TE Bvwg Erkenntnis 2019/4/25 W255 2189825-2

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Veröffentlicht am 25.04.2019
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Entscheidungsdatum

25.04.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2

Spruch

W255 2189825-2/17E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Ronald EPPEL, MA als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Dr. Martin Enthofer, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.03.2018, Zl. 1079760807/150943048, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 16.08.2018 zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

1. Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 27.07.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

1.2. Am 27.07.2015 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Landespolizeidirektion Burgenland die niederschriftliche Erstbefragung des BF statt. Dabei gab der BF im Wesentlichen an, afghanischer Staatsangehöriger, Mitglied der Volksgruppe der Said, Muslim und im Dorf XXXX , in der Provinz XXXX , geboren zu sein. Der BF habe von 2004 bis 2014 die Grundschule in Kabul besucht. Die Eltern, ein Bruder, zwei Schwestern, vier Halbbrüder und vier Halbschwestern des BF würden nach wie vor in Afghanistan leben. Der BF habe Afghanistan aufgrund seiner familiären Situation verlassen. Sein Vater habe zweimal geheiratet. Seine Mutter sei schwer krank gewesen (an Krebs erkrankt) und der Vater habe sich altersbedingt nicht um alle seine Kinder kümmern können. Der BF habe studieren wollen, diese Chance aber nicht bekommen. Deshalb habe er sich entschlossen, nach Europa zu reisen, um ein schöneres Leben zu haben. Er wolle auch seine Mutter unterstützen.

1.3. Mit Schreiben vom 27.10.2016 übermittelte der BF dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) eine schriftliche "Ergänzung der Erstbefragung", in der er ausführte, dass er Afghanistan vor ca. 2,5 Jahren verlassen habe und in den Iran gegangen sei. Er habe ca. einen Monat gearbeitet, ehe er aufgrund seines illegalen Aufenthaltes im Iran inhaftiert worden sei. Nach ca. zwei bis drei Wochen im Gefängnis habe ihm ein Polizist erklärt, dass seine einzige Chance, entlassen zu werden, darin bestehe, wenn er in Syrien gegen den IS kämpfe. Der BF habe sich entschlossen, sich der Kampfgruppe Fatemion anzuschließen und habe mit kurzen Unterbrechungen insgesamt sieben Monate in Syrien gekämpft. Nach dem dritten Aufenthalt in Syrien sei der BF aufgefordert worden, erneut nach Syrien zu gehen. Dies habe er nicht wollen und sei nach Österreich gereist. Der BF habe diese Angaben im Zuge der Erstbefragung nicht getätigt, da er Angst gehabt habe, dass es in Österreich Spione aus dem Iran geben würde, die ihn töten würden. Würde der BF nach Afghanistan zurückkehren, würde man wahrscheinlich erfahren, dass der BF in Syrien gegen den IS gekämpft habe, weshalb der BF um sein Leben bangen müsste, zumal der IS auch in Afghanistan wüte. Zudem befürchte der BF verfolgt zu werden, da er Said sei.

1.4. Am 02.11.2017 wurde der BF vor dem BFA, Regionaldirektion Oberösterreich, Außenstelle Linz, einvernommen. Dabei gab der BF an, dass er zwar in XXXX geboren sei, jedoch immer in Kabul gelebt habe. Die Mutter des BF sei vor vier bis fünf Monaten verstorben. Sein Vater, seine beiden Schwestern und sein Bruder würden noch in Kabul leben. Weiters würden seine vier Halbschwestern, vier Halbbrüder, drei Onkeln väterlicherseits, ein Onkel mütterlicherseits sowie fünf Tanten mütterlicherseits in Kabul leben. Die finanzielle Situation der Familie sei gut. Der Vater des BF besitze drei Häuser mit Grundstücken in Kabul und weitere "Ländereien" in XXXX .

Der BF habe Afghanistan aus finanziellen Gründen verlassen. Seine Mutter sei an Krebs erkrankt und habe sich in Indien einer Strahlentherapie unterziehen müssen. Der Vater habe die Mutter zunächst drei- bis viermal nach Indien zur Behandlung geschickt, dann habe der Vater die Kosten nicht mehr übernehmen wollen, daher habe der BF aus finanziellen Gründen begonnen, zu arbeiten. In Afghanistan habe es keine Arbeit gegeben, daher sei der BF in den Iran gereist, wo er nach einem Monat von den iranischen Behörden aufgegriffen worden sei. Der BF habe für den Iran in Syrien gekämpft, da er gehofft hätte, hierfür einen iranischen Reisepass für 10 Jahre zu erhalten. Konkret sei er in Syrien für Logistikarbeiten eingesetzt worden. Bei seinem dritten Einsatz in Syrien habe er den Reisepass und ein Teil eines ihm versprochenen Geldes erhalten. Der BF habe nicht neuerlich in Syrien kämpfen wollen, daher habe er seinen iranischen Reisepass verkauft und sei nach Österreich gereist. Im Fall der Rückkehr nach Afghanistan fürchte er inhaftiert zu werden, da er am Krieg in Syrien teilgenommen habe

Der BF legte die folgenden Dokumente vor:

* Tazkira lautend auf " XXXX ", 18 Jahre im Jahre 1391 (= 2012);

* Prüfungszeugnis "A1 - Fit für Österreich";

* Deutschkurs-Teilnahmebestätigung der XXXX vom 30.10.2017;

* Unterstützungsschreiben von Privatpersonen vom 19.10.2017, 24.10.2017 und 28.10.2017;

* Unterstützungsschreiben des Vizebürgermeisters von XXXX vom 25.10.2017.

1.5. Das BFA wies den Antrag des BF auf internationalen Schutz mit Bescheid vom 14.03.2018, Zl. 1079760807/150943048, bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt II.). Das BFA erteilte dem BF keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.), erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt IV.) und stellte fest, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde für die freiwillige Ausreise eine Frist von 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung bestimmt (Spruchpunkt VI.).

1.6. Mit Schreiben vom 20.03.2018 übermittelte eine Vertrauensperson des BF dem BFA auszugsweise einen nicht näher genannten Bericht von Amnesty International vom 04.10.2017, eine Sachverhaltsdarstellung zum eingeleiteten Verfahren nach § 10 SDG betreffend den Sachverständigen Mag. Karl Mahringer, Auszüge aus Berichten diverser Medien (darunter des ORF) betreffend die Situation in Afghanistan vom 09.12.2017 sowie aus 2016 und 2017, ein Gutachten von Doz. Dr. Stefan Weber zur Einhaltung der Regeln guter wissenschaftlicher Praxis im Gutachten von Mag. Karl Mahringer, ein Schreiben von Rechtsanwalt Dr. Albrecht Haller vom 07.02.2018 betreffend Rechtsberatung im Urheberrecht, einen Kommentar von Thomas Ruttig vom 28.08.2017 zum Gutachten von Mag. Karl Mahringer sowie eine Zusammenfassung von Teilen des EASO Berichts vom Dezember 2017.

1.7. Gegen den unter Punkt 1.5. genannten Bescheid richtet sich die vom BF fristgerecht erhobene Beschwerde. Darin wiederholte der BF, für die iranische Armee in Syrien gedient zu haben und bei einer Rückkehr nach Afghanistan aus diesem Grund inhaftiert zu werden. Weiters gab der BF an, Mitglied der Volksgruppe der Hazara zu sein und aus diesem Grund in Afghanistan eine Verfolgung zu befürchten.

1.8. Die Beschwerde und der bezughabende Verwaltungsakt langten am 09.04.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

1.9. Mit Schreiben vom 06.06.2018 wurden dem BF vom Bundesverwaltungsgericht aktuelle Länderfeststellungen betreffend Afghanistan übermittelt.

