TE Bvwg Erkenntnis 2019/5/8 W186 2218302-1

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Veröffentlicht am 08.05.2019
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Entscheidungsdatum

08.05.2019

Norm

BFA-VG §22a Abs1
BFA-VG §22a Abs3
B-VG Art.133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z2
VwGVG §35

Spruch

W186 2218302-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Judith PUTZER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Nigeria, vertreten durch ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.04.2019, Zl:

1204487101-190428070, zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG i.V.m. § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen.

II. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG i.V.m. § 76 Abs. 2 Z 2 FPG wird festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen.

III. Gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG i.V.m. § 1 Z. 3 und Z. 4 VwG-AufwErsV hat die beschwerdeführende Partei dem Bund Aufwendungen in Höhe von € 426,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

IV. Der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Kostenersatz wird gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.1. Mit Mandatsbescheid vom 26.04.2019 wurde über den betroffenen Fremden (BF) gemäß § 76 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz, BGBl I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, iVm § 57 Absatz 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl Nr. 51/1991 (AVG) idgF, die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet. Der BF befindet sich damals in Schubhaft.

1.2. Seitens der Behörde wurde um die Ausstellung eines Heimreisezertifikates und um Vorführung des genannten an die nigerianische Delegation betreffend ID-Feststellung ersucht.

1.3. Am 26.04.2019 wurde der BF zur möglichen Schubhaftverhängung einvernommen.

1.4. Der Bescheid über die Erlassung der Schubhaft enthält die folgenden Feststellungen:

Zur Person:

Der BF ist nicht österreichischer Staatsbürger. Zu Österreich bestehen keine familiären oder beruflichen Bindungen. Seine Familie lebt in Nigeria.

Zur rechtlichen Position in Österreich:

Der Asylantrag des BF wurde am 22.02.2019 rechtskräftig negativ abgewiesen. In einem wurde eine Rückkehrentscheidung und ein Einreiseverbot erlassen.

Zum bisherigen Verhalten:

-

Der BF ist sind nach Österreich illegal eingereist und stellte einen unbegründeten Antrag auf internationalen Schutz.

-

Trotz der Abweisung des Asylantrags und der Erlassung einer Rückkehrentscheidung iVm Einreiseverbot, kam er seiner Ausreiseverpflichtung bis dato nicht nach.

-

Der BF hat keine familiären Bindungen im Bundesgebiet.

-

Der BF ist nicht dazu bereit, an der Feststellung Ihrer Identität oder Nationalität mitzuwirken.

-

Der BF geht keiner gemeldeten Erwerbstätigkeit bzw. Beschäftigung nach er verfügt über keine Meldeadresse.

-

Der BF verfügt über keinen entsprechenden Aufenthaltstitel, um einer legalen Beschäftigung nachzugehen.

Zu Privat- und Familienleben:

Sie sind in Österreich weder beruflich noch sozial verankert, außerdem bestehen zum Bundesgebiet keinerlei familiäre Bindungen.

In rechtlicher Hinsicht fand die Behörde, dass im Fall des BF Fluchtgefahr vorläge und die Gefahr seines Untertauchens bestünde."

1.4. Am 04.04.2019 langte die gegenständliche Schubhaftbeschwerde bei Gericht ein.

Die Beschwerde führt Folgendes an:

"I. Zur Rechtzeitigkeit der Beschwerde

Der BF befindet sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt aufgrund des angefochtenen Bescheides zur oa, Zahl in Schubhaft. Die gegenständliche Beschwerdeerhebung erfolgt daher binnen offener Frist.

Die Schubhaft wurde mittels Mandatsbescheid vom 26.04.2019 durch das Organ ADir. XXXX des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA), Regionaldirektion Wien, angeordnet. Diese Bezeichnung ergeht gern § 9 Abs 4 VwGVG.

II. Zur Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Anordnung der Schubhaft und weiteren Anhaltung in Schubhaft

1. Sachverhalt (Kurzdarstellung)

Der BF ist nigerianischer Staatsangehöriger. Sein Antrag auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid vom 15.01.2019 vollinhaltlich abgewiesen und ist seit 22.02.2019 rechtskräftig.

Am 05.04.2019 sollte der BF vor der nigerianischen Botschaft zur Identitätsfeststellung erscheinen. Dem BF war dieser Termin nicht bewusst, weshalb er dort nicht erschienen ist.

Mit Bescheid vom 26.04.2019 wurde gegen den BF Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung verhängt. Gegen diesen Bescheid richtet sich diese Beschwerde.

