TE Bvwg Erkenntnis 2019/2/6 I421 2181722-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.02.2019
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Entscheidungsdatum

06.02.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
EMRK Art.2
EMRK Art.3
EMRK Art.8
FPG §46
FPG §50 Abs1
FPG §50 Abs2
FPG §50 Abs3
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I421 2181722-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Martin STEINLECHNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. NIGERIA, vertreten durch: RA Mag. Lothar KORN gegen den Bescheid des BFA, Regionaldirektion Oberösterreich vom 21.11.2017, Zl. 1109736801-29019398, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 09.01.2019 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Im bekämpften Bescheid wird der Verfahrensgang der ersten Instanz wiedergegeben wie folgt:

-

"Sie reisten im März 2016 illegal in das Bundesgebiet ein.

-

Am 29.03.2016 stellten Sie einen Antrag auf internationalen Schutz, wobei Sie a ngaben, den Namen XXXX zu führen, aus Nigeria zu stammen und am XXXX in Nigeria geboren worden zu sein.

-

Am 29.03.2016 wurden Sie von Beamten der LPD Oberösterreich niederschriftlich einvernommen und gaben dabei zu den Gründen Ihrer Ausreise, Folgendes an:

Ich bin schwul und habe einen Freund. Das ist bei uns in Nigeria nicht erlaubt. Man kommt dafür 40 Jahre in das Gefängnis. Am 24.12.2015 ist die Polizei zu mir nach Hause gekommen und hat mich festgenommen. Sie brachten mich in das Gefängnis und haben mich dort gefoltert um rauszufinden, ob ich wirklich schwul bin. Ich verneinte es. Mein Freund hat sehr viele Kontakte und sehr viel Geld. Er hat mir geholfen, so wurde ich in ein anderes Gefängnis geschickt. Von dort aus hat er meine Flucht organisiert. Die Wachen gaben mir eine Uniform, so konnte ich flüchten.

-

Nach Zulassung Ihres Verfahrens wurden Sie am 15.11.2017 im Beisein eines von der erkennenden Behörde bestellten und beeideten Dolmetschers für die Sprache Englisch von dem zur Entscheidung berufenen Organwalter des BFA niederschriftlich einvernommen. Es folgen die entscheidungsrelevanten Auszüge aus der Einvernahme:

...

F: Welche Sprachen sprechen Sie?

A: Meine Muttersprache ist Edo, außerdem Englisch und ein bisschen Deutsch.

F: Verstehen Sie den Dolmetscher einwandfrei?

A: Ja.

V: Sie werden ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Sie im Fall von Verständigungsschwierigkeiten jederzeit Rückfragen können. Ich möchte sicher sein können, das alles, was Sie gesagt haben, auch so gemeint wurde. Wenn Sie während der Befragung etwas trinken möchten, es steht frisches Wasser neben Ihnen, Sie dürfen sich jederzeit etwas einschenken.

A: Ok.

F: Sind Sie anwaltlich vertreten?

A: Nein.

V: Auf die Möglichkeit der Kontaktaufnahme mit dem Rechtsberater, dessen Räumlichkeit sich im dritten Stock der Regionaldirektion befindet, werden Sie hingewiesen. Die Parteienverkehrszeiten der Rechtsberatung sind an der Tür der Rechtsberatung ersichtlich.

F: Sind Sie einvernahmefähig, d.h. sind Sie psychisch und physisch in der Lage die Befragung durchzuführen?

A: Ja.

F: Wie geht es Ihnen, befinden Sie sich in Therapie, Behandlung oder leiden Sie an einer chronischen Krankheit?

A: Mir geht es gut. Ich bin gesund.

V: Sie werden weiters darauf hingewiesen, dass Ihre Angaben im Asylverfahren vertraulich behandelt und nicht an die Behörden Ihres Heimatlandes weitergeleitet werden. Es ist unumgänglich, dass Sie die Wahrheit sagen, nichts verschweigen und alle zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte selbständig und über Nachfrage wahrheitsgemäß darlegen.

Sie werden zur verpflichtenden Mitwirkung im Verfahren (auch im Falle der Beiziehung von Sachverständigen, allenfalls auch der Vertretungsbehörden) und Mitwirkung an der Klärung Ihrer Identität und Alter in jedem Verfahrensstadium vor dem BFA und dafür ausreichend vorhandener Zeit eingehend und das den nunmehrigen Angaben eine besondere Glaubwürdigkeit zukommt belehrt und ebenso zur Strafbarkeit der Vorlage falscher Beweismittel einschließlich der Verpflichtung zur wahrheitsgemäßen Aussage bei sonstigen straf- und verfahrensrechtlichen Folgen.

Ebenso wird Ihnen zur Kenntnis gebracht, dass Sie jegliche Ladungstermine im gesamten Verfahren vor dem BFA befolgen müssen, da Sie sonst riskieren, dass ein Festnahmeauftrag gegen Sie erlassen werden kann.

Über die Rechtsfolgen und der im allgemeinen nicht möglichen Einbringung neuer Tatsachen in dem Fall, dass Ihrem Ersuchen um Gewährung von internationalem Schutz vom Bundesamt nicht nachgekommen wird (Neuerungsverbot), werden Sie hiermit ebenfalls hingewiesen.

Sie werden weiters darauf hingewiesen, dass Sie der Behörde, auch nachdem Sie Österreich verlassen haben, ihren Aufenthaltsort und Ihre Anschrift bekanntzugeben haben. Wenn Sie sich in Österreich aufhalten, genügt es, wen Sie Ihrer Meldepflicht nach dem MeldeG nachkommen. Bei einer Übersiedelung haben Sie sich binnen 3 Tagen beim Meldeamt umzumelden. Sollten Sie über keinen Wohnsitz verfügen, so werden Sie auf § 19a MeldeG hingewiesen und darauf, dass daran eine 14-tägige Meldeverpflichtung bei der nächstgelegenen Polizeiinspektion nach § 15 Abs. 1 Z. 4 AsylG geknüpft ist.

F: Haben Sie die obigen Ausführungen verstanden?

A: Ja.

F: Sind Sie mit amtswegigen Erhebungen vor Ort unter Wahrung ihre Anonymität, eventuell unter Beiziehung der Österreichischen Botschaft und eines Vertrauensanwaltes einverstanden. Sind Sie damit einverstanden, dass Ihre Angaben im Rahmen einer landesinternen Recherche durch einen Sachverständigen überprüft werden?

A: Ja.

F: Haben Sie im Verfahren bis dato (Polizei) der Wahrheit entsprechende Angaben gemacht, wurden Ihnen diese jeweils rückübersetzt und korrekt protokolliert?

A: Dreimal ja.

F: Können Sie bitte einen kurzen Lebenslauf bezüglich Ihrer Person schildern? Z.B.: Wo sind Sie aufgewachsen, welche Schulausbildung haben Sie absolviert, welchen Beruf haben Sie ausgeübt etc.?

A: Ich wurde XXXX in Benin-City, Nigeria, geboren. Ich besuchte 4 Jahre die Primary School in Benin City. Danach besuchte ich eine andere Primary School für 2 Jahre. Danach besuchte ich das XXXX College in Benin-City, von 2006/2007 bis 2008, 2009, für 2 Jahre. Dann wechselte ich zur XXXX Secondary School und beendete diese dann nach 4 Jahren. Das war im Jahr 2012 oder 2013. Nach der Schule habe ich dann in einer Druckerei in Benin-City gearbeitet. Das habe ich dann auch bis zu meiner Ausreise gemacht. Bis Ende der Secondary School habe ich bei den Eltern gewohnt. Dann wohnte ich bei meinem Freund. Ab Anfang 2015 wohnte ich mit meinem Freund zusammen.

F: Wie viel haben Sie zuletzt monatlich cirka verdient?

A: 20.000,- bis 25.000,- Naira. Nachgefragt davon kann man in Nigeria sehr gut leben.

F: Haben oder hatten Sie jemals irgendwelche Dokumente?

A: Nein.

F: Hatten Sie ein eigenes Auto?

A: Ja. Ich hatte einen Nissan. Nachgefragt ich hatte auch einen Führerschein.

F: Welche Angehörigen der Kernfamilie (Eltern, Geschwister) leben noch in Ihrer Heimat?

A: Mein Vater XXXX verstarb 2014. Meine Mutter XXXX, Geburtsdatum unbekannt, ca. 50 Jahre alt. Ich habe drei Brüder namens XXXX und XXXX und XXXX. Ich habe auch zwei Schwestern namens XXXX und XXXX. Alle wohnen in Benin-City. Alle wohnen zusammen mit der Mutter.

F: Gibt es noch weitere Verwandte im Heimatland?

A: Es gibt viele Onkeln und Tanten an verschiedenen Orten in Nigeria.

F: Wo von lebt die Familie im Herkunftsland?

A: Meine Familie besitzt eine Druckerei in Benin-City. Der Name der Firma ist XXXX. Die Firma gehörte meinem Vater. Nun führt die Firma mein älterer Bruder. Wir haben auch einige Angestellte.

F: Hat Ihre Familie irgendwelche Besitztümer im Heimatland?

A: Meine Familie besitzt ein Haus in Benin-City. Das Grundstück gehört wo das Haus steht gehört auch der Familie. Außerdem haben wir noch Grundstücke in einem Dorf in Edo State. Meine Familie besitzt auch drei Autos.

F: Wie viel haben Sie für die Reise bis Österreich bezahlt?

A: Ich habe nichts bezahlt. Mein Freund hat es bezahlt. Ich weiß aber nicht wie viel er bezahlt hat.

F: Wann haben Sie die Ausreise angetreten?

A: 26.03.2016.

F: Haben Sie Kontakt mit Ihren Verwandten im Heimatland? Wann war der letzte Kontakt? Wie gestaltet sich der Kontakt zu Ihrer Familie? Kommunizieren Sie auch über soziale Netzwerke und neue Medien?

