Entscheidungsdatum
06.02.2019Norm
AsylG 2005 §2 Abs1 Z22Spruch
L504 2209361-1/4E
L504 2209353-1/4E
L504 2209358-1/4E
L504 2209355-1/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. R. ENGEL als Einzelrichter über die Beschwerde von
1. XXXX, XXXX1973 geb., StA. Staatenlos alias Libanon, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.10.2018, Zl. XXXX,
2. XXXX, XXXX1986 alias XXXX1985 geb., StA. Staatenlos alias Libanon, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.10.2018, Zl. XXXX,
3. XXXX, XXXX2013 alias XXXX2012 geb., StA. Staatenlos alias Libanon, vertreten durch XXXX (1.), dieser vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.10.2018, Zl. XXXX,
4. XXXX, XXXX2008 geb., StA. Staatenlos alias Libanon, vertreten durch XXXX (1.), dieser vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.10.2018, Zl. XXXX,
zu Recht erkannt:
A) Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs 1 AsylG
idgF der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs 5 AsylG idgF wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs 1 AsylG idgF der Status der Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs 5 AsylG idgF wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs 1 AsylG idgF der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs 5 AsylG idgF wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs 1 AsylG idgF der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs 5 AsylG idgF wird festgestellt, dass XXXXdamit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrenshergang
Die beschwerdeführenden Parteien [bP1-bP4] stellten am 03.02.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Ihren Aussagen nach ist die bP1 der Ehegatte der bP2, die bP3 und bP4 sind deren gemeinsame, zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjährige Kinder.
Ihren Angaben nach sind sie staatenlose Palästinenser und kommen aus dem Libanon.
Im Rahmen der Erstbefragung brachten die bP zur Ausreisemotivation vor, dass im Flüchtlingslager im Libanon Kriegszustände geherrscht hätten und der libanesische Staat würde nichts dagegen unternehmen. Die bP1 habe ihre Arbeit verloren, gesundheitlich gehe es ihr schlecht. Deshalb hätten sie sich entschieden das Land zu verlassen. Zuletzt habe die bP1 als Obst- und Safthändler gearbeitet.
Die bP2 führte ebenso die allgemein schlechte Sicherheitslage im Flüchtlingslager ins Treffen. Sie habe Angst, dass ihre Kinder während des Spielens erschossen würden. Sie hätten als Flüchtlinge keine Rechte. Im Falle der Rückkehr würden sie den Tod infolge des Krieges im Lager befürchten.
In der Einvernahme beim Bundesamt begründete die bP1 die Ausreise und Antragstellung zusammengefasst, damit, dass sie bei der "Fatah Abo-Amar" als Security gearbeitet habe. Vor 6 Jahren sei eine streng islamistische Gruppe gekommen und habe am Basar geschossen, dabei sei ein Mitglied der Fatah ums Leben gekommen. Eine Woche später habe die bP und andere Fatah Mitglieder einen Drohbrief erhalten, worin mit der Ermordung gedroht worden sei. Die Mutter der bP1 habe Angst bekommen und die bP1 gebeten das Land zu verlassen. Sie sei mit den bP2-4 dann in ein anderes Viertel zur Schwester gezogen, wo sie sich ca. zweieinhalb Monate aufgehalten hätten. Sie befürchte von dieser islamistischen Gruppe ermordet zu werden.
Die bP2 brachte dabei vor, dass sie den Libanon wegen der bP1 und zum Wohle der Sicherheit für die Kinder verlassen habe. Die bP1 habe für die Fatah gearbeitet und einen Drohbrief erhalten.
Die Anträge der bP1-4 auf internationalen Schutz wurden folglich vom Bundesamt gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt.
Gem. § 8 Abs 1 AsylG wurde jedoch der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Libanon zuerkannt und gem. § 8 Abs 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt.
Das Bundesamt gelangte im Wesentlichen zur Erkenntnis, dass hinsichtlich der Gründe für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten eine aktuelle und entscheidungsrelevante Bedrohungssituation nicht glaubhaft gemacht worden sei. Die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten begründete die Behörde mit der ihrer Ansicht nach gegebenen allgemeinen schlechten Wirtschaftslage, wodurch sie die Existenzgrundlage der Familie im Libanon als derart gefährdet ansah, dass dadurch eine reale Gefahr der Verletzung von Art 3 EMRK bestünde.