1.10. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 16.08.2018 in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die Sprache Dari sowie im Beisein des BF und seines Rechtsvertreters eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. Dabei gab der BF an, dass er in der Provinz XXXX , Distrikt XXXX , Dorf XXXX , geboren und in der Hauptstadt Kabul aufgewachsen sei. Der BF habe in Afghanistan die Schule besucht, die Matura absolviert und drei bis vier Monate auf der Universität studiert. Aufgrund persönlicher Probleme habe er das Studium nicht weiterverfolgt. Seine Mutter sei an Krebs erkrankt und er habe sich um sie kümmern müssen.

Der Vater habe sich zunächst noch um die Mutter gekümmert und ihre Behandlungen finanziert. Dann habe der Vater jedoch nicht mehr für die Kosten der Behandlung aufkommen wollen. Der Vater habe zweimal geheiratet. Der BF habe aus diesem Grund vier Halbschwestern und vier Halbbrüder. In der Familie habe es immer wieder Meinungsunterschiede gegeben. Außerdem hätten es die Halbgeschwister des BF auf das Vermögen bzw. Erbe des Vaters abgesehen. Als sich der BF bei seinem Vater beschwert habe, dass dieser die Mutter des BF nicht unterstütze, habe ihn sein Vater geschlagen.

Der BF sei von Afghanistan in den Iran gereist. Er sei zweimal vom Iran nach Afghanistan abgeschoben worden. Nach seiner dritten Einreise in den Iran sei der BF von den iranischen Behörden inhaftiert und dazu gezwungen worden, in Syrien für die iranische Armee zu kämpfen. Er habe insgesamt neun Monate in Syrien gedient. Dann habe er den Iran verlassen, da er nicht noch einmal in Syrien für den Iran eingesetzt werden wollen habe.

Im Fall der Rückkehr nach Afghanistan befürchte der BF aufgrund seines Einsatzes für die iranische Armee in Syrien verfolgt zu werden. Außerdem sei er Sayed und hätte aus diesem Grund Probleme. In Vergangenheit sei er noch nie wegen seiner Volksgruppenzugehörigkeit verfolgt worden.

Vor zwei bis drei Tagen habe der Bruder des BF einen Autounfall gehabt und sich am Mund und Kiefer verletzt. Der Bruder müsse deshalb nach Pakistan gehen, weil ihm die Ärzte gesagt hätten, dass er in Afghanistan nicht behandelbar wäre. Die Ursache des Unfalls wisse der BF nicht.

Der BF habe in Österreich eine Deutschprüfung auf A1 Niveau abgeschlossen. Er habe zweimal bei der Gemeinde gearbeitet. Es gebe in Österreich eine Familie, die er gerne besuche. Er habe in Österreich vorübergehend bei einer Vertrauensperson gewohnt, die er kennengelernt habe. Nun wohne er wieder in einer Unterkunft für Asylwerber. Er sei nicht Mitglied in einem Verein. Der BF legte eine Einstellungszusage als landwirtschaftlicher Hilfsarbeiter vor und gab hierzu an, dass er Vollzeit dort arbeiten würde und zwar zu einem Gehalt, mit dem er hier leben könne.

1.11. Das Bundesverwaltungsgericht stellte am 16.08.2018 eine Anfrage an die Staatendokumentation des BFA im Hinblick auf die Konsequenzen und etwaigen Gefahren für afghanische Staatsangehörige, die in Syrien für die iranische Armee gedient haben und nach Afghanistan zurückkehren.

1.12. Mit Schreiben vom 20.08.2018 gab der BF bekannt, dass er die Einholung länderspezifischer Sachverständigengutachten zum Beweisthema, inwieweit der afghanische Staat relevante Verfolgungshandlungen gegen Personen afghanischer Staatsangehörigkeit vornehme, welche in den Iran geflüchtet seien und dort durch die iranische Armee rekrutiert würden, um als Soldaten regulärer iranischer Armeeeinheiten in Syrien gegen unter anderem den IS zu kämpfen, beantrage. Unter einem mögen entsprechende Erhebungen durchgeführt werden, inwieweit ein erhöhtes Sicherheitsrisiko für derartige Personen in Afghanistan bestehe. Weiters möge entsprechend erhoben und befunden werden, inwieweit ein Eintritt in die fremde Armee den Verlust der Staatsbürgerschaftsrechte Afghanistans zur Folge habe. Weiters legte der BF die Verständigung der Staatsanwaltschaft Linz vom 15.12.2017 über den vorläufigen Rücktritt von der Verfolgung gemäß § 35 Abs. 9 SMG vor. Seitens der Staatsanwaltschaft Linz werde von der weiteren Verfolgung gegen den BF wegen des Vergehens nach § 27 Abs. 1 SMG vorläufig zurückgetreten.

1.13. Am 23.11.2018 übermittelte die Staatendokumentation des BFA dem Bundesverwaltungsgericht eine Anfragebeantwortung im Hinblick auf die Konsequenzen und etwaigen Gefahren für afghanische Staatsangehörige, die in Syrien für die iranische Armee gedient haben und nach Afghanistan zurückkehren.

1.14. Mit Schreiben vom 26.11.2018 übermittelte das Bundesverwaltungsgericht dem BF die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 23.11.2018 und räumte diesem die Möglichkeit ein, hierzu Stellung zu nehmen.

1.15. Am 26.03.2019 übermittelte die Staatendokumentation des BF dem Bundesverwaltungsgericht eine ausführlichere, ergänzte Anfragebeantwortung im Hinblick auf die Konsequenzen und etwaigen Gefahren für afghanische Staatsangehörige, die in Syrien für die iranische Armee gedient haben und nach Afghanistan zurückkehren.

1.16. Mit Schreiben vom 27.03.2019 übermittelte das Bundesverwaltungsgericht dem BF die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 26.03.2019 und die aktualisierte Fassung des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation vom 01.03.2019 und räumte diesem die Möglichkeit ein, hierzu Stellung zu nehmen.

1.17. Mit Schreiben vom 09.04.2019 führte der BF aus, dass aus den Erhebungsergebnissen ableitbar sei, dass der BF in Afghanistan aufgrund seiner Rekrutierung im Iran und der damit verbundenen Teilnahme am "Syrienkrieg" als regulär eingesetzter iranischer Soldat asylrelevanter Bedrohung und strafgerichtlicher Verfolgung ausgesetzt sei. Die Vorbringen des BF fänden insbesondere vor dem Hintergrund der Art und Weise seiner Rekrutierung durch die iranische Armee in den Länderfeststellungen entsprechend und nachvollziehbar Deckung. Insbesondere sei zu berücksichtigen, dass der BF zum Eintritt in die iranische Armee regelrecht gezwungen worden sei, dies bei Androhung ansonsten unprognostizierbarer weitreichender asylrelevanter Übel, welche dem BF im Iran widerfahren wären. Auch sei der BF in keine asylausschließenden Handlungen während seiner Tätigkeit als iranischer Soldat verwickelt gewesen. Das weitere Fortkommen des BF für den Fall seiner Rückverbringung nach Afghanistan sei daher mit hoher Wahrscheinlichkeit gefährdet und die anzunehmenden asylrelevanten Übel evident.

2. Feststellungen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage des gegenständlich erhobenen Antrages auf internationalen Schutz, der Erstbefragung sowie Einvernahme des BF durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, der Beschwerde gegen den im Spruch genannten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, der im Verfahren vorgelegten Dokumente, der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht vom 16.08.2018, der Länderberichte zu Afghanistan sowie der Einsichtnahme in den Bezug habenden Verwaltungsakt, das Zentrale Melderegister, das Fremdeninformationssystem, das Strafregister und das Grundversorgungs-Informationssystem werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

2.1. Zur Person des BF:

2.1.1. Der BF führt den Namen XXXX und ist am XXXX in der Provinz XXXX , Distrikt XXXX , Dorf XXXX , geboren. Er übersiedelte unmittelbar nach seiner Geburt mit seiner Familie in die Hauptstadt Kabul.

