Index
41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
Aufenthaltsrecht Bosnien-Herzegowina 1995/389 §1 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Ogris, über die Beschwerde des DK, (geboren am 1. Jänner 1961), in Graz, vertreten durch Dr. Klaus Kocher, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Sackstraße 29, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 15. September 1995, Zl. Fr 565/1995, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark (der belangten Behörde) vom 15. September 1995 wurde der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Bosnien-Herzegowina, gemäß § 17 Abs. 1 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ausgewiesen (1. Absatz des Spruches) und die Abschiebung gemäß § 36 Abs. 2 FrG bis zum Vorliegen einer behördlich bekannten Abschieberoute nach Bosnien-Herzegowina, und zwar in den moslemisch-kroatisch kontrollierten Teil, für sechs Monate von Amts wegen aufgeschoben (2. Absatz des Spruches).
Der Beschwerdeführer sei erstmals am 18. Oktober 1991 in das Bundesgebiet mit der Absicht eingereist, hier einer Tätigkeit (offensichtlich gemeint: Erwerbstätigkeit) nachzugehen. Ihm sei vom Landesarbeitsamt Steiermark am 14. November 1991 eine bis 13. November 1992 gültige Beschäftigungsbewilligung für die Tätigkeit als Schlosser bei einem Unternehmen in Graz erteilt worden. Aufgrund seines Antrages vom 5. Dezember 1991 und dieser Beschäftigungsbewilligung sei dem Beschwerdeführer am 6. Dezember 1991 ein bis 20. Dezember 1992 gültiger Wiedereinreisesichtvermerk erteilt worden. Seinen eigenen Angaben zufolge sei er im April 1992 in sein Heimatland Bosnien-Herzegowina zurückgekehrt und dort bis glaublich 15. August 1992 aufhältig gewesen. Anschließend sei er wieder nach Österreich eingereist und habe sich bis einschließlich Dezember 1993 bei seiner Schwester und seinem Schwager im Raum Salzburg aufgehalten, ohne eine polizeiliche Anmeldung an deren Adresse durchzuführen. Seit 18. Jänner 1994 habe er bei seinem ehemaligen Arbeitgeber in Graz Unterkunft genommen. Seine polizeiliche Anmeldung im Zuständigkeitsbereich der Bundespolizeidirektion Graz sei am 18. Jänner 1994 erfolgt. Am 25. Februar 1994 sei er bei der Bundespolizeidirektion Graz vorstellig geworden und habe um die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 12 AufG ersucht. Aufgrund dieses Ansuchens sei er am 9. März 1994 einvernommen worden, wo er angegeben habe, daß er bis April 1992 bei dem besagten Unternehmen in Graz als Schlosser beschäftigt gewesen, dann nach Bosnien zurückgekehrt und bis August 1992 in seinem Heimatort Hajvaci geblieben wäre. Von Mai bis Juli 1992 (also drei Monate) hätte er in der moslemisch-bosnischen Armee gegen die Serben gekämpft. Seine Aufgabe hätte in Hilfsdiensten (Versorgung der Verletzten und Erntehelfer) bestanden. In der Zeit von August 1992 bis 18. Jänner 1994 wäre er in Österreich nicht polizeilich gemeldet gewesen. Er hätte auch noch keinen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung beim Amt der Steiermärkischen Landesregierung eingebracht.
