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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
ApG 1907 §10 Abs1 idF 1984/502;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Bumberger und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Toifl, über die Beschwerde der Apotheke A KG, vertreten durch die Komplementärin Mag.pharm. J in Vöcklabruck, diese vertreten durch Dr. Alois Nußbaumer und Dr. Stefan Hoffmann, Rechtsanwälte in 4840 Vöcklabruck, Stadtplatz 19, gegen den Bescheid des Bundesministers für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz vom 2. Juni 1995, Zl. 262.228/0-II/A/4/95, betreffend Apothekenkonzession (mitbeteiligte Partei: Mag.pharm. V in Gunskirchen, vertreten durch Dr. Eleonore Berchtold-Ostermann, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Bräunerstraße 6), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.860,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 12. November 1992 erteilte der Landeshauptmann von Oberösterreich dem Mitbeteiligten die Konzession für die Errichtung und den Betrieb einer öffentlichen Apotheke in Vöcklabruck mit einem näher umschriebenen Standort. In der Frage des Versorgungspotentials der bestehenden Apotheke der Beschwerdeführerin führte die Behörde begründend unter anderem aus, wegen der zahlreichen in Vöcklabruck niedergelassenen Ärzte, insbesondere der 27 Fachärzte, übe die Bezirksstadt Vöcklabruck eine starke Sogwirkung auf die Umgebungsgemeinden aus. Dies lasse sich auch durch die Umsatzzahlen der bestehenden öffentlichen Apotheken belegen, die auf ein Versorgungspotential von mindestens 20.000 bis 25.000 Personen schließen ließen. Im Fall der Neuerrichtung der beantragten Apotheke würden somit den bestehenden öffentlichen Apotheken in Vöcklabruck jeweils mehr als 5500 zu versorgende Personen verbleiben. Auf Grund der zentral angesiedelten Fachärzte und anderer öffentlicher Einrichtungen würden die bestehenden zwei öffentlichen Apotheken im Vöcklabrucker Zentrum hinsichtlich des Verkehrspublikums nur geringfügige Einbußen in Kauf nehmen müssen, sodass ihnen auch nach der geplanten Errichtung der neuen öffentlichen Apotheke weiterhin das gesetzliche Versorgungspotential verbleibe.
Die Beschwerdeführerin (Inhaberin einer bestehenden Apotheke in Vöcklabruck) erhob Berufung, in der sie unter anderem Ermittlungs- und Feststellungsmängel in der Frage der Anzahl der zu versorgenden Einwohner geltend machte.
Nach Durchführung ergänzender Ermittlungen wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin mit der Maßgabe einer Einschränkung des Standortes der neuen Apotheke ab. In der Begründung des angefochtenen Bescheides wird - nach ausführlicher, überwiegend wörtlicher Wiedergabe der Äußerungen der Verfahrensbeteiligten und befasster Stellen - "bezüglich der Bedarfsfrage für die bestehende Apotheke auf sämtliche Ermittlungsergebnisse, Feststellungen des Gutachtens der Österreichischen Apothekerkammer und die von der Berufungsbehörde zuvor bereits vorgenommene Beurteilung verwiesen". Mit ihrem Hinweis auf "sämtliche Ermittlungsergebnisse" bezieht sich die belangte Behörde offenbar - neben den ausführlich wiedergegebenen Stellungnahmen von Behörden, die im Verfahren erster Instanz eingeholt wurden - auf die Stellungnahmen des Stadtamtes Vöcklabruck vom 30. September 1993 und den Erhebungsbericht der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 24. November 1993, die auf Grund eines Ermittlungsauftrages der belangten Behörde ergingen und in der Begründung des angefochtenen Bescheides wiedergegeben werden. Auf die Frage des Versorgungspotentials der Apotheke der Beschwerdeführerin beziehen sich die soeben erwähnten Stellungnahmen lediglich mit dem Hinweis, dass im Hinblick auf näher dargelegte Verkehrsverhältnisse die Bevölkerung aus dem nördlichen Teil der Gemeinde Regau wenigstens genauso gerne die Apotheke A wie die geplante neue Apotheke aufsuchen werde, weil eben ein gewisser Hang zum Zentrum und den dort befindlichen Ärzten bestehe. Dem im Berufungsverfahren erstatteten, in der Begründung des angefochtenen Bescheides wörtlich wiedergegebenen Befund und Gutachten der Österreichischen Apothekerkammer ist im Zusammenhang mit der Frage des Versorgungspotentials der bestehenden Apotheke folgendes zu entnehmen:
"Für den Fall der Neuerrichtung der angesuchten öffentlichen Apotheke werden nach den ho. vorliegenden Ermittlungsergebnissen und ergänzenden Erhebungen in der Versorgung aus der bestehenden öffentlichen Apotheke A in Vöcklabruck 3290 ständige Einwohner (innerhalb des 4 km-Polygons) verbleiben.
