Entscheidungsdatum
10.04.2019Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
L515 2178525-1/11E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Hermann LEITNER als Vorsitzenden und die Richterin Mag. Irene ALTENDORFER und den fachkundigen Laienrichter RR Johann PHILIPP als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumsservice, Landesstelle XXXX , vom XXXX 2017, OB:
XXXX , in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
A) Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs 1
Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, iVm § 1 Abs. 2, § 40 Abs. 1, § 42 Abs. 1 und 2, § 43 Abs. 1, § 45 Abs. 1 und 2, § 47 Bundesbehindertengesetz (BBG), BGBl. Nr. 283/1990 idgF, iVm § 1 Abs. 4 Z. 3 und Abs. 5 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013 idgF, stattgegeben und festgestellt, dass gegenwärtig die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" vorliegen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 Bundesverfassungsgesetz
(B-VG), BGBl. Nr. 1/1930 idgF nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
I.1. Die Beschwerdeführerin (nachfolgend: auch beschwerdeführende Partei: "bP") beantragte am 10.12.2016 die Verlängerung des befristeten Behindertenpasses sowie die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" in den Behindertenpass.
I.2. Gemäß einem Sachverständigengutachten vom 25.05.2017 wurde der Gesamtgrad der Behinderung mit 80 vH festgestellt. Die Voraussetzungen für die beantragte Zusatzeintragung wurden als nicht zutreffend erachtet. Mit Schreiben vom 29.05.2017 wurde der bP dieses Gutachten im Rahmen des Parteiengehörs zur Kenntnis gebracht. Mit E-Mail vom 10.06.2017 übermittelte die bP ihre Stellungnahme, welche in weiterer Folge seitens der belangten Behörde an die bereits im Verwaltungsverfahren mit der Sache befasste medizinische Sachverständige (Allgemeinmedizinerin) zur Einholung einer Stellungnahme weiter geleitet wurde. Am 15.09.2017 erstattete die medizinische Sachverständige eine Stellungnahme.
I.3. Mit Bescheid der belangten Behörde vom XXXX 2017 wurde der Antrag der bP vom 13.12.2016 abgewiesen; die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" liegen nicht vor.
I.4. Mit E-Mail vom 02.11.2017 erhob die bP gegen diesen Bescheid Beschwerde und legte dazu medizinische Unterlagen vor.
I.5. Mit Schreiben vom 01.12.2017 erfolgte die Beschwerdevorlage, sie langte am selben Tag beim Bundesverwaltungsgericht ein.
I.6. Seitens des Verwaltungsgerichts wurde im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen ein neuerliches Gutachten eingeholt. Darin wurden die Voraussetzungen für die beantragte Zusatzeintragung als zutreffend erachtet.
I.7. Mit Schreiben des BVwG vom 11.02.2019 wurde den Parteien das unter Pkt. I.6. angeführte Sachverständigengutachten zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit eingeräumt, sich dazu binnen 2 Wochen schriftlich zu äußern. Diese Möglichkeit nahmen die Parteien nicht in Anspruch.
I.8. Die Beratung und Abstimmung im nach der Geschäftsverteilung zuständigen Senat des Bundesverwaltungsgerichtes erfolgte am 10.4.2019.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1.0. Feststellungen (Sachverhalt):
1.1. Die bP ist österreichische Staatsbürgerin und an der im Akt ersichtlichen Adresse wohnhaft.
1.2. Die bP ist im Besitz eines Behindertenpasses (GdB 80 v.H.).
1.3. Am 24.05.2017 erfolgte im Auftrag des Sozialministeriumservice eine Begutachtung durch eine ärztliche Sachverständige (Fachärztin für Neurologie). Das betreffende Gutachten vom 25.05.2017 weist nachfolgenden relevanten Inhalt auf:
"...