Da dem Beschwerdeführer kein Sichtvermerk habe ausgestellt werden können und sein Aufenthalt im Bundesgebiet seit 21. Dezember 1992 unrechtmäßig gewesen sei, sei er am 23. Jänner 1995 neuerlich einvernommen worden, wobei er seine Angaben vom 9. März 1994 aufrechterhalten und, nachdem ihm zur Kenntnis gebracht worden sei, daß er wegen seines illegalen Aufenthaltes mit Schubhaft und Aufenthaltsverbot und Abschiebung zu rechnen habe, angegeben habe, daß er beim Amt der Steiermärkischen Landesregierung um die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung angesucht hätte. Da ihm dort mitgeteilt worden wäre, daß er einen solchen Antrag beim österreichischen Konsulat in Ljubljana einbringen solle, hätte er diesen Antrag dort am 11. Mai 1994 eingebracht. Bisher hätte er jedoch keine Antwort bekommen. Er würde finanziell von seinem Bruder und Schwager, die in Salzburg wohnhaft wären, mit monatlich S 6.000,-- unterstützt, wovon er einen Teil seiner in Tuzla lebenden Ehegattin schicken würde. Er könnte mit seinem bosnischen Reisepaß in kein anderes Land legal einreisen, sodaß ihm die Ausreise aus Österreich nicht möglich wäre.
In seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid habe der Beschwerdeführer vorgebracht, daß ihm aufgrund der Verordnung BGBl. Nr. 1038/1994 ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet zukäme, weil er, wie sich aus dem Vernehmungsprotokoll vom 9. März 1994 ergäbe, aufgrund der bewaffneten Konflikte Bosnien hätte verlassen müssen und aufgrund seines Aufenthaltsrechtes in Österreich anderweitig keinen Schutz hätte finden können.
Nach Wiedergabe der maßgeblichen Bestimmungen des FrG führte die belangte Behörde weiters aus, daß dem Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß der Verordnung BGBl. Nr. 1038/1994 nicht habe nähergetreten werden können, zumal für die Dokumentation eines derartigen Aufenthaltsrechtes unabdingbare Voraussetzung sei, daß der Antragsteller glaubhaft machen könne, direkt aus dem Kriegsgebiet geflüchtet zu sein, um sich aufgrund der herrschenden bewaffneten Konflikte in seinem Heimatland den für ihn konkret bestehenden Gefahren zu entziehen. Eine solche Flucht sei den österreichischen Behörden entsprechend zu begründen. Bei seiner letzten Einvernahme am 23. Jänner 1995 habe der Beschwerdeführer keine Angaben hinsichtlich etwaiger Verfolgungs- bzw. Gefährdungsmomente gemacht, denen er im Fall einer Rückkehr nach Bosnien-Herzegowina ausgesetzt wäre. Da ihm keine gültige Aufenthaltsbewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz erteilt worden sei und er sich seit 21. Dezember 1992 unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte, sei seine Ausweisung gemäß § 17 Abs. 1 FrG zwingend erforderlich.
Dieser Maßnahme stünden auch keine nach § 19 FrG zu berücksichtigenden Umstände entgegen. So seien die Ehegattin und die beiden Kinder des Beschwerdeführers seinen Eingaben zufolge nach wie vor in Bosnien wohnhaft und sei er nicht als im Bundesgebiet integriert anzusehen. Im Hinblick darauf, daß er seit längerem von seinem in Salzburg lebenden Bruder und Schwager unterstützt werde, sei er als mittellos anzusehen. Da er wegen seines unrechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet auch keinen Rechtsanspruch auf Sozialhilfe habe, würde sein weiterer Verbleib im Bundesgebiet ohne die noch bestehende finanzielle private Unterstützung zu einer finanziellen Belastung für den österreichischen Staat führen. Im Interesse der öffentlichen Ordnung sei daher mit seiner Ausweisung vorzugehen.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens in einem anderen beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren (Zl. 95/21/1121) vor und sah von der Erstattung einer Gegenschrift ab.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Vorauszuschicken ist, daß aufgrund der Beschwerdeausführungen ungeachtet des den gesamten Spruch betreffenden Aufhebungsantrages davon auszugehen ist, daß sich die Beschwerde ausschließlich gegen die Ausweisung des Beschwerdeführers (1. Absatz des Spruches) richtet. Demgemäß hat sich der Verwaltungsgerichtshof auch nur mit diesem Teil des Bescheides zu befassen (vgl. die in Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, 245, wiedergegebene hg. Judikatur).
