TE Bvwg Erkenntnis 2019/2/21 I417 2212487-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.02.2019
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Entscheidungsdatum

21.02.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs3 Z1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
EMRK Art.2
EMRK Art.3
EMRK Art.8
FPG §46
FPG §50 Abs1
FPG §50 Abs2
FPG §50 Abs3
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I417 2212487-1/5E

I417 2212485-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Friedrich ZANIER als Einzelrichter über die Beschwerden der XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit Nigeria, und des XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit Nigeria, beide vertreten durch die "Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH" und durch die "Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH" in 1170 Wien, Wattgasse 48/3. Stock, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.11.2018, Zl. XXXX und Zl. XXXX, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Die Verfahren der am XXXX1995 geborenen Erstbeschwerdeführerin sowie ihres Kindes (des am XXXX2018 geborenen Zweitbeschwerdeführers) sind im Sinne des § 34 AsylG 2005 gemeinsam als Familienverfahren zu führen.

1. Die Erstbeschwerdeführerin reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen in das Bundesgebiet ein und stellte erstmals am 13.12.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Es wurde ein Konsultationsverfahren mit Frankreich eingeleitet, wobei Frankreich der Übernahme des Verfahrens mit Schreiben vom 29.12.2015 zustimmte. Aufgrund dessen wurde der Erstantrag der Erstbeschwerdeführerin mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (fortan: BFA; belangte Behörde) vom 29.01.2016 als unzulässig zurückgewiesen, eine gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mittels Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 15.03.2016 rechtskräftig als unbegründet abgewiesen.

Von 19.02.2016 bis zum 03.11.2016 war die Erstbeschwerdeführerin nicht mehr aufrecht im Bundesgebiet gemeldet. Eine Überstellung nach Frankreich erfolgte nicht.

2. Nach Ablauf der Überstellungsfrist brachte die Erstbeschwerdeführerin am 03.04.2018 den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz ein. Begründend führte sie aus, Nigeria verlassen zu haben, da ihre Familie sehr arm gewesen sei. Da sie kein Geld gehabt hätten, habe die Erstbeschwerdeführerin auch keine Schule besuchen können. Weitere Gründe für ihre Antragstellung habe die Erstbeschwerdeführerin nicht.

3. Am 23.10.2018 wurde für den am XXXX.2018 nachgeborenen Sohn der Erstbeschwerdeführerin (Zweitbeschwerdeführer) ein Antrag auf internationalen Schutz eingebracht. Für den Zweitbeschwerdeführer wurden keine eigenen Fluchtgründe vorgebracht.

4. Bei ihrer niederschriftlichen Einvernahme durch die belangte Behörde am 30.10.2018 bestätigte die Erstbeschwerdeführerin zunächst die Richtigkeit ihres bisherigen Vorbringens. Befragt zu ihren Fluchtgründen gab sie an, dass ihre Familie sehr arm gewesen sei und sie deshalb nicht zur Schule habe gehen können. Ihre Mutter sei sehr krank und die Erstbeschwerdeführerin habe nicht das Geld, um sie in ein Krankenhaus bringen zu lassen. Ihr Vater sei 2012 verstorben. Die Erstbeschwerdeführerin bestätigte zunächst audrücklich, dass dies alle ihre Fluchtgründe gewesen seien. Erst auf explizite Nachfrage des Behördenvertreters, ob sie denn jemals in Nigeria persönlich bedroht worden sei, schilderte sie nachträglich einen Sachverhalt hinsichtlich eines Mannes namens "Obimi", dem ihr Vater Geld geschuldet hätte. Dieser habe sie telefonisch in Frankreich kontaktiert und gesagt, sofern die Erstbeschwerdeführerin nicht die Schulden ihres Vaters begleiche, werde er sie umbringen, wenn sie nach Nigeria zurückkehren sollte. Damit "Obimi" sie nicht finden könne, sei die Erstbeschwerdeführerin nach Österreich gekommen. Im weiteren Verlauf der Einvernahme gab die Erstbeschwerdeführerin wiederum an, ihr Bruder in der Heimat habe "Obimi" beruhigen können, sodass er seine Drohanrufe schlussendlich eingestellt habe.

5. In der Folge wurden die Anträge der Beschwerdeführer mit den im Spruch genannten Bescheiden des BFA vom 07.11.2018 hinsichtlich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurden die Anträge auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Nigeria abgewiesen (Spruchpunkt II. der angefochtenen Bescheide). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde den Beschwerdeführern gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III. der angefochtenen Bescheide). Gemäß § 10 Abs. 1 Ziffer 3 AsylG 2005 iVm. § 9 BFA-VG wurden gegen die Beschwerdeführer Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Abs. 2 Ziffer 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV. der angefochtenen Bescheide). Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführer gemäß § 46 FPG nach Nigeria zulässig sei (Spruchpunkt V. der angefochtenen Bescheide). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI. der angefochtenen Bescheide). Das über die rein wirtschaftlichen Erwägungen hinausgehende Fluchtvorbringen der Erstbeschwerdeführerin wurde als nicht glaubhaft angesehen. Es sei auch nicht davon auszugehen, dass den Beschwerdeführern im Falle einer Rückkehr nach Nigeria Gefahren drohen würden, die eine Erteilung des subsidiären Schutzes rechtfertigen würde. Es würden sich keine Anhaltspunkte ergeben haben, dass die Erstbeschwerdeführerin bei ihrer Rückkehr Gefahr laufe, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworden zu werden.

6. Mit Schriftsatz ihrer Rechtsvertretung vom 05.12.2018 erhoben die Beschwerdeführer Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

1.1. Zu den Personen der Beschwerdeführer:

Die Erstbeschwerdeführerin ist volljährig, ledig und die Erziehungsberechtigte des minderjährigen Zweitbeschwerdeführers. Die Beschwerdeführer sind Staatsangehörige von Nigeria. Die Erstbeschwerdeführerin ist Angehörige der Volksgruppe der Ishan und bekennt sich zum christlichen Glauben. Der Zweitbeschwerdeführer gehört der Volksgruppe seines Vaters, der Agbo, an.