Derzeitige Beschwerden:
Frau XXXX berichtet, in den letzten zwei Jahren habe sich das Gehen verschlechtert. Sie schaffe maximal 500 Meter am Stück, weil sich die Beine bei einer weiteren Gehstrecke wie Gummi anfühlen würden. Sie sei auch schon dreimal zu Sturz gekommen, habe sich bis dato aber nie verletzt. Schnell gehen könne sie gar nicht mehr. Außerdem fühle sie sich insgesamt körperlich geschwächt. Die Stimmung sei immer etwas gedrückt. An manchen Tagen habe sie Schwierigkeiten, am Morgen aus dem Bett zu kommen. Der Antrieb sei etwas reduziert. Sie bemühe sich aber jeden Tag, eine kleine Strecke zu gehen. Sie habe auch Ängste, die sie nicht konkretisieren könne. Der Nachtschlaf sei gestört. Sie könne zwar einschlafen, wache aber aufgrund eines Harndrangs mehrmals pro Nacht auf und brauche dann einige Zeit zum Weiterschlafen.
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe): Auszug aus dem fachärztlichen Befundbericht von Herrn Dr. XXXX vom 26.09.2016:
Stand möglich; Gang: breitbasig, unsicher bei geschlossenen Augen sehr unsicher. XXXX : leichte Fallneigung nach hinten; die aktuelle Gehstrecke beträgt 500 m - 1000 m.
Gesamtmobilität - Gangbild: Gesamtmobilität: etwa 500 Meter am Stück frei gehfähig; Gangbild: etwas breitbeinig und unsicher, jedoch frei gehfähig
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktions-einschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs
Monate andauern werden:
Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
1) immer wiederkehrende Depression, gegenwärtig mittelschwere depressive Episode ohne psychotische Symptome
Die Position 03.06.02 wird mit 70% eingestuft.
Die Wahl des oberen Rahmensatzes der Position 03.06.02 ergibt sich aus dem jahrelangen Erkrankungsverlauf ohne länger dauernde stabile Phasen. Gegenwärtig zeigt sich, wie bei der letzten Begutachtung, eine mittelschwere depressive Episode mit einer allgemeinen Freudlosigkeit und Lustlosigkeit, einem reduzierten Antrieb, diffusen Ängsten, raschen Erschöpfungs- und Ermüdungserscheinungen sowie Durchschlafstörungen. Die Probandin steht diesbezüglich in regelmäßiger psychotherapeutischer Betreuung, eine antidepressive oder Schlaf verbessernde Medikation wird nicht eingenommen. Psychotische Symptome fehlen, sodass ein höherer Grad der Behinderung nicht zu begründen ist.
2) Multiple Sklerose mit einer leichtgradiges Schwäche der Beine, verbunden mit einer leichten Gangunsicherheit, und diskreten Feinmotorikstörung der Hände
Die Position 04.08.01 wird mit 40% eingestuft.
Die Wahl des oberen Rahmensatzes der Position 04.08.01 ergibt sich aus der diskreten Koordinationsstörung und Feinmotorikstörung der Hände, sowie einer leichtgradigen Schwäche der Beine, verbunden mit einem etwas unsicheren Gangbild. Die Probandin ist frei gehfähig, die aktuelle Gehstrecke beträgt etwa 500 Meter am Stück. Aufgrund fehlender sensomotorischer Defizite im Bereich der oberen Extremitäten ist ein höherer Grad der Behinderung nicht zu begründen.
Die Frage nach der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wurde wie folgt beantwortet: Die Probandin ist in der Lage, eine Wegstrecke von etwa 500 Metern am Stück frei zurückzulegen. Das sichere Ein- und Aussteigen wie auch der sichere Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel sind gewährleistet, sodass keine Unzumutbarkeit besteht. Das Vorliegen einer Erkrankung des Immunsystems wurde verneint.
...."