2. Gemäß § 1 Abs. 1 der im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides in Kraft gestandenen Verordnung BGBl. Nr. 389/1995 hatten Staatsangehörige von Bosnien-Herzegowina, die aufgrund der bewaffneten Konflikte in ihrer Heimat diese verlassen mußten, anderweitig keinen Schutz fanden und vor dem 1. Juli 1993 eingereist waren, ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet. Dieses Aufenthaltsrecht bestand schon vor Erlassung dieser Verordnung für denselben Personenkreis aufgrund der Verordnungen BGBl. Nr. 402/1993, Nr. 368/1994 und Nr. 1038/1994.
3.1. Die Beschwerde macht geltend, daß der Beschwerdeführer als Staatsangehöriger von Bosnien-Herzegowina ein vorläufiges Aufenthaltsrecht aufgrund der Verordnungen BGBl. Nr. 1038/1994 und Nr. 389/1995 habe, weil er aufgrund der Kriegswirren in Bosnien-Herzegowina nach Österreich eingereist sei und im Hinblick darauf, daß er zu diesem Zeitpunkt noch über eine gültige Aufenthaltsberechtigung für das Bundesgebiet verfügt habe, davon auszugehen sei, daß ihm wegen seines sicheren Aufenthaltes in Österreich in einem anderen Staat kein Schutz gewährt worden wäre. Obwohl er dies immer angegeben habe, seien von der belangten Behörde dazu Erhebungen und Feststellungen unterlassen worden. Sie wäre verpflichtet gewesen, die näheren Umstände der von ihm angegebenen Gründe für das Verlassen seiner Heimat zu erfragen. Hätte sie Ermittlungen gepflogen, hätte sich herausgestellt, daß er tatsächlich aufgrund der Kriegswirren nach Österreich gereist sei.
3.2. Dieses Vorbringen ist nicht zielführend. Aus der Begründung des angefochtenen Bescheides ergibt sich, daß die belangte Behörde dem Vorbringen des Beschwerdeführers, er sei im August 1992 deswegen nach Österreich zurückgekehrt, weil er aufgrund der bewaffneten Konflikte Bosnien habe verlassen müssen, keinen Glauben geschenkt hat. So habe der Beschwerdeführer bei seinen Vernehmungen keine Angaben hinsichtlich etwaiger Verfolgungs- bzw. Gefährdungsmomente gemacht, denen er im Fall einer Rückkehr nach Bosnien-Herzegowina ausgesetzt wäre, zumal für die Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach den gemäß § 12 AufG erlassenen Verordnungen unabdingbare Voraussetzung sei, daß der Antragsteller glaubhaft machen könne, direkt aus dem Kriegsgebiet geflüchtet zu sein, um sich aufgrund der bewaffneten Konflikte in seinem Heimatland den für ihn konkret bestehenden Gefahren zu entziehen. Diese Beweiswürdigung begegnet im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden Überprüfungsbefugnis (vgl. insbesondere das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) keinen Bedenken. Dazu kommt, daß der Beschwerdeführer bei seiner Vernehmung zu seinem Aufenthalt in Bosnien-Herzegowina im wesentlichen nur angegeben hat, daß dieser von April 1992 bis 15. August 1992 gedauert habe, er in dieser Zeit in seinem Heimatort Hajvaci geblieben sei und in der gegen die Serben kämpfenden moslemisch-bosnischen Armee von Mai bis Juli 1992 Hilfsdienste (Versorgung der Verletzten und Erntehelfer) geleistet habe. Keinesfalls ergibt sich jedoch aus diesen Angaben, inwieweit der Beschwerdeführer aufgrund der bewaffneten Konflikte in seiner Heimat diese hätte verlassen müssen. Abgesehen davon, daß der Beschwerdeführer nicht einmal in seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Ausweisungsbescheid ein konkretisiertes Vorbringen erstattet hat, aufgrund welcher Ereignisse er zum Verlassen von Bosnien-Herzegowina gezwungen worden sei, spricht im übrigen auch der Umstand, daß seine Ehegattin und seine Kinder nach wie vor in Bosnien-Herzegowina wohnhaft sind, für die Beweiswürdigung der belangten Behörde.