2.1.2. Der BF ist in der Hauptstadt Kabul gemeinsam mit seinen Eltern, einem Bruder und zwei Schwestern sowie seiner Stiefmutter, vier Halbbrüdern und vier Halbschwestern aufgewachsen und hat dort die Schule besucht sowie die Matura absolviert. Der BF studierte drei bis vier Monate auf der Universität in Kabul. Der BF arbeitete in Kabul sechs Monate als Taxifahrer.

2.1.3. Der BF ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Sayyed (auch Said oder Sadat) und schiitischer Muslim. Die Muttersprache des BF ist Dari.

2.1.4. Der BF ist gesund, ledig, arbeitsfähig und im erwerbsfähigen Alter.

2.1.5. Die Mutter des BF verstarb ca. im Mai 2017 an den Folgen einer Krebserkrankung. Die Stiefmutter des BF verstarb zu einem unbekannten Zeitpunkt eines natürlichen Todes. Der Vater, ein Bruder, zwei Schwestern, vier Halbschwestern, vier Halbbrüder, drei Onkeln väterlicherseits, ein Onkel mütterlicherseits sowie fünf Tanten mütterlicherseits leben in Kabul. Alle Geschwister des BF sind volljährig. Alle Halbgeschwister des BF sind verheiratet. Ein Onkel des BF lebt in Schweden. Der Vater des BF ist wohlhabend und Eigentümer mehrerer Häuser in Kabul und landwirtschaftlicher Grundstücke in XXXX . Der BF steht mit einer seiner Tanten mütterlicherseits, die in Kabul lebt und eine der Schwestern des BF adoptiert hat, in regelmäßigem Kontakt. Diese Tante mütterlicherseits lebt vom Verkauf von Milchprodukten ihrer Kühe. Der BF hatte von Österreich aus auch Kontakt mit einem der in Kabul lebenden Onkeln. Sowohl die allgemeine als auch finanzielle Situation seiner Verwandten des BF ist gut.

2.1.6. Der BF stellte nach unrechtmäßiger Einreise im österreichischen Bundesgebiet am 27.07.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

2.2. Zur Integration des BF in Österreich:

2.2.1. Der BF besuchte im Jahr 2017 einen Deutschkurs der XXXX .

2.2.2. Der BF wohnte während seines Aufenthaltes in Österreich vorübergehend in einer Wohngemeinschaft im Haus des Vizebürgermeisters von XXXX . Er unterstützte die Familie des Vizebürgermeisters im Alltag, z.B. bei Gartenarbeiten und wird vom Vizebürgermeister, dessen Ehegattin, dessen Tochter und dem Lebensgefährten der Tochter als gut integriert, interessiert, intelligent, hilfsbereit und fleißig beschrieben.

2.2.3. Der BF trifft sich regelmäßig mit einer ehemaligen Deutschlehrerin, mit der er befreundet ist.

2.2.4. Der BF bestand am 27.01.2017 die Deutschprüfung auf A1 Niveau.

2.2.5. Der BF verrichtete an zwei Tagen ehrenamtliche Tätigkeiten für die Gemeinde. Der BF verfügt über eine von XXXX ausgestellte Einstellungszusage als landwirtschaftlicher Hilfsarbeiter, ohne Angabe eines Gehaltes und/der dem Ausmaß der zugesagten Anstellung.

2.2.6. Der BF ist bisher keiner bezahlten Erwerbstätigkeit nachgegangen. Er verfügt nicht über den eigenen Lebensbedarf deckende finanzielle Mittel.

2.2.7. Der BF bezieht seit seiner Ankunft in Österreich durchgehend Leistungen aus der Grundversorgung.

2.2.8. Der BF verfügt über keine Verwandten in Österreich. Er verfügt über keine weiteren als den unter 2.2.1. bis 2.2.8. dargestellten familiären und sozialen Bindungen in Österreich.

2.2.9. Der BF ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

2.2. Zu den Fluchtgründen des BF und einer Rückkehr nach Afghanistan:

2.3.1. Der BF verließ Afghanistan im Sommer/Herbst 2014 und reiste in den Iran, da er hoffte, im Iran mehr Geld verdienen zu können.

2.3.2. Während seines Aufenthaltes im Iran wurde der BF von den iranischen Behörden für einen Einsatz in Syrien rekrutiert. Der BF verbrachte insgesamt - auf drei Einsätze aufgeteilt - neun Monate in Syrien, wo er für die iranische Armee diente und im Logistikbereich eingesetzt wurde. Der BF nahm in Syrien nicht unmittelbar an Kampfhandlungen teil. Nach seinem dritten Einsatz in Syrien verließ der BF den Iran, da er nicht mehr in Syrien eingesetzt werden wollte. Zudem erhoffte sich der BF in Österreich bessere Zukunftschancen (insb Arbeit und Lohn).

2.3.3. Der BF konnte nicht glaubhaft machen, dass er im Falle der Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aufgrund seines Einsatzes in der iranischen Armee einer Verfolgung durch den afghanischen Staat und/oder Mitglieder des IS ausgesetzt wäre. Dem Staat Afghanistan ist nicht bekannt, dass der BF im Zeitraum 2014/2015 für die iranische Armee in Syrien eingesetzt wurde. Der Einsatz des BF in Syrien hat keine Auswirkungen auf seine afghanische Staatsbürgerschaft und führt insbesondere nicht zum Verlust der afghanischen Staatsbürgerschaft.

2.3.4. Der BF war in Afghanistan keiner physischen und/oder psychischen Gewalt oder anderen erheblichen Eingriffen aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit (Sayyed auch Said auch Sadat) ausgesetzt. Der BF wäre in Afghanistan im Falle der Rückkehr keiner konkret gegen ihn gerichteten Verfolgung aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit ausgesetzt.

2.3.5. Der BF wurde in seinem Herkunftsstaat niemals inhaftiert und hatte mit den Behörden seines Herkunftsstaates weder auf Grund seiner Rasse, Nationalität, seines Religionsbekenntnisses oder seiner Volksgruppenzugehörigkeit noch sonst irgendwelche Probleme. Der BF war nie politisch tätig und gehörte nie einer politischen Partei an. Es gibt insgesamt keinen stichhaltigen Hinweis, dass der BF im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan einer Verfolgung ausgesetzt wäre.

2.3.6. Dem BF droht im Fall der Rückkehr in seine Herkunftsprovinz Kabul kein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit.

2.3.7. Der BF wäre im Falle der Rückkehr in die Städte Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif keiner konkret gegen ihn gerichteten Verfolgung ausgesetzt.

2.3.8. Der BF ist gesund, volljährig, anpassungsfähig, mobil, arbeitsfähig und hat keine Kinder. Er verfügt über Schulbildung, abgeschlossene Matura und Berufserfahrung in Afghanistan. Er wuchs in der Hauptstadt Kabul in einem afghanischen Familienverband auf und ist mit den Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates und mit einer in Afghanistan gesprochenen Sprache vertraut. Angesichts seiner Bildung, seiner Sprachkenntnisse, seiner Arbeitsfähigkeit und seiner Berufserfahrung könnte er sich in den Städten Kabul, Herat und Mazar-e Sharif eine Existenz aufbauen und diese - zumindest anfänglich - mit Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten sichern. Er ist in der Lage, in den Städten Kabul, Herat und Mazar-e Sharif eine einfache Unterkunft zu finden. Im Ergebnis ist von einer Selbsterhaltungsfähigkeit des BF in Afghanistan auszugehen. Er hat zudem die Möglichkeit, finanzielle Unterstützung in Form der Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen. Zahlreiche oben genannte Verwandte des BF leben in Kabul. Verwandte des BF wären in der Lage, den BF zumindest vorübergehend finanziell zu unterstützen. In einer Gesamtbetrachtung sind Kabul, Herat und Mazar-e Sharif für Normalbürger, die nicht mit Ausländern zusammenarbeiten, vergleichsweise sichere und über die jeweiligen Flughäfen gut erreichbare Städte. Außergewöhnliche Gründe, die eine Rückkehr des BF nach Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat ausschließen, konnten nicht festgestellt werden.