Gegen die Nichtzuerkennung des Status eines Asylberechtigten wurde innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Das BVwG hat durch den Inhalt des übermittelten Verwaltungsaktes der belangten Behörde, einschließlich der Beschwerde Beweis erhoben.
Auf Grund des sachlichen und persönlichen Zusammenhanges werden die Verfahren der beschwerdeführenden Parteien gem § 39 Abs 2 AVG zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
1. Feststellungen (Sachverhalt)
1.1. Zur Person der beschwerdeführenden Partei:
Die namentliche Identität stellte das Bundesamt nicht fest. Die bP1-4 sind staatenlose Palästinenser und haben im Libanon in dem von ihnen angegebenen Flüchtlingslager gelebt.
Die bP1 und die bP2 sind miteinander verheiratet und die bP3 u. bP4 deren minderjährige Kinder.
Aus der rechtlichen Beurteilung zu Spruchpunkt I. ergibt sich, dass die belangte Behörde es als glaubhaft erachtete, dass die bP1-4 bei UNRWA im Libanon registrierte palästinensische Flüchtlinge sind. Dem BVwG liegen keine anderweitigen, dem widersprechenden Anhaltspunkte vor.
1.2. Zu den behaupteten ausreisekausalen Geschehnissen / Erlebnissen im Zusammenhang mit staatlichen bzw. nichtstaatlichen Akteuren und der zu erwartenden Rückkehrsituation:
Die bP vermochten die behauptete, persönliche Verfolgungsgefahr aus den in der Einvernahme genannten Gründen zum Zeitpunkt der Ausreise nicht glaubhaft machen.
Auch aus der allgemeinen Lage im Libanon ergibt sich unter Zugrundelegung der vom Bundesamt getroffenen länderkundlichen Feststellungen keine asylrechtlich maßgebliche Verfolgungsgefahr für die bP.
Das Bundesamt hat den bP in dem angefochtenen Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt. Diese Entscheidung erwuchs in Rechtskraft.
1.3. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat:
Das Bundesamt traf dazu auf Basis des aktuellen Länderinformationsblattes der Staatendokumentation zum Libanon Feststellungen, die in der Beschwerde im Wesentlichen unbestritten blieben. Das BVwG zieht diese zur Beurteilung der Lage im Herkunftsstaat heran.
2. Beweiswürdigung
Einleitend ist anzuführen, dass die im Verfahren aufgenommenen Niederschriften mit den Aussagen der bP vollen Beweis iSd § 15 AVG über den Verlauf und Gegenstand der Amtshandlung bilden und mit diesem Inhalt als zentrales Beweismittel der Beweiswürdigung unterzogen werden können.
Die bP traten den Gegenbeweis der Unrichtigkeit des darin bezeugten Vorganges nicht an.
Ad 1.1.1 Zur Person der beschwerdeführenden Parteien:
Die Feststellungen ergeben sich aus den in diesem Punkt gleichbleibenden persönlichen Angaben im Zuge der Einvernahmen, ihren im Verfahren dargelegten Sprach- und Ortskenntnissen und den seitens der bP vorgelegten Bescheinigungsmitteln. Da dem BVwG selbst keine nationalen Identitätsdokumente im Original vorlagen, vermag das Gericht diese daher nicht hinsichtlich Echtheit und Unverfälschtheit zu beurteilen.
1.2. Zu den behaupteten ausreisekausalen Geschehnissen / Erlebnissen im Zusammenhang mit staatlichen bzw. nichtstaatlichen Akteuren und der zu erwartenden Rückkehrsituation:
Seitens des BVwG wird eingangs angemerkt, dass gerade beim Antrag auf internationalen Schutz der persönlichen Aussage zur eigenen Gefährdungssituation im Herkunftsstaat als Beweismittel und zentralem Punkt in diesem Verfahren besondere Bedeutung zukommt, handelt es sich doch behauptetermaßen um persönliche Erlebnisse bzw. eigene sinnliche Wahrnehmungen des Antragstellers / der Antragstellerin über die berichtet wird. Diese entziehen sich zumeist - insbesondere auf Grund der faktischen und rechtlichen Ermittlungsschranken der Asylinstanzen - weitgehend einer Überprüfbarkeit und liegen diese idR alleine in der persönlichen Sphäre der bP.