1.4. In ihrer Stellungnahme zum oa Gutachten brachte die bP vor, dass die Zurücklegung der im Gutachten angegebenen Gehstrecke von 500 m nur im ausgeruhten Zustand möglich und zudem von der Tagesform abhängig sei. An manchen Tagen sei die Gehfähigkeit drastisch reduziert. Danach brauche sie ca. 2 Stunden Erholung. An sehr warmen/kalten Tagen reduziere sich die Gehstrecke mittlerweile auf ein Minimum. Zur Aufrechterhaltung ihrer Gehleistung seien ihr 75 Minuten Heilgymnastik inkl. Balancetraining, Interferenz und Ultraschall verordnet worden. Der Weg von der Wohnung bis zur Bushaltestelle betrage 150 m und von der Bushaltestelle zum Kurhaus 500 m. Nach Zurücklegung dieser Gehstrecke sei an eine Therapie nicht mehr zu denken. Sie ersuche um Neubewertung bzw. Überprüfung des Sachverständigengutachtens im Hinblick auf die Zusatzeintragung. Ferner ersuche Sie um Berichtigung ihres Familienstatus.
1.5. Seitens der belangten Behörde wurde im Hinblick auf die Stellungnahme der bP von der bereits im Verwaltungsverfahren mit der Rechtssache befassten Sachverständigen eine Stellungnahme eingeholt, in der wie folgt ausgeführt wird:
"Bei der letzten Begutachtung von Frau XXXX imponiert eine leichtgradige Schwäche der Beine mit einem Kraftgrad von III bis IV und einer maximalen Gehstrecke von 500 Metern am Stück. In einer neurologischen Untersuchung vom 26.09.2016, durchgeführt von Herrn Dr. XXXX , findet sich eine sehr leichtgradige Schwäche der Beine mit einem Kraftgrad von 5- und eine Gehstrecke von 500 bis 1000 Metern. Sohin ist die Probandin in der Lage, eine kurze Wegstrecke frei zurückzulegen. Das sichere Ein- und Aussteigen in ein öffentliches Verkehrsmittel sind gewährleistet, sodass zum Untersuchungszeitpunkt im Mai 2017 keine Unzumutbarkeit bestand."
I.6. Im Rahmen der Beschwerde führte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen aus, dass sich ihr Zustand seit einem Jahr erheblich verschlechtert habe. Sie schwanke wie ein Betrunkener, ziehe ihre Beine nach und bleibe mit den Beinen hängen, was das Gehen mühsam und ohne fremde Hilfe unmöglich mache. Dieser Zustand sei von der Tagesverfassung, den Temperaturen und vom Untergrund abhängig. Letztes Jahr sei sie mehr als 10 Mal gestürzt, davon einmal vor dem O-Bus und viermal im O-Bus. Speziell in den Unterarmen auftretende Muskelkrämpfe verunmöglichen ihr ein Essen mit Besteck. Die Physiotherapien würden ihr helfen. Weil sie alleine nicht zu den Therapien gelange und nur selten jemand als Fahrer zur Verfügung stehe, hätte die Therapie abgesetzt werden müssen. Der Beschwerde beigeschlossen war eine fachärztliche Bestätigung ihres behandelten Facharztes für Neurologie vom 07.12.2016, in welcher er die Ausstellung eines "Behindertenparkausweises" befürworte. Im ebenfalls beigefügten logopädischen Befund vom 25.10.2017, wird festgehalten, dass die bP völlig erschöpft in die Praxis komme und erst nach einer ausreichenden Pause mit den Übungen begonnen werden könne. Die Koordinationsfähigkeit der Arme und besonders der Beine sei sehr eingeschränkt. Die Bewegungen können nur mit äußerster Konzentration und einem enormen Aufwand an Energie durchgeführt werden. Der bP sei die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht zumutbar.
I.7. Seitens des Verwaltungsgerichts wurde im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen und dem logopädischen Befund ein neuerliches Gutachten eingeholt, in der wie folgt im Wesentlichen ausgeführt wird:
"[...]