Es handelt sich dabei um die ständigen Einwohner der Zählsprengel 002 und 014 zur Gänze, um je ein Drittel der Bewohner der Sprengel 00 und 001 sowie um die Hälfte der ständigen Einwohner des Zählsprengels 020, alle inliegend in der Gemeinde Vöcklabruck. Auch hier erfolgte die Zuteilung in erster Linie entfernungsbezogen.
Da die Zahl der weiterhin in der Versorgung aus der bestehenden öffentlichen Apotheke verbleibenden 'ständigen Einwohner' 5500 unterschreitet, sind im konkreten Fall weitere Ermittlungen hinsichtlich zusätzlich zu versorgender Personen gemäß § 10 Abs. 5 ApG erforderlich.
Dabei sind die 1237 ständigen Einwohner der Gemeinde Ungenach nach ho. Aufassung zum Großteil dem Versorgungspotential der Apotheke A zuzurechnen.
Diese Gemeinde ist zwar zum Großteil mehr als 4 km von der bestehenden Apotheke in Vöcklabruck entfernt, es handelt sich jedoch (nach wie vor) um die eindeutig nächstgelegene öffentliche Arzneimittelabgabestelle.
Darüber hinaus ist festzustellen, daß Vöcklabruck einer überregionales (Fach-)Ärztezentrum ist, weshalb zahlreiche Einwohner aus sämtlichen umliegenden Gemeinden ihre (Fach-)arztbesuche (und damit häufig verbunden auch ihre Arzneimittelbesorgungen) hier erledigen. Nach ho. Auffassung handelt es sich dabei um mindestens weitere 5000 Personen, wobei davon auf die beiden Apotheken im Zentrum von Vöcklabruck mindestens je 2000 weitere Arzneimittelkunden entfallen. ...
Auf Grund des oa. Befundes wird die bestehende öffentliche Apotheke A in Vöcklabruck im Falle der Neuerrichtung der angesuchten öffentlichen Apotheke in Vöcklabruck nach ho. sachverständiger Auffassung jedenfalls über 5500 Personen auf Grund der örtlichen Verhältnisse weiterhin zu versorgen haben, bestehend aus rund 3290 ständigen Einwohnern sowie jedenfalls über 3000 zusätzlich zu versorgenden Personen im Sinne des § 10 Abs. 5 ApG."