Die Erstbeschwerdeführerin hält sich seit (mindestens) 13.12.2015 in Österreich auf. Der Zweitbeschwerdeführer wurde am XXXX.2018 in Österreich geboren. Das Verfahren wird als Familienverfahren nach § 34 AsylG geführt.

Die Erstbeschwerdeführerin leidet an Hepatitis B, befindet sich jedoch aktuell nicht in medikamentöser Behandlung. Hepatitis B ist in Nigeria behandelbar. Der Zweitbeschwerdeführer ist gesund.

Die Erstbeschwerdeführerin lebte bis zu ihrer Ausreise aus Nigeria gemeinsam mit ihrem Bruder in Benin City, welcher sie auch finanziell unterstütze. Ihre Mutter, ihre zwei Brüder als auch ihre vier Schwestern sind nach wie vor in Nigeria aufhältig.

Aus der Beziehung der Erstbeschwerdeführerin zu einem nigerianischen Staatsangehörigen in Österreich entstammt der minderjährige Zweitbeschwerdeführer. Der Kindesvater (IFA-Zl: XXXX) brachte in Österreich insgesamt 5 Anträge auf internationalen Schutz ein, wobei der letzte mittels Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 29.08.2018, Zl. I405 2199918-1 rechtskräftig als unbegründet abgewiesen wurde. Zudem wurde gegen den in Österreich sechsfach rechtskräftig strafgerichtlich verurteilten Kindesvater eine Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem auf die Dauer von 10 Jahren befristeten Einreiseverbot erlassen. Seit 15.10.2018 ist der Kindesvater nicht mehr aufrecht im Bundesgebiet gemeldet. Es kann nicht festgestellt werden, ob die Erstbeschwerdeführerin nach wie vor in aufrechtem Kontakt zum Vater ihres Kindes steht oder ob sich dieser nach wie vor im Bundesgebiet aufhält. Die Erstbeschwerdeführerin steht in aufrechtem Kontakt zu ihrer Familie in Nigeria.

Die Erstbeschwerdeführerin verfügt in Österreich - abgesehen vom Zweitbeschwerdeführer - über keine familiären Anknüpfungspunkte und führt in Österreich auch keine Lebensgemeinschaft. Sie weist keine maßgeblichen sprachlichen, sozialen oder integrativen Verfestigungen auf. Ihren Lebensunterhalt bestreiten die Beschwerdeführer in Österreich aus Mitteln der Grundversorgung.

Die Beschwerdeführer sind strafgerichtlich unbescholten.

Es wird des Weiteren festgestellt, dass es der Erstbeschwerdeführerin möglich ist, im Falle ihrer Rückkehr den eigenen Lebensunterhalt und den Lebensunterhalt für den Zweitbeschwerdeführer bestreiten zu können.

1.2. Zu den Fluchtmotiven der Beschwerdeführer:

Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer in Nigeria aufgrund ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung verfolgt werden würden. Die Beschwerdeführer werden im Fall ihrer Rückkehr nach Nigeria mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner Verfolgung aufgrund ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung ausgesetzt sein.

1.3. Zu den Feststellungen zur Lage in Nigeria:

1.3.1. Zur allgemeinen Situation in Nigeria:

Das politische System Nigerias orientiert sich stark am System der Vereinigten Staaten; in der Verfassungswirklichkeit dominieren der Präsident und die ebenfalls direkt gewählten Gouverneure. Die lange regierende People¿s Democratic Party (PDP) musste nach den Wahlen 2015 erstmals seit 1999 in die Opposition; seither ist die All Progressives¿ Congress (APC) unter Präsident Muhammadu Buhari an der Macht.

In Nigeria herrscht keine Bürgerkriegssituation, allerdings sind der Nordosten, der Middle Belt und das Nigerdelta von Unruhen und Spannungen geprägt. Für einzelne Teile Nigerias besteht eine Reisewarnung, insbesondere aufgrund des hohen Entführungsrisikos.

Im Norden und Nordosten Nigerias hat sich die Sicherheitslage verbessert; in den ländlichen Teilen der Bundesstaaten Borno, Yobe und Adamawa kommt es aber weiterhin zu Anschlägen der Boko Haram. Es gelang den Sicherheitskräften zwar, Boko Haram aus den meisten ihrer Stellungen zu vertreiben, doch war es kaum möglich, die Gebiete vor weiteren Angriffen durch die Islamisten zu schützen. Der nigerianischen Armee wird vorgeworfen, im Kampf gegen Boko Haram zahlreiche Menschenrechtsverletzungen begangen zu haben; die von Präsident Buhari versprochene Untersuchung blieb bisher aber folgenlos.

Das Nigerdelta (Bundesstaaten Ondo, Edo, Delta, Bayelsa, Rivers, Imo, Abia, Akwa Ibom und Cross River) ist seit Jahren von gewalttätigen Auseinandersetzungen und Spannungen rund um die Verteilung der Einnahmen aus den Öl- und Gasreserven geprägt. Von 2000 bis 2010agierten in der Region militante Gruppen, die durch ein im Jahr 2009 ins Leben gerufene Amnestieprogramm zunächst beruhigt wurden. Nach dem Auslaufen des Programmes Ende 2015 brachen wieder Unruhen aus, so dass eine weitere Verlängerung beschlossen wurde. Die Lage hat sich seit November 2016 wieder beruhigt, doch bleibt sie volatil. Insbesondere haben Angriffe auf die Ölinfrastrukturen in den letzten zwei Jahren wieder zugenommen. Abgelegene Gebiete im Nigerdelta sind teils auch heute noch unter der Kontrolle separatistischer und krimineller Gruppen.

In Zentralnigeria (Middle Belt bzw. Jos Plateau) kommt es immer wieder zu lokalen Konflikten zwischen ethnischen, sozialen und religiösen Gruppen. Der Middle Belt bildet eine Brücke zwischen dem vorwiegend muslimischen Nordnigeria und dem hauptsächlich christlichen Süden. Der Ursprung dieser Auseinandersetzungen, etwa zwischen (überwiegend muslimischen nomadischen) Hirten und (überwiegend christlichen) Bauern, liegt oft nicht in religiösen Konflikten, entwickelt sich aber häufig dazu.