Die konkreten Fragestellungen des Bundesverwaltungsgerichtes können wie folgt beantwortet werden, wobei allerdings unter Bezugnahme auf das Schreiben vom 5.12.2018 festgestellt werden muss, dass es sich hierbei nicht um Funktionseinschränkungen aus orthopädischer Sicht, sondern aus neurologischer und psychiatrischer Sicht handelt.
1. Die Mobilität wird eingeschränkt durch die Encephalitis disseminata und durch die degenerativen Veränderungen im Bereich der Halswirbelsäule.
2. Aktuell ist nur mehr das Zurücklegen einer Wegstrecke von 150 Metern möglich, danach ist eine Pause von ca. 1,5 Stunden erforderlich, wobei Fr. XXXX sich nach eigenen Angaben hinlegen muss, ein sitzendes Ausrasten reicht nicht.
3. Eine Standfestigkeit in öffentlichen Verkehrsmitteln ist überhaupt nicht gegeben, es ist die
unbedingte Notwendigkeit eines Sitzplatzes erforderlich.
4. Selbst niedrige Niveauunterschiede können ohne Hilfe nicht bewältigt werden (siehe oben), Stehen in öffentlichen Verkehrsmitteln ist nicht möglich.
5. Das Besteigen bzw. Aussteigen zu bzw. in öffentliche Verkehrsmittel ist aus eigener Kraft ohne fremde Hilfe nicht möglich.
6. Die Benützung einer Gehhilfe hat darauf keinen Einfluss.
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass es gegen Ende des Jahres 2017 zu einer deutlichen Verschlechterung der Geh- und Stehbelastbarkeit gekommen ist. Es lässt sich aus medizinischer Sicht derzeit nicht genau differenzieren, ob diese Verschlechterung auf die Encephalitis disseminata oder den degenerativen Veränderungen im Bereich der Halswirbel- säule zurückzuführen ist oder auf beides.
Aktuell liegt dem unterzeichnendem SV nur eine Computertomographie der Halswirbelsäule vom Jänner 2018 vor, jedoch keine neueren Kernspintomographie-Aufnahmen der Halswir- belsäule oder des Cerebrums. Allerdings ist bereits im Befund vom 29.11.2016 des Hr. Dr. XXXX (MR Cerebrum mit KM) eine deutliche Progredienz der ausgeprägten supratentori- ellen Läsionslast beschrieben.
Jedenfalls ist es ab den oben angeführten Zeitraum zu einer deutlichen Verschlechterung ge-kommen, das letzte Gutachten der belangten Behörde datiert jedoch davor, vom 24.5.2017.
Eine Nachuntersuchung ist bei Verschlechterung erforderlich, eine Verbesserung ist nicht zu erwarten.
I.8. Eine Stellungnahme langte nicht ein.
2.0. Beweiswürdigung:
2.1. Zum Verfahrensgang:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten der bB und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.
Der oben unter Punkt II.1. festgestellte Sachverhalt beruht auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens.
Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen ergeben sich durch Einsicht in das zentrale Melderegister sowie die sonstigen relevanten Unterlagen.
