TE Vwgh Erkenntnis 1999/2/12 97/19/1459

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Veröffentlicht am 12.02.1999
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §6 Abs1 idF 1996/201;
AufG 1992 §6 Abs2 idF 1996/201;
AVG §37;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Schick als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde der 1982 geborenen S R, vertreten durch den gesetzlichen Vertreter M H, dieser vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 23. Juni 1997, Zl. 307.607/3-III/11/97, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin stellte durch ihren gesetzlichen Vertreter am 13. September 1996 bei der österreichischen Botschaft in Budapest einen als "Erstantrag" bezeichneten Antrag auf Erteilung Aufenthaltsbewilligung, der am 23. September 1996 beim Magistrat der Stadt Wien einlangte. Als Aufenthaltszweck gab die Beschwerdeführerin Familiengemeinschaft mit ihrem Onkel (ihrem gesetzlichen Vertreter und Vormund) an.

Der Landeshauptmann von Wien wies den Antrag mit Bescheid vom 1. Dezember 1996 gemäß § 4 Abs. 3 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) ab, weil auch der Antrag ihres Vormundes abgewiesen worden sei.

Die Beschwerdeführerin erhob Berufung.

Über Aufforderung des Bundesministeriums für Inneres legte die Beschwerdeführerin eine aktuelle Schulbesuchsbestätigung vom 23. Oktober 1996 vor, derzufolge sie im Schuljahr 1996/97 die

6. Klasse einer öffentlichen Schule der Stadt Wien besuche, und ersuchte, im Hinblick auf ihre "gravierende Bindung" zu Österreich ("Schulbesuch und langjähriger Aufenthalt") im Zusammenhalt mit den vorgelegten Bestätigungen die Berufung positiv zu entscheiden.

Der Bundesminister für Inneres wies die Berufung mit Bescheid vom 23. Juni 1997 gemäß § 6 Abs. 2 AufG sowie § 5 Abs. 1 AufG iVm § 10 Abs. 1 Z. 4 des Fremdengesetzes 1992(FrG) ab. In der Begründung führte der Beschwerdeführer für Inneres aus, es stehe fest, daß der Antrag nicht vor der Einreise der Beschwerdeführerin in das Bundesgebiet eingebracht worden sei. Dieser Sachverhalt werde von ihr auch nicht bestritten. Sie sei vor, während und nach der Antragstellung polizeilich gemeldet bzw. aufhältig gewesen. Sie habe u.a. eine aktuelle Schulbesuchsbestätigung für das Schuljahr 1996/97 vorgelegt, aus der ihr fortgesetzter Aufenthalt im Bundesgebiet hervorgehe. Seit Ablauf ihres Touristensichtvermerkes halte sich die Beschwerdeführerin überdies unerlaubt im Bundesgebiet auf. In diesem unerlaubten Aufenthalt sah der Bundesminister für Inneres auch den Sichtvermerksversagungsgrund nach § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG verwirklicht.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (die Zustellung erfolgte am 10. Juli 1997) ist für die Überprüfung seiner Rechtmäßigkeit durch den Verwaltungsgerichtshof die Rechtslage nach der Novelle zum Aufenthaltsgesetz BGBl. Nr. 201/1996 maßgeblich.

§ 6 Abs. 2 AufG lautete:

"§ 6. ...

(2) Der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung ist vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. Begründet eine Einbringung auf dem Postweg oder durch Vertreter die Vermutung, daß diese Regelung umgangen werden soll, kann die persönliche Einbringung verlangt werden. Eine Antragstellung im Inland ist ausnahmsweise zulässig: im Fall des Verlustes der österreichischen Staatsbürgerschaft, des Asyls oder des Aufenthaltsrechts gemäß § 1 Abs. 3 Z 1; weiters in den Fällen des § 7 Abs. 2, des § 12 Abs. 4 und einer durch zwischenstaatliche Vereinbarung oder durch eine Verordnung gemäß § 14 FrG ermöglichten Antragstellung nach Einreise; schließlich für jene im Bundesgebiet aufhältige Personen, für die dies in einer Verordnung gemäß § 2 Abs. 3 Z 4 festgelegt ist. Der Antrag auf Verlängerung einer Bewilligung und auf Änderung des Aufenthaltszweckes kann bis zum Ablauf der Geltungsdauer der Bewilligung auch vom Inland aus gestellt werden."

Weder nach dem Beschwerdevorbringen noch nach der Aktenlage verfügte die Beschwerdeführerin jemals über eine Aufenthaltsbewilligung. Die belangte Behörde wertete ihren Antrag daher zu Recht nicht als Verlängerungsantrag. Der angefochtene Bescheid ist demnach auch nicht gemäß § 113 Abs. 6 oder 7 des Fremdengesetzes 1997 mit Ablauf des 31. Dezember 1997 außer Kraft getreten.

Gemäß § 6 Abs. 2 erster Satz AufG ist der Antrag auf Erteilung einer Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. Mit "der Einreise nach Österreich" im Sinne dieser Bestimmung ist die Einreise des Antragstellers gemeint (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 14. Mai 1996, Zl. 95/19/1168, mwN).