A: Nein. Seit ich ausgezogen bin von zu Hause habe ich schon keinen Kontakt mehr. Nachgefragt ich benutze Facebook. Nachgefragt bei Facebook nenne ich mich Obars Sunday.

F: Benutzen Sie auch noch ein anderes Benutzerprofil bei Facebook?

A: Ja. Das zweite Benutzerprofil lautet auf Sean John.

V: Lt. Ihren Benutzerprofilen sind Sie sehr wohl mit Ihren Geschwistern in Verbindung. Was sagen Sie dazu?

A: Es stimmt.

F: Schildern Sie kurz Ihren Reiseweg.

A: Von Benin-City brachte mich ein mir unbekannter Mann mit dem Auto nach Lagos. Von Lagos flog ich dann in ein mir unbekanntes Land. Nach einer Weile stieg ich in ein anderes Flugzeug und dieses flog dann bis nach Österreich. Nachgefragt als ich in Österreich ankam, gab es keinerlei Kontrollen am Flughafen. Ich weiß aber nicht wo in Österreich wir gelandet sind oder welcher Flughafen es war. Ich kann auch nicht beschreiben wie der Flughafen ausgesehen hat.

Beantworten Sie die Fragen mit ja oder nein, wenn relevant, können Sie selbst oder über Nachfragen dazu etwas Näheres angeben.

F: Sind Sie vorbestraft oder waren Sie in Ihrem Heimatland inhaftiert oder hatten Sie Probleme mit den Behörden in der Heimat?

A: Ja. Ich war im Gefängnis. Den Namen des Gefängnisses weiß ich nicht. Das Gefängnis war in Benin.

F: Bestehen gegen Sie aktuelle staatliche Fahndungsmaßnahmen wie Haftbefehl, Strafanzeige, etc.?

A: Nein.

F: Sind oder waren Sie politisch tätig?

A: Nein.

F: Sind oder waren Sie Mitglied einer politischen Partei?

A: Nein.

F: Hatten Sie in Ihrem Herkunftsstaat aufgrund Ihres Religionsbekenntnisses bzw. Ihrer Volksgruppenzugehörigkeit irgendwelche Probleme?

A: Nein.

F: Hatten Sie gröbere Probleme mit Privatpersonen (Blutfehden, Racheakte etc.)

A: Nein.

F: Nahmen Sie in Ihrem Heimatland an bewaffneten oder gewalttätigen Auseinandersetzungen aktiv teil?

A: Nein.

F: Schildern Sie die Gründe, warum Sie Ihr Heimatland verlassen und einen Asylantrag gestellt haben, detailliert, von sich aus, vollständig und wahrheitsgemäß.

Soweit Sie auf Ereignisse Bezug nehmen, werden Sie auch aufgefordert, den Ort und die Zeit zu nennen, wann diese stattfanden und die Personen, die daran beteiligt waren.

A: Am 24. Dezember 2015 kam die Polizei zu meiner Wohnung und nahmen mich mit zur Polizeistation. Dort wurde ich dann geschlagen und gefragt ob ich homosexuell bin. Ich sagte nein. Sie kannten auch meinen Freund und wussten, dass dieser viel Geld hat und einflussreich ist. Ich wurde dann in der Nacht in ein Gefängnis gebracht. Dort wurde ich wieder geschlagen und gefragt ob ich homosexuell bin. In einer anderen Nacht kam dann plötzlich ein Wachmann und gab mir eine Uniform. Ich zog die Uniform an und folgte ihm aus dem Gefängnis. Vor dem Gefängnis wartete schon ein Auto und dieses brachte mich bis nach Lagos.

F: Gibt es noch andere Gründe, warum Sie Nigeria verlassen haben?

A: Nein.

Es wird rückübersetzt. Ast wird aufgefordert genau aufzupassen und sofort bekannt zu geben, wenn etwas nicht korrekt sein sollte bzw. er noch etwas zu ergänzen hat.

Nach erfolgter Rückübersetzung gebe ich an, dass alles richtig und vollständig ist und alles richtig wiedergegeben wurde.

F: Was würde Sie jetzt konkret erwarten, wenn Sie in Ihren Herkunftsstaat zurückkehren würden?

A: Ich glaube ich würde wieder verhaftet werden.

F: Wann genau waren Sie inhaftiert?

A: Von 24.12.2015 bis März 2016.

F: In welchem Gefängnis waren Sie?

A: Ich weiß es nicht welches Gefängnis es war.

F: Erlitten Sie Verletzungen aufgrund der Misshandlungen im Gefängnis?

A: Nein. Ich wurde geschlagen aber ich erlitt keine Verletzungen deswegen.

F: Warum kam die Polizei plötzlich am 24.12.2014 zu Ihnen nach Hause?

A: Ich weiß es nicht. Ich weiß auch nicht woher sie die Information gehabt haben können, dass ich homosexuell bin.

F: War Ihr Freund zu diesem Zeitpunkt auch anwesend?