Dem BF droht im Falle der Rückkehr in die Städte Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif somit kein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit und er läuft auch nicht Gefahr, im Falle der Rückkehr in die Städte Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.

2.3.9. Im Falle der Rückkehr nach Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif läuft der BF auch nicht Gefahr, aufgrund seines derzeitigen Gesundheitszustandes in einen unmittelbar lebensbedrohlichen Zustand zu geraten oder sich seine Gesundheit in einem lebensbedrohlichen Ausmaß verschlechtern würde. Es sind auch sonst keine Hinweise hervorgekommen, dass allenfalls andere körperliche oder psychische Erkrankungen einer Rückführung des BF in den Herkunftsstaat entgegenstehen würden.

2.4. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

Aufgrund der im Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht in das Verfahren eingeführten aktuellen Erkenntnisquellen werden folgende entscheidungsrelevante Feststellungen zum Herkunftsstaat des BF getroffen:

2.4.1. Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation mit Stand vom 01.03.2019:

1. Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

KI vom 01.03.2019, Aktualisierung: Sicherheitslage in Afghanistan - Q4.2018 (relevant für Abschnitt 3 / Sicherheitslage)

Allgemeine Sicherheitslage und sicherheitsrelevante Vorfälle

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt volatil. Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum 16.8.2018 - 15.11.2018 5.854 sicherheitsrelevante Vorfälle, was einen Rückgang von 2% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bedeutet. Bewaffnete Zusammenstöße gingen um 5% zurück, machten aber weiterhin den Großteil der sicherheitsrelevanten Vorfälle (63%) aus. Selbstmordanschläge gingen um 37% zurück, was möglicherweise an erfolgreichen Bekämpfungsmaßnahmen in Kabul-Stadt und Jalalabad liegt. Luftangriffe durch die afghanische Luftwaffe (AAF) sowie internationale Streitkräfte stiegen um 25%. Die am stärksten betroffenen Regionen waren der Süden, der Osten und der Süd-Osten. In der Provinz Kandahar entstand die Befürchtung, die Sicherheitsbedingungen könnten sich verschlechtern, nachdem der Polizeichef der Provinz und der Leiter des National Directorate for Security (NDS) im Oktober 2018 ermordet worden waren (UNGASC 7.12.2018). Gemäß dem Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (SIGAR) fanden bis Oktober 2018 die meisten Angriffe regierungsfeindlicher Gruppierungen in den Provinzen Badghis, Farah, Faryab, Ghazni, Helmand, Kandahar, Uruzgan und Herat statt. Von Oktober bis Dezember 2018 verzeichneten Farah, Helmand und Faryab die höchste Anzahl regierungsfeindlicher Angriffe (SIGAR 30.1.2019).

Nach dem Taliban-Angriff auf Ghazni-Stadt im August 2018, bestand weiterhin die Befürchtung, dass die Taliban großangelegte Angriffe im Südosten des Landes verüben könnten. Dies war zwar nicht der Fall, dennoch setzten Talibankämpfer die afghanischen Sicherheitskräfte am Stadtrand von Ghazni, in Distrikten entlang des Highway One nach Kabul und durch die Einnahme des Distrikts Andar in Ghazni im Oktober weiterhin unter Druck. Im Westen der Provinz Ghazni, wo die ethnische Gruppierung der Hazara eine Mehrheit bildet, verschlechterten sich die Sicherheitsbedingungen wegen großangelegter Angriffe der Taliban, was im November zur Vertreibung zahlreicher Personen führte. In Folge eines weiteren Angriffs der Taliban im Distrikt Khas Uruzgan der Provinz Uruzgan im selben Monat wurden ebenfalls zahlreiche Hazara-Familien vertrieben. Des Weiteren nahmen Talibankämpfer in verschiedenen Regionen vorübergehend strategische Positionen entlang der Hauptstraßen ein und behinderten somit die Bewegungsfreiheit zwischen den betroffenen Provinzen. Beispiele dafür sind Angriffe entlang Hauptstraßen nach Kabul in den Distrikten Daymirdad und Sayyidabad in Wardak, der Route Mazar - Shirbingham und Maimana - Andkhoy in den nördlichen Provinzen Faryab, Jawzjan und Balkh und der Route Herat - Qala-e-Naw im westlichen Herat und Badghis (UNGASC 7.12.2018). Trotz verschiedener Kampfhandlungen und Bedrohungen blieben mit Stand Dezember 2018 gemäß SIGAR die Provinzzentren aller afghanischen Provinzen unter Kontrolle bzw. Einfluss der afghanischen Regierung (SIGAR 30.1.2019).

Im Laufe des Wahlregistrierungsprozesses und während der Wahl am 20. und am 21. Oktober wurden zahlreiche sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, welche durch die Taliban und den Islamischen Staat - Provinz Khorasan (ISKP) beansprucht wurden (UNGASC 7.12.2018; vgl. UNAMA 10.10.2018, UNAMA 11.2018). Während der Wahl in der Provinz Kandahar, die wegen Sicherheitsbedenken auf den 27. Oktober verschoben worden war, wurden keine sicherheitsrelevanten Vorfälle registriert. Die afghanischen Sicherheitskräfte entdeckten und entschärften einige IED [Improvised Explosive Devices - Improvisierte Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen] in Kandahar-Stadt und den naheliegenden Distrikten (UNAMA 11.2018). Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) hatte zwischen 1.1.2018 und 30.9.2018 im Zusammenhang mit den Parlamentswahlen insgesamt 366 zivile Opfer (126 Tote und 240 Verletzte) registriert (UNAMA 10.10.2018). Am offiziellen Wahltag, dem 20. Oktober, wurden 388 zivile Opfer (52 Tote und 336 Verletzte) registriert, darunter 117 Kinder (21 Tote und 96 Verletzte) und 48 Frauen (2 Tote und 46 Verletzte). Am folgenden Wahltag, dem 21. Oktober, wurden 47 weitere zivile Opfer (4 Tote und 43 Verletzte) verzeichnet, inklusive 17 Kinder (2 Tote und 15 Verletzte) und Frauen (3 Verletzte). Diese Zahlen beinhalten auch Opfer innerhalb der Afghan National Police (ANP) und der Independet Electoral Commission (IEC) (UNAMA 11.2018). Die am 20. Oktober am meisten von sicherheitsrelevanten Vorfällen betroffenen Städte waren Kunduz und Kabul. Auch wenn die Taliban in den von ihnen kontrollierten oder beeinflussten Regionen die Wählerschaft daran hinderten, am Wahlprozess teilzunehmen, konnten sie die Wahl in städtischen Gebieten dennoch nicht wesentlich beeinträchtigen (trotz der hohen Anzahl von Sicherheitsvorfällen) (UNGASC 7.12.2018).

