TE Vfgh Beschluss 1997/2/24 G144/96

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.02.1997
beobachten
merken

Index

10 Verfassungsrecht
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 (B-VG)

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
EuropawahlO §4, §6, §30, §31

Leitsatz

Zurückweisung des Individualantrags auf Aufhebung von Bestimmungen der EuropawahlO mangels unmittelbar aktuellen Eingriffs in die Rechte des Antragstellers

Spruch

Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wird abgewiesen.

Der ("Individual"-)Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

1. Der Einschreiter beantragt mit einem selbst verfaßten Schriftsatz die Aufhebung zahlreicher Rechtsvorschriften, insbesondere der §§4, 6 Abs1, 30 Abs2, 31 Abs2, 3, 4 und 5 Satz 1 Europawahlordnung - EuWO, BGBl. 117/96 und des §5 Europa-Wählerevidenzgesetzes - EuWEG, BGBl. 118/96 als verfassungswidrig, weil er durch diese Bestimmungen unmittelbar in seinen Rechten verletzt worden sei. Daß ihm die Wählbarkeit im Wahlverfahren rechtwidrigerweise aberkannt worden sei, behauptet er nicht.

2. Der Antrag ist unzulässig:

2.1.1. Nach Art140 Abs1 letzter Satz B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet. Der Gerichtshof nimmt seit seinem Beschluß VfSlg. 8009/1977 in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt ein, die Antragslegitimation nach Art140 Abs1 letzter Satz B-VG setze voraus, daß die bekämpfte Bestimmung die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigen müsse.

2.1.2. Die hier bekämpften gesetzlichen Vorschriften (über die Zusammensetzung der Wahlbehörden, die Unterstützung von Wahlvorschlägen, den Kostenbeitrag sowie die Wählbarkeit) betreffen den Antragsteller als Wähler aber keinesfalls unmittelbar-aktuell; sie berühren ihn erst in ihren Auswirkungen auf das Ergebnis einer durchgeführten Wahl (zum Europäischen Parlament).

Gemäß Art141 Abs1 lita B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Anfechtung ua. von Wahlen zum Europäischen Parlament wegen jeder behaupteten Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens, wozu auch behauptete verfassungrechtliche Bedenken gegen die das Wahlverfahren tragenden Rechtsgrundlagen zählen. Zur Anfechtung solcher Wahlen sind Wählergruppen (Parteien) berechtigt, die bei einer durch die Wahlordnung vorgeschriebenen Wahlbehörde Wahlvorschläge für die angefochtene Wahl rechtzeitig vorgelegt haben, und zwar durch ihre zustellungsbevollmächtigten Vetreter (vgl. etwa VfGH 26.9.1995 G60/95). Gemäß §80 EuWO kann die Feststellung der Bundeswahlbehörde (§78 leg.cit.) beim Verfassungsgerichtshof wegen jeder behaupteten Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens vom zustellungsbevollmächtigten Vertreter eines veröffentlichten Wahlvorschlags (§36 leg.cit.) angefochten werden.

Einer Wählergruppe, nicht aber einem einzelnen Wahlberechtigten ist durch Art141 Abs1 lita B-VG das Recht eingeräumt, die Wahl zu einem allgemeinen Vertretungskörper anzufechten und dabei etwa auch die Verfassungswidrigkeit von das Wahlverfahren tragenden Rechtsvorschriften geltend zu machen. Dies trifft auch auf eine Anfechtung einer Wahl zum Europäischen Parlament zu. Dem Antragsteller ist es nämlich freigestanden, bei einer Wählergruppe die Anfechtung der Wahl beim Verfassungsgerichtshof und damit eine Nachprüfung auch jener zugrundeliegenden einfachgesetzlichen Bestimmungen, deren Verfassungswidrigkeit in der vorliegenden Anfechtungsschrift behauptet wird, zu initiieren; zur selbständigen Anfechtung der in Rede stehenden Bestimmungen fehlt ihm aber die Legitimation, und zwar schon deshalb, weil diese Normen, wie dargetan, in seine Rechte nicht unmittelbar aktuell eingreifen.

2.1.3. Die Prüfungsbefugnis des Verfassungsgerichtshofs beschränkt sich nach seiner ständigen Rechtsprechung auf die konkret angefochtenen gesetzlichen Vorschriften und die hiezu in der Anfechtungsschrift vorgetragenen Bedenken, soweit sie hinlänglich substantiiert dargelegt wurden (vgl. etwa VfGH 13.3.1993 G76/92). Fehlen die solcherart geforderten Darlegungen, ist ein auf Art140 Abs1 letzter Satz B-VG gestützter Antrag ebenfalls als unzulässig zurückzuweisen. Dies trifft auf das übrige - teils auf unzusammenhängenden, nicht unterfertigten Allongen befindliche - Anfechtungsvorbringen zu.

3. Da die vom Einschreiter beabsichtigte Rechtsverfolgung somit als offenbar aussichtslos erscheint, war der zugleich gestellte Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe als unbegründet abzuweisen (§72 Abs1 ZPO iVm §35 Abs1 VerfGG 1953).

4. Aus den unter Punkt 2. genannten Gründen war der auf Art140 Abs1 B-VG gestützte Antrag als unzulässig zurückzuweisen.

5. Diese Beschlüsse wurde gemäß §72 Abs1 ZPO iVm §35 Abs1 VerfGG 1953 und §19 Abs3 Z2 lite VerfGG 1953 in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt.

Schlagworte

VfGH / Individualantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1997:G144.1996

Dokumentnummer

JFT_10029776_96G00144_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten