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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AufG 1992 §6 Abs2 idF 1995/351;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde der 1988 geborenen M M, vertreten durch die Mutter A Z, beide in Wien, letztere vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 15. November 1996, Zl. 119.042/2-III/11/96, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin verfügte nach der diesbezüglich unbedenklichen Aktenlage über einen von der österreichischen Botschaft in Moskau am 22. Dezember 1995 ausgestellten, bis zum 20. März 1996 gültigen gewöhnlichen Sichtvermerk. Am 14. Februar 1996 stellte die Beschwerdeführerin, vertreten durch ihre Mutter, beim Magistrat der Stadt Wien einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zum Zweck der Familiengemeinschaft mit ihrer Mutter. Als derzeitiger Wohnsitz war auf dem Antragsformular eine Adresse im 14. Wiener Gemeindebezirk angegeben.
Der Landeshauptmann von Wien wies den Antrag mit Bescheid vom 26. Februar 1996 mangels einer Antragstellung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus gemäß § 6 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) ab.
In der dagegen erhobenen, durch die Mutter der Beschwerdeführerin eingebrachten, Berufung wurde vorgebracht, die Beschwerdeführerin sei am 21. Jänner 1996 mit ihrer Mutter nach Österreich eingereist. Sie besuche mittlerweile die Volksschule in Wien.
Mit Bescheid vom 15. November 1996 wies der Bundesminister für Inneres die Berufung gemäß § 6 Abs. 2 AufG ab. In der Begründung führte der Bundesminister für Inneres aus, die Beschwerdeführerin habe nach der Aktenlage das Formular für einen Antrag auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz im Inland unterzeichnet und auch im Inland eingereicht. Aus ihrem Reisedokument sei keine Einreise nach der Antragstellung ersichtlich. Sie sei vor, während und nach der Antragstellung in Österreich polizeilich gemeldet bzw. aufhältig gewesen. Sie habe der Behörde mitgeteilt, in Wien die Volksschule zu besuchen. Nach Armenien oder Rußland könne sie aus finanziellen Gründen nicht reisen. Allein diese Tatsachen würden die Beurteilungen der Behörde erster Instanz in vollem Umfang stützen. Aus allen diesen Umständen ergebe sich, daß § 6 Abs. 2 AufG anzuwenden und die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung ausgeschlossen sei. Gerade im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen habe die Berufungsbehörde festgestellt, daß unter Abwägung der persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin mit den öffentlichen im Sinn des Art. 8 Abs. 2 MRK die öffentlichen Interessen überwögen.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG vor dem Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte mit Beschluß vom 25. Februar 1997, B 47/97-5, die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof ab.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (die Zustellung erfolgte am 5. Dezember 1996) ist für die Überprüfung seiner Rechtmäßigkeit durch den Verwaltungsgerichtshof die Rechslage nach der Novelle zum Aufenthaltsgesetz BGBl. Nr. 201/1996 maßgeblich.
§ 6 Abs. 2 AufG lautete:
"§ 6.
...
(2) Der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung ist vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. Begründet eine Einbringung auf dem Postweg oder durch Vertreter die Vermutung, daß diese Regelung umgangen werden soll, kann die persönliche Einbringung verlangt werden. Eine Antragstellung im Inland ist ausnahmsweise zulässig: Im Fall des Verlustes der österreichischen Staatsbürgerschaft, des Asyls oder des Aufenthaltsrechts gemäß § 1 Abs. 3 Z 1; weiters in den Fällen des § 7 Abs. 2, des § 12 Abs. 4 und einer durch zwischenstaatliche Vereinbarung oder durch eine Verordnung gemäß § 14 FrG ermöglichten Antragstellung nach Einreise; schließlich für jene im Bundesgebiet aufhältigen Personen, für die dies in einer Verordnung gemäß § 2 Abs. 3 Z 4 festgelegt ist. Der Antrag auf Verlängerung einer Bewilligung und auf Änderung des Aufenthaltszwecks kann bis zum Ablauf der Geltungsdauer der Bewilligung auch vom Inland aus gestellt werden."
