TE Vwgh Erkenntnis 1999/2/12 97/21/0524

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Veröffentlicht am 12.02.1999
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
FrG 1993 §54 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Ogris, über die Beschwerde des BB in Graz, geboren am 25. Mai 1975, vertreten durch Dr. Wolfgang Vacarescu, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Jakominiplatz 16/II, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 14. Juli 1997, Zl. Fr 285/1997, betreffend Feststellung gemäß § 54 FrG, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid stellte die belangte Behörde gemäß § 54 Abs. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, fest, es bestünden keine stichhaltigen Gründe für die Annahme, dass der Beschwerdeführer in der Bundesrepublik Jugoslawien gemäß § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht sei; seine Abschiebung in die Bundesrepublik Jugoslawien sei somit zulässig.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer habe im Asylverfahren angegeben, dass während seiner Abwesenheit im Mai 1996 Polizisten bei seinem Haus gewesen wären, um ihm einen Einberufungsbefehl zu übergeben. Seine Eltern hätten die Annahme dieses Schriftstücks verweigert. Die Polizei wäre mehrmals wiedergekommen und hätte den Einberufungsbefehl übergeben wollen. Der Beschwerdeführer hätte sich jedesmal versteckt oder wäre geflohen. Einmal wäre sein Vater zur Polizeistation mitgenommen und dort geschlagen worden. Sein Vater hätte den Beschwerdeführer aufgefordert, zur Polizei zu gehen, weil er nicht mehr den Kopf für ihn hinhalten wolle. Da er dies nicht hätte tun wollen, wäre er geflohen. Weitere Gründe für seine Flucht hätte er nicht. Auf die Frage, warum er nicht zur Armee wolle, habe er angegeben, dass man dort zur Front geschickt und erschossen werde.

Hingegen habe der Beschwerdeführer vor der Fremdenpolizei angegeben, er wäre deswegen nicht in den Militärdienst eingetreten, weil dort die Albaner von den Serben körperlich misshandelt würden. Sein Cousin wäre ebenfalls zum Militärdienst eingezogen worden und nach elf Monaten mit schweren körperlichen Schäden (Knochenbrüchen) zurückgekommen. Es wäre allgemein bekannt, dass Personen albanischer Abstammung während des Militärdienstes von Serben körperlich misshandelt würden.

Die erkennende Behörde könne einen Sachverhalt grundsätzlich nur dann als glaubwürdig anerkennen, wenn der Fremde während des Verfahrens vor den verschiedenen Instanzen im Wesentlichen gleichbleibende Angaben mache und wenn diese Angaben wahrscheinlich und damit einleuchtend erschienen. Die Unglaubwürdigkeit der Angaben des Beschwerdeführers ergebe sich daraus, dass er die angebliche Nichtfolgeleistung (der Einberufung zum Militärdienst) vorerst im Asylverfahren damit begründet habe, dass man zur Front geschickt und dort erschossen würde, hingegen im fremdenpolizeilichen Verfahren vorgebracht habe, dass im Militärdienst angeblich die Albaner von den Serben körperlich misshandelt würden. Man könne wohl davon ausgehen, dass die ursprünglichen Angaben, die ein Asylwerber (Antragsteller gemäß § 54 FrG) mache, der Wahrheit am nächsten kämen. In diesen ursprünglichen Angaben sei aber von jenen Ereignissen, dass nämlich Albaner von den Serben im Militärdienst körperlich misshandelt würden, nicht die Rede. Im Übrigen seien insbesondere seine Angaben, dass er in seinem Heimatland überhaupt zum Militärdienst einberufen worden wäre bzw. an seine Heimatadresse überhaupt je ein Einberufungsbefehl zugestellt worden wäre, durch keinerlei Dokumente belegt.

Das Bundesasylamt Graz habe rechtskräftig festgestellt, dass dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft nicht zukäme und er in seinem Heimatland vor Verfolgung im Sinn der Genfer Flüchtlingskonvention sicher wäre. Der Begriff des Flüchtlings decke sich mit den Verfolgungsgründen nach § 37 Abs. 2 FrG; es könne daher davon ausgegangen werden, dass diese Verfolgungsgründe nicht vorlägen. Er habe im darauf folgenden fremdenpolizeilichen Verfahren keine neuen Tatsachen vorgebracht und auf sein Vorbringen im Asylverfahren verwiesen. Der Behörde sei es auf Grund des in § 46 AVG verankerten Grundsatzes der Unbeschränktheit der Beweismittel nicht verwehrt, die Ergebnisse des Asylverfahrens zu berücksichtigen.