Im Wesentlichen geht es für die Entscheider darum, zu beurteilen, ob es im konkreten Fall glaubhaft ist, dass die diesbezüglichen Aussagen der bP auf einem tatsächlichen persönlichen Erleben beruhen oder ob sich die Partei dabei der Lüge bedient bzw. die Aussagen nicht erlebnisbegründet sind.
Im Allgemeinen erfolgt eine (vorsätzliche) Falschaussage nicht ohne Motiv (vgl. Bender/Nack/Treuer, Tatsachenfeststellung vor Gericht, 4. Auflage, Rz 246ff). Im Verfahren über einen Antrag auf internationalen Schutz kann eine derartige Motivationslage, die den Wahrheitswillen eines Antragstellers/einer Antragstellerin zu beeinflussen geeignet ist, darin liegen, dass sie ihrer Überzeugung nach - uU auch durch Suggestion Dritter beeinflusst - dadurch gesteigerte Erfolgsaussichten erwarten, um den beantragten Status als Asylberechtigter oder als subsidiär Schutzberechtigter und damit einen Aufenthaltstitel samt Zugang zum Arbeitsmarkt und/oder staatlicher Versorgung zu erlangen (sog. "Folgenberücksichtigung", siehe oben zitierte Quelle).
Als Beurteilungskritierien für die Glaubhaftmachung nennt der Verwaltungsgerichtshof beispielsweise:
Bloßes Leugnen oder eine allgemeine Behauptung reicht für eine Glaubhaftmachung nicht aus (VwGH 24.2.1993, 92/03/0011; 1.10.1997, 96/09/0007). Aus dem Wesen der Glaubhaftmachung ergibt sich auch, dass die Ermittlungspflicht der Behörde durch die vorgebrachten Tatsachen und angebotenen Beweise eingeschränkt ist (VwGH 29.3.1990, 89/17/0136; 25.4.1990, 90/08/0067). Es ist Aufgabe des Asylwerbers, durch ein in sich stimmiges und widerspruchsfreies Vorbringen, allenfalls durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauert, einen asylrelevanten Sachverhalt glaubhaft zu machen. (VwGH 30. 11. 2000, 2000/01/0356).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann die Behörde einen Sachverhalt grundsätzlich nur dann als glaubhaft anerkennen, wenn der Asylwerber während des Verfahrens im Wesentlichen gleichbleibende Angaben macht, wenn diese Angaben wahrscheinlich und damit einleuchtend erscheinen und wenn erst sehr spät gemachte Angaben nicht den Schluss aufdrängten, dass sie nur der Asylerlangung um jeden Preis dienen sollten, der Wirklichkeit aber nicht entsprechen. Als glaubhaft könnten Fluchtgründe im Allgemeinen nicht angesehen werden, wenn der Asylwerber die nach seiner Meinung einen Asyltatbestand begründenden Tatsachen im Laufe des Verfahrens unterschiedlich oder sogar widersprüchlich darstellt, wenn seine Angaben mit den der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen nicht vereinbar und daher unwahrscheinlich erscheinen oder wenn er maßgebliche Tatsachen erst sehr spät im Laufe des Asylverfahrens vorbringt (vgl. zB. VwGH 6.3.1996, 95/20/0650).
Auch auf die Mitwirkung des Asylwerbers im Verfahren ist bei der Beurteilung der Glaubhaftmachung Bedacht zu nehmen. Wenn es sich um einen der persönlichen Sphäre der Partei zugehörigen Umstand handelt (zB ihre familiäre [VwGH 14.2.2002, 99/18/0199 ua], gesundheitliche [VwSlg 9721 A/1978; VwGH 17.10.2002, 2001/20/0601; 14.6.2005, 2005/02/0043], oder finanzielle [vgl VwGH 15.11.1994, 94/07/0099] Situation), von dem sich die Behörde nicht amtswegig Kenntnis verschaffen kann (vgl auch VwGH 24.10.1980, 1230/78), besteht eine erhöhte Mitwirkungspflicht und Darlegungslast des Asylwerbers (VwGH 18.12.2002, 2002/18/0279).
Wenn Sachverhaltselemente im Ausland ihre Wurzeln haben, ist die Mitwirkungspflicht und Offenlegungspflicht der Partei in dem Maße höher, als die Pflicht der Behörde zur amtswegigen Erforschung des Sachverhaltes wegen des Fehlens der ihr sonst zu Gebote stehenden Ermittlungsmöglichkeiten geringer wird. Tritt in solchen Fällen die Mitwirkungspflicht der Partei in den Vordergrund, so liegt es vornehmlich an ihr, Beweise für die Aufhellung auslandsbezogener Sachverhalte beizuschaffen (VwGH 12.07.1990, Zahl 89/16/0069).