2.2. Aufgrund des vorliegenden Verwaltungsaktes ist das ho. Gericht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt im Rahmen der freien Beweiswürdigung ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen. Die freie Beweiswürdigung ist ein Denkprozess der den Regeln der Logik zu folgen hat und im Ergebnis zu einer Wahrscheinlichkeitsbeurteilung eines bestimmten historisch-empirischen Sachverhalts, also von Tatsachen, führt. Der Verwaltungsgerichtshof führt dazu präzisierend aus, dass eine Tatsache in freier Beweiswürdigung nur dann als erwiesen angenommen werden darf, wenn die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ausreichende und sichere Anhaltspunkte für eine derartige Schlussfolgerung liefern (VwGH 28.09.1978, Zahl 1013, 1015/76). Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens,
5. Auflage, § 45 AVG, E 50, Seite 305, führen beispielsweise in Zitierung des Urteils des Obersten Gerichtshofs vom 29.02.1987, Zahl 13 Os 17/87, aus: "Die aus der gewissenhaften Prüfung aller für und wider vorgebrachten Beweismittel gewonnene freie Überzeugung der Tatrichter wird durch eine hypothetisch denkbare andere Geschehensvariante nicht ausgeschlossen. Muss doch dort, wo ein Beweisobjekt der Untersuchung mit den Methoden einer Naturwissenschaft oder unmittelbar einer mathematischen Zergliederung nicht zugänglich ist, dem Richter ein empirisch-historischer Beweis genügen. Im gedanklichen Bereich der Empirie vermag daher eine höchste, ja auch eine (nur) hohe Wahrscheinlichkeit die Überzeugung von der Richtigkeit der wahrscheinlichen Tatsache zu begründen, (...)". Vergleiche dazu auch VwGH, vom 18.06.2014, Ra 2014/01/0032.
Nach der ständigen Judikatur des VwGH muss ein Sachverständigengutachten einen Befund und das eigentliche Gutachten im engeren Sinn enthalten. Der Befund ist die vom Sachverständigen - wenn auch unter Zuhilfenahme wissenschaftlicher Feststellungsmethoden - vorgenommene Tatsachenfeststellung. Die Schlussfolgerungen des Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung er seine besonderen Fachkenntnisse und Erfahrungen benötigt, bilden das Gutachten im engeren Sinn. Eine sachverständige Äußerung, die sich in der Abgabe eines Urteiles (eines Gutachtens im engeren Sinn) erschöpft, aber weder die Tatsachen, auf die sich dieses Urteil gründet, noch die Art, wie diese Tatsachen ermittelt wurden, erkennen lässt, ist mit einem wesentlichen Mangel behaftet und als Beweismittel unbrauchbar; die Behörde, die eine so geartete Äußerung ihrer Entscheidung zugrunde legt, wird ihrer Pflicht zur Erhebung und Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes (§ 37 AVG) nicht gerecht (VwGH vom 17.02.2004, GZ 2002/06/0151).
Hat eine Partei grundlegende Bedenken gegen ein ärztliches Gutachten, dann ist es nach Ansicht des VwGH an ihr gelegen, auf gleichem fachlichen Niveau diesem entgegenzutreten oder unter Anbietung von tauglichen Beweismitteln darzutun, dass die Aussagen des ärztlichen Sachverständigen mit dem Stand der medizinischen Forschung und Erkenntnis nicht vereinbar sind (VwGH vom 20.10.1978, 1353/78).
Eine Partei kann ein Sachverständigengutachten nur dann erfolgreich bekämpfen, wenn sie unter präziser Darstellung der gegen die Gutachten gerichteten sachlichen Einwände ausdrücklich erklärt, dass sie die Einholung eines weiteren Gutachtens bestimmter Fachrichtung zur vollständigen Ermittlung des Sachverhaltes für erforderlich halte und daher einen Antrag auf Beiziehung eines weiteren Sachverständigen stellt (VwGH vom 23.11.1978, GZ 0705/77).
Ebenso kann die Partei Sachverständigengutachten erfolgreich bekämpfen, ohne diesem auf gleichem fachlichem Niveau entgegentreten zu müssen, wenn es Widersprüche bzw. Ungereimtheiten im Gutachten aufzeigt (vgl. z. B. VwGH vom 20.10.2008, GZ 2005/07/0108).
Der Verwaltungsgerichtshof führte aber in diesem Zusammenhang auch aus, dass keine Verletzung des Parteiengehörs vorliegt, wenn einem Antrag auf Einholung eines zusätzlichen Gutachtens nicht stattgegeben wird (VwGH vom 25.06.1987, 87/06/0017).