Die Justiz Nigerias hat ein gewisses Maß an Unabhängigkeit und Professionalität erreicht, doch bleibt sie politischem Einfluss, Korruption und einem Mangel an Ressourcen ausgesetzt. Eine systematisch diskriminierende Strafverfolgung ist nicht erkennbar, doch werden aufgrund der herrschenden Korruption tendenziell Ungebildete und Arme benachteiligt. Das Institut der Pflichtverteidigung gibt es erst in einigen Bundesstaaten. In insgesamt zwölf nördlichen Bundesstaaten wird die Scharia angewendet, Christen steht es aber frei, sich einem staatlichen Gerichtsverfahren zu unterwerfen. Der Polizei, die durch geringe Besoldung und schlechte Ausrüstung eingeschränkt ist, wird oftmals die Armee zur Seite gestellt. Insgesamt ist trotz der zweifelsohne vorhandenen Probleme im Allgemeinen davon auszugehen, dass die nigerianischen Behörden gewillt und fähig sind, Schutz vor nichtstaatlichen Akteuren zu bieten. Problematisch ist aber insbesondere, dass Gefangene häufig Folterung und Misshandlung ausgesetzt sind. Disziplinarrechtliche oder strafrechtliche Folgen hat dies kaum. Die Bedingungen in den Haftanstalten sind hart und lebensbedrohlich. Nigeria hält an der Todesstrafe fest, diese ist seit 2006 de facto ausgesetzt, wobei es in den Jahren 2013 und 2016 in Edo State aber zu einzelnen Hinrichtungen gekommen war. Die Regierung Buharis hat der Korruption den Kampf erklärt, doch mangelt es ihr an effektiven Mechanismen.

Die Menschenrechtssituation in Nigeria hat sich in den letzten 20 Jahren verbessert, schwierig bleiben aber die allgemeinen Lebensbedingungen. Die Versammlungsfreiheit ist verfassungsrechtlich garantiert, wird aber gelegentlich durch das Eingreifen von Sicherheitsorganen bei politisch unliebsamen Versammlungen eingeschränkt. Die politische Opposition kann sich aber grundsätzlich frei betätigen; es gibt auch keine Erkenntnisse über die Verfolgung von Exilpolitikern durch die nigerianische Regierung. Gelegentlich gibt es aber, vor allem bei Gruppen mit sezessionistischen Zielen, Eingriffe seitens der Staatsgewalt. Dabei ist insbesondere die Bewegung im Süden und Südosten Nigerias zu nennen, die einen unabhängigen Staat Biafra fordert. Dafür treten sowohl das Movement for the Actualisation of the Sovereign State of Biafra (MASSOB) und die Indigenous People of Biafra (IPOB) ein. Seit der Verhaftung des Leiters des inzwischen verbotenen Radiosenders "Radio Biafra" im Oktober 2015 kommt es vermehrt zu Demonstrationen von Biafra-Anhänger, gegen die laut verschiedenen Berichten, unter anderem von Amnesty International, von den nigerianischen Sicherheitskräften mit Gewalt vorgegangen worden sein soll.

Im Vielvölkerstaat Nigeria ist Religionsfreiheit einer der Grundpfeiler des Staatswesens. Etwa 50% der Bevölkerung sind Muslime, 40 bis 45% Christen und der Rest Anhänger von Naturreligionen. Im Norden dominieren Muslime, im Süden Christen. Religiöse Diskriminierung ist verboten. In der Praxis bevorzugen die Bundesstaaten aber in der Regel die jeweils durch die lokale Mehrheitsbevölkerung ausgeübte Religion. Insbesondere in den Scharia-Staaten ist die Situation für Christen sehr schwierig. Die Toleranz zwischen den Glaubensgemeinschaften ist nur unzureichend ausgeprägt, mit Ausnahme der Yoruba im Südwesten Nigerias, unter denen auch Ehen zwischen Christen und Muslimen verbreitet sind. Speziell in Zentralnigeria kommt es zu lokalen religiösen Auseinandersetzungen, die auch zahlreiche Todesopfer gefordert haben. In Nigeria gibt es auch noch Anhänger von Naturreligionen ("Juju"); eine Verweigerung der Übernahme einer Rolle als Priester kann schwierig sein, doch wird dies nicht als Affront gegen den Schrein empfunden und sind auch keine Fälle bekannt, in denen dies zu einer Bedrohung geführt hätte. Im Süden Nigerias sind auch Kulte und Geheimgesellschaften vorhanden; insbesondere im Bundesstaat Rivers überschneiden sich Kulte häufig mit Straßenbanden, kriminellen Syndikaten etc. Mafiöse Kulte prägen trotz ihres Verbotes das Leben auf den Universitäten; es wird auch über Menschenopfer berichtet.

Insgesamt gibt es (je nach Zählweise) mehr als 250 oder 500 Ethnien in Nigeria. Die wichtigsten sind die Hausa/Fulani im Norden, die Yoruba im Südwesten und die Igbo im Südosten. Generell herrscht in Nigeria Bewegungsfreiheit und ist Diskriminierung aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Ethnie verboten. Allerdings diskriminieren Gesetze jene ethnischen Gruppen, die am jeweiligen Wohnort nicht eigentlich indigen sind. So werden etwa Angehörige der Volksgruppe Hausa/Fulani im Bundesstaat Plateau diskriminiert.

Generell besteht aufgrund des fehlenden Meldewesens in vielen Fällen die Möglichkeit, Verfolgung durch Umzug in einen anderen Teil des Landes auszuweichen. Dies kann aber mit gravierenden wirtschaftlichen und sozialen Problemen verbunden sein, wenn man sich an einen Ort begibt, in dem keinerlei Verwandtschaft oder Bindung zur Dorfgemeinschaft besteht.

Nigeria verfügt über sehr große Öl- und Gasvorkommen, der Großteil der Bevölkerung ist aber in der Landwirtschaft beschäftigt. Abgesehen vom Norden gibt es keine Lebensmittelknappheit. Mehr als zwei Drittel der Bevölkerung leben in absoluter Armut. Offizielle Arbeitslosenstatistiken gibt es nicht, allerdings gehen verschiedene Studien von einer Arbeitslosigkeit von 80% aus. Die Großfamilie unterstützt beschäftigungslose Angehörige.