2. Keine Fluchtgefahr, Unverhältnismäßigkeit der Haft

Gern § 76 Abs 2 Z 2 FPG ist die Verhängung der Schubhaft nur bei Vorliegen von Fluchtgefahr und Verhältnismäßigkeit zulässig. Im gegenständlichen Fall liegen weder Fluchtgefahr noch Verhältnismäßigkeit vor, wie im Folgenden näher ausgeführt wird:

Zum Vorliegen der Fluchtgefahr führt die belangte Behörde aus, der BF sei seiner Ausreiseverpflichtung bis dato nicht nachgekommen und habe er nicht ausreichend an der Identitätsfeststellung mitgewirkt. Ferner fuhrt das BFA aus, der BF sei seit 01.04.2019 unbekannten Aufenthaltes gewesen und sei es für die Behörde erkennbar gewesen, der BF wolle seinen unerlaubten Aufenthalt in Österreich fortsetzen.

Insgesamt ist den Ausführungen des Bundesamtes zu entgegnen, dass die Nicht-Befolgung des Ausreisebefehles für sich alleine genommen nicht geeignet ist, das Vorliegen einer Fluchtgefahr zu begründen. Das Verstreichen der Frist für die freiwillige Ausreise ist eine von vier fakultativen Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Abschiebung gern § 46 Abs 1 FPG. Alleine aus dem Umstand, dass eine Abschiebung zulässig ist, kann aber eben nicht auf die Zulässigkeit der Schubhaft geschlossen werden. Die Ansicht der Behörde hätte zur Konsequenz, dass jede Person, welche nicht fristgerecht ausreist und/oder sich unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, in Schubhaft genommen werden kann. Es ist aber evident, dass eine solche Ansicht nicht dem Willen des Gesetzgebers entspricht. Vielmehr bedarf es für die Zulässigkeit der Schubhaft insbesondere des Vorliegens von Fluchtgefahr.

Zwar ist es richtig, dass der BF vor der belangten Behörde angegeben hat, nicht nach Nigeria zurückzuwollen. Jedoch ist der BF nunmehr bereit mit den Behörden zu kooperieren, um auf eine schnellstmögliche Abschiebung hinzuwirken. Dem BF war nicht bewusst, dass er am 05.04.2019 einen Termin bei der nigerianischen Delegation hatte und wird definitiv beim nächsten Termin erscheinen.

Darüber hinaus wird der BF sich darum kümmern, in seinem alten Quartier in der XXXX in XXXX erneut Unterkunft zu nehmen.

Insgesamt erweckt die Verhängung der Schubhaft gegenüber der BF den Eindruck, sie sei lediglich aufgrund allgemeiner Erfahrungswerte erlassen worden. Schubhaft darf aber nie als Standard- Maßnahme gegenüber Asylwerbem oder Fremden angewendet werden.1 Schubhaft darf immer bloß als ultima ralio erlassen werden.2 Im vorliegenden Fall ist eine Einzelfallprüfung nicht zu erkennen, da die Behörde es völlig unerklärt lässt, inwiefern der BF eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellt. Auch nimmt die Behörde bei ihren Ausführungen zur erheblichen Delinquenz keinen Bezug auf den BF.

Da keines der von der belangten Behörde herangezogenen Kriterien erfüllt ist, gelingt es dieser somit nicht einmal in abstrakter Weise Fluchtgefahr darzulegen, vgl VwGH 11.05.2017, 2016/21/0021:

"Zur Erfüllung des Kriteriums der "Fluchtgefahr" bedarf es zunächst einmal - um, in den Worten des EuGH, "den Spielraum der Behörden ... in zwingender und im Voraus erkennbarer Weise ab(zu)steck(en)" - jedenfalls des Vorliegens eines in diesem Sinne tauglichen Tatbestandes des § 76 Abs. 3 legcit. Eine derartige Tatbestandserfüllung, damit die geforderte Anknüpfung an abstrakt formulierte Umstände, stellt gleichsam den Ausgangspunkt für jegliche Annahme von "Fluchtgefahr" dar, die allerdings im Ergebnis nur dann bejaht werden kann, wenn auch eine fallbezogene Betrachtung der Gesamtsituation zu der Schlussfolgerung führt, der Fremde könnte sich dem Verfahren oder der Abschiebung durch Flucht entziehend

Wie nunmehr dargelegt, liegt entgegen der Ansicht der Behörde kein beträchtliches Risiko des Untertauchens vor. Dem BFA ist es nicht gelungen, eine Fluchtgefahr und den Sicherungsbedarf aufzuzeigen.