Dem Beschwerdeeinwand, die belangte Behörde wäre verpflichtet gewesen, die näheren Umstände der vom Beschwerdeführer angegebenen Gründe für das Verlassen seiner Heimat zu erfragen, ist zu entgegnen, daß es dem Fremden obliegt, die Voraussetzungen eines vorübergehenden Aufenthaltsrechtes nach den genannten Verordnungen und allfällige konkrete Verfolgungshandlungen zu behaupten (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 22. Mai 1996, Zl. 96/21/0313).
4. Da somit der Beschwerdeführer keine Umstände dargelegt hat, die den begründeten Schluß zuließen, daß er aufgrund bewaffneter Konflikte in seiner Heimat diese habe verlassen müssen, kann er sich nicht mit Erfolg auf eine der genannten Verordnungen stützen. Im übrigen läßt der Beschwerdeführer die maßgeblichen Sachverhaltsfeststellungen der belangten Behörde, daß er am 18. Oktober 1991 in das Bundesgebiet eingereist, ihm ein bis zum 20. Dezember 1992 befristeter Wiedereinreisesichtvermerk erteilt worden und ihm keine Aufenthaltsbewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz erteilt worden sei, unbestritten. Im Hinblick darauf begegnet die Rechtsansicht der belangten Behörde, daß sich der Beschwerdeführer seit 21. Dezember 1992 unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte und damit der Tatbestand des § 17 Abs. 1 FrG erfüllt sei, keinen Bedenken.
5.1. Im Grunde des § 19 FrG bringt die Beschwerde vor, daß der Beschwerdeführer aufgrund seines langen Aufenthaltes in Österreich eine verfassungsgesetzlich geschützte Beziehung zu seinen hier lebenden Familienangehörigen habe und die belangte Behörde die Intensität (dieser Beziehung) nicht ausreichend erforscht habe.
5.2. Auch dieses Vorbringen führt die Beschwerde nicht zum Erfolg. Unter der Annahme eines mit der Ausweisung des Beschwerdeführers verbundenen relevanten Eingriffes in seine von § 19 FrG geschützten Interessen - im Hinblick auf seinen bereits mehr als drei Jahre dauernden inländischen Aufenthalt ist entgegen der Ansicht der belangten Behörde jedenfalls ein relevanter Eingriff in sein Privatleben anzunehmen - ist diese Maßnahme angesichts des hohen Stellenwertes der für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden geltenden Vorschriften und deren Beachtung durch die Normadressaten aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) im Lichte der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das Erkenntnis vom 15. Jänner 1999, Zl. 97/21/0582) dringend geboten und nicht als rechtswidrig zu erkennen. Dieses öffentliche Interesse an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens hat der Beschwerdeführer durch seinen seit 21. Dezember 1992 unrechtmäßigen Aufenthalt gravierend beeinträchtigt. Demgegenüber treten die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers in den Hintergrund, zumal er sich nach den unbestrittenen maßgeblichen Sachverhaltsfeststellungen seit Dezember 1993 nicht mehr bei seiner Schwester und seinem Schwager aufhält und seine Ehegattin und seine beiden Kinder nach wie vor in Bosnien-Herzegowina wohnhaft sind.
Im übrigen führt die Beschwerde nicht aus, welche Feststellungen die belangte Behörde in diesem Zusammenhang noch hätte treffen müssen, sodaß die diesbezügliche Verfahrensrüge mangels Dartuung deren Relevanz ins Leere geht.
6. Unter Zugrundelegung der vorstehenden Ausführungen ist auch die - im übrigen nicht weiter substantiierte - Verfahrensrüge, es könne dem Bescheid nicht entnommen werden, von welchem Sachverhalt die belangte Behörde ausgegangen und in welcher Weise und aus welchen Gründen die Beweiswürdigung erfolgt sei, nicht zielführend.
7. Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Wien, am 12. Februar 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1995211122.X00Im RIS seit
02.05.2001