Die Regierung kontrolliert bzw. beeinflusst - laut Angaben der Resolute Support (RS) Mission - mit Stand 22.10.2018 53,8% der Distrikte, was einen leichten Rückgang gegenüber dem Vergleichszeitraum 2017 bedeutet. 33,9% der Distrikte sind umkämpft und 12,3% befinden sich unter Einfluss oder Kontrolle von Aufständischen. Ca. 63,5% der Bevölkerung leben in Gebieten, die sich unter Regierungskontrolle oder -einfluss befinden; 10,8% in Gegenden unter Einfluss bzw. Kontrolle der Aufständischen und 25,6% leben in umkämpften Gebieten. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten unter Kontrolle bzw. Einfluss von Aufständischen sind Kunduz, Uruzgan und Helmand (SIGAR 30.1.2019).

Der ISKP ist weiterhin im Osten des Landes präsent und bekennt sich zu Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen in Nangarhar und zu sechs Angriffen in Kabul-Stadt. Des Weiteren finden in den Provinzen Nangarhar und Kunar weiterhin Kämpfe zwischen ISKP- und Talibankämpfern statt. Die internationalen Streitkräfte führten Luftangriffe gegen den ISKP in den Distrikten Deh Bala, Achin, Khogyani, Nazyan und Chaparhar der Provinz Nangarhar aus (UNGASC 7.12.2018).

Global Incident Map zufolge wurden im Berichtszeitraum (1.1.2018 - 31.12.2018) 4.436 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.

Zivile Opfer

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte im Berichtszeitraum (1.1.2018 - 31.12.2018) 10.993 zivile Opfer (3.804 Tote und 7.189 Verletzte), eine allgemeine Steigerung von 5% sowie eine Steigerung der Zahl der Toten um 11% gegenüber dem Vorjahreswert. 42% der zivilen Opfer (4.627 Opfer;

1.361 Tote und 3.266 Verletzte) wurden durch IED im Zuge von Anschlägen und Selbstmordanschlägen regierungsfeindlicher Gruppierungen (hauptsächlich ISKP) verursacht. Die Anzahl der Selbstmordanschläge unter Einsatz von IED stieg dabei um 22% und erreichte somit einen Rekordwert. Diese Art von Anschlägen verursachte 26% aller zivilen Opfer, während IED, die bei Nichtselbstmordanschlägen verwendet wurden, 16% der zivilen Opfer forderten. Kabul war mit insgesamt 1.866 Opfern (596 Tote und 1.270 Verletzte) die Provinz mit der höchsten Anzahl an Selbstmordanschlägen durch IED, während die Zahl der Opfer in Nangarhar mit insgesamt 1.815 (681 Tote und 1.134 Verletzte) zum ersten Mal fast die Werte von Kabul erreichte (hauptsächlich wegen des Einsatzes von IED bei Nichtselbstmordanschlägen). Kabul-Stadt verzeichnete insgesamt 1.686 zivile Opfer (554 Tote und 1.132 Verletzte) wegen komplexen und Selbstmordangriffen (UNAMA 24.2.2019).

Zusammenstöße am Boden (hauptsächlich zwischen regierungsfreundlichen und regierungsfeindlichen Gruppierungen) verursachten 31% der zivilen Opfer (insgesamt 3.382; davon 814 Tote und 2.568 Verletzte), was einen Rückgang um 3% im Vergleich mit dem Vorjahreswert bedeutet. Grund dafür war der Versuch regierungsfreundlicher Gruppierungen, die zivile Bevölkerung zu schonen. Die Verlagerung der Kämpfe in dünn besiedelte Gebiete, die Vorwarnung der lokalen Zivilbevölkerung bei Kampfhandlungen und die Implementierung von Strategien zum Schutz der Bevölkerung waren einige der bestimmenden Faktoren für den Rückgang bei zivilen Opfern. Jedoch ist die Opferzahl bei gezielt gegen die Zivilbevölkerung gerichteten komplexen Angriffen und Selbstmordanschlägen regierungsfeindlicher Gruppierungen gestiegen (plus 48% gegenüber 2017; 4.125 Opfer insgesamt, davon 1.404 Tote und 2.721 Verletzte). Sowohl der ISKP als auch die Taliban griffen gezielt Zivilisten an: Der ISKP war für 1.871 zivile Opfer verantwortlich, darunter waren u.a. Mitglieder der schiitischen Gemeinschaft, und die Taliban für 1.751. Obwohl die Gesamtzahl der zivilen Opfer durch gezielte Tötungen von Einzelpersonen (hauptsächlich durch Erschießung) zurückging, blieben Zivilisten inklusive religiöser Führer und Stammesältester weiterhin Ziele regierungsfeindlicher Gruppierungen. Die Gesamtzahl der durch Luftangriffe verursachten zivilen Opfer stieg im Vergleich mit dem Vorjahreswert um 61% und die Zahl der Todesopfer erreichte 82%. 9% aller zivilen Opfer wurden Luftangriffen (mehrheitlich der internationalen Luftwaffe) zugeschrieben, der höchste Wert seit 2009 (UNAMA 24.2.2019).

Regierungsfeindliche Gruppierungen waren im UNAMA-Berichtszeitraum (1.1.2018 - 31.12.2018) für 6.980 zivile Opfer (2.243 Tote und 4.737 Verletzte) verantwortlich. Das entspricht 63% der gesamten zivilen Opfer. 37% davon werden den Taliban, 20% dem ISKP und 6% unbestimmten regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben. Im Laufe des Jahres 2018 wurden vermehrt Anschläge gegen Bildungseinrichtungen verzeichnet, meist durch Talibankämpfer, da in Schulen Registrierungs- und Wahlzentren untergebracht waren. Der ISKP attackierte und bedrohte Bildungseinrichtungen als Reaktion auf militärische Operationen afghanischer und internationaler Streitkräfte. UNAMA berichtet auch über anhaltende Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen, welche Auswirkungen auf einen Großteil der zivilen Bevölkerung haben. Trotzdem die Taliban nach eigenen Angaben Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung ergriffen haben, attackierten diese weiterhin Zivilisten, zivile Einrichtungen und regierungsfreundliche Gruppierungen in Zivilgebieten (UNAMA 24.2.2019).

Ungefähr 24% der zivilen Opfer (2.612, davon 1.185 Tote und 1.427 Verletzte), werden regierungsfreundlichen Gruppierungen zugeschrieben: 14% den afghanischen Sicherheitskräften, 6% den internationalen Streitkräften und 4% unbestimmten regierungsfreundlichen Gruppierungen. Die Steigerung um 4% gegenüber dem Vorjahr geht auf Luftangriffe der internationalen Streitkräfte und Fahndungsaktionen der afghanischen Sicherheitskräfte und regierungsfreundlicher Gruppierungen zurück (UNAMA 24.2.2019).

Die verbleibenden 13% der verzeichneten zivilen Opfer wurden im Kreuzfeuer während Zusammenstößen am Boden (10%), durch Beschuss aus Pakistan (1%) und durch die Explosion von Blindgängern verursacht (UNAMA 24.2.2019).

2. Sicherheitslage

Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (UNGASC 27.2.2018).

Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (INSO o.D.).

[...]

Für das Jahr 2017 registrierte die UN insgesamt 23.744 sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan (UNGASC 27.2.2018); für das gesamte Jahr 2016 waren es 23.712 (UNGASC 9.3.2017). Landesweit wurden für das Jahr 2015 insgesamt 22.634 sicherheitsrelevanter Vorfälle registriert (UNGASC 15.3.2016).