A: Ja. Nachgefragt er wurde aber nicht mitgenommen. Nur ich wurde mitgenommen.

F: Wurden Sie jemals von irgendjemand bei homosexuellen Handlungen gesehen?

A: Ich wüsste nichts davon.

F: Wie ist der Name Ihres homosexuellen Freundes?

A: XXXX.

F: Wo befindet sich XXXXjetzt?

A: Ich weiß es nicht. Ich glaube in Nigeria. Nachgefragt er wurde nicht inhaftiert. Er ist ein einflussreicher Mann.

F: Hatten Sie im Gefängnis die Möglichkeit das Internet zu finden oder hatten Sie Ihr Mobiltelefon bei sich?

A: Nein. Mein Mobiltelefon hatte ich auch nicht bei mir.

V: In dem von Ihnen angegebenen Zeitraum (24.12.2015 bis März 2016), als Sie in Haft gewesen sein wollen, posteten Sie mehrere Fotos und Kommentare auf Facebook. Wie ist das möglich?

A: Das kann ich nicht erklären.

F: Konnte jemand anderer Ihren Account benutzen und Fotos von Ihnen posten?

A: Ich bin jetzt überrascht. Ich weiß es nicht wie das geschehen ist.

F: Es befinden sich auch Kommentare unter den Fotos die von Ihrem Benutzerprofil gepostet wurden. Möchten Sie behaupten, dass das nicht sie waren sondern jemand anderer Ihr Benutzerprofil verwendet hat?

A: Ja.

F: Warum sollte jemand anderer die Möglichkeit haben Zugang zu Ihrem Benutzerprofil zu haben und dann auch noch Fotos von Ihnen posten und kommentieren?

A: Das verstehe ich auch nicht.

F: Wie viele homosexuelle Beziehungen, Kontakte, o.ä. hatten Sie in Nigeria?

A: Nur mit Joseph.

F: Hatten Sie in Nigeria sexuelle Kontakte zu Frauen?

A: Ja. Manchmal. Aber eine längere Beziehung hatte ich nicht.

F: Hatten Sie seit Sie in Österreich sind homosexuelle Kontakte, Beziehungen, o.ä.?

A: Nein.

F: Haben Sie Kontakt zur homosexuellen Szene in Österreich aufgenommen?

A: Nein.

F: Kennen Sie Treffpunkte, Lokale, Einrichtungen, etc. für Homosexuelle in Österreich?

A: Nein.

F: Kennen Sie Webseiten speziell für Homosexuelle?

A: Nein.

F: Hatten Sie sexuelle Kontakte zu Frauen in Österreich?

A: Ja. Ich war auch mit einem österreichischen Mädchen namens XXXX in einer Beziehung. Nachgefragt ich bin derzeit auch mit einigen Mädchen in Kontakt.

F: Haben Sie nun kein Interesse mehr an homosexuellen Begegnungen?

A: Nein. Momentan habe ich kein Interesse mehr an homosexuellen Kontakten. Ich fokussiere mich jetzt lieber auf Dinge die mir keine Kopfschmerzen bereiten.

F: Haben Sie sämtliche Gründe, die Sie veranlasst haben, Ihr Heimatland zu verlassen, vollständig geschildert?

A: Ja.

F: Können Sie Nachweise oder Bestätigungen zu absolvierten Deutschkursen oder sonstigen Integrationsmaßnahmen (Mitgliedschaft in einem Verein, ehrenamtliche Tätigkeit, soziale Kontakte, u.ä.) vorlegen?

A: Ja. Ich lege nun ein Konvolut an Unterlagen und Bestätigungen vor.

F: Sind Sie in Österreich mit dem Gesetz in Konflikt geraten?

A: Nein.

F: Sind Sie je von einer gerichtlichen Untersuchung als Zeuge oder Opfer oder einem zivil- oder strafrechtlichen Gerichtsverfahren oder eine (einstweiligen) gerichtlichen Verfügung in Österreich betroffen gewesen?

A: Nein.

F: Wenn seitens des .BFA eine Rückkehrentscheidung (ev. mit Einreiseverbot) erlassen wird, besteht ein Interesse an freiwilliger Ausreise?

A: Ja.

F: Wenn ja, dürfen Ihre Daten an die Organisationen der Rückkehrhilfe weitergegeben werden?

A: Ja.

F: Wollen Sie noch etwas angeben, was Ihnen besonders wichtig erscheint?

A: Nein.

Es wird nochmals rückübersetzt. Ast wird aufgefordert genau aufzupassen und sofort bekannt zu geben, wenn etwas nicht korrekt sein sollte bzw. er noch etwas zu ergänzen hat.

Nach erfolgter Rückübersetzung gebe ich an, dass alles richtig und vollständig ist und alles richtig wiedergegeben wurde.

Es werden nunmehr die Länderfeststellungen zu Nigeria (75 Seiten) zur Stellungnahme, Frist 1 Woche ab heute, ausgehändigt.

A: Ich verzichte darauf.