Das BVwG geht - wie schon das Bundesamt - auf Grund des Ermittlungsverfahrens davon aus, dass die bP in nicht unerheblichen Bereichen, wo es um die Ausreise bzw. ausreisekausale Probleme und Rückkehrbefürchtungen geht, keine bzw. geringe Bereitschaft zeigten wahrheitsgemäße Angaben zu machen.
Die belangte Behörde legte im Rahmen der Beweiswürdigung zusammengefasst dar, dass die bP1 und bP2 im Zuge ihrer Einvernahmen, konkret zwischen der Erstbefragung und der folgenden Einvernahme beim Bundesamt, zu ihren Ausreisemotiven doch erhebliche Divergenzen aufgewiesen. Hätten die bP bei ihren ersten Angaben dazu noch die allgemeine Sicherheits- und Versorgungslage im Lager angeführt, so wäre lt. folgender Einvernahme nun die Mitgliedschaft der bP1 bei Fatah, einem daraus resultierenden Drohbrief und die behauptete drohende Ermordung der bP1 im Zentrum des fluchtkausalen Vorbringens gestanden und nicht die allgemeine Lage. Neben dieser zentralen Würdigung zeigte die bP noch weitere Unstimmigkeiten im Aussageverhalten zu ausreisekausalen Geschehnissen auf.
Die Behörde erblickte darin im Wesentlichen eine Steigerung bzw. Abänderung des Vorbringens, die zur Nichtlaubhaftmachung führt.
Es ist hier nicht unvertretbar, in den in der Erstbefragung als Fluchtgrund geäußerten allgemeinen Sicherheitsbedenken einen anderen Fluchtgrund zu sehen als in der nachfolgend vorgebrachten Problemlage wegen der Fatah (vgl. zB. VwGH 17.05.2018, Ra 2018/20/0168-3).
Die diesbezüglich vom BFA vorgenommene und hier zusammengefasste Beweiswürdigung ist im Wesentlichen im Sinne der allgemeinen Denklogik und der Denkgesetze in sich schlüssig und stimmig. Sie steht auch im Einklang mit der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wonach die Behörde einen Sachverhalt grundsätzlich nur dann als glaubwürdig anzunehmen braucht, wenn der Asylwerber während des Verfahrens im Wesentlichen gleich bleibende Angaben macht, wenn diese Angaben wahrscheinlich und damit einleuchtend erscheinen und wenn erst sehr spät gemachte Angaben nicht den Schluss aufdrängten, dass sie nur der Asylerlangung um jeden Preis dienen sollten, der Wirklichkeit aber nicht entsprechen.
Im Übrigen wird die Beweiswürdigung des BFA in der Beschwerde auch nicht substantiiert bekämpft, weshalb der Bundesverwaltungsgericht nicht veranlasst war das Ermittlungsverfahren zu wiederholen bzw. zu ergänzen (vgl. zB. VwGH 20.1.1993, 92/01/0950; 14.12.1995, 95/19/1046; 30.1.2000, 2000/20/0356; 23.11.2006, 2005/20/0551 ua.).
Soweit die Beschwerde jedoch rechtliche Argumente darlegt, wonach den bP im gegenständlichen Fall auf Grund der UNRWA Konstellation der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen sei, hat sie im Ergebnis recht, wie sich aus der rechtlichen Beurteilung ergibt.
Ad 1.1.8. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat:
Die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat ergeben sich aus den angeführten herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen, die einer Analyse der Staatendokumentation entstammen. Die bP sind diesen nicht konkret und substantiiert entgegen getreten.
3. Rechtliche Beurteilung
Gegenständlich handelt es sich um ein Familienverfahren:
§ 34. (1) Stellt ein Familienangehöriger von
1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;
2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder
3. einem Asylwerber
einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.
(2) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn
1. dieser nicht straffällig geworden ist und
(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)
3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).
(3) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn
1. dieser nicht straffällig geworden ist;
(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)
3. gegen den Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 9) und
4. dem Familienangehörigen nicht der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen ist.
(4) Die Behörde hat Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.
(5) Die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 gelten sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.