Die medizinische Versorgung ist mit jener in Europa nicht vergleichbar, sie ist vor allem im ländlichen Bereich problematisch. Leistungen der Krankenversicherung kommen nur etwa 10% der Bevölkerung zugute. In den Großstädten ist eine medizinische Grundversorgung zu finden, doch sind die Behandlungskosten selbst zu tragen. Medikamente sind verfügbar, können aber teuer sein.

Besondere Probleme für abgeschobene Asylwerber nach ihrer Rückkehr nach Nigeria sind nicht bekannt. Das "Decree 33", das eine Doppelbestrafung wegen im Ausland begangener Drogendelikte theoretisch ermöglichen würde, wird nach aktueller Berichtslage nicht angewandt.

1.3.2. Zur Situation von Frauen in Nigeria:

Auch wenn die Verfassung Gleichberechtigung vorsieht, kommt es zu beachtlicher ökonomischer Diskriminierung von Frauen (USDOS 3.3.2017). Frauen werden in der patriarchalischen und teilweise polygamen Gesellschaft Nigerias dennoch in vielen Rechts- und Lebensbereichen benachteiligt. Dies wird am deutlichsten in Bereichen, in denen vor allem traditionelle Regeln gelten: So sind Frauen in vielen Landesteilen aufgrund von Gewohnheitsrecht von der Erbfolge nach ihrem Ehemann ausgeschlossen (AA 21.11.2016). Allerdings berichtet die Bertelsmann Stiftung, dass der Oberste Gerichtshof in einem bahnbrechenden Urteil entschied, dass Witwen das Recht haben von dem Verstorbenen zu erben (BS 2016). Vor allem im Osten des Landes müssen sie entwürdigende und die persönliche Freiheit einschränkende Witwenzeremonien über sich ergehen lassen (z.B. werden sie gezwungen, sich den Kopf zu rasieren oder das Haus für einen bestimmten Zeitraum nicht zu verlassen oder sind rituellen Vergewaltigungen ausgesetzt). Darüberhinaus können Frauen im Norden zum Teil keiner beruflichen Betätigung nachgehen, weil sie die familiäre Wohnung ohne Begleitung eines männlichen Angehörigen nicht verlassen dürfen (AA 21.11.2016). Die geschlechtsspezifische Diskriminierung im Rechtssystem konnte allerdings reduziert werden. Auf Bundesstaats- und Bezirksebene (LGA) spielen Frauen jedoch kaum eine Rolle (BS 2016).

Frauen mit Sekundär- und Tertiärbildung haben Zugang zu Arbeitsplätzen in staatlichen und öffentlichen Institutionen. Immer mehr Frauen finden auch Arbeit im expandierenden Privatsektor (z.B. Banken, Versicherungen, Medien). Einige Frauen besetzen prominente Posten in Regierung und Justiz. So findet sich z.B. beim Obersten Gerichtshof eine oberste Richterin, auch die Minister für Finanz und für Erdöl sind Frauen (BS 2016). Insgesamt bleiben Frauen in politischen und wirtschaftlichen Führungspositionen nach wie vor unterrepräsentiert. In den 36 Bundesstaaten Nigerias gibt es keine Gouverneurin, allerdings vier Vizegouverneurinnen (AA 21.11.2016). Die Zahl weiblicher Abgeordneter ist gering - nur 6 von 109 Senatoren und 14 von 360 Mitgliedern des Repräsentantenhauses sind Frauen (AA 4.2017a). In der informellen Wirtschaft haben Frauen eine bedeutende Rolle (Landwirtschaft, Nahrungsmittel, Märkte, Handel) (USDOS 3.3.2017).

Das Gesetz Violence Against Persons Prohibition Act (VAPP) befasst sich mit sich mit sexueller Gewalt, körperlicher Gewalt, psychologischer Gewalt, schädlichen traditionellen Praktiken und sozioökonomischen Gewalt. Laut dem VAPP stellen häusliche Gewalt, gewaltsames Hinauswerfen des Ehepartners aus der gemeinsamen Wohnung, erzwungene finanzielle Abhängigkeit, verletzende Witwenzeremonien, FGM/C usw. Straftatbestände da. Opfer haben Anspruch auf umfassende medizinische, psychologische, soziale und rechtliche Unterstützung. Das Gesetz ist nur im Federal Capital Territory (FCT) gültig, solange es nicht in den anderen Bundesstaaten verabschiedet wird (USDOS 3.3.2017).

Häusliche Gewalt ist weit verbreitet und wird sozial akzeptiert. Die Polizei schreitet oft bei häuslichen Disputen nicht ein. In ländlichen Gebieten zögerten die Polizei und die Gerichte, in Fällen aktiv zu werden, in welchen die Gewalt das traditionell akzeptierte Ausmaß des jeweiligen Gebietes nicht überstieg (USDOS 3.3.2017).

Geschlechtsspezifische Gewalt ist in Nigeria auf nationaler Ebene nicht unter Strafe gestellt. Einige Bundesstaaten, hauptsächlich im Süden gelegene, haben Gesetze, die geschlechtsspezifische Gewalt verbieten oder versuchen bestimmte Rechte zu schützen. Für häusliche Gewalt sieht das VAPP eine Haftstrafe von Maximum drei Jahren, eine Geldstrafe von höchstens 200.000 Naira oder eine Kombination von Haft- und Geldstrafe vor (USDOS 3.3.2017). Frauen zögern oft, Misshandlungsfälle bei den Behörden zu melden. Viele Misshandlungen werden nicht gemeldet. Begründet wird dies damit, dass die Polizei nicht gewillt ist, Gewalt an Frauen ernst zu nehmen und Anschuldigungen weiterzuverfolgen. Die Zahl an Fällen strafrechtlicher Verfolgung von häuslicher Gewalt ist niedrig, obwohl die Gerichte diese Vergehen zunehmend ernst nehmen. Die Polizei arbeitet in Kooperation mit anderen Behörden, um die Reaktion und die Haltung gegenüber geschlechtsspezifischer Gewalt zu verbessern. Dies beinhaltet den Aufbau von Referenzeinrichtungen für Opfer sexueller Misshandlung, sowie die Neuerrichtung eines Genderreferats. Im Allgemeinen sind die nigerianischen Behörden gewillt und fähig, Schutz vor nichtstaatlichen Akteuren zu bieten, wobei Frauen mit größeren Schwierigkeiten bei der Suche und beim Erhalt von Schutz insbesondere vor sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt konfrontiert sind als Männer (UKHO 8.2016b).