Da die Beschwerdeführerin weder nach dem Beschwerdevorbringen noch nach der Aktenlage jemals über eine Aufenthaltsbewilligung verfügte, wertete die belangte Behörde ihren Antrag zu Recht nicht als Verlängerungsantrag. Der angefochtene Bescheid ist demnach auch nicht gemäß § 113 Abs. 6 und 7 des Fremdengesetzes 1997 mit Ablauf des 31. Dezember 1997 außer Kraft getreten.
Gemäß § 6 Abs. 2 erster Satz AufG ist der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. Nach dem ua. aus den Gesetzesmaterialien erschließbaren Normzweck des § 6 Abs. 2 AufG wird für die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung allerdings nicht nur vorausgesetzt, daß der Antrag vor der Einreise in das Bundesgebiet gestellt wird, sondern auch, daß die Entscheidung über den Antrag vom Ausland aus abgewartet wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1996, Zl. 95/19/1703, mwN). Das in § 6 Abs. 2 erster Satz AufG normierte Erfordernis, einen Bewilligungsantrag vom Ausland aus zu stellen und die Entscheidung über den Antrag vom Ausland aus abzuwarten, ist nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht als bloße Formvorschrift zu werten, sondern als Voraussetzung, deren Nichterfüllung zwingend die Abweisung eines Antrages nach sich zieht (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 24. Jänner 1997, Zl. 96/19/1010 und Zl. 95/19/0895).
Vom Erfordernis, den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung vom Ausland aus zu stellen und die Entscheidung darüber vom Ausland aus abzuwarten, war nur dann abzusehen, wenn die Beschwerdeführerin zu jenem Personenkreis zählte, der aufgrund § 6 Abs. 2 dritter Satz AufG oder einer darauf beruhenden Verordnung der Bundesregierung ausnahmsweise zur Inlandsantragstellung berechtigt war. Weder aus den vorgelegten Verwaltungsakten noch aus dem Beschwerdevorbringen ergeben sich jedoch Hinweise darauf, daß die Beschwerdeführerin zu diesem Personenkreis zählte. Die belangte Behörde hatte den Antrag daher an § 6 Abs. 2 erster Satz AufG zu messen.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist § 6 Abs. 2 erster Satz AufG im Wege einer teleologischen Reduktion allerdings dahingehend zu verstehen, daß diese Bestimmung bei einer Antragstellung während der Dauer eines gewöhnlichen Sichtvermerkes nicht anwendbar ist, daß somit eine auf § 6 Abs. 2 erster Satz AufG gestützte Abweisung eines im Inland gestellten Antrages auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung unzulässig ist, wenn die Antragstellung während der Dauer eines gewöhnlichen Sichtvermerkes erfolgte (vgl. zuletzt das hg. Erkenntnis vom 9. Oktober 1998, Zl. 97/19/0849). Da die Beschwerdeführerin nach der unbedenklichen Aktenlage, wie bereits erwähnt, über einen vom 22. Dezember 1995 bis zum 20. März 1996 gültigen gewöhnlichen Sichtvermerk der österreichischen Botschaft in Moskau verfügte und ihr Antrag nach der unbestrittenen Feststellung des angefochtenen Bescheides im Inland gestellt wurde, durfte die belangte Behörde die Abweisung des Antrages der Beschwerdeführerin nicht ausschließlich auf die - unbestritten - im Inland erfolgte Antragstellung stützen.