F: Haben Sie den Dolmetscher während der g e s a m t e n Einvernahme einwandfrei verstanden?

A: Ja.

F: Hat der Dolmetscher das rückübersetzt, was Sie gesagt haben?

A: Ja.

...

-

Im Zuge der Einvernahme am 15.11.2017 legten Sie ho. Behörde ein Konvolut an Unterlagen und Bestätigungen vor.

-

Mit Verfahrensanordnung vom heutigen Tag wurde Ihnen ein Rechtsberater gemäß § 52 BFA-VG für ein allfälliges Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt."

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 21. November 2017 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 Asylgesetz 2005, sowie gemäß § 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG als unbegründet ab (Spruchpunkte I und II). Dem Beschwerdeführer wurde überdies ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA- Verfahrensgesetz (BFA-VG) wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) erlassen und gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt III. bis V.). Letztlich wurde ihm gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise in der Dauer von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gewährt (Spruchpunkt VI). Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 07. Dezember 2017, beim BVwG eingelangt am 12.12.2017 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

Die mündliche Verhandlung über die Beschwerde wurde am 9.1.2019 vom erkennenden Richter beim BVwG, Außenstelle Innsbruck, durchgeführt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Zum Beschwerdeführer:

Der Beschwerdeführer ist volljährig, geboren am XXXX, nigerianischer Staatsbürger, ledig, gesund und erwerbsfähig (Beilage ./I., BF).

Er ist Benin und christlichen Glaubens (BF).

Jedenfalls seit 29.03.2016 hält sich der Beschwerdeführer in Österreich auf, wobei er in Österreich über keine maßgeblichen privaten und über keine familiären Anknüpfungspunkte verfügt. Er hat die Prüfung Deutsch Niveaustufe A2 bestanden (BF VH Protokoll S 3f u S 12ff. Beilage. /A).

Aus dem Versicherungsdatenauszug ergibt sich, dass der Beschwerdeführer im Jahr 2017 ca. acht Monate als Arbeiter/Erntehelfer beschäftigt war und im Jahr 2018 ca. achtundeinhalb Monate als Arbeiter/Erntehelfer tätig war (Beilage.-D-.Beilage/E-.Beilage/F). Der Beschwerdeführer verfügt auch über einen Verkäuferausweis 2018 der Zeitschrift "XXXX" (Beilage.-/H).

Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten (amtswegig eingeholter Strafregisterauszug).

Der Beschwerdeführer lebte von seiner Geburt im Jahr XXXX bis zu seiner Ausreise im Frühjahr 2016 in seinem Herkunftsstaat. Er ist bei seiner Familie aufgewachsen. Von seiner Familie leben noch seine Mutter, seine drei Brüder und seine zwei Schwestern in Nigeria. Sein Vater ist 2014 verstorben, zudem hat der Beschwerdeführer in Nigeria viele Verwandte, Onkeln und Tanten dies an verschiedenen Orten in Nigeria. Seine Kernfamilie lebt in Benin-City. Sein Vater, nach dessen Tod nunmehr sein Bruder XXXX betreiben dort eine Druckerei und beschäftigen auch einige Angestellte. Seine Familie besitzt ein Haus in Benin-City, wobei dies im Familieneigentum steht. Seine Familie verfügt über Grundstückseigentum in einem Dorf in Edo State. Der Beschwerdeführer steht im Kontakt mit seiner Familie (Aktenseite 55). Der Beschwerdeführer besuchte in Nigeria von 2006 bis 2013 die Schule und lernte nach der Schule bei seinem Vater das Druckerhandwerk, jedenfalls hat er im Betrieb seines Vaters mitgearbeitet, als dieser verstorben ist gemeinsam mit seinem älteren Bruder dort gearbeitet und sich so seinen Lebensunterhalt verdient (BF mündliche Verhandlung Seite 4 und 5-. Beilage. /B).

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer am 24.12.2015 in Nigeria aufgrund Homosexualität festgenommen und bis ca. Ende März 2016 in einem Gefängnis festgehalten wurde.

Der Beschwerdeführer wird in seinem Herkunftsstaat nicht polizeilich gesucht, es besteht gegen ihn kein Haftbefehl und keine Strafanzeige. Er war in seinem Herkunftsstaat politisch nicht tätig und ist auch nicht Mitglied einer politischen Partei.

Der Beschwerdeführer führte und führt in Österreich keine homosexuellen Beziehungen, hat keine Kontakte zur Homosexuellenscene (Beschwerdeführer AS. 57). Der Beschwerdeführer unterhielt in Nigeria sexuelle Kontakte zu Frauen (BF AS 57). Der Beschwerdeführer unterhielt eine sexuelle Beziehung zu einem österreichischen Mädchen Namens XXXX und hat generelles Interesse an Kontakten mit Frauen. Er hat kein Interesse mehr an homosexuellen Kontakten (BF AS 58).