Gegenständlich liegen medizinische Sachverständigengutachten vom 25.05.2017 und vom 09.01.2019 vor. Nachdem die bP erst im Zuge der Beschwerdeerhebung einen logopädischen Befund vom 25.10.2017 vorlegte, wonach der Schritt der bP schwankend sei und sie Probleme mit dem Gleichgewicht habe, wurde seitens des Verwaltungsgerichtes ein ärztliches Sachverständigengutachten aus dem Bereich der Psychiatrie und Neurologie eingeholt. Die Einschätzungen des Sachverständigen beruhen auf einer klinischen Untersuchung vom 09.01.2019, sind ausführlich begründet, schlüssig und nachvollziehbar und weisen auch keine Widersprüche auf. Es wird auf die Art der Funktionsbeeinträchtigungen und deren Ausmaß eingegangen sowie insbesondere die Auswirkungen auf die Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel beurteilt.
Der Sachverständige stellt schlüssig und nachvollziehbar dar, dass die bP aufgrund der Einschränkung durch die Encephalitis disseminata und durch die degenerativen Veränderungen im Bereich der Halswirbelsäule nicht mehr als eine Wegstrecke von 150 m zurücklegen kann, eine Standfestigkeit in öffentlichen Verkehrsmitteln nicht gegeben ist, selbst niedrige Niveauunterschiede ohne Hilfe nicht bewältigt werden können und dass das Be- bzw Aussteigen zu bzw. in öffentliche Verkehrsmittel aus eigener Kraft ohne fremde Hilfe nicht möglich ist.
Die im Vergleich zum Jahr 2017 eingetretene Verschlechterung der Geh- und Stehbelastbarkeit gegen Ende des Jahres 2017 wird vom Sachverständigen nachvollziehbar beschrieben und wird dies auch durch den Befund des Hr. Dr. XXXX vom 29.11.2016 sowie einer Computertomographie der Halswirbelsäule vom Jänner 2018 bestätigt. Aus medizinischer Sicht konnte jedoch nicht differenziert werden, ob diese Verschlechterung auf die Encephalitis disseminata oder den degenerativen Veränderungen im Bereich der Halswirbelsäule zurückzuführen ist oder auf beides. Zwecks Vermeidung von Wiederholungen wird auf die diesbezüglichen Ausführungen unter Pkt. I. Verfahrensgang verwiesen.
Somit wurden vom Sachverständigen die von der bP angeführten Leiden bereits ausführlich und einer entsprechenden medizinischen Beurteilung in Zusammenhang mit der Benützung von öffentlichen Verkehrsmittel unterzogen.
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Zusatzeintragung ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe ohne Unterbrechung zurückgelegt werden kann oder wenn die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in hohem Maße erschwert. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauernde Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen auswirkt.
Zu prüfen ist die konkrete Fähigkeit öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Zu berücksichtigen sind insbesondere zu überwindende Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt (VwGH 22.10.2002, Zl. 2001/11/0242; 14.05.2009, 2007/11/0080).
Betreffend das Kalkül "kurze Wegstrecke" wird angemerkt, dass der Verwaltungsgerichtshof von einer unter Zugrundelegung städtischer Verhältnisse durchschnittlich gegebenen Entfernung zum nächsten öffentlichen Verkehrsmittel von 300 - 400 m ausgeht (vgl. u.a. Ro 2014/11/0013 vom 27.05.2014). Auf andere Umstände, die die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel erschweren, kommt es nicht an (VwGH vom 22.10.2002, GZ 2001/11/0258).
Da das eingeholte Sachverständigengutachten aus dem Bereich der Neurologie auch mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch steht, wird es in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt.