Vergewaltigung ist ein Kriminaldelikt. Das VAPP erweitert den Anwendungsbereich des bestehenden Rechts mit Bezug auf Vergewaltigungen. Gemäß dem VAPP beträgt das Strafmaß zwischen zwölf Jahren und lebenslänglicher Haft. Es sieht auch ein öffentliches Register von verurteilten Sexualstraftätern vor. Auf lokaler Ebene sollen Schutzbeamte ernannt werden, die sich mit Gerichten koordinieren und dafür sorgen sollen, dass die Opfer relevante Unterstützung bekommen. Das Gesetz enthält auch eine Bestimmung, welche die Gerichte dazu ermächtigt, den Vergewaltigungsopfern eine angemessene Entschädigung zuzusprechen (USDOS 3.3.2017).

Vergewaltigungen bleiben aber weit verbreitet. Aus einer Studie geht hervor, dass der erste sexuelle Kontakt bei drei von zehn Mädchen im Alter von zehn bis neunzehn Jahren eine Vergewaltigung war. Sozialer Druck und Stigmatisierung reduzieren die Zahl der tatsächlich zur Anzeige gebrachten Fälle (USDOS 3.3.2017).

Das Bundesgesetz kriminalisiert weibliche Beschneidung oder Genitalverstümmlung (USDOS 3.3.2017). Etwa 20 Millionen nigerianische Frauen sind Opfer von FGM. Das Gesundheitsministerium, Frauengruppen und viele NGOs führen Sensibilisierungskampagnen durch, um die Gemeinden hinsichtlich der Folgen von FGM aufzuklären (USDOS 3.3.2017; vgl. AA 21.11.2017).

Das kanadische Immigration and Refugee Board berichtet, dass es unterschiedliche Zahlen zur Prävalenz der FGM in Nigeria gibt. Einige Quellen geben an, dass über 40 Prozent% der Frauen in Nigeria FGM ausgesetzt sind. Laut anderen Quellen liegt die Prävalenz der FGM zwischen 25-27 Prozent (IRB 13.9.2016) Dabei gibt es erhebliche regionale Diskrepanzen. In einigen Regionen im Südwesten und in der Region Süd-Süd wird die große Mehrzahl der Mädchen auch heute noch Opfer von Genitalverstümmelungen, in weiten Teilen Nordnigerias ist der Anteil erheblich geringer. Genitalverstümmelungen sind generell in ländlichen Gebieten weiter verbreitet als in den Städten (AA 21.11.2016).

Es gibt für Opfer von FGM bzw. für Frauen und Mädchen, die von FGM bedroht sind, Schutz und/oder Unterstützung durch Regierungs- und NGO-Quellen (UKHO 2.2017). Insgesamt kann festgestellt werden, dass Frauen, die von FGM bedroht sind und die nicht in der Lage oder nicht willens sind, sich dem Schutz des Staates anzuvertrauen, auf sichere Weise in einen anderen Teil Nigerias übersiedeln können, wo es sehr unwahrscheinlich ist, dass sie von ihren Familienangehörigen aufgespürt werden. Frauen, welche diese Wahl treffen, können sich am neuen Wohnort dem Schutz von Frauen-NGOs anvertrauen (UKHO 12.2013; vgl. UKHO .2.2017). U.a. folgende Organisationen gehen in Nigeria gegen FGM vor: The National Association of Nigerian Nurses and Midwives (NHW 10.5.2016), Nigerian Medical Women's Association -Nigerian Medical Association (AllAfrica 3.9.2014). UNFPA, der Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen, und UNICEF starteten in Zusammenarbeit mit dem Office of the First Lady, und den Bundesministerien für Gesundheit, Frauen und soziale Entwicklung am 9.2.2016 ein gemeinsames Projekt gegen FGM (UNFPA 9.2.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (21.11.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria

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AA - Auswärtiges Amt (4.2017a): Nigeria - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/D3.8.2016, Zugriff 22.6.2017

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AllAfrica (3.9.2014): Nigeria: Eradicating Female Genital Cutting, Hope for the Nigerian Child,

http://allafrica.com/stories/201409040129.html, Zugriff 4.7.2017

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BS - Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016 - Nigeria Country Report,

http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Nigeria.pdf, Zugriff 4.7.2017

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IBT - International Business Times (26.5.2015): Nigeria Bans Female Genital Mutilation: African Powerhouse Sends 'Powerful Signal' About FGM With New Bill, http://www.ibtimes.com/nigeria-bans-female-genital-mutilation-african-powerhouse-sends-powerful-signal-about-1938913, Zugriff 4.7.2017

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IRB - Immigration and Refugee Board of Canada (13.9.2016):

Responses to Information Requests, http://www.irb.gc.ca/Eng/ResRec/RirRdi/Pages/index.aspx?doc=456691&pls=1, Zugriff 22.6.2017

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NHW - Nigerian Healthwatch (10.5.2016): Five big issues at the International Conference of Midwives in Abuja, http://nigeriahealthwatch.com/five-big-issues-at-the-international-conference-on-midwives-in-abuja/, Zugriff 4.7.2017

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UKHO - United Kingdom Home Office (2.2.017): Country Policy and Information Note Nigeria: Female Genital Mutilation (FGM), https://www.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/595458/CPIN_-_NGA_-_FGM_-_v_1_0.pdf, Zugriff 23.6.2017

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UKHO - United Kingdom Home Office (8.2016b): Country Information and Guidance Nigeria: Women fearing gender-based harm or violence, https://www.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/595734/CIG_-_Nigeria_-_Women.pdf, Zugriff 22.6.2017

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UKHO - United Kingdom Home Office (12.2013): Operational Guidance Note - Nigeria,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1387367781_nigeria-ogn.pdf, Zugriff 4.7.2017