Die belangte Behörde legte weiters dar:
"Wenn die Konzentration von praktischen Ärzten und vor allem Fachärzten, die bewiesenermaßen die eklatanten Einflutungserreger bilden, so wie die übrigen Ermittlungsergebnisse beobachtet werden, wonach Vöcklabruck eine überregionale Bedeutung auch betreffend Kaufkraft sowie medizinischer Versorgung und sonstiger Faktoren besitzt, so kann der Feststellung des Landeshauptmannes vollinhaltlich beigepflichtet werden, wenn das Versorgungspotential nicht nur aus der Einwohnerzahl, sondern weit darüber hinaus von einflutenden Personen resultiert; der Landeshautpmann hat hiebei eine Verprobung mit den vorliegenden Umsatzzahlen vorgenommen und ist hiebei auf eine Gesamtversorgungsanzahl von 20.000 bis 25.000 Personen gelangt. Diese Feststellungen wurden von der Berufungswerberin in keiner Weise widerlegt. Alle Argumente, die sich auf die Umsatzzahlen stützen, wurden von der Berufungswerberin nur mit dem Hinweis bedacht, daß ihr die Umsatzzahlen nicht bekannt gewesen seien und wurde im Berufungsverfahren im übrigen lapidar festgestellt, daß aus grundsätzlichen bzw. betriebswirtschaftlichen und datenschutzrechtlichen Gründen Umsatzzahlen nicht bekanntgegeben würden. Diese Aussagen wieder unterliegen der freien Beweiswürdigung; nachdem es absolut unglaubhaft ist, daß ein Betrieb seine eigenen Umsatzzahlen nicht kennt bzw. wohlweislich keine anderen Umsatzzahlen genannt wurden, die einen geringen oder nicht gegebenen Bedarf gemäß § 10 Abs. 2 für die bestehende berufungswerbende Apotheke ergeben würde, läßt sich hieraus schlüssig ableiten, daß für die bestehende Apotheke ein ausreichendes Bedarfspotential vorhanden ist, nämlich über 5500 zu versorgende Personen und nicht lediglich 2000, wie dies die Berufungswerberin in der abschließenden Stellungnahme kundtut."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und - ebenso wie die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 2. März 1998, G 37/97-47 u.a. in § 10 des Apothekengesetzes (RGBl. Nr. 5/1907) in der Fassung der Apothekengesetz-Novelle 1990, BGBl. Nr. 362 (ApG) im Abs. 2 die Z. 1, den Abs. 3 zur Gänze und im Abs. 5 die Wortfolge "3 oder" als verfassungswidrig aufgehoben. Der Verfassungsgerichtshof sprach aus, dass die verfassungswidrigen Vorschriften nicht mehr anzuwenden sind; frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit. Die vorliegende Beschwerdesache bildete einen Anlassfall im Sinne des § 140 Abs. 7 B-VG. Gemäß Art. 140 Abs. 7 B-VG ist eine vom Verfassungsgerichtshof aufgehobene Vorschrift im Anlassfall nicht mehr anzuwenden. Der Verwaltungsgerichtshof hat daher den angefochtenen Bescheid so zu beurteilen, als ob im Zeitpunkt seiner Erlassung die aufgehobenen Vorschriften nicht gegolten hätten.
Soweit sich Darlegungen der Beschwerde auf die Frage des Bedarfsmerkmales nach § 10 Abs. 2 Z. 1 ApG beziehen, bleibt es ihnen verwehrt, eine Rechtswidrigkeit aufzuzeigen, weil der Verwaltungsgerichtshof die soeben angeführte Vorschrift im Beschwerdefall nicht anzuwenden hat. Auf die erwähnten Darlegungen ist somit nicht einzugehen.
Die Beschwerdeführerin erachtet sich jedoch auch im Recht auf Nichterteilung der beantragten Konzession an den Mitbeteiligten verletzt, weil die Zahl der von ihrer Apotheke aus zu versorgenden Personen sich infolge der Neuerrichtung verringern und weniger als 5500 betragen werde; dies kann wenigstens den Beschwerdegründen deutlich entnommen werden, worin u.a. Ermittlungsmängel im Zusammenhang mit der Zuordnung der 1237 Einwohner von Ungenach und von 2000 "weiteren Arzneimittelkunden" zum Versorgungspotential der Apotheke der Beschwerdeführerin geltend gemacht werden. Damit bezieht sich die Beschwerdeführerin erkennbar auf das in § 10 Abs. 2 Z. 3 ApG normierte Bedarfsmerkmal.
Im soeben erwähnten Zusammenhang wird geltend gemacht, es sei "der festgestellte Sachverhalt der belangten Behörde ... mangelhaft, lückenhaft und nicht nachvollziehbar".