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer homosexuell ist, in seinem Herkunftsstaat aufgrund seiner sexuellen Orientierung verfolgt worden wäre, aufgrund dieser Verfolgung in Haft genommen worden wäre und schließlich aufgrund dieser Verfolgung seinen Herkunftsstaat verließ und aus diesem Grund mit dem Flugzeug aus Nigeria nach Österreich eingereist ist.

In Bezug auf das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers und aufgrund der allgemeinen Lage im Land wird nicht festgestellt, dass der Beschwerdeführer in Nigeria aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung verfolgt werden würde.

Der Beschwerdeführer wird im Falle seiner Rückkehr nach Nigeria mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner asylrelevanten Verfolgung und keiner wie auch immer gearteten existenziellen Bedrohung ausgesetzt sein, viel mehr wird es im Falle der Rückkehr des Beschwerdeführers diesem als jungen, gesunden, arbeitsfähigen Mann möglich sein, auch allenfalls mit Unterstützung seiner Kern- und Großfamilie, durch Arbeit, seine existenziellen Bedürfnisse in Nigeria abzudecken.

Zur Situation Homosexueller im Herkunftsstaat Nigeria:

Homosexuelle Handlungen jeglicher Art sind - unabhängig vom Geschlecht der betroffenen Personen - sowohl nach säkularem Recht als auch nach Scharia-Recht (Körperstrafen bis hin zum Tod durch Steinigung in besonderen Fällen) strafbar. Homosexuelle versuchen auf Grund der gesetzlichen Bestimmungen und weitverbreiteter Vorbehalte in der Bevölkerung, ihre sexuelle Orientierung zu verbergen (AA 21.11.2016). Obwohl alle nigerianischen Bürger mit der Schwierigkeit konfrontiert sind, dass Förderung und Schutz ihrer Rechte gewährleistet werden sowie der Zugang zu grundlegenden Sozialdienstleistungen, haben Mitglieder der homosexuellen Gemeinschaft mit weiteren Herausforderungen zu kämpfen (TIERS 1.2017). Dabei treten Erpressung und Gewalt schon beim Verdacht auf, homosexuell zu sein (MSMA 17.11.2015; vgl. LLM 16.11.2015). Die meisten Menschenrechtsverletzungen gegen Homosexuelle gehen von nicht-staatlichen Akteuren aus (LLM 16.11.2015; vgl. MSMK 19.11.2015). Die Verfügbarkeit von staatlichem Schutz ist in Frage zu stellen, manchmal interveniert die Polizei gar nicht oder verhaftet das Opfer (MSMA 17.11.2015; vgl. DS3 18.11.2015; DS1 20.11.2015). TIERS berichtet, dass die Opfer Menschenrechtsverletzungen nicht bei der Polizei melden aus Angst vor Repressalien, Mangel an Vertrauen in die Strafverfolgungsbehörden, und weil die Polizei häufig selbst die Täter bei Menschenrechtsverletzungen gegen Homosexuelle sind (TIERS 1.2017).

In Nigeria ist nach der Unterzeichnung durch den Präsidenten am 7.1.2014 bundesweit der über mehrere Jahre diskutierte "Same Sex Marriage Prohibition Act" (SSMPA) in Kraft getreten (HRW 29.1.2015; vgl. CNN 16.1.2014; TT 14.1.2014). Seither ist das Eingehen homosexueller Verbindungen oder das Mitwirken daran mit bis zu 14 Jahren Haft unter Strafe gestellt. Die Organisation oder Unterstützung von Homosexuellen-Clubs, Vereinigungen oder Kundgebungen sowie öffentliches zur Schau stellen gleichgeschlechtlicher Liebesbeziehungen werden mit bis zu zehn Jahren Haft bedroht (AA 5.7.2017 vgl. HRW 20.10.2016). Laut Telegraph seien schon "Gruppen" von zwei Homosexuellen verboten (TT 14.1.2014). Human Rights Watch erklärt, dass jegliches öffentliches homosexuelles Verhalten zwischen Paaren kriminalisiert worden sei ("who directly or indirectly make public show of same-sex amorous relationship"). Auch Personen, die Zeugen, Unterstützter oder Beihelfer einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft oder Ehe sind, können mit bis zu zehn Jahren Haft bestraft werden (HRW 15.1.2014; vgl. HRW 20.10.2016). Die Rechtsänderung hat aber bisher nicht zu einer spürbar verschärften Strafverfolgung geführt: Bisher ist es nach Kenntnis der deutschen Botschaft noch nicht zu Anklagen bzw. Verurteilungen nach dem neuen Gesetz gekommen (AA 21.11.2016). Auch Human Rights Watch hat keine Beweise dafür gefunden, dass Personen im Rahmen des SSMPA strafrechtlich verfolgt oder verurteilt wurden (HRW 20.10.2016). Laut einem Bericht von Human Rights Watch hat das Gesetz zu einer weiteren Stigmatisierung von Lesben und Schwulen in Nigeria geführt. Diese werden oftmals von der Polizei schikaniert und misshandelt und von der Bevölkerung gemobbt und per Selbstjustiz verfolgt (GIZ 7.2017b).