Im Jahr 2017 waren auch weiterhin bewaffnete Zusammenstöße Hauptursache (63%) aller registrierten sicherheitsrelevanten Vorfälle, gefolgt von IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und Luftangriffen. Für das gesamte Jahr 2017 wurden 14.998 bewaffnete Zusammenstöße registriert (2016: 14.977 bewaffnete Zusammenstöße) (USDOD 12.2017). Im August 2017 stuften die Vereinten Nationen (UN) Afghanistan, das bisher als "Post-Konflikt-Land" galt, wieder als "Konfliktland" ein; dies bedeute nicht, dass kein Fortschritt stattgefunden habe, jedoch bedrohe der aktuelle Konflikt die Nachhaltigkeit der erreichten Leistungen (UNGASC 10.8.2017).

Die Zahl der Luftangriffe hat sich im Vergleich zum Jahr 2016 um 67% erhöht, die gezielter Tötungen um 6%. Ferner hat sich die Zahl der Selbstmordattentate um 50% erhöht. Östlichen Regionen hatten die höchste Anzahl an Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von südlichen Regionen. Diese beiden Regionen zusammen waren von 55% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle betroffen (UNGASC 27.2.2018). Für den Berichtszeitraum 15.12.2017 - 15.2.2018 kann im Vergleich zum selben Berichtszeitraum des Jahres 2016, ein Rückgang (-6%) an sicherheitsrelevanten Vorfällen verzeichnet werden (UNGASC 27.2.2018).

Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren (USDOD 12.2017). Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt; vgl. AAN 6.6.2018) bedrohen - ein signifikanter Meilenstein für die ANDSF (USDOD 12.2017; vgl. UNGASC 27.2.2018); diesen Meilenstein schrieben afghanische und internationale Sicherheitsbeamte den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zu (UNGASC 27.2.2018).

Die von den Aufständischen ausgeübten öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe in städtischen Zentren beeinträchtigten die öffentliche Moral und drohten das Vertrauen in die Regierung zu untergraben. Trotz dieser Gewaltserie in städtischen Regionen war im Winter landesweit ein Rückgang an Talibanangriffen zu verzeichnen (UNGASC 27.2.2018). Historisch gesehen gehen die Angriffe der Taliban im Winter jedoch immer zurück, wenngleich sie ihre Angriffe im Herbst und Winter nicht gänzlich einstellen. Mit Einzug des Frühlings beschleunigen die Aufständischen ihr Operationstempo wieder. Der Rückgang der Vorfälle im letzten Quartal 2017 war also im Einklang mit vorangegangenen Schemata (LIGM 15.2.2018).

2.1. Anschläge bzw. Angriffe und Anschläge auf hochrangige Ziele

Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten auch weiterhin "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben (USDOD 12.2017; vgl. SBS 28.2.2018, NZZ 21.3.2018, UNGASC 27.2.2018). Möglicherweise sehen Aufständische Angriffe auf die Hauptstadt als einen effektiven Weg, um das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung zu untergraben, anstatt zu versuchen, Territorium in ländlichen Gebieten zu erobern und zu halten (BBC 21.3.2018).

Die Anzahl der öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe hatte sich von 1.6. - 20.11.2017 im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Vorjahres erhöht (USDOD 12.2017). In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt (AJ 24.2.2018; vgl. Slate 22.4.2018). Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheitsoperationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden (BBC 21.3.2018); auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der US-Amerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren (WSJ 21.3.2018).

Landesweit haben Aufständische, inklusive der Taliban und des IS, in den Monaten vor Jänner 2018 ihre Angriffe auf afghanische Truppen und Polizisten intensiviert (TG 29.1.2018; vgl. BBC 29.1.2018); auch hat die Gewalt Aufständischer gegenüber Mitarbeiter/innen von Hilfsorganisationen in den letzten Jahren zugenommen (The Guardian 24.1.2018). Die Taliban verstärken ihre Operationen, um ausländische Kräfte zu vertreiben; der IS hingegen versucht, seinen relativ kleinen Einflussbereich zu erweitern. Die Hauptstadt Kabul ist in diesem Falle für beide Gruppierungen interessant (AP 30.1.2018).

Angriffe auf afghanische Sicherheitskräfte und Zusammenstöße zwischen diesen und den Taliban finden weiterhin statt (AJ 22.5.2018; AD 20.5.2018).

Registriert wurde auch eine Steigerung öffentlichkeitswirksamer gewalttätiger Vorfälle (UNGASC 27.2.2018), von denen zur Veranschaulichung hier auszugsweise einige Beispiele wiedergegeben werden sollen (Anmerkung der Staatendokumentation: Die folgende Liste enthält öffentlichkeitswirksame (high-profile) Vorfälle sowie Angriffe bzw. Anschläge auf hochrangige Ziele und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit).

* Selbstmordanschlag vor dem Ministerium für ländliche Rehabilitation und Entwicklung (MRRD) in Kabul: Am 11.6.2018 wurden bei einem Selbstmordanschlag vor dem Eingangstor des MRRD zwölf Menschen getötet und 30 weitere verletzt. Quellen zufolge waren Frauen, Kinder und Mitarbeiter des Ministeriums unter den Opfern (AJ 11.6.2018). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Angriff (Reuters 11.6.2018; Gandhara 11.6.2018).

* Angriff auf das afghanische Innenministerium (MoI) in Kabul: Am 30.5.2018 griffen bewaffnete Männer den Sitz des MoI in Kabul an, nachdem vor dem Eingangstor des Gebäudes ein mit Sprengstoff geladenes Fahrzeug explodiert war. Bei dem Vorfall kam ein Polizist ums Leben. Die Angreifer konnten nach einem zweistündigen Gefecht von den Sicherheitskräften getötet werden. Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Angriff (CNN 30.5.2018; vgl. Gandhara 30.5.2018)

* Angriff auf Polizeistützpunkte in Ghazni: Bei Taliban-Anschlägen auf verschiedene Polizeistützpunkte in der afghanischen Provinz Ghazni am 21.5.2018 kamen mindestens 14 Polizisten ums Leben (AJ 22.5.2018).

* Angriff auf Regierungsbüro in Jalalabad: Nach einem Angriff auf die Finanzbehörde der Provinz Nangarhar in Jalalabad kamen am 13.5.2018 mindestens zehn Personen, darunter auch Zivilisten, ums Leben und 40 weitere wurden verletzt (Pajhwok 13.5.2018; vgl. Tolonews 13.5.2018). Die Angreifer wurden von den Sicherheitskräften getötet (AJ 13.5.2018). Quellen zufolge bekannte sich der Islamische Staat (IS) zum Angriff (AJ 13.5.2018).

* Angriff auf Polizeireviere in Kabul: Am 9.5.2018 griffen bewaffnete Männer jeweils ein Polizeirevier in Dasht-e-Barchi und Shar-i-Naw an und verursachten den Tod von zwei Polizisten und verwundeten sechs Zivilisten. Auch wurden Quellen zufolge zwei Attentäter von den Sicherheitskräften getötet (Pajhwok 9.5.2018). Der IS bekannte sich zum Angriff (Pajhwok 9.5.2018; vgl. Tolonews 9.5.2018).

* Selbstmordangriff in Kandahar: Bei einem Selbstmordanschlag auf einen Konvoi der NATO-Truppen in Haji Abdullah Khan im Distrikt Daman der Provinz Kandahar sind am 30.4.2018 elf Kinder ums Leben gekommen und 16 weitere Menschen verletzt worden; unter den Verletzten befanden sich u.a. rumänische Soldaten (Tolonews 30.4.2018b; vgl. APN 30.4.2018b, Focus 30.4.2018, IM 30.4.2018). Weder der IS noch die Taliban reklamierten den Anschlag für sich (Spiegel 30.4.2018; vgl. Tolonews 30.4.2018b).