3.0. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Entscheidungsrelevante Rechtsgrundlagen:
-
Bundesverfassungsgesetz B-VG, BGBl. Nr. 1/1930 idgF
-
Bundesbehindertengesetz BBG, BGBl. Nr. 283/1990 idgF
-
Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013 idgF
-
Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010 idgF
-
Bundesverwaltungsgerichtsgesetz BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 idgF
-
Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF
-
Verwaltungsgerichtshofgesetz VwGG, BGBl. Nr. 10/1985 idgF
Nachfolgende Bestimmungen beziehen sich auf die im Pkt. 3.1. angeführten Rechtsgrundlagen in der jeweils geltenden Fassung.
3.2. Gemäß Art. 130 Abs 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden
1. gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit; ...
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
Gemäß § 45 Abs. 2 BBG ist ein Bescheid nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs 1 nicht stattgegeben oder der Pass eingezogen wird.
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
In Anwendung des Art. 130 Abs 1 Z 1 B-VG iVm § 45 Abs 3 BBG wird die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes in der zugrundeliegenden Beschwerdeangelegenheit begründet und fällt die Entscheidung der gegenständlichen Rechtssache jenem Richtersenat zu, der unter Berücksichtigung der zitierten Bestimmungen in der Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes dafür vorgesehen ist. Der erkennende Senat ist daher in diesem Beschwerdeverfahren zuständig.
3.3. Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 45 Abs. 3 AVG des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991, ist den Parteien Gelegenheit zu geben, vom Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs 3) zu überprüfen.
Gemäß § 9 Abs 1 VwGVG hat die Beschwerde zu enthalten:
1. die Bezeichnung des angefochtenen Bescheides, der angefochtenen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder der angefochtenen Weisung,
2. die Bezeichnung der belangten Behörde,
3. die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt,
4. das Begehren und
5. die Angaben, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob die Beschwerde rechtzeitig eingebracht ist.
Die von der bP eingebrachte Beschwerde vom 02.11.2017 erweist sich angesichts des Bescheiddatums vom XXXX 2017 als fristgerecht im Sinne der Rechtsmittelfrist des BBG.
Die sonstigen Voraussetzungen, welche § 9 VwGVG seinem Inhalt nach festlegt, liegen vor.
Die bP brachte sinngemäß in ihrer Beschwerde vor, dass ihre Mobilität massiv eingeschränkt sei und ersuchte daher um nochmalige Prüfung hinsichtlich der beantragten Zusatzeintragung.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Bezugnehmend auf die zitierten Bestimmungen waren die unter Pkt. 3.1. im Generellen und die unter Pkt. 3.2. ff im Speziellen angeführten Rechtsgrundlagen für dieses Verfahren in Anwendung zu bringen.
3.4. Gemäß § 1 Abs 1 BBG soll Behinderten und von konkreter Behinderung bedrohten Menschen durch die in diesem Bundesgesetz vorgesehenen Maßnahmen die bestmögliche Teilnahme am gesellschaftlichen Leben gesichert werden.
Gemäß § 1 Abs 2 BBG ist unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
Gemäß § 40 Abs 1 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.
Gemäß § 41 Abs 2 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zurückzuweisen, wenn seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung noch kein Jahr vergangen ist. Dies gilt nicht, wenn eine offenkundige Änderung einer Funktionsbeeinträchtigung glaubhaft geltend gemacht wird.
Gemäß § 42 Abs 1 BBG hat der Behindertenpass den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
Gemäß § 45 Abs 2 BBG ist ein Bescheid nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§41 Abs 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
Gemäß § 47 BBG ist der Bundesminister für Arbeit und Soziales ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpass und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen.
Gemäß § 1 Abs 1 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen [....]
Gemäß Abs 4 leg cit ist auf Antrag des Menschen mit Behinderung jedenfalls einzutragen: [....]
3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
-
erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
-
erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
-
erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder
-
eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
-
eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach Abs. 4 Z 1 lit. b oder d
vorliegen.
Gemäß Abs 5 leg cit bildet ein Gutachten eines/einer ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice die Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktions-beeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.