Seit der Unabhängigkeit Nigerias gab es nur wenige Fälle von Verurteilungen Homosexueller nach dem Strafgesetzbuch, die Zahl ist einstellig (HL1 16.11.2015). Mit der zunehmenden Öffentlichkeit im Zuge der Diskussion um den SSMPA hat sich zwar die Zahl der Verhaftungen gesteigert. Es kam aber zu keinen Verurteilungen (HL1 16.11.2015; vgl. HRW 20.10.2016). Überhaupt gibt es keine systematische Verfolgung Homosexueller (DS4 20.11.2015; vgl. MSMA 17.11.2015). Die Community wird nicht überwacht (LLM 16.11.2015; vgl. HL1 16.11.2015; DS2 19.11.2015). Die Polizei wird nicht aus eigenem Antrieb aktiv und sucht gezielt nach Homosexuellen (HL1 16.11.2015; vgl. DS2 19.11.2015). Es gibt keine Haftbefehle nur aufgrund von Homosexualität - weder nach dem Strafgesetzbuch, noch nach der Scharia oder dem SSMPA (LLM 16.11.2015).

Aus dem Zeitraum 12.2014-11.2015 wurden 48 Vorfälle berichtet, in welche die Polizei involviert war, 27 davon waren willkürliche Verhaftungen. Insgesamt wurden im genannten Zeitraum 172 Übergriffe bzw. (Menschen-)Rechtsverletzungen an Homosexuellen gemeldet. Allerdings wird davon ausgegangen, dass viele Fälle nicht erfasst wurden (TIERS 3.2016). Für das Jahr 2016 wurden von TIERS 152 Menschenrechtsverletzungen gegen LGBT-Personen gemeldet. Die meisten Übergriffe fanden in den Bundesstaaten Rivers und Lagos statt. 35 davon waren willkürliche Verhaftungen, 27 rechtswidrige Inhaftierungen, 51 Fälle von Erpressung, 33 Fälle von Körperverletzung, 21 Fälle von Diffamierung, zwölf Morddrohungen, zwei Fälle von Folter (TIERS 1.2017).

Laut TIERS gab es im Jahr 2016 auch Positives zu vermelden, so z.B. hat das NHRC öffentlich Stellung gegen Gewalt gegen Homosexuelle genommen. Auch hat sich der ehemalige Präsident, der das Gesetz unterzeichnete, von der Geisteshaltung hinter der Entstehung des Gesetzes distanziert (TIERS 1.2017; vgl. HRW 12.1.2017). Im Jänner 2016 hat der Generalinspektor der Polizei Polizisten davor gewarnt, illegal auf Mobiltelefone der Bürger ohne Gerichtsbeschluss zuzugreifen. Dennoch verletzte die Polizei Privatsphäre von Homosexuellen und verwendete ihre persönlichen Daten, um sie rechtswidrig zu verhaften, damit sie dann für Geld und andere Wertsachen im Gegenzug zu ihrer Freiheit erpresst werden können (TIERS 1.2017).

Im April 2017 hat die nigerianische Polizei erklärt, dass sie in der im Norden des Landes gelegenen Stadt Zaria 53 junge Männer verhaftet hat, weil sie an einer homosexuellen Hochzeit teilgenommen hatten. Die Festgenommenen wurden laut Polizei einem Richter vorgeführt (NBC 20.4.2017). Die Männer werden wegen Verschwörung, illegaler Versammlung und Zugehörigkeit einer illegalen Gesellschaft angeklagt. Diese Straftaten verstoßen gegen den Criminal Procedure Code (PT 7.6.2017). Alle hatten sich nicht schuldig bekannt und konnten bei Zahlung einer Kaution wieder freigelassen werden (NBC 20.4.2017). Am 29.7.2017 wurden über 40 Personen festgenommen, da sie verdächtigt wurden bei einer privaten Feier in einem Hotel in Lagos homosexuelle Handlungen durchgeführt zu haben. Der erste Gerichtstermin war noch ausstehend (Reuters 31.7.2017).

Hinsichtlich des SSMPA gab es keinen Anklagen oder Verurteilungen (DS3 18.11.2015; vgl. DS2 19.11.2015; VA1 16.11.2015; DS1 20.11.2015; DS4 20.11.2015). Die Polizei verhaftet Verdächtige in erster Linie mit dem Ziel, Geld zu erpressen. Grundsätzlich kommen Verdächtige nach der Zahlung einer "Kaution" wieder frei (LLM 16.11.2015; vgl. HL1 16.11.2015). Aufgrund der bei der Polizei herrschenden Korruption ist es einfach, sich aus der Haft freizukaufen (VA1 16.11.2015).

Auch für betroffene Homosexuellen-NGOs hatte der SSMPA kaum Auswirkungen, keine der Organisationen musste die Arbeit einstellen (LLM 16.11.2015; vgl. MSMA 17.11.2015; DS2 19.11.2015). Im Gesundheitsbereich tätige NGOs mit Fokus auf Homosexuelle (v.a. HIV/AIDS) stellten zwar Anfang 2014 kurzfristig den Betrieb ein, doch wurde dieser nach wenigen Wochen wieder aufgenommen und läuft seither wie vor Inkrafttreten des SSMPA (IO1 20.11.2015).