* Doppelanschlag in Kabul: Am 30.4.2018 fand im Bezirk Shash Derak in der Hauptstadt Kabul ein Doppelanschlag statt, bei dem Selbstmordattentäter zwei Explosionen verübten (AJ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a). Die erste Detonation erfolgte in der Nähe des Sitzes des afghanischen Geheimdienstes (NDS) und wurde von einem Selbstmordattentäter auf einem Motorrad verübt; dabei wurden zwischen drei und fünf Menschen getötet und zwischen sechs und elf weitere verletzt (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018b); Quellen zufolge handelte es sich dabei um Zivilisten (Focus 30.4.2018). Die zweite Detonation ging von einem weiteren Selbstmordattentäter aus, der sich, als Reporter getarnt, unter die am Anschlagsort versammelten Journalisten, Sanitäter und Polizisten gemischt hatte (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018b, Pajhwok 30.4.2018, Tolonews 30.4.2018a). Dabei kamen u.a. zehn Journalisten ums Leben, die bei afghanischen sowie internationalen Medien tätig waren (TI 1.5.2018; vgl. AJ 30.4.2018, APN 30.4.2018a,). Bei den beiden Anschlägen sind Quellen zufolge zwischen 25 und 29 Personen ums Leben gekommen und 49 verletzt worden (AJ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a, DZ 30.4.2018, Tolonews 30.4.2018a). Der IS bekannte sich zu beiden Angriffen (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a). Quellen zufolge sind Geheimdienstmitarbeiter das Ziel des Angriffes gewesen (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a).

* Angriff auf die Marshal Fahim Militärakademie: Am 29.1.2018 attackierten fünf bewaffnete Angreifer einen militärischen Außenposten in der Nähe der Marshal Fahim Militärakademie (auch bekannt als Verteidigungsakademie), die in einem westlichen Außendistrikt der Hauptstadt liegt. Bei dem Vorfall wurden mindestens elf Soldaten getötet und 15 weitere verletzt, bevor die vier Angreifer getötet und ein weiterer gefasst werden konnten. Der IS bekannte sich zu dem Vorfall (Reuters 29.1.2018; vgl. NYT 28.1.2018).

* Bombenangriff mit einem Fahrzeug in Kabul: Am 27.1.2018 tötete ein Selbstmordattentäter der Taliban mehr als 100 Menschen und verletzte mindestens 235 weitere (Reuters 27.1.2018; vgl. TG 28.1.2018). Eine Bombe - versteckt in einem Rettungswagen - detonierte in einem schwer gesicherten Bereich der afghanischen Hauptstadt (TG 27.1.2018; vgl. TG 28.1.2018) - dem sogenannten Regierungs- und Diplomatenviertel (Reuters 27.1.2018).

* Angriff auf eine internationale Organisation (Save the Children - SCI) in Jalalabad: Am 24.1.2018 brachte ein Selbstmordattentäter ein mit Sprengstoff beladenes Fahrzeug am Gelände der Nichtregierungsorganisation (NGO) Save The Children in der Provinzhauptstadt Jalalabad zur Explosion. Mindestens zwei Menschen wurden getötet und zwölf weitere verletzt; der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (BBC 24.1.2018; vgl. Reuters 24.1.2018, TG 24.1.2018).

* Angriff auf das Hotel Intercontinental in Kabul: Am 20.1.2018 griffen fünf bewaffnete Männer das Luxushotel Intercontinental in Kabul an. Der Angriff wurde von afghanischen Truppen abgewehrt, nachdem die ganze Nacht um die Kontrolle über das Gebäude gekämpft worden war (BBC 21.1.2018; vgl. DW 21.1.2018). Dabei wurden mindestens 14 Ausländer/innen und vier Afghan/innen getötet. Zehn weitere Personen wurden verletzt, einschließlich sechs Mitglieder der Sicherheitskräfte (NYT 21.1.2018). 160 Menschen konnten gerettet werden (BBC 21.1.2018). Alle fünf Angreifer wurden von den Sicherheitskräften getötet (Reuters 20.1.2018). Die Taliban bekannten sich zu dem Angriff (DW 21.1.2018).

* Selbstmordattentat mit einem mit Sprengstoff beladenen Tanklaster:

Am 31.5.2017 kamen bei einem Selbstmordattentat im hochgesicherten Diplomatenviertel Kabuls mehr als 150 Menschen ums Leben, mindestens 300 weitere wurden schwer verletzt (FAZ 6.6.2017; vgl. AJ 31.5.2017, BBC 31.5.2017; UN News Centre 31.5.2017). Der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (FN 7.6.2017).

2.2. Angriffe gegen Gläubige und Kultstätten

Registriert wurde eine steigende Anzahl der Angriffe gegen Glaubensstätten, religiöse Führer sowie Gläubige; 499 zivile Opfer (202 Tote und 297 Verletzte) waren im Rahmen von 38 Angriffen im Jahr 2017 zu verzeichnen. Die Anzahl dieser Art Vorfälle hat sich im Gegensatz zum Jahr 2016 (377 zivile Opfer, 86 Tote und 291 Verletzte bei 12 Vorfällen) verdreifacht, während die Anzahl ziviler Opfer um 32% gestiegen ist (UNAMA 2.2018). Auch verzeichnete die UN in den Jahren 2016 und 2017 Tötungen, Entführungen, Bedrohungen und Einschüchterungen von religiösen Personen - hauptsächlich durch regierungsfeindliche Elemente. Religiösen Führern ist es nämlich möglich, durch ihre Predigten öffentliche Standpunkte zu verändern, wodurch sie zum Ziel von regierungsfeindlichen Elementen werden (UNAMA 7.11.2017). Ein Großteil der zivilen Opfer waren schiitische Muslime. Die Angriffe wurden von regierungsfeindlichen Elementen durchgeführt - hauptsächlich dem IS (UNAMA 7.11.2017; vgl. UNAMA 2.2018). Es wurden aber auch Angriffe auf sunnitische Moscheen und religiöse Führer ausgeführt (TG 20.10.2017; vgl. UNAMA 7.11.2017).

Diese serienartigen und gewalttätigen Angriffe gegen religiöse Ziele, haben die afghanische Regierung veranlasst, neue Maßnahmen zu ergreifen, um Gebetsstätten zu beschützen: landesweit wurden 2.500 Menschen rekrutiert und bewaffnet, um 600 Moscheen und Tempel vor Angriffen zu schützen (UNGASC 20.12.2017).

Zur Veranschaulichung werden im Folgenden auszugsweise einige Beispiele von Anschlägen gegen Gläubige und Glaubensstätten wiedergegeben (Anmerkung der Staatendokumentation: Die folgende Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit):

* Angriff auf Treffen der Religionsgelehrten in Kabul: Am 4.6.2018 fand während einer loya jirga zwischen mehr als 2.000 afghanischen Religionsgelehrten, die durch eine Fatwa zur Beendigung der Gewalt aufriefen, ein Selbstmordanschlag statt. Bei dem Angriff kamen 14 Personen ums Leben und weitere wurden verletzt (Tolonews 7.6.2018; vgl. Reuters 5.6.2018). Quellen zufolge bekannte sich der IS zum Angriff (Reuters 5.6.2018; vgl. RFE/RL 5.6.2018).

* Angriff auf Kricket-Stadion in Jalalabad: Am 18.5.2018, einem Tag nach Anfang des Fastenmonats Ramadan, kamen bei einem Angriff während eines Kricket-Matchs in der Provinzhauptstadt Nangarhars Jalalabad mindestens acht Personen ums Leben und mindestens 43 wurden verletzt (TRT 19.5.2018; vgl. Tolonews 19.5.2018, TG 20.5.2018). Quellen zufolge waren das direkte Ziel dieses Angriffes zivile Zuschauer des Matchs (TG 20.5.2018; RFE/RL 19.5.2018), dennoch befanden sich auch Amtspersonen unter den Opfern (TNI 19.5.2018). Quellen zufolge bekannte sich keine regierungsfeindliche Gruppierung zum Angriff (RFE/RL 19.5.2018); die Taliban dementierten ihre Beteiligung an dem Anschlag (Tolonews 19.5.2018; vgl. TG 20.5.2018) .