(6) Die Bestimmungen dieses Abschnitts sind nicht anzuwenden:
1. auf Familienangehörige, die EWR-Bürger oder Schweizer Bürger sind;
2. auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem Abschnitt zuerkannt wurde, es sei denn es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind;
3. im Fall einer Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 NAG).
Zuerkennung des Status als Asylberechtigter
(1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.
(2) Die Verfolgung kann auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe). Einem Fremden, der einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) stellt, wird in der Regel nicht der Status des Asylberechtigten zuerkannt, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Fremde nach Verlassen seines Herkunftsstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind.
(3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn
1. dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht oder
2. der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6) gesetzt hat.
(4) Einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, kommt eine befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigter zu. Die Aufenthaltsberechtigung gilt drei Jahre und verlängert sich um eine unbefristete Gültigkeitsdauer, sofern die Voraussetzungen für eine Einleitung eines Verfahrens zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten nicht vorliegen oder das Aberkennungsverfahren eingestellt wird. Bis zur rechtskräftigen Aberkennung des Status des Asylberechtigten gilt die Aufenthaltsberechtigung weiter. Mit Rechtskraft der Aberkennung des Status des Asylberechtigten erlischt die Aufenthaltsberechtigung.
(4a) Im Rahmen der Staatendokumentation (§ 5 BFA-G) hat das Bundesamt zumindest einmal im Kalenderjahr eine Analyse zu erstellen, inwieweit es in jenen Herkunftsstaaten, denen im Hinblick auf die Anzahl der in den letzten fünf Kalenderjahren erfolgten Zuerkennungen des Status des Asylberechtigten eine besondere Bedeutung zukommt, zu einer wesentlichen, dauerhaften Veränderung der spezifischen, insbesondere politischen, Verhältnisse, die für die Furcht vor Verfolgung maßgeblich sind, gekommen ist.
(4b) In einem Familienverfahren gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 gilt Abs. 4 mit der Maßgabe, dass sich die Gültigkeitsdauer der befristeten Aufenthaltsberechtigung nach der Gültigkeitsdauer der Aufenthaltsberechtigung des Familienangehörigen, von dem das Recht abgeleitet wird, richtet.
(5) Die Entscheidung, mit der einem Fremden von Amts wegen oder auf Grund eines Antrags auf internationalen Schutz der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, ist mit der Feststellung zu verbinden, dass diesem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
Flüchtling im Sinne von Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist eine Person, die aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder die sich als Staatenlose infolge solcher Ereignisse außerhalb des Landes befindet, in welchem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte, und nicht dorthin zurückkehren kann oder wegen der erwähnten Befürchtungen nicht dorthin zurückkehren will.
Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern, ob eine vernunftbegabte Person nach objektiven Kriterien unter den geschilderten Umständen aus Konventionsgründen wohlbegründete Furcht erleiden würde (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380). Dies trifft auch nur dann zu, wenn die Verfolgung von der Staatsgewalt im gesamten Staatsgebiet ausgeht oder wenn die Verfolgung zwar nur von einem Teil der Bevölkerung ausgeübt, aber durch die Behörden und Regierung gebilligt wird, oder wenn die Behörde oder Regierung außerstande ist, die Verfolgten zu schützen (VwGH 4.11.1992, 92/01/0555 ua.).
Gemäß § 2 Abs 1 Z 11 AsylG 2005 ist eine Verfolgung jede Verfolgungshandlung im Sinne des Art 9 Statusrichtlinie. Demnach sind darunter jene Handlungen zu verstehen, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Art 15 Abs 2 EMRK keine Abweichung zulässig ist (Recht auf Leben, Verbot der Folter, Verbot der Sklaverei oder Leibeigenschaft, Keine Strafe ohne Gesetz) oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon - wie in ähnlicher beschriebenen Weise - betroffen ist.
Nach der auch hier anzuwendenden Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine Verfolgung weiters ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858; 14.10.1998, Zl. 98/01/0262). Die Verfolgungsgefahr muss nicht nur aktuell sein, sie muss auch im Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194).
Verfolgung kann nur von einem Verfolger ausgehen. Verfolger können gemäß Art 6 Statusrichtlinie der Staat, den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschende Parteien oder Organisationen oder andere Akteure sein, wenn der Staat oder die das Staatsgebiet beherrschenden Parteien oder Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor Verfolgung zu gewähren.
Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes müssen konkrete, den Asylwerber selbst betreffende Umstände behauptet und bescheinigt werden, aus denen die von der zitierten Konventionsbestimmung geforderte Furcht rechtlich ableitbar ist (vgl zB vom 8. 11. 1989, 89/01/0287 bis 0291 und vom 19. 9 1990, 90/01/0113). Der Hinweis eines Asylwerbers auf einen allgemeinen Bericht genügt dafür ebenso wenig wie der Hinweis auf die allgemeine Lage, zB. einer Volksgruppe, in seinem Herkunftsstaat (vgl VwGH 29. 11. 1989, 89/01/0362; 5. 12. 1990, 90/01/0202; 5. 6. 1991, 90/01/0198; 19. 9 1990, 90/01/0113).
Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Konvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes befindet.
Ausschluss von der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten
§ 6. (1) Ein Fremder ist von der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ausgeschlossen, wenn
1. und so lange er Schutz gemäß Art. 1 Abschnitt D der Genfer Flüchtlingskonvention genießt;
2. einer der in Art. 1 Abschnitt F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Ausschlussgründe vorliegt;
3. aus stichhaltigen Gründen angenommen werden kann, dass
der Fremde eine Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich
darstellt, oder
4. er von einem inländischen Gericht wegen eines besonders
schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden ist und wegen dieses strafbaren Verhaltens eine Gefahr für die Gemeinschaft bedeutet. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB, BGBl Nr. 60/1974 entspricht.
(2) Wenn ein Ausschlussgrund nach Abs. 1 vorliegt, kann der Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ohne weitere Prüfung abgewiesen werden. § 8 gilt."
11 Art. 1 Abschnitt D der Konvention über die Rechtstellung der Flüchtlinge lautet:
"D. Dieses Abkommen wird auf Personen keine Anwendung finden, die derzeit von anderen Organen oder Organisationen der Vereinten Nationen als dem Hochkommissär der Vereinten Nationen für Flüchtlinge Schutz oder Hilfe erhalten.
Wenn dieser Schutz oder diese Hilfe aus irgendeinem Grunde wegfällt, ohne dass die Stellung dieser Personen gemäß den bezüglichen Beschlüssen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig geregelt ist, so werden diese Personen ipso facto der Vorteile dieses Abkommens teilhaftig."
Die gegenständlich relevanten Bestimmungen der RL 2011/95/EU des Europäischen Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Status-RL) lauten:
"Artikel 2
Begriffsbestimmungen
Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck
a) (...)
b) (...)
c) ‚Genfer Flüchtlingskonvention' das in Genf abgeschlossene Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge in der durch das New Yorker Protokoll vom 31. Januar 1967 geänderten Fassung;
d) ‚Flüchtling' einen Drittstaatsangehörigen, der aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will, oder einen Staatenlosen, der sich aus denselben vorgenannten Gründen außerhalb des Landes seines vorherigen gewöhnlichen Aufenthalts befindet und nicht dorthin zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht dorthin zurückkehren will und auf den Artikel 12 keine Anwendung findet;
(...)"
"Artikel 12
Ausschluss
(1) Ein Drittstaatsangehöriger oder ein Staatenloser ist von der Anerkennung als Flüchtling ausgeschlossen, wenn er
a) den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer
Institution der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge gemäß
Artikel 1 Abschnitt D der Genfer Flüchtlingskonvention genießt. Wird ein solcher Schutz oder Beistand aus irgendeinem Grund nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig geklärt worden ist, genießt er ipso facto den Schutz dieser Richtlinie;
(...)"
Fallbezogen ergibt sich Folgendes:
Die bP bescheinigten im Asylverfahren ihre Registrierung bei UNRWA - einer Organisation der Vereinten Nationen iSd Art. 1 Abschnitt D GFK, auf den sowohl Art. 12 Abs. 1 lit. a Status-RL als auch § 6 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 Bezug nehmen. Primärer Zweck von UNRWA ist es, Palästina-Flüchtlingen, insbesondere im Hinblick auf die Versorgungslage einen angemessenen Lebensstandard zu ermöglichen.
Es blieb seitens der Behörde unbestritten, dass die bP ausreichend nachgewiesen haben, dass sie die Hilfe von UNRWA tatsächlich in Anspruch genommen haben (vgl. zu dieser Anwendungsvoraussetzung für Art. 12 Abs. 1 lit. a Status-RL EuGH 17.6.2010, Nawras Bolbol, C-31/09, Rn. 52).
