TE Vwgh Erkenntnis 1999/2/12 97/19/1039

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Veröffentlicht am 12.02.1999
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §1 Abs3 Z1;
AufG 1992 §5 Abs1;
B-VG Art7 Abs1;
FrG 1993 §10 Abs1 Z6;
FrG 1993 §29;
MRK Art14;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Schick als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde des 1965 geborenen MA, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 25. November 1996, Zl. 120.451/2-III/11/96, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer brachte am 23. April 1996 im Wege der österreichischen Botschaft in Budapest einen als "Erstantrag" bezeichneten Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung ein, der am 29. April 1996 beim Magistrat der Stadt Wien einlangte. Als Aufenthaltszweck gab der Beschwerdeführer "Familienzusammenführung bzw. Familiengemeinschaft", und zwar mit seiner Ehegattin, einer österreichischen Staatsbürgerin, an. Aus einer im Verwaltungsakt erliegenden Kopie des Reisepasses des Beschwerdeführers ergibt sich, dass diesem von der österreichischen Botschaft in Manila ein (undatierter) Touristensichtvermerk gültig bis zum 22. Mai 1996 ausgestellt worden war (vgl. OZ. 5 des Verwaltungsaktes). Im Verwaltungsakt erliegt weiters eine Verpflichtungserklärung der Ehefrau des Beschwerdeführers vom 17. April 1996, derzufolge dieser an einer Adresse im 15. Wiener Gemeindebezirk wohnhaft sei (vgl. OZ. 11 des Verwaltungsaktes).

Der Landeshauptmann von Wien wies den Antrag des Beschwerdeführers mit Bescheid vom 24. Juni 1996 mangels einer Antragstellung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus gemäß § 6 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) ab.

Die dagegen erhobene Berufung, in der der Beschwerdeführer vorbrachte, seinen Antrag bei der österreichischen Botschaft in Budapest am 23. April 1996 eingebracht zu haben, wurde vom Bundesminister für Inneres mit Bescheid vom 25. November 1996 gemäß § 6 Abs. 2 AufG sowie § 5 Abs. 1 AufG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 4 und Z. 6 des Fremdengesetzes 1992 (FrG) abgewiesen. In der Begründung führte der Bundesminister für Inneres aus, der Beschwerdeführer habe nach der Aktenlage den Antrag auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz durch eine dritte Person bei der österreichischen Botschaft in Budapest eingereicht. Er sei seit dem 11. März 1996 an einer Adresse im 15. Wiener Gemeindebezirk aufrecht gemeldet und aufhältig. Er habe sich zum Zeitpunkt der Antragstellung im Bundesgebiet aufgehalten und dadurch das gesetzliche Erfordernis einer Antragstellung vom Ausland aus nicht erfüllt.

Da er überdies im März 1996 mit einem Touristensichtvermerk in das Bundesgebiet eingereist sei, solle ihm die angestrebte Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz im Anschluss an den damit begonnenen Aufenthalt erteilt werden. Es stehe fest, dass er mit einem bis zum 22. Mai 1996 gültigen Touristensichtvermerk in das Bundesgebiet eingereist sei und sich noch immer im Bundesgebiet aufhalte. Dieser unerlaubte Aufenthalt im Bundesgebiet stelle überdies eine Gefährdung für die öffentliche Ordnung, Ruhe und Sicherheit dar, weil sein Verhalten auf andere Fremde durchaus Beispielwirkung haben könnte. Zu seinen persönlichen Verhältnissen sei zu sagen, dass durch den Aufenthalt seiner Ehegattin im Bundesgebiet unabsprechbare private und familiäre Beziehungen zu Österreich bestünden. Die Versagung eines Sichtvermerks gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG stelle aber einen zulässigen Eingriff in das Privat- und Familienleben gemäß Art. 8 MRK dar, es erübrige sich somit jedes weitere Eingehen darauf.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG vor dem Verfassungsgerichtshof. Nachdem dieser mit Beschluss vom 24. Februar 1997, B 177/97-3, die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und diese antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten hatte, wurde sie vom Beschwerdeführer ergänzt. Er erachtet sich erkennbar in seinem Recht auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (die Zustellung erfolgte am 9. Dezember 1996) ist für die Überprüfung seiner Rechtmäßigkeit durch den Verwaltungsgerichtshof die Rechtslage nach der Novelle zum Aufenthaltsgesetz BGBl. Nr. 201/1996 maßgeblich.

§ 5 Abs. 1 AufG lautete (auszugsweise):

"§ 5. (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, ..."

§ 10 Abs. 1 Z. 6 FrG lautete:

"§ 10. (1) Die Erteilung eines Sichtvermerkes ist zu versagen, wenn

...

6. der Sichtvermerk zeitlich an einen Touristensichtvermerk anschließen oder nach sichtvermerksfreier Einreise (§ 12 Aufenthaltsgesetz oder § 14) erteilt werden soll;"

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist der Sichtvermerksversagungsgrund nach § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG bereits dann verwirklicht, wenn sich ein Fremder in dem für die Entscheidung der Behörde maßgeblichen Zeitpunkt im Anschluss an eine mit einem Touristensichtvermerk erfolgte Einreise oder nach sichtvermerksfreier Einreise (weiterhin) im Bundesgebiet aufhält. Ein nahtloser Anschluss an das Ende der Gültigkeitsdauer des Touristensichtvermerkes ist zur Verwirklichung des Versagungstatbestandes nicht erforderlich. Ebensowenig kommt es für die Verwirklichung des Sichtvermerksversagungsgrundes nach § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG darauf an, ob der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung vor oder nach der mit einem Touristensichtvermerk erfolgten Einreise gestellt wurde (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 20. Oktober 1995, Zl. 95/19/0500).