Der Inhalt jeder Begründung muss zunächst den im konkreten Fall festgestellten maßgebenden Sachverhalt mit den hiebei als feststehend angenommenen Tatsachen zum Ausdruck bringen. Die Behörde hat darzulegen, auf Grund welcher Sachverhaltsannahmen sie zu ihrem Bescheid gelangt ist (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, § 60 AVG, E 76 referierte hg. Rechtsprechung). Die wörtliche Wiedergabe von Zeugenaussagen, Stellungnahmen, Befund und Gutachten von Sachverständigen, die nicht erkennen lässt, welchen Sachverhalt die Behörde als erwiesen annimmt, kann die im jeweiligen Fall erforderlichen Tatsachenfeststellungen nicht ersetzen (Walter/Thienel, aaO, E 34, 78, 79). Unter bestimmten Voraussetzungen kann der Begründungspflicht der Berufungsbehörde allerdings durch Hinweise auf die Tatsachenfeststellungen in der Begründung des Bescheides der Vorinstanz entsprochen werden (vgl. Walter/Thienel, aaO, E 56-60).
Den dargelegten Begründungsanforderungen entspricht der angefochtene Bescheid, soweit das im Sinne der bereinigten Rechtslage hier relevante Bedarfsmerkmal des § 10 Abs. 2 Z. 3 ApG in Rede steht, mit seinem pauschalen Hinweis auf "sämtliche Ermittlungsergebnisse, Feststellungen des Gutachtens der Österreichischen Apothekerkammer und die von der Berufungsbehörde zuvor bereits vorgenommene Beurteilung" nicht. Eine eigenständige, zusammenhängende und übersichtliche Darstellung des angenommenen Sachverhaltes, insbesondere der Anzahl der von der Apotheke der Beschwerdeführerin aus weiterhin zu versorgenden ständigen Einwohner und jener tatsächlichen Umstände, die im Sinne des § 10 Abs. 4 und 5 ApG für die Zurechnung eines bestimmten Personenkreises zum Versorgungspotential der bestehenden Apotheke maßgeblich sind, kann dem angefochtenen Bescheid nicht hinreichend entnommen werden. Eine solche Darstellung kann auch durch die ausführliche Wiedergabe verschiedener Berichte und Stellungnahmen und von Befund und Gutachten der österreichischen Apothekerkammer schon deshalb nicht ersetzt werden, weil sich aus den wiedergegebenen Ermittlungen kein geschlossenes Bild der im Beschwerdefall relevanten tatsächlichen Umstände ergibt.
Im übrigen wäre der angefochtene Bescheid auch dann rechtswidrig infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, unterstellte man den wörtlich wiedergegebenen Inhalt von Befund und Gutachten der Österreichischen Apothekerkammer als Inhalt der behördlichen Tatsachenfeststellungen. Die Beschwerde macht insoweit mit Recht geltend, dass die Darlegungen von Befund und Gutachten die Feststellung, wonach die 1237 ständigen Einwohner der Gemeinde Ungenach ("zum Großteil") und weitere ("mindestens") 2000 Personen auf Grund der Eigenschaft von Vöcklabruck als überregionales Fachärztezentrum der Apotheke der Beschwerdeführerin zuzurechnen seien, und damit die dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegende Auffassung nicht tragen könnten, das Versorgungspotential der bestehenden Apotheke betrage weiterhin (mehr als) 5500 Personen.
Im Befund wird dargelegt, aus dem 4 km-Polygon seien der Apotheke der Beschwerdeführerin 3290 ständige Einwohner (aus näher bezeichneten Zählsprengeln) zuzurechnen. Da die Zahl der "weiterhin in der Versorgung aus der Apotheke der Beschwerdeführerin verbleibenden" ständigen Einwohner 5500 unterschreite, seien im konkreten Fall weitere Ermittlungen hinsichtlich zu versorgender Personen gemäß § 10 Abs. 5 ApG erforderlich. Dabei seien die 1237 ständigen Einwohner der Gemeinde Ungenach "zum Großteil" dem Versorgungspotential der Apotheke der Beschwerdeführerin zuzurechnen. Diese Gemeinde sei zwar "zum Großteil" mehr als 4 km von der bestehenden Apotheke in Vöcklabruck entfernt, es handle sich bei dieser jedoch nach wie vor um die eindeutig nächstgelegene öffentliche Arzneimittelabgabestelle.