Der EuGH hat klargestellt, dass mit Art. 1 Abschnitt D GFK, auf den Art. 12 Abs. 1 lit. a Status-RL verweist, in Anbetracht der besonderen Situation der palästinensischen Flüchtlinge für diese gezielt eine privilegierte Rechtsstellung geschaffen wurde. Asylwerber, welche unter dem Schutz einer von Art. 1 Abschnitt D GFK erfassten Organisation oder Institution stehen, sind im Gegensatz zu anderen Asylwerbern gemäß Art. 12 Abs. 1 lit. a Status-RL von der Anerkennung als Flüchtling ausgeschlossen, genießen jedoch bei Wegfall ebendieses Schutzes oder Beistands "aus irgendeinem Grund" "ipso facto" den Schutz der Status-RL (EuGH 19.12.2012, El Kott, C-364/11, Rn. 80).
Dabei bezieht sich die Wendung "genießt (...) den Schutz dieser Richtlinie" in Art. 12 Abs. 1 lit. a zweiter Satz der Status-RL als Verweis allein auf die Flüchtlingseigenschaft und nicht auf die Eigenschaft eines subsidiär Schutzberechtigten (EuGH 19.12.2012, El Kott, C-364/11, Rn. 66 ff); eine Verfolgung im Sinne des Art. 2 lit. c Status-RL muss in diesem Fall gerade nicht dargetan werden. Voraussetzungen für den ipsofacto Schutz sind lediglich die Stellung eines Asylantrags sowie die Prüfung durch die Asylbehörden, ob der Beistand von UNRWA tatsächlich in Anspruch genommen wurde, dieser nicht länger gewährt wird und keiner der Ausschlussgründe nach Art. 12 Abs. 1 lit. b oder Abs. 2 und 3 Status-RL vorliegt.
Der Verfassungsgerichtshof sprach in seinem Erkenntnis vom 29. Juni 2013, U 706/2012, aus, dass Österreich Art. 12 der Status-RL zwar insoweit in innerstaatliches Recht umgesetzt hat, als § 6 AsylG 2005 normiert, dass ein Fremder von der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ausgeschlossen ist, wenn und solange er Schutz gemäß Art. 1 Abschnitt D der GFK genießt, es jedoch unterlassen hat, eine ausdrückliche innerstaatliche Regelung, welche die "ipso facto"-Zuerkennung von Asyl an Personen, denen gegenüber der Beistand einer Organisation wie von UNRWA "aus irgendeinem Grund" weggefallen ist, anordnen würde, zu treffen. Der Verfassungsgerichtshof schlussfolgerte, dass es sich bei Art. 12 Abs. 1 lit. a zweiter Satz Status-RL um eine den Einzelnen begünstigende unionsrechtliche Regelung handle, welche mangels innerstaatlicher Umsetzung innerhalb der am 10. Oktober 2006 abgelaufenen Umsetzungsfrist unmittelbar anzuwenden sei.
Der Verwaltungsgerichtshof schließt sich dieser Rechtsansicht an und geht ebenso von einer unmittelbaren Anwendbarkeit des Art. 12 Abs. 1 lit. a zweiter Satz Status-RL aus (vgl VwGH v. 23.01.2018, Ra 2017/18/0274).
Vorliegend ist für die fragliche Zuerkennung des ipso facto-Schutzes maßgeblich - zumal alle anderen Voraussetzungen unstrittig erfüllt sind -, ob der Beistand von UNRWA im Sinne der Status-RL als weggefallen anzusehen ist.
Für die dafür erforderliche Feststellung, ob dieser Beistand oder der Schutz tatsächlich nicht länger gewährt wird, haben die nationalen Behörden und Gerichte zu prüfen, ob der Wegzug des Betroffenen durch nicht von ihm zu kontrollierende und von seinem Willen unabhängige Gründe gerechtfertigt ist, die ihn zum Verlassen dieses Gebietes zwingen und somit daran hindern, den von UNRWA gewährten Beistand zu genießen (EuGH 19.12.2012, El Kott, C-364/11, Rn. 61).
Mit der (rechtskräftigen) Zuerkennung von subsidiärem Schutz sah es das Bundesamt als erwiesen an, dass sich die bP im betroffenen Gebiet in einer sehr unsicheren persönlichen (Art 3 EMRK relevanten) Lage befinden und es von UNRWA unmöglich ist, ihnen in diesem Gebiet Lebensverhältnisse zu gewährleisten, die mit der ihm übertragenen Aufgabe im Einklang stehen (EuGH 19.12.2012, El Kott, C-364/11, Rn. 63, 65).