3. Nicht Anwendung eines gelinderen Mittels

Selbst wenn man davon ausgeht, dass eine Fluchtgefahr besteht (was aber ausdrücklich in Abrede gestellt wird), wäre die belangte Behörde aufgrund des klaren Wortlautes des § 77 Abs 1 FPG verpflichtet gewesen, ein gelinderes Mittel anstatt der Schubhaft zu verhängen, wenn ein solches zur Erreichung des Sicherungszweckes ausreichend ist. Warum ein gelinderes Mittel im vorliegenden Fäll nicht in Frage kommt, wird von der belangten Behörde aber nicht nachvollziehbar dargelegt.

Die Ausführungen in angefochtenen Bescheid, warum gelindere Mittel im Fall des BF nicht ausreichend sind, beschränken sich vorwiegend auf allgemeine textbausteinartige Formulierungen ohne ausreichend auf den individuellen Fall einzugehen. Die belangte Behörde legt nicht nachvollziehbar dar, warum ein gelinderes Mittel (insbesondere eine periodische Meldeverpflichtung gemäß §77 Abs 3 FPG) gegenüber dem BF nicht in Frage kommt, zumal bislang kein gelinderes Mittel verhängt wurde.

Gegen den BF wäre neben einer periodischen Meldeverpflichtung das gelindere Mittel der Unterkunftnahme in von der Behörde bestimmten Räumlichkeiten durchaus in Betracht gekommen, zumal die Landespolizeidirektionen gern § 77 Abs 9 FPG Vorsorge betreffend derartiger Räumlichkeiten getroffen haben. So stehen für diesen Zweck entsprechende Räumlichkeiten etwa an der Adresse XXXX , oder an der Adresse XXXX , zur Verfügung.

Der Vollständigkeit halber ist anzuführen, dass die Anwendung eines gelinderen Mittels der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Befehls -und Zwangsgewalt nicht entgegen steht und Betroffenen aufgetragen werden kann, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten (§ 77 Abs 5 FPG).

Der BF ist bereit mit Behörden zu kooperieren und wurde insbesondere einer periodischen Meldeverpflichtung sowie einer abfälligen angeordneten Unterkunftnahme auch Folge leisten.

Die angeführten gelinderen Mittel wären zur Erfüllung des angenommenen Sicherungszweckes jedenfalls ausreichend gewesen. Durch die mangelnde Prüfung der gelinderen Mittel erweist sich die Schubhaft als unverhältnismäßig und der angefochtene Bescheid als rechtswidrig.

III. Notwendigkeit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung

Sollte das Bundesverwaltungsgericht beabsichtigen, nicht antragsgemäß zu entscheiden, wird ausdrücklich die Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung zur Klärung des maßgeblichen unter Einvernahme des BF beantragt.

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist aufgrund der höchstgerichtlichen Rechtsprechung zwingend geboten. Neben der Entscheidung des VwGH 24.01.2013, 2012/21/0230, sei auch auf die Rechtsprechung des VfGH betreffend Art 47 GRC zur Zahl U 466/11 und U 1836/11, vom 14.03.2012 verwiesen. Im gegenständlichen Fall liegt der unionsrechtliche Bezug - der zur Anwendung des Art 47 GRC führt - in der Aufhahme-RL und in der Rückführungs-RL. Daher kommen die Verfahrensgarantien des Art 6 EM RR - unter Maßgabe des Art 47 GRC - im Beschwerdeverfahren zur Anwendung. Diesbezüglich verlangte der EGMR in der jüngsten Entscheidung Denk gegen Österreich, 05.12.2013, 23396/09 zwingend die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, wenn die Rechtssache erstmals von einem Gericht entschieden wird und die Durchführung ausdrücklich beantragt wird (vgl Denk gegen Österreich Rz 18).

1.5 Die Behörde legte dazu die folgende Stellungnahme vor:

"Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl informiert über gegenständliches Verfahren und übermittelt gleichzeitig die dagegen beim BVwG eingebrachte und ha am 03.05.2019 eingelangte Schubhaftbeschwerde, das Bundesverwaltungsgericht möge ua.

-) den angefochtenen Bescheid beheben und aussprechen, dass die Anhaltung rechtswidrig erfolgte, in eventu

-) eine mündliche Verhandlung anberaumen

-) feststellen, dass die weitere Anhaltung des BF in Schubhaft sich als unzulässig erwiese, und sodann

-) der belangten Behörde die Kosten für den entstandenen Aufwand auferlegen

zur do. Verwendung.