Im Zusammenhang mit der Aussage, "ein Großteil" der Einwohner wohne außerhalb des 4 km-Umkreises um die bestehende Apotheke, ist einerseits daran zu erinnern, dass § 10 ApG ziffernmäßig bestimmte Feststellungen über die Anzahl der jeweils zu versorgenden Personen fordert; andererseits ist darauf hinzuweisen, dass die Feststellung der Grenzen des 4 km-Polygons und der Zahl der innerhalb bzw. außerhalb dessselben wohnenden Bevölkerung schon wegen der unterschiedlichen, im ersten Fall nach § 10 Abs. 4 ApG, im zweiten Fall nach § 10 Abs. 5 leg. cit. vorzunehmenden Zuordnung geboten ist.
Mit Recht weist die Beschwerde auch darauf hin, dass sich Befund und Gutachten der Apothekerkammer mit der Frage, ob - und in welcher Anzahl - die Einwohner von Ungenach von der weiterhin bestehenden ärztlichen Hausapotheke oder der öffentlichen Apotheke der Beschwerdeführerin mit Heilmitteln versorgt werden, die anhand der in den Erkenntnissen vom 20. Dezember 1993, Zl. 92/10/0108, und Zl. 92/10/0359, dargelegten Grundsätze zu untersuchen ist, nicht beschäftigt hat. Schon ein in diese Richtung gehender Verfahrensmangel wäre wesentlich, weil angesichts der Annahme eines Versorgungspotentials von "rund 3290 ständigen Einwohnern sowie jedenfalls über 3000 zusätzlich zu versorgenden Personen" im Gutachten der Apothekerkammer nicht ausgeschlossen werden kann, dass bei Wegfall der Zurechnung eines Teiles der Einwohner von Ungenach die Anzahl von 5500 zu versorgenden Personen für die Apotheke der Beschwerdeführerin nicht erreicht würde.
Ebensowenig entspräche eine auf Befund und Gutachten der Apothekerkammer gegründete Feststellung der Zurechnung von weiteren 2000 Personen im Grunde des § 10 Abs. 5 ApG den Anforderungen an ein gesetzmäßiges Ermittlungsverfahren. Im Befund wird dargelegt, Vöcklabruck sei ein überregionales (Fach-)Ärztezentrum, weshalb zahlreiche Einwohner aus sämtlichen umliegenden Gemeinden ihre (Fach)Arztbesuche und damit häufig verbunden auch ihre Arzneimittelbesorgungen hier erledigen. Nach "ho. Auffassung" handle es sich dabei um mindestens weitere 5000 Personen, wobei davon auf die beiden Apotheken im Zentrum von Vöcklabruck mindestens je 2000 weitere Arzneimittelkunden entfielen.
Nach § 10 Abs. 5 ApG sind, wenn die Zahl der ständigen Einwohner im Sinne des Abs. 4 weniger als 5500 beträgt, die auf Grund der Beschäftigung, der Inanspruchnahme von Einrichtungen und des Verkehrs in diesem Gebiet zu versorgenden Personen bei der Bedarfsfeststellung zu berücksichtigen.