Eine unzureichende Versorgungslage, wie sie das Bundesamt im gegenständlichen Fall in seiner rechtskräftigen Entscheidung als Art. 3 EMRK widrig gewertet und dem Revisionswerber daher subsidiären Schutz gewährt hat, stellt folglich einen nicht den bP zu kontrollierenden und von ihrem Willen unabhängigen Grund für ihren Wegzug dar. Dies ist damit auch als Grund für den Wegfall des Schutzes oder Beistandes von UNRWA anzusehen, der zur ipso facto-Zuerkennung von Asyl führen muss.
Die rechtskräftige Gewährung von subsidiärem Schutz an die bP1-bP4 und damit die Bejahung der Voraussetzungen zur Zuerkennung dieses Schutzstatus durch das Bundesamt ist hier auch vom BVwG im Beschwerdeverfahren betreffend den Status eines Asylberechtigten zu beachten. Die Entscheidung des Bundesamtes zum subsidiären Schutz steht nach dem bisher Gesagten der Annahme, die bP könnten weiterhin den Schutz durch UNRWA genießen, entgegen (vgl. auch VfGH 22.9.2017, E 1965/2017).
Eine Durchberechnung dieser Rechtskraftwirkung wäre nur dann gerechtfertigt, wenn sich nach Erlassung der Entscheidung des BFA der Sachverhalt oder die Rechtsvorschriften wesentlich geändert hätten, also eine neue Sache vorgelegen wäre, für die die Rechtskraftwirkung der ursprünglichen Entscheidung nicht mehr gelten würde. Von einer nachträglichen Änderung der Sache ist aber der Fall zu unterscheiden, in dem der Sachverhalt anders rechtlich beurteilt wird oder neue Tatsachen oder Beweismittel bekannt werden, die bereits im Zeitpunkt der Erlassung der Entscheidung vorlagen, aber erst später bekannt wurden ("nova reperta"). Die schon vor Erlassung der Entscheidung bestehende Sachlage ist von der Rechtskraft des Bescheides erfasst und bindet Gerichte und Behörden, solange diese Entscheidung dem Rechtsbestand angehört (vgl. zum Ganzen VwGH 18.1.2017, Ra 2016/18/0293, mwN).
Eine derart relevante Sachverhaltsveränderung kam seit der Entscheidung des Bundesamtes nicht hervor.
Es war daher hier der Beschwerde stattzugeben und den bP1 bis bP4 der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen.
Absehen von einer mündlichen Beschwerdeverhandlung
Gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung vor dem BVwG unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt wurde vom Bundesamt vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben und ist bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch als aktuell und vollständig zu erachten. Für die in der Beschwerde behauptete Mangelhaftigkeit des Verfahrens ergeben sich aus der Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes keine hinreichenden Anhaltspunkte die einer nochmaligen Anhörung der bP und Ergänzung des Verfahrens bedurft hätte.
Die hier maßgeblichen Beweismittel - die Niederschriften - bilden vollen Beweis iSd § 15 AVG. Die bP brachten in ihrem Antrag auf Verhandlung nicht vor, was dabei noch an entscheidungsrelevantem Sachverhalt hätte hervorkommen können. Auch hat das Bundesamt die Nichtglaubhaftmachung nicht konkret auf den persönlichen Eindruck gestützt, sondern auf den Inhalt der Aussagen der Parteien.
Das Bundesamt hat die, die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt und hat das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung geteilt.
In der Beschwerde wurde kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender, für die Beurteilung relevanter Sachverhalt konkret und substantiiert behauptet, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG 2014 festgelegte Neuerungsverbot verstößt.
Die gegenständliche Rechtslage, von welcher anzunehmen ist, dass sie dem Bundesamt als Spezialbehörde bekannt ist und die zur Stattgabe der Beschwerde führte, bedurfte keiner Erörterung im Rahmen einer Verhandlung.
Es konnte daher davon ausgegangen werden, dass der Sachverhalt als hinreichend geklärt erachtet werden und eine Verhandlung entfallen konnte.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung, weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
aktuelle Bedrohung, aktuelle Gefahr, Asylgewährung, Bürgerkrieg,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:L504.2209358.1.00Zuletzt aktualisiert am
25.06.2019