Der ha aufliegende phys. Akt wurde dem BVwG auf Grund seines Umfangs bereits elektronisch übermittelt. Sollte der in der RD OÖ aufliegende Aktenteil benötigt werden, wird um kurze Mitteilung ersucht.

Aufgrund der eingebrachten Schubhaftbeschwerde erlaubt sich das BFA folgende Stellungnahme abzugeben:

Gegen den Fremden besteht eine in Rechtskraft II. Instanz erwachsene Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot (BVwG I414 2214391-1/4E).

Die Anordnung von Schubhaft erweist sich daher als im Grunde zulässig.

Den Ansprüchen einer minutiösen Einzelfallprüfung hinsichtlich des Vorliegens von Fluchtgefahr und einer ultima-ratio-Situation kam die Behörde in Ansehung der im Akt dokumentierten Vorgänge jedenfalls nach.

Die durch den RV behauptete Unverhältnismäßigkeit der Schubhaft kann ha somit nicht nachvollzogen werden - es existiert mannigfache Judikatur des BVwG und VwGH, im Zuge welcher bei gleichgelagerten Sachverhalten Schubhaft jedenfalls als verhältnismäßig angesehen wurde.

Die in der Beschwerde monierte Kooperativität steht im krassen Widerspruch zu dem in der Anhaltung an den Tag gelegten Verhalten des BF (siehe Meldung PAZ-HG hinsichtlich der Ordnungswidrigkeiten)."

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Zum Sachverhalt und zur Person:

Der BF reiste illegal in das Bundesgebiet ein, ist nigerianischer Staatsangehöriger und als solcher Fremder i.S.d. FPG.

Zu den Voraussetzungen der Schubhaft:

Es besteht eine rechtskräftige und durchsetzbare Rückkehrentscheidung iVm einem Einreiseverbot gegen den BF.

Die Ausstellung eines Heimreisezertifikates ist tatsächlich und zeitnah zu erwarten.

Der BF ist haftfähig.

Zum Sicherungsbedarf:

Gegen den BF besteht eine durchführbare Rückkehrentscheidung in Bezug auf Nigeria. Der BF ist seiner Ausreiseverpflichtung bisher nicht nachgekommen und hat sich der Behörde mehrfach entzogen.

Zur familiären/sozialen Komponente:

Der BF verfügt im Inland über keine Angehörigen, keine nennenswerten Kontakte und hat im Verfahren keine wesentlichen Merkmale für seine Integration darlegen können. Der BF geht im Inland keiner legalen Erwerbstätigkeit nach und verfügt über keine wesentlichen Deutschkenntnisse.

Der BF verfügt über keine ausreichenden finanziellen Mittel zur Existenzsicherung.

Ein gesicherter Wohnsitz ist nicht vorhanden.

2. Beweiswürdigung:

Zur Person und zum Verfahrensgang:

Die Feststellungen zum Verfahrensgang ergeben sich im Wesentlichen aus den vorgelegten Verwaltungsakten (Asyl- u. Fremdenakten) der Behörde und dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes. Die von der Behörde zur Person getroffenen Feststellungen wurde in Beschwerde nicht bestritten.

Zu den Voraussetzungen der Schubhaft:

Das Vorliegen einer rechtskräftigen und durchsetzbaren Rückkehrentscheidung ergibt sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten.

Die Feststellung der Haftfähigkeit ergibt sich aus den Angaben im Akt und liegen diesbezüglich dem Gericht zum Zeitpunkt der gegenständlichen Entscheidung keine anderslautenden Informationen vor.

Dass die Abschiebung faktisch und bald möglich ist, ergibt sich aus der von der Behörde vorgelegten Stellungnahme.

Zum Sicherungsbedarf:

Die Feststellung dazu ergibt sich im Wesentlichen aus den diesbezüglichen Angaben im Akt.

Familiäre/soziale Komponente:

Sämtliche Feststellungen zu diesem Punkt basieren auf den eigenen Angaben des Beschwerdeführers in der Einvernahme zur Schubhaftverhängung.

Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht mehr aufzunehmen:

Von einer Anberaumung einer mündlichen Verhandlung konnte im Hinblick auf die geklärte Sachlage Abstand genommen werden.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. - Schubhaftbescheid, Anhaltung in Schubhaft:

3.1.1. Gesetzliche Grundlage:

Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

"§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß."