-

UNFPA (9.2.2016): Female Genital Mutilation must end within a generation, says Nigerian First Lady, http://wcaro.unfpa.org/news/female-genital-mutilation-must-end-within-generation-says-nigerian-first-lady, Zugriff 4.7.2017

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USDOS - U.S. Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Prac-tices 2016 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/337224/479988_de.html, Zugriff 8.6.2017

(Alleinstehende) Frauen: interne Relokation, Rückkehr, Menschenhandel

Es besteht kein spezielles Unterstützungsprogramm für allein zurückkehrende Frauen und Mütter. Organisationen, die Unterstützungsprogramme betreiben, konzentrieren sich hauptsächlich auf Opfer des Menschenhandels (IOM 8.2013). Nigeria verfügt hier über eine Anzahl staatlicher und halbstaatlicher Einrichtungen, insbesondere die National Agency for the Prohibition of Trafficking in Persons (NAPTIP), die sich um die Rehabilitierung und psychologische Betreuung rückgeführter Frauen annehmen und in jeder der sechs geopolitischen Zonen Regionalbüros unterhalten. NAPTIP kann als durchaus effektive nigerianisches Institution angesehen werden und kooperiert mit mehreren EUMS bei der Reintegration. NAPTIP ist Rückführungspartner für Drittstaaten und leistet u.a. Integrationshilfe (ÖBA 9.2016).

Hinsichtlich Menschenhandels ist ein ausgeklügeltes und effektives rechtliches und institutionelles Netz aktiv. Die wichtigste Institution ist NAPTIP. Sie ist für die Untersuchung und Anklage von Fällen des Menschenhandels verantwortlich, für Kooperation und Koordination, für die Unterstützung von Opfern und für die Vorbeugung. Das nigerianische Modell wird als eines der besten existierenden Modelle erachtet (OHCHR 14.3.2014). NAPTIP hat nach eigenen Angaben seit ihrer Gründung bis 2011 über 4.000 Opfer des organisierten Menschenhandels befreit und seit 2008 die Verurteilung von mindestens 120 Menschenhändlern erreicht (AA 21.11.2016).

Es gibt viele Frauengruppen, die die Interessen der Frauen vertreten, praktische Hilfe und Zuflucht anbieten (UKHO 8.2016b). In Nigeria sind neben den UN-Teilorganisationen 40.000 NGOs registriert, welche auch im Frauenrechtsbereich tätig sind. Die Gattinnen der 36 Provinzgouverneure sind in von ihnen finanzierten "pet projects" gerade im Frauenbildungs- und Hilfsbereich sehr aktiv und betreuen Frauenhäuser, Bildungseinrichtungen für junge Mädchen, rückgeführte Prostituierte und minderjährige Mütter sowie Kliniken und Gesundheitszentren für Behinderte, HIV-Erkrankte und Pensionisten neben zahlreichen Aufklärungskampagnen für Brustkrebsfrühuntersuchungen, gegen Zwangsbeschneidung und häusliche Gewalt. Für unterprivilegierte Frauen bestehen in großen Städten Beschäftigungsprogramme, u.a. bei der Straßenreinigung (ÖBA 9.2016).

Auch Diskriminierung im Arbeitsleben ist für viele Frauen Alltag.

Alleinstehende Frauen begegnen dabei besonderen Schwierigkeiten: Im traditionell konservativen Norden, aber auch in anderen Landesteilen, sind sie oft erheblichem Druck der Familie ausgesetzt und können diesem häufig nur durch Umzug in eine Stadt entgehen, in der weder Familienangehörige noch Freunde der Familie leben. Im liberaleren Südwesten des Landes - und dort vor allem in den Städten - werden alleinstehende oder allein lebende Frauen eher akzeptiert (AA 21.11.2016).

Die Verfassung und Gesetze sehen für interne Bewegungsfreiheit vor und Berichten zufolge treten Frauen aus dem ganzen Land kurze oder lange Reisen alleine an. Die Bewegungsfreiheit der Frauen aus muslimischen Gemeinden in den nördlichen Regionen ist jedoch stärker eingeschränkt. Im Allgemeinen ist eine interne Relokation für insbesondere alleinstehende und kinderlose Frauen nicht übermäßig hart, im Falle der Flucht vor einer lokalen Bedrohung, die von ihrer Familie oder nicht-staatlichen Akteuren ausgeht (UKHO 8.2016b).

Eine Auswahl spezifischer Organisationen:

• African Women Empowerment Guild (AWEG): 29, Airport Road, Benin

City, Edo State Tel.: 08023514832, 08023060147, Email: , , (AWEG o. d.a). Die AWEG versucht, Frauen die nötigen Fähigkeiten zu vermitteln, um sich privat und beruflich weiterzuentwickeln und sich durch Bildung, Lese- und Schreibkenntnisse Perspektiven zu eröffnen. Die AWEG hat in der Vergangenheit Wiedereingliederungshilfe für Frauen, die Opfer von Menschenhandel wurden, geleistet und wurde hierbei vom UN Office on Drug and Crime Control (UNODC) unterstützt. Die Organisation bemüht sich um Finanzmittel, um das Projekt fortzusetzen. Die AWEG hat in Zusammenarbeit mit religiösen Organisationen eine Unterkunft für Opfer von Menschenhandel eingerichtet, beherbergt hier jedoch derzeit keine Personen (IOM 8.2013; vgl. AWEG o.D.b).

• The Women's Consortium of Nigeria (WOCON): 13 Okesuna Street, Off Igbosere Road, Lagos, Nigeria, Tel.: 234-1-2635300, 2635331234-4-1-2635331, 234-(0) 8033347896, Email: wocon95@yahoo.com (WOCON o.D.a). Das Women's Consortium of Nigeria (WOCON) ist eine private gemeinnützige Organisation (NGO), die sich der Durchsetzung der Frauenrechte und der Erzielung von Gleichheit, persönlicher Entwicklung und Frieden widmet. Aktuelle Projekte: Aufklärung bezüglich Menschenhandel, Mobilisierung der Frauen, der Jugend, der öffentlichen Transportunternehmen und der Hotelmitarbeiter im Kampf gegen TIP [Anm.: Trafficking in people]. WOCON leitet Opfer des Menschenhandels an die entsprechenden Schutzunterkünfte der Regierung weiter. Andere Reintegrationsleistungensind Beratung, Berufsausbildung und Familienzusammenführung sowie die Mobilisierung qualifizierter Frauen zur Teilnahme an der Politik. Das Projekt erstreckt sich auf die Regionen Ogun, Lagos und Ondo (IOM 8.2013; vgl. WOCON o.D.b).