Nach dem u.a. aus den Gesetzesmaterialien erschließbaren Normzweck des § 6 Abs. 2 AufG wird für die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung allerdings nicht nur vorausgesetzt, daß der Antrag vor der Einreise in das Bundesgebiet gestellt wird, sondern auch, daß die Entscheidung über den Antrag vom Ausland aus abgewartet wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1996, Zl. 95/19/1703, mwN). Das in § 6 Abs. 2 erster Satz AufG normierte Erfordernis, einen Bewilligungsantrag vom Ausland aus zu stellen und die Entscheidung über den Antrag vom Ausland aus abzuwarten, ist nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht als bloße Formvorschrift zu werten, sondern als Voraussetzung, deren Nichterfüllung zwingend die Abweisung eines Antrages nach sich zieht (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 24. Jänner 1997, Zl. 96/19/1010 und Zl. 95/19/0895).

Vom Erfordernis, den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung vom Ausland aus zu stellen und die Entscheidung darüber vom Ausland aus abzuwarten, war nur dann abzusehen, wenn die Beschwerdeführerin zu jenem Personenkreis zählte, der aufgrund § 6 Abs. 2 dritter Satz AufG oder einer darauf beruhenden Verordnung der Bundesregierung ausnahmsweise zur Inlandsantragstellung berechtigt war. Weder aus den vorgelegten Verwaltungsakten noch aus dem Beschwerdevorbringen ergeben sich jedoch Hinweise darauf, daß die Beschwerdeführerin zu diesem Personenkreis zählte. Die belangte Behörde hat den Antrag der Beschwerdeführerin daher zu Recht an § 6 Abs. 2 erster Satz AufG gemessen.

Da § 6 Abs. 2 AufG nicht zu entnehmen ist, ein Fremder habe von sich aus glaubhaft zu machen, daß sein Antrag auf Erteilung einer Bewilligung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus gestellt und die Entscheidung über den Antrag vom Ausland aus abgewartet wurde, ist das Vorliegen dieser Erfolgsvoraussetzung gemäß § 39 Abs. 2 erster Satz AufG von der Behörde von Amts wegen zu prüfen, wenn sie - wie im vorliegenden Fall - nicht aufgrund ihrer Vermutung, § 6 Abs. 2 erster Satz AufG solle umgangen werden, nach dem zweiten Satz dieser Bestimmung vorgeht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. März 1997, Zl. 95/19/0792).

Da sich die belangte Behörde - anders als die Behörde erster Instanz - bei ihrer abweisenden Entscheidung (erstmals) auf § 6 Abs. 2 AufG stützte, hatte sie die Beschwerdeführerin zu ihrer Annahme, sie habe ihren Antrag nicht vom Ausland aus gestellt (und die Entscheidung darüber nicht vom Ausland aus abgewartet) zu hören. Zu jenen Sachverhaltselementen, die die Beschwerdeführerin selbst im Verwaltungsverfahren geliefert hatte, brauchte die Behörde sie allerdings nicht zu hören (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Juni 1985, Zl. 85/18/0219).

Über Vorlage der belangten Behörde zur Vorlage fehlender Urkunden legte die Beschwerdeführerin - wie bereits dargestellt - eine Schulbesuchsbestätigung für das Schuljahr 1996/97 vor und brachte außerdem vor, im Hinblick auf ihren Schulbesuch in Österreich und ihren langjährigen Aufenthalt in Österreich bestünden "gravierende" Bindungen zum Bundesgebiet. Schon im Hinblick auf dieses Vorbringen der Beschwerdeführerin im Berufungsverfahren hatte die belangte Behörde hinreichende Gründe für ihre auch dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegende Annahme, die Beschwerdeführerin habe sich im Zeitpunkt der Antragstellung sowie im weiteren Verlauf des Verwaltungsverfahrens, und damit auch bei Erlassung des angefochtenen Bescheides, im Inland aufgehalten. Das Beschwerdevorbringen wäre im übrigen auch nicht geeignet, die Relevanz eines insoweit behaupteten Verfahrensmangels aufzuzeigen, begnügt sich die Beschwerdeführerin doch mit dem allgemein gehaltenen Satz, den Feststellungen der belangten Behörde werde entgegengetreten, sowie mit dem Vorbringen, es handle sich um einen "ordnungsgemäßen Antrag" der minderjährigen Beschwerdeführerin. Der Verwaltungsgerichtshof legte die Feststellung der belangten Behörde daher seiner weiteren rechtlichen Beurteilung zugrunde.

Hat die Beschwerdeführerin aber nach den bisherigen Ausführungen ihren Antrag nicht vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus gestellt und hält sie sich im Zeitpunkt der Bescheiderlassung weiterhin im Bundesgebiet auf, so kann die Abweisung ihres entgegen § 6 Abs. 2 erster Satz AufG gestellten Antrages durch die belangte Behörde nicht als rechtswidrig erkannt werden.

Soweit die Beschwerdeführerin schließlich auf § 3 Abs. 1 AufG verweist, ist ihr entgegenzuhalten, daß auch ein Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung nur dann in Frage kommt, wenn sämtliche Erfolgsvoraussetzungen, damit auch eine Antragstellung vor Einreise in das Bundesgebiet vom Ausland aus und ein Abwarten der Entscheidung vom Ausland aus, erfüllt sind.

Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen, ohne daß auf die Frage einzugehen war, ob sich die belangte Behörde bei ihrem abweisenden Bescheid zu Recht auch auf § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG gestützt hat.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 12. Februar 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1997191459.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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