* Selbstmordanschlag während Nowruz-Feierlichkeiten: Am 21.3.2018 (Nowruz-Fest; persisches Neujahr) kam es zu einem Selbstmordangriff in der Nähe des schiitischen Kart-e Sakhi-Schreins, der von vielen afghanischen Gemeinschaften - insbesondere auch der schiitischen Minderheit - verehrt wird. Sie ist ein zentraler Ort, an dem das Neujahrsgebet in Kabul abgehalten wird. Viele junge Menschen, die tanzten, sangen und feierten, befanden sich unter den 31 getöteten; 65 weitere wurden verletzt (BBC 21.3.2018). Die Feierlichkeiten zu Nowruz dauern in Afghanistan mehrere Tage und erreichen ihren Höhepunkt am 21. März (NZZ 21.3.2018). Der IS bekannte sich auf seiner Propaganda Website Amaq zu dem Vorfall (RFE/RL 21.3.2018).

* Angriffe auf Moscheen: Am 20.10.2017 fanden sowohl in Kabul, als auch in der Provinz Ghor Angriffe auf Moscheen statt: während des Freitagsgebets detonierte ein Selbstmordattentäter seine Sprengstoffweste in der schiitischen Moschee, Imam Zaman, in Kabul. Dabei tötete er mindestens 30 Menschen und verletzte 45 weitere. Am selben Tag, ebenso während des Freitagsgebetes, griff ein Selbstmordattentäter eine sunnitische Moschee in Ghor an und tötete 33 Menschen (Telegraph 20.10.2017; vgl. TG 20.10.2017).

* Tötungen in Kandahar: Im Oktober 2017 bekannten sich die afghanischen Taliban zu der Tötung zweier religiöser Persönlichkeiten in der Provinz Kandahar. Die Tötungen legitimierten die Taliban, indem sie die Getöteten als Spione der Regierung bezeichneten (UNAMA 7.11.2017).

* Angriff auf schiitische Moschee: Am 2.8.2017 stürmten ein Selbstmordattentäter und ein bewaffneter Schütze während des Abendgebetes die schiitische Moschee Jawadia in Herat City; dabei wurden mindestens 30 Menschen getötet (BBC 3.8.2017; vgl. Pajhwok 2.8.2017). Insgesamt war von 100 zivilen Opfer die Rede (Pajhwok 2.8.2017). Der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (BBC 3.8.2017).

* Entführung in Nangarhar: Die Taliban entführten und folterten einen religiösen Gelehrten in der Provinz Nangarhar, dessen Söhne Mitglieder der ANDSF waren - sie entließen ihn erst, als Lösegeld für ihn bezahlt wurde (UNAMA 7.11.2017).

* In der Provinz Badakhshan wurde ein religiöser Führer von den Taliban entführt, da er gegen die Taliban predigte. Er wurde gefoltert und starb (UNAMA 7.11.2017).

2.3. Angriffe auf Behörden zur Wahlregistrierung:

Seit der Ankündigung des neuen Wahltermins durch den afghanischen Präsidenten Ashraf Ghani im Jänner 2018 haben zahlreiche Angriffe auf Behörden, die mit der Wahlregistrierung betraut sind, stattgefunden (ARN 21.5.2018; vgl. DW 6.5.2018, AJ 6.5.2018, Tolonews 6.5.2018, Tolonews 29.4.2018, Tolonews 22.4.2018). Es folgt eine Auflistung der größten Vorfälle:

* Bei einem Selbstmordanschlag auf ein für die Wahlregistrierung errichtetes Zelt vor einer Moschee in der Provinz Khost kamen Quellen zufolge am 6.5.2018 zwischen 13 und 17 Menschen ums Leben und mindestens 30 weitere wurden verletzt (DW 6.5.2018; vgl. Tolonews 6.5.2018, AJ 6.5.2018).

* Am 22.4.2018 kamen in der Nähe einer Behörde zur Wahlregistrierung in Pul-e-Khumri in der Provinz Baghlan sechs Menschen ums Leben und fünf weitere wurden verletzt; bisher bekannte sich keine Gruppierung zum Anschlag (Tolonews 22.4.2018; vgl. NZZ 22.4.2018).

* Am 22.4.2018 kamen vor einer Behörde zur Wahlregistrierung in Kabul 60 Menschen ums Leben und 130 wurden verletzt. Der Angriff fand im mehrheitlich aus ethnischen Hazara bewohnten Kabuler Distrikt Dacht-e-Barchi statt. Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Anschlag, der gegen die "schiitischen Apostaten" gerichtet war (USIP 24.4.2018; vgl. Slate 22.4.2018).

2.4. Zivilist/innen

Im Jahr 2017 registrierte die UNAMA 10.453 zivile Opfer (3.438 Tote und 7.015 Verletzte) - damit wurde ein Rückgang von 9% gegenüber dem Vergleichswert des Vorjahres 2016 (11.434 zivile Opfer mit 3.510 Toten und 7.924 Verletzen) festgestellt. Seit 2012 wurde zum ersten Mal ein Rückgang verzeichnet: im Vergleich zum Jahr 2016 ist die Anzahl ziviler Toter um 2% zurückgegangen, während die Anzahl der Verletzten um 11% gesunken ist. Seit 1.1.2009-31.12.2017 wurden insgesamt 28.291 Tote und 52.366 Verletzte von der UNAMA registriert. Regierungsfeindliche Gruppierungen waren für 65% aller zivilen Opfer im Jahr 2017 verantwortlich; Hauptursache dabei waren IEDs, gefolgt von Selbstmordangriffen und komplexen Attacken (UNAMA 2.2018). Im Zeitraum 1.1.2018 - 31.3.2018 registriert die UNAMA

2.258 zivile Opfer (763 Tote und 1.495 Verletzte). Die Zahlen reflektieren ähnliche Werte wie in den Vergleichsquartalen für die Jahre 2016 und 2017. Für das Jahr 2018 wird ein neuer Trend beobachtet: Die häufigste Ursache für zivile Opfer waren IEDs und komplexe Angriffe. An zweiter Stelle waren Bodenoffensiven, gefolgt von gezielten Tötungen, Blindgängern (Engl. UXO, "Unexploded Ordnance") und Lufteinsätzen. Die Bewohner der Provinzen Kabul, Helmand, Nangarhar, Faryab und Kandahar waren am häufigsten vom Konflikt betroffen (UNAMA 12.4.2018).

Regierungsfeindlichen Gruppierungen wurden landesweit für das Jahr 2017 6.768 zivile Opfer (2.303 Tote und 4.465 Verletzte) zugeschrieben - dies deutet auf einen Rückgang von 3% im Vergleich zum Vorjahreswert von 7.003 zivilen Opfern (2.138 Tote und 4.865 Verletzte). Der Rückgang ziviler Opfer, die regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben werden, ist auf einen Rückgang ziviler Opfer, die durch Bodenkonfrontation, IED und ferngezündete Bomben zu Schaden gekommen sind, zurückzuführen. Im Gegenzug dazu hat sich die Anzahl ziviler Opfer aufgrund von Selbstmordangriffen und komplexen Attacken erhöht. Die Anzahl ziviler und nicht-ziviler Opfer, die aufgrund gezielter Tötungen durch regierungsfeindliche Elemente zu Schaden gekommen sind, ist ähnlich jener aus dem Jahr 2016 (UNAMA 2.2018).

Im Jänner 2018 waren 56

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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