• Women's Rights Advancement and Protection Alternative (WRAPA), 19, Monrovia Street, Off Aminu Kano Way, Wuse II Abuja;, Tel.:

08188699961, 08172125692, 07063807887, Email: Wrapa399@gmail.com, wrapa399@yahoo.com, (WRAPA o.D.a). Women's Rights Advancement and Protection Alternative (WRAPA) ist eine Organisation, die Opfern von häuslicher Gewalt, Vergewaltigung und sexueller Belästigung etc. kostenlose Rechtsberatung bietet. Darüber hinaus bietet die Organisation Frauen bei entsprechender Finanzierung Berufsausbildungsprogramme. Die Organisation betreibt Büros in jedem der 36 Bundesstaaten Nigerias. Die Organisation plant die Einrichtung zehn landesweiter Beratungszentren für kostenlose Rechtsberatungen und Ausbildungsmöglichkeiten für Frauen, sucht aber noch nach der entsprechenden Finanzierung. Die Organisation bietet in ihren verschiedenen Büros auch weiterhin kostenlosen Rechtsbeistand und Beratungen für Frauen an (IOM 8.2013; vgl. WRAPA o. D.b).

• Women Aid Collective (WACOL), Email: wacolenugu@wacolnigeria.org, wacolnig@gmail.com, wacolnig@yahoo.com, wacolenugu@yahoo.com; Women House, No. 12 Mathias Iloh Avenue, Newton Enugu;, Tel.:

+234-0909-561-9586 +234-0806-609-2184, Fax: +234-42-256831, (WACOL o. D.a); Women Aid Collective (WACOL) ist eine Wohltätigkeitsorganisation, die von der African Commission on Human and Peoples' Rights beobachtet wird. WACOL bietet verschiedene Unterstützung an: Schulungen, Forschung, Rechtsberatung, Unterkunft, kostenloser Rechts- und Finanzbeistand, Lösung familieninterner Konfliktsituationen, Informationen und Bücherdienste. Die Angebote für Frauen und Kinder umfassen: Schutz und sichere Unterkunft in Krisensituationen, Rechtsberatung und Beistand, Beratung von Opfern und deren Familien (IOM 8.2013; vgl. WACOL o.D.b).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (3.12.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1450445025_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-bundesrepublik-nigeria-stand-dezember-2015-03-12-2015.pdf, Zugriff 7.7.2016

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AWEG - African Women Empowerment Guild (o.D.a): Contact Information, http://awegng.org/contactus.htmZugriff 5.7.2017

-

AWEG - African Women Empowerment Guild (o.D.b): About us, http://awegng.org/aboutus.htmZugriff 5.7.2017

-

IOM - International Organization for Migration (8.2013): Nigeria - Country Fact Sheet,

https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/698704/8628861/17129693/16296710/16800759/Nigeria_-_Country_Fact_Sheet_2013%2C_deutsch.pdf?nodeid=16801531&vernum=-2, Zugriff 5.7.2017

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ÖBA - Österreichische Botschaft Abuja (9.2016): Asylländerbericht Nigeria

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OHCHR - UN Office of the High Commissioner for Human Rights (14.3.2014): Remarks By The High Commissioner For Human Rights At A Press Conference During Her Mission To Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/271987/400697_de.html, Zugriff 5.7.2017

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UKHO - United Kingdom Home Office (8.2016b): Country Information and Guidance Nigeria: Women fearing gender-based harm or violence, https://www.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/595734/CIG_-_Nigeria_-_Women.pdf, Zugriff 5.7.2017

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WACOL - Women Aid Collective (o.D.a): Contact Us, http://wacolnigeria.org/wacol/?page_id=58Zugriff 5.7.2017

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WACOL - Women Aid Collective (o.D.b): About Us, http://wacolnigeria.org/wacol/Zugriff 5.7.2017

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WOCON - Women's Consortium of Nigeria (o.D.a): Contact, http://www.womenconsortiumofnigeria.org/node/5, Zugriff 5.7.2017

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WOCON - Women's Consortium of Nigeria (o.D.b): About us, http://www.womenconsortiumofnigeria.org/node/2,Zugriff 5.7.2017

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WRAPA - Women's Rights Advancement and Protection Alternative (o.D.a): Contact Details, https://wrapanigeria.org/, Zugriff 5.7.2017

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WRAPA - Women's Rights Advancement and Protection Alternative (o.D.b): https://wrapanigeria.org/whatiswrapa/, Zugriff 5.7.2017

1.3.3. Zur Behandelbarkeit von Hepatitis B in Nigeria:

Es existieren einige Regierungsprogramme, um Hepatitis B-infizierte Personen ausfindig zu machen und ihnen eine adäquate Behandlung zukommen zu lassen. In der Praxis greift dieser Ansatz jedoch kaum.

Das Medikament Viread ist in Nigeria erhältlich, die monatlichen Behandlungskosten belaufen sich auf ca. € 85,--. Ein weiteres in Nigeria in Verwendung stehendes, billigeres Medikament ist Licolin, welches für chronische Beschwerden aufgrund von Hepatitis B auch in Kombination mit Viread angewendet wird.

Eine gesellschaftliche Ausgrenzung aufgrund einer Hepatitis B-Erkrankung ist nicht bekannt. In Nigeria sind circa 20 Prozent der Bevölkerung infiziert.