Dennoch ist der Beschwerde kein Erfolg beschieden. Sowohl in der Berufung als auch in ihrer Beschwerde räumt die Beschwerdeführerin selbst ein, sich (weiterhin) im Bundesgebiet aufzuhalten. Da die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin an § 6 Abs. 2 erster Satz AufG zu messen hatte, die Beschwerdeführerin einen Aufenthalt im Bundesgebiet aber selbst eingeräumt hat, kann die Schlußfolgerung der belangten Behörde, die Beschwerdeführerin habe die Entscheidung über ihren Antrag nicht gemäß § 6 Abs. 2 erster Satz AufG vom Ausland aus abgewartet und damit eine der Erfolgsvoraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung nicht erfüllt, nicht als rechtswidrig erkannt werden.
An dieser Beurteilung konnte auch der bis zum 20. März 1996 gültige gewöhnliche Sichtvermerk der Beschwerdeführerin nichts ändern. Zwar hätte ein Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Inland während der Dauer dieses Sichtvermerkes allein eine Abweisung aus dem Grunde des § 6 Abs. 2 AufG durch die belangte Behörde nicht gerechtfertigt, der erwähnte gewöhnliche Sichtvermerk war im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides jedoch bereits (mehrere Monate) abgelaufen, ohne daß die Beschwerdeführerin das Bundesgebiet verlassen hätte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 1997, Zl. 96/19/0684).
Dieses Ergebnis kann auch im Hinblick auf Art. 8 MRK nicht als rechtswidrig erkannt werden. Der Gesetzgeber der Novelle zum Aufenthaltsgesetz BGBl. Nr. 351/1995 hat mit den §§ 2 Abs. 3 Z. 4 und 6 Abs. 2 dritter Satz AufG sowie mit der darin enthaltenen - von der Bundesregierung auch genützten - Verordnungsermächtigung bereits auf die durch Art. 8 Abs. 1 MRK geschützten Interessen von Angehörigen von Fremden Bedacht genommen. Eine weitere Bedachtnahme auf Art. 8 MRK durch die belangte Behörde kommt daher nicht in Betracht. Verfassungsmäßige Bedenken dagegen, daß die Umschreibung desjenigen Personenkreises, der ausnahmsweise zur Antragstellung im Inland sowie zum Abwarten der Entscheidung über diesen Antrag im Inland berechtigt ist, Art. 8 MRK nicht entspräche, sind beim Verwaltungsgerichtshof auch aus Anlaß des Falles der Beschwerdeführerin nicht entstanden. Der Fall der Beschwerdeführerin ist auch nicht vergleichbar mit jenen Fällen, in denen nach der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts aufgrund einer verfassungskonformen Interpretation des § 6 Abs. 2 AufG eine analoge Anwendung der Bestimmungen über die Verlängerung von Aufenthaltsbewilligungen geboten wäre (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 16. Juni 1995, Slg. Nr. 14148, sowie das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 1997, Zl. 95/19/1475).
Soweit die Beschwerdeführerin vorbringt, eine Rückkehr in ihre Heimat Armenien wäre ihr nicht zumutbar, ist ihr zu entgegnen, daß diese behaupteten Umstände nicht im Verfahren zur Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung, sondern allenfalls im Verfahren über die Zulässigkeit einer aufenthaltsbeendenden Aufenthaltsmaßnahme nach dem Fremdengesetz zu berücksichtigen wären.
Soweit die Beschwerdeführerin schließlich die mangelnde Manuduktion durch die belangte Behörde rügt, verkennt sie, daß sich die Manuduktionspflicht der Behörde nach § 13a AVG auf die zur Vornahme von Verfahrenshandlungen nötigen Anleitungen und auf die Belehrung über die mit diesen Handlungen oder Unterlassungen unmittelbar verbundenen Rechtsfolgen bezieht, nicht aber darauf, ob und welches materielle Vorbringen die Partei zur Wahrung ihrer Rechte zu machen hat (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998), 362 (E 9 zu § 13a AVG) zitierte hg. Judikatur).
Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 12. Februar 1999
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1997190974.X00Im RIS seit
11.07.2001Zuletzt aktualisiert am
09.06.2010