Weiters führte die belangte Behörde aus, die Einberufung zum Militärdienst bzw. die strafrechtliche Verfolgung wegen Desertion und Refraktion stelle weder eine Folter noch eine unmenschliche Strafe oder eine ebensolche Behandlung im Sinn des Art. 3 EMRK dar noch begründe sie eine Verfolgung im Sinn des § 37 Abs. 2 FrG.

Die Flucht wegen Einberufung zum Militärdienst könne nur dann asylrechtlich und in weiterer Folge auch fremdenrechtlich relevant sein, wenn die Einberufung aus einem der in der Flüchtlingskonvention genannten Gründe erfolgt wäre oder ihm aus solchen Gründen eine strengere Bestrafung wegen Wehrdienstverweigerung drohte als anderen Staatsangehörigen bzw. wenn er einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe ausgesetzt wäre. Dies treffe jedoch nicht zu. Zusammenfassend müsse festgestellt werden, dass die vom Beschwerdeführer behaupteten Gefahren nicht vorlägen. Die Bundesrepublik Jugoslawien befinde sich seit dem Friedensvertrag von Dayton in keinem Kriegszustand mehr. Auch ließen sich Vermutungen, wonach der Beschwerdeführer bei der Ableistung seiner staatsbürgerlichen Pflicht (Militärdienst) Benachteiligungen gegenüber Angehörigen anderer Volksgruppen ausgesetzt wäre, nicht verifizieren.

Dem Beschwerdeführer sei es nicht gelungen, für den Fall seiner Rückkehr eine aktuelle staatliche Verfolgung oder Bedrohung im Sinn des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG glaubhaft darzutun. Er habe weder im asylrechtlichen noch im fremdenrechtlichen Verfahren angegeben, bis dato einer Verfolgung bzw. Bedrohung ausgesetzt gewesen zu sein. Verweise auf verschiedene Berichte vermögen keinesfalls eine derartige Gefährdung/Bedrohung bezüglich seiner Person zu konkretisieren und glaubhaft zu machen. Es gebe keine Anhaltspunkte, dass ethnische Kriterien bei den Prozessen gegen Deserteure eine entscheidende Rolle gespielt hätten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und verzichtete auf die Erstattung einer Gegenschrift.

In der Folge gab zwar der Beschwerdeführer gegenüber der Behörde erster Instanz bekannt, dass er seinen Antrag nach § 54 FrG zurückziehe; eine Zurückziehung der Beschwerde erfolgte jedoch nicht. Allein aus der Erklärung, den Antrag nach § 54 FrG zurückzuziehen, konnte eine Gegenstandslosigkeit der Beschwerde nicht abgeleitet werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde wertete die Angaben des Beschwerdeführers deshalb als unglaubwürdig, weil dieser die Nichtbefolgung der Einberufung bei seiner Vernehmung im Asylverfahren anders als im Verfahren nach § 54 FrG begründet habe. Weiters beurteilte sie die von einem Asylwerber (Antragsteller gemäß § 54 FrG) zunächst gemachten Angaben (in Abgrenzung zu jenen Angaben, die von ihm "erst sehr spät" im Verlauf des Verfahrens getätigt worden seien) als der Wahrheit am nächsten kommend. Letztlich wies sie darauf hin, dass der Beschwerdeführer seine Angaben über seine Einberufung durch keinerlei Dokumente belegt habe.

Diese Begründung ist widersprüchlich. Es ist ihr nämlich nicht zu entnehmen, ob die belangte Behörde die Einberufung des Beschwerdeführers als erwiesen annahm und ihrer rechtlichen Beurteilung zu Grunde legte. Denn einerseits betrachtete sie die ersten Angaben - also einschließlich derjenigen über die Einberufung - als der Wahrheit am nächsten kommend, andererseits bezeichnete sie jedoch die Einberufung als nicht belegt.

Da somit die Begründung des angefochtenen Bescheides in einem wesentlichen Punkt, nämlich dem der allfälligen Gefährdung des Beschwerdeführers iS des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG auf Grund einer Einberufung zum Militärdienst, widersprüchlich ist, war dieser Bescheid - ohne dass es einer Auseinandersetzung mit dem eine "Gruppenverfolgung" geltend machenden Beschwerdevorbringen bedurfte - gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Die beantragte Durchführung einer Verhandlung konnte im Blick auf § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG unterbleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 12. Februar 1999

Schlagworte

Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1997210524.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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