Gemäß § 3 Abs 1 leg cit ist dem Behindertenpassinhaber/der Behindertenpassinhaberin, zum Nachweis, dass er/sie über die Eintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" verfügt, die im § 29b Abs 2 bis 4 der Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. 159 (StVO), genannten Berechtigungen in Anspruch nehmen kann, ein Parkausweis auszustellen. Die in einem gültigen Behindertenpass enthaltene Eintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung oder Blindheit" ist der Eintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" gleichzuhalten.
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Zusatzeintragung ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe ohne Unterbrechung zurückgelegt werden kann oder wenn die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in hohem Maße erschwert. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauernde Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen auswirkt (VwGH 22.10.2002, Zl. 2001/11/0242; 14.05.2009, 2007/11/0080). Auf andere Umstände, die die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel erschweren, kommt es nicht an (VwGH vom 22.10.2002, GZ 2001/11/0258).
Das angeführte Sachverständigengutachten vom 09.01.2019 und die Angaben der bP im Verfahren wurden im oben beschriebenen Umfang in freier Beweiswürdigung der Entscheidung des Gerichtes zu Grunde gelegt. Das zitierte Gutachten samt Stellungnahme erfüllt sämtliche der in den angeführten Verordnungen normierten Voraussetzungen.
Die Prüfung, ob die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" vorzunehmen ist, hat entlang der Kriterien der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013 idgF, (konkret: ob bei der bP
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--erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
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--erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
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--erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder
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--eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
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--eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubheit
vorliegen) zu erfolgen; die Ausführungen der medizinischen Sachverständigen erweisen sich in dieser Hinsicht als ausreichend.
Gemäß dem angeführten Gutachten vom 09.01.2019 liegen die Voraussetzungen des § 1 Abs. 4 Ziff. 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013 idgF - und damit die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung - bei der bP vor.
Entscheidungswesentlich ist dabei ausschließlich der Gesundheitszustand der bP selbst. Maßgeblich ist nur, ob erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten und Funktionen vorliegen oder eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems vorliegt.
Gemäß dem angeführten Gutachten sind derartige Umstände gegeben. Das erstellte Gutachten erfüllt auch die im § 4 Einschätzungsverordnung normierten Voraussetzungen.
Bei der Beschwerdeführerin liegen erhebliche Einschränkungen psychischer und neurologischer Fähigkeiten vor, welche Einfluss auf die Funktionen der unteren Extremitäten ausüben.
Da festgestellt worden ist, dass die dauernden Gesundheitsschädigungen ein Ausmaß erreicht, welches die Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" rechtfertigt, war spruchgemäß zu entscheiden.
3.5. Eine Beschwerdeverhandlung konnte unterbleiben.
3.6. Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. (VwGH vom 22.05.2014, Ra 2014/01/0030)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen. Diesbezüglich ist die vorliegende Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Darüber hinaus stellten sich im gegenständlichen Fall in erster Linie Fragen der Tatsachenfeststellung und der Beweiswürdigung.
Sonstige Hinweise, die auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage schließen lassen, liegen ebenfalls nicht vor. Rein der Umstand, dass das Bundesverwaltungsgericht erst mit 01.01.2014 ins Leben gerufen wurde, lässt nicht den Schluss zu, dass es sich um eine Rechtsfrage handelt, die noch nicht vom Verwaltungsgerichtshof geklärt wurde.
Die grundsätzliche Bestimmung betreffend der Zusatzeintragungen in den Behindertenpass im Sinne des BBG erfuhr keine substanzielle Änderung, weshalb auch die Voraussetzungen des Art. 133 Abs 4 B-VG diesbezüglich nicht gegeben waren.
Auf Grundlage der obigen Ausführungen war spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
Behindertenpass, Sachverständigengutachten, ZusatzeintragungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:L515.2178525.1.00Zuletzt aktualisiert am
25.06.2019