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht die Feststellung der belangten Behörde, aufgrund eines von der österreichischen Botschaft in Manila ausgestellten, bis zum 22. Mai 1996 gültigen Touristensichtvermerkes in das Bundesgebiet eingereist zu sein und räumt diese Einreise in der Beschwerde sogar ausdrücklich ein. Ebensowenig bestreitet der Beschwerdeführer die Feststellung der belangten Behörde, sich im Zeitpunkt der Bescheiderlassung (weiterhin) im Bundesgebiet aufzuhalten.

Im Hinblick auf diesen unbestrittenen Aufenthalt im Inland kann aber die Heranziehung des Sichtvermerksversagungsgrundes gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG durch die belangte Behörde nicht als rechtswidrig erkannt werden.

Auch aus dem Umstand, mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet zu sein, kann der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides ableiten, weil ihm ein Rechtsanspruch auf Familienzusammenführung mit seiner in Österreich lebenden Ehegattin nur dann zukäme, wenn kein Ausschließungsgrund, im vorliegenden Fall kein Sichtvermerksversagungsgrund nach § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG vorläge.

Soweit der Beschwerdeführer weiters vorbringt, es sei ihm schon deswegen eine Aufenthaltsbewilligung zu erteilen, weil auf ihn § 29 Abs. 3 Z. 1 FrG Anwendung finde, ist ihm folgendes zu entgegnen:

Im vorliegenden Fall kann es dahingestellt bleiben, ob das Sachlichkeitsgebot des Art. 7 Abs. 1 B-VG, Art. 14 MRK oder das bundesverfassungsrechtliche Gebot der Gleichbehandlung Fremder untereinander eine Gleichstellung von Drittstaatsangehörigen österreichischer Staatsbürger mit solchen von EWR-Bürgern, verlangt. Auch bejahendenfalls läge der Grund für die Ungleichbehandlung nicht in den von der belangten Behörde angewendeten Bestimmungen des AufG. Eine allenfalls gebotene Gleichbehandlung zwischen Angehörigen von Österreichern und solchen von EWR-Bürgern, die jeweils Drittstaatsangehörige sind, hätte zur Folge, dass die - für Drittstaatsangehörige von EWR-Bürgern geltenden - Bestimmungen des § 1 Abs. 3 Z. 1 AufG und des § 29 FrG allenfalls verfassungswidrig (weil zu eng) oder aber verfassungskonform dahingehend zu interpretieren wären, dass sie auch auf Drittstaatsangehörige von Österreichern anzuwenden sind (zur Möglichkeit einer solchen verfassungskonformen Interpretation des § 29 FrG vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 17. Juni 1997, B 592/96-6).

Diese Normen sind hier aber vom Verwaltungsgerichtshof nicht anzuwenden, weil "Sache" des Verwaltungsverfahrens nicht die Erteilung eines Sichtvermerkes gemäß § 29 FrG, sondern die Entscheidung über den Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung war. Schon die Verordnungsermächtigung des § 2 Abs. 3 Z. 4 AufG, welche die Bundesregierung berechtigt, Personen, die gemäß § 1 Abs. 3 Z. 1 AufG aufenthaltsberechtigt sind, unter näher umschriebenen Voraussetzungen von der Anrechnung auf die Zahl der Bewilligungen auszunehmen, zeigt, dass auch für Personen, die die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 Z. 1 AufG erfüllen, eine Aufenthaltsbewilligung ausgestellt werden kann. Daher ist die Frage, ob einem gemäß § 1 Abs. 3 Z. 1 AufG Niederlassungsfreiheit genießenden Fremden (dem die Beschwerdeführerin allenfalls gleichzuhalten wäre) eine Bewilligung nach dem AufG erteilt werden dürfte, allein danach zu beurteilen, ob die Voraussetzungen nach diesem Gesetz vorlagen oder nicht (vgl. das zu den nach Art. 6 des Beschlusses Nr. 1/80 des durch das Assoziierungsabkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei errichteten Assoziationsrates vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation aufenthaltsberechtigten türkischen Staatsangehörigen ergangene hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 1996, Zl. 95/19/1549, sowie das hg. Erkenntnis vom 17. Oktober 1997, Zl. 96/19/1526).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann schließlich auch die Rechtsansicht der belangten Behörde, eine Bedachtnahme auf private und familiäre Interessen eines Fremden komme bei einer auf § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG gestützten Entscheidung nicht in Frage, nicht als verfehlt erachtet werden (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 14. Februar 1997, Zl. 95/19/0715).

Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen, ohne dass auf die Frage einzugehen war, ob die belangte Behörde ihren abweisenden Bescheid zu Recht auch auf § 6 Abs. 2 AufG sowie auf das Vorliegen eines Sichtvermerksversagungsgrundes nach § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG gestützt hat.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 12. Februar 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1997191039.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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