UK Home Office gibt an, dass es seit der Einführung des SSMPA einige Berichte über die Verhaftung von LGBT-Personen gab. Es gab auch einige Berichte über Gewalt und Schläge gegenüber den Verhafteten. Allerdings gibt es nur wenige Berichte über Verfolgung oder Verurteilung von LGBT-Personen. Es gibt nur begrenzte Anzeichen dafür, dass die Regierung gezielt gegen LGBT-Organisationen vorgehen würde; allerdings scheint es indirekte Auswirkungen auf diese Gruppen zu geben. So gibt es etwa Berichte über eine Reduzierung der Angebote bezüglich HIV/AIDS-Behandlung (UKHO 3.2015).

Die vom Home Office zitierte Homosexuellen-NGO Erasing 76 Crimes schätzt, dass sich im August 2014 23 Personen aufgrund von Homosexualität in Haft befanden. 15 weitere würden auf freiem Fuß auf ihren Prozess warten. Die NGO gibt auch an, dass es unmöglich sei, eine vollständige Liste von Personen zu erstellen, die sich aufgrund von Verstößen gegen Anti-Homosexuellen-Gesetzen in Nigeria in Haft befinden würden. Nigerianische Medien berichten oft nur von Verhaftungen, manchmal auch von der Eröffnung von Prozessen, nie aber von Urteilen bezüglich LGBT-Personen. Die gleiche NGO schätzt im Oktober 2014, dass seit der Einführung des Same Sex Marriage (Prohibition) Act in ca. vier Bundesstaaten ca. 38 Personen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung verhaftet worden sind. Alleine im Bundesstaat Bauchi seien es zwölf (UKHO 3.2015). Das Gesetz ist vor allem unter dem Gesichtspunkt zu verstehen, dass man dem wachsenden Druck aus dem westlichen Ausland für die Gleichberechtigung Homosexueller die Stirn bieten möchte, da in Nigeria noch nie zwei Männer oder zwei Frauen versucht haben zu heiraten. Im Rahmen der Verabschiedung des Gesetzes und der negativen internationalen Reaktion kam es zu vermehrten Vorfällen von Verhaftungen und physischer Gewalt gegen vermeintlich Homosexuelle. Eine generelle "staatliche Verfolgung" ist allerdings derzeit nicht gegeben. Gesellschaftliche Diskriminierung bei offenem zur Schau stellen der sexuellen Orientierung ist vorhanden (ÖBA 9.2016).

Laut bereits bestehenden Gesetzen wird "Geschlechtsverkehr, der gegen die Ordnung der Natur geht" mit einer Haft von 14 Jahren bestraft. In den zwölf nördlichen Bundesstaaten, wo das islamische Recht in Kraft ist, werden homosexuelle Handlungen mit Haft, Stockschlägen oder Tode durch Steinigung bestraft. Aktivisten sind keine Fälle bekannt, bei denen die Todesstrafe umgesetzt wurde. Auch unter der Scharia kam es also nur zu wenigen Verurteilungen (HL1 16.11.2015; vgl. DS1 20.11.2015).

Die meisten Homosexuellen-NGOs haben ihre Basis in den Hauptstädten der Bundesstaaten (DS3 18.11.2015; vgl. DS2 19.11.2015; MSMA 17.11.2015). Üblicherweise sind die Homosexuellen-NGOs den Betroffenen auch bekannt (DS3 18.11.2015; vgl. MSMA 17.11.2015). Es existieren auch eigene HIV/AIDS-Kliniken, die gezielt für Homosexuelle Patienten eingerichtet wurden (IO1 20.11.2015; MSMA vgl. 17.11.2015).

Es existieren Netzwerke von Menschenrechtsanwälten, welche - im Falle der Verhaftung eines Homosexuellen - unmittelbar kontaktiert werden und die Person gegen "Kaution" freizukaufen versuchen (IO1 20.11.2015). Die Anwälte sind organisiert, es gibt unterschiedliche Vereine, z.B. Lawyers League for Minorities, Lawyers Alert oder die Coalition of Human Rights Lawyers (LLM 16.11.2015; vgl. HL1 16.11.2015).

Homosexuellen Netzwerke verschiedener Landesteile bzw. Städte sind miteinander in Kontakt. Die Netzwerke und Organisationen bieten auch Unterstützung und sogar Zufluchtsmöglichkeiten an (MSMA 17.11.2015; vgl. LLM 16.11.2015).

Quellen:

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http://allafrica.com/stories/201706080056.html, Zugriff 6.7.2017

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Reuters (31.7.2017): Mass arrest of 40 gay men in Nigeria may harm HIV fight: activist,

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TIERs - The Initiative for Equal Rights (03.2016): 2015 Report on Human Rights Violations based on perceived sexual orientation and gender identity in Nigeria,

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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