiden.
6. Da der Sachverhalt feststeht, sich keine schwierigen rechtlichen Fragen gestellt haben und im gegenständlichen Verfahren keine Strafe verhängt wurde, es somit nicht unter Art. 6 Europäische Menschenrechtskonvention, BGBl. Nr. 210/1958 in der Fassung BGBl. III Nr. 139/2018, konnte ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entschieden werden, die darüber hinaus weder explizit noch durch die Stellung von Beweisanträgen beantragt wurde.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985 in der Fassung BGBl. I Nr. 58/2018, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 14/2019 (in Folge: B-VG), zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Zwar ist unmittelbar zu § 67 HDG keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorzufinden, es ergibt sich aber aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 7 ADV sowie aus den Umständen des Einzelfalles, die unter A) dargestellt wurden, dass jedenfalls eine strengere Strafe zu verhängen gewesen wäre und finden sich daher keine über den Einzelfall hinausgehenden Rechtsfragen, denen besondere Bedeutung zukommt (siehe etwa VwGH 05.02.2016, Ra 2016/16/0006).
Schlagworte
Bundesminister, Dienstpflichtverletzung, Disziplinarkommandat,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W170.2211246.1.00Zuletzt aktualisiert am
25.06.2019