Überdies sind diverse Unterstützungsorganisationen für Hepatitis-Kranke in Nigeria aktiv:

http://www.worldhepatitisalliance.org/member/viral-hepatitis-association-nigeria-vhan

http://thenewsnigeria.com.ng/2017/02/hepatitis-b-abuja-ngo-to-conduct-free-screening/

http://thenationonlineng.net/foundation-to-fight-hepatitis/

Quellen:

- Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Nigeria: Hepatits

B:

http://www.ecoi.net/en/file/local/1417407/5618_1510219937_nigr-rf-mev-hepatitis-b-2017-10-23-ke.odt, Zugriff 12.02.2019.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Sachverhalt:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben der Erstbeschwerdeführerin vor dieser und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, in die bekämpften Bescheide, in den Beschwerdeschriftsatz, sowie in das aktuelle "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zu Nigeria mit Stand 07.08.2017 sowie in eine Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zum Thema Hepatitis B in Nigeria vom 23.10.2017.

2.2. Zu den Personen der Beschwerdeführer:

Die Feststellungen zur Volljährigkeit der Erstbeschwerdeführerin und der Minderjährigkeit des Zweitbeschwerdeführers ergeben sich aus dem Akt und sind augenscheinlich. Es ist auch glaubhaft, dass die Erstbeschwerdeführerin die Erziehungsberechtigte des Zweitbeschwerdeführers ist. Die Feststellungen zu ihrer Herkunft, ihrem Familienstand, ihrer Staatsangehörigkeit und ihrer Konfession gründen sich auf die diesbezüglichen glaubhaften Angaben der Erstbeschwerdeführerin vor der belangten Behörde. Der bisherige Aufenthalt der Beschwerdeführer leitet sich aus dem vorliegenden Verwaltungsakt und der Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister ab. Es ist im Verfahren nichts hervorgekommen, das Zweifel an der Richtigkeit dieser Feststellungen zu den Personen der Beschwerdeführer aufkommen lässt.

Da die Erstbeschwerdeführerin den österreichischen Behörden keine identitätsbezeugenden Dokumente vorlegte, steht ihre Identität nicht fest. Die Identität des Zweitbeschwerdeführers steht aufgrund der Vorlage seiner Geburtsurkunde fest.

Die Hepatitis B-Erkrankung der Erstbeschwerdeführerin ergibt sich aus einem vorgelegten Befund vom 02.11.2018. Die Feststellungen zur Behandelbarkeit von Hepatitis B in Nigeria ergeben sich aus einer Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zum Thema Hepatitis B in Nigeria vom 23.10.2017. Die Feststellung, dass sich die Erstbeschwerdeführerin derzeit nicht in medikamentöser Behandlung befindet, ergeben sich aus ihren diesbezüglich glaubhaften Angaben vor der belangten Behörde.

Die Feststellung wonach der Zweitbeschwerdeführer gesund ist, ergibt sich aufgrund dessen, dass im Verfahren keinerlei Gesundheitsbeeinträchtigungen hinsichtlich seiner Person vorgebracht wurden.

Dass die Erstbeschwerdeführerin in Österreich, abgesehen vom Zweitbeschwerdeführer, über keine familiären Anknüpfungspunkte verfügt und sie hier keine maßgeblichen sprachlichen, sozialen und integrativen Verfestigungen aufweist, ergibt sich ebenfalls aus den Angaben der Erstbeschwerdeführerin anlässlich ihrer Einvernahme durch die belangte Behörde, wonach sie in Österreich keinerlei Kurse oder Fortbildungen besucht hat und nie einer Erwerbstätigkeit nachging. Zudem gibt sie an, dass sich ihre sozialen Kontakte in Österreich im Wesentlichen auf eine Freundin beschränken, welche ebenfalls nigerianische Staatsangehörige ist.

Der Umstand, dass nicht festgestellt werden kann, dass die Erstbeschwerdeführerin noch in Kontakt zum Vater des Zweitbeschwerdeführers, einem nigerianischen Staatsangehörigen, steht oder mit diesem eine Beziehung von maßgeblicher Intensität führt, ergibt sich daraus, dass dessen fünfter und bislang letzter Antrag auf internationalen Schutz mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 28.08.2018, Zl. I405 2199918-1 rechtskräftig als unbegründet abgewiesen und gegen ihn eine Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem auf die Dauer von 10 Jahren befristeten Einreiseverbot erlassen wurde und er, wie sich aus einer Abfrage im zentralen Melderegister der Republik Österreich vom 12.02.2019 ergibt, auch seit dem 15.10.2018 nicht mehr aufrecht in Österreich gemeldet ist. Die Erstbeschwerdeführerin sowie der Zweitbeschwerdeführer sind hingegen in einem gemeinsamen Haushalt aufrecht gemeldet.

Die Feststellung, dass die Beschwerdeführer ihren Lebensunterhalt in Österreich aus Mitteln der Grundversorgung bestreiten ist durch einen aktuellen Auszug des Betreuungsinformationssystems vom 12.02.2019 belegt.

Glaubhaft erachtet der erkennende Richter auch die Angaben der Erstbeschwerdeführerin anlässlich ihrer niederschriftlichen Einvernahme, wonach sich Ihre Mutter, ihre zwei Brüder als auch ihre vier Schwestern in Nigeria aufhalten und sie ihr Bruder bis zu ihrer Ausreise finanziell unterstützte.

Die strafgerichtliche Unbescholtenheit der Beschwerdeführer leitet sich aus einer aktuellen Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich vom 12.02.2019 ab.

Die Feststellung, dass es der Erstbeschwerdeführerin im Falle ihrer Rückkehr möglich ist, den eigenen Lebensunterhalt und den Lebensunterhalt für den Zweitbeschwerdeführer bestreiten zu können, resultiert insbesondere aus folgenden Überlegungen: Bei der Erstbeschwerdeführerin handelt es sich um eine, abgesehen von einer nicht akut behandlungsbedürftigen Hepatitis B-Erkrankung, grundsätzlich gesunde Frau im arbeitsfähigem Alter. Zudem verfügt sie in Nigeria über einen eigenen Familienverband, der ihr soziale Sicherheit bietet und dessen Schutz und Obsorge sie in Anspruch nehmen kann. Die Angaben der Erstbeschwerdeführerin im Administrativverfahren zeigen, dass sie auch noch nach ihrer Ausreise aus Nigeria Kontakt zu ihrer Familie pflegte. Dahingehend ist ihr zumutbar, diese familiären Anbindungen in Anspruch zu nehmen und die Großmutter, Tanten und Onkeln des Zweitbeschwerdeführers in ihre allfälli

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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