3.1.2. Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der - aktuelle - Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

Schubhaft darf stets nur "ultima ratio" sein (vgl. VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0054; VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, VwGH 24.02.2011, Zl. 2010/21/0502; VwGH 17.03.2009, Zl. 2007/21/0542; VwGH 30.08.2007, 2007/21/0043). Daraus leitete der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 19.05.2011, Zl. 2008/21/0527, unter Hervorhebung der in § 80 Abs. 1 FPG 2005 ausdrücklich festgehaltenen behördliche Verpflichtung, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert, insbesondere auch ab, "dass die Behörde schon von vornherein angehalten ist, im Fall der beabsichtigten Abschiebung eines Fremden ihre Vorgangsweise nach Möglichkeit so einzurichten, dass Schubhaft überhaupt unterbleiben kann. Unterlässt sie das, so erweist sich die Schubhaft als unverhältnismäßig" (VwGH vom 19.05.2011, Zl. 2008/21/0527).

3.1.3. Darüber hinaus ist die Verhältnismäßigkeit der Schubhaft nach Ansicht des erkennenden Gerichtes gegeben. Betrachtet man die Interessen des BF an den Rechten seiner persönlichen Freiheit in Bezug auf seine familiären bzw. sozialen Verhältnisse im Inland zeigt sich, dass der Beschwerdeführer über keine nennenswerten Kontakte im Inland verfügt, die hier wesentlich ins Gewicht fallen.

3.1.4. Die Anordnung eines gelinderen Mittels führt nach Ansicht des Gerichts nicht zu einer ausreichenden Sicherung der Durchführbarkeit der Abschiebung. Die Kriterien, die bereits unter dem Punkt "Sicherungsbedarf" erörtert wurden, zeigen eindeutig, dass eine jederzeitige Erreichbarkeit des Beschwerdeführers nicht mit der erforderlichen Sicherheit gewährleistet wäre. Es ist nicht gesichert, dass der Beschwerdeführer für die Behörde erreichbar wäre und er nicht (wiederum) untertauchen würde. Auch eine familiäre Bindung, die unter Umständen Halt bieten könnte, ist in Österreich nicht vorhanden. Der Beschwerdeführer war in der Vergangenheit nicht gewillt in seine Heimat zurückzukehren und war es auch zum Entscheidungszeitpunkt nicht. Unter Berücksichtigung aller Umstände ist die Behörde daher zutreffend davon ausgegangen, dass mit der Anordnung gelinderer Mittel das Auslangen nicht gefunden werden kann.

3.1.7. Die gegenständlich verhängte Schubhaft erweist sich daher auch als "ultima ratio" und es wird die Schubhaft weiterzuführen sein. Auf Grund des zuvor Ausgeführten ergibt sich, dass sowohl Sicherungsbedarf, als auch Verhältnismäßigkeit gegeben sind und die Anwendung eines gelinderen Mittels nicht als erfolgversprechend zu beurteilen war. In diesem Sinne ist auch das Kriterium der "ultima ratio" im vorliegenden Schubhaftverfahren gegeben.

3.1.8. Im vorliegenden Fall konnte von der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden, da der Sachverhalt im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens hinreichend geklärt werden konnte.

3.2. Zu Spruchpunkt II. - Vorliegen der Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft:

Die getroffene Feststellung und ihre rechtliche Würdigung lassen im Hinblick auf ihre Aktualität und ihren Zukunftsbezug keine die Frage der Rechtmäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft ändernden Umstände erkennen. Es war daher spruchgemäß festzustellen, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen weiter vorliegen.

3.3. Zu Spruchpunkt III. und IV. - Kostenbegehren

Beide Parteien begehrten den Ersatz ihrer Aufwendungen entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen. Da die Verwaltungsbehörde vollständig obsiegte, steht ihr nach den angeführten Bestimmungen dem Grunde nach der Ersatz ihrer Aufwendungen zu. Die Höhe der zugesprochenen Verfahrenskosten stützt sich auf die im Spruch des Erkenntnisses genannten gesetzlichen Bestimmungen.

3.4. Zu Spruchpunkt B. - Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Wie zu Spruchpunkt I. und II. ausgeführt sind keine Auslegungsfragen hinsichtlich der anzuwendenden Normen hervorgekommen, es waren auch keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Die Revision war daher in Bezug auf beide Spruchpunkte nicht zuzulassen. Im Hinblick auf die eindeutige Rechtslage in den übrigen Spruchpunkten war die Revision gleichfalls nicht zuzulassen.

Schlagworte

Ausreisewilligkeit, Einreiseverbot, Fluchtgefahr, Kostenersatz,
öffentliche Interessen, Rückkehrentscheidung, Schubhaft,
Sicherungsbedarf, Untertauchen, Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W186.2218302.1.00

Zuletzt aktualisiert am

25.06.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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