In der Frage, ob Arztordinationen als Einflutungserreger in Betracht kommen, hat der Verwaltungsgerichtshof mehrfach die Auffassung vertreten, die räumliche Aufteilung des Kundenpotentials eines Stadtgebietes bzw. Stadtrandgebietes gehe von einer im Grunde gleichmäßigen Versorgungsdichte durch Ärzte aus, sodass auf die Lage der Ordinationen im maßgeblichen Gebiet nicht Bedacht genommen werde (vgl. die Erkenntnisse vom 30. Mai 1985, Zl. 83/08/0181, vom 17. Mai 1993, Zl. 90/10/0123, und vom 23. Jänner 1995, Zl. 94/10/0123). Anders ist bei der nach § 10 Abs. 5 ApG vorzunehmenden Beurteilung der Fall eines - hier offenbar anzunehmenden - Bezirksortes mit Zentrumsfunktion in ländlicher Umgebung zu sehen, in dem eine im Verhältnis zur Einwohnerzahl im geschlossenen Siedlungsgebiet der Standortgemeinde sehr hohe Anzahl von Fachärzten den Berufssitz hat. Eine solche Konstellation legt nahe, dass durch die betreffenden Ärzte eine erheblich ins Gewicht fallende Anzahl von Personen aus der weiteren Umgebung (auch außerhalb des 4 km-Umkreises um die beteiligten Apotheken) des betreffenden Ortes medizinisch versorgt werden. Wegen des Sachzusammenhanges zwischen Arztbesuch und Arzneimitteleinkauf besteht auch Grund zur Annahme, dass es sich bei den nicht aus dem 4 km-Umkreis um die beteiligten Apotheken wohnenden Patienten dieser Ärzte um ein Versorgungspotential der beteiligten Apotheken handelt, das bei der Bedarfsfeststellung im Sinne des § 10 Abs. 5 ApG zu berücksichtigen ist.
Die Überlegung, dass "zahlreiche Einwohner aus sämtlichen umliegenden Gemeinden ihre (Fach)Arztbesuche und damit häufig verbunden auch ihre Arzneimittelbesorgung hier erledigen", mag somit vom Ansatz her durchaus zielführend sein; auf welchen Gründen allerdings die Schlussfolgerung aufbaut, dass sich daraus ein Versorgungspotential der bestehenden Apotheke von 2000 Personen ergebe, die im Sinne des § 10 Abs. 5 ApG bei der Bedarfsfeststellung zu berücksichtigen wären, wird nicht einmal angedeutet. In der vorliegenden Form handelt es sich bei der Zuordnung einer bestimmten Anzahl zu versorgender Personen zu den beteiligten Apotheken um eine nicht begründete Behauptung; die Grundlagen einer Quantifizierung des behaupteten Versorgungspotentials werden nicht dargelegt. Insbesondere fehlen konkrete Darlegungen über Erfahrungswerte oder allgemeine - z.B. von der Beobachtung vergleichbarer Sachverhaltskonstellationen ausgehende - empirische Untersuchungsergebnisse, die belegen, in welchem Ausmaß die im Einzugsbereich der bestehenden Apotheke ordinierenden Ärzte von der außerhalb des 4 km-Umkreises wohnhaften Bevölkerung in Anspruch genommen werden und in welchem Ausmaß dies eine Inanspruchnahme von Apothekenleistungen aus den beteiligten Apotheken indiziert. Erst auf einer solcherart ermittelten Sachverhaltsgrundlage könnten hinreichend aussagekräftige Kennzahlen für den Zusammenhang zwischen der Lage von Arztordinationen, allenfalls auch anderen als Einflutungserregern anzusehenden Einrichtungen, und einer solchen Inanspruchnahme der öffentlichen Apotheke, die der Inanspruchnahme durch eine bestimmte Anzahl ständiger Einwohner entspricht, gefunden und auf dieser Basis die Anzahl jener "zu versorgenden Personen" ermittelt werden, die im Sinne des § 10 Abs. 5 ApG bei der Bedarfsfeststellung "zu berücksichtigen" sind. Im Zusammenhalt mit der solcherart vorzunehmenden Gewichtung wird auf die Bedeutung der Umsatzkennziffern, die im Rahmen einer "retrograden Methode" Hilfsmittel bei der Ermittlung des Versorgungspotentials darstellen, auf die Zuordnung bestimmter Personenkreise bezogene Ermittlungen aber nicht entbehrlich machen können, hingewiesen (vgl. die Erkenntnisse vom 26. Juni 1995, Zl. 94/10/0142, vom 26. Februar 1996, Zl. 95/10/0041, und vom 16. Dezember 1996, Zl. 91/10/0140).
Im Zusammenhang mit den aus § 10 Abs. 5 ApG sich ergebenden Ermittlungsaufgaben ist auf die aus § 10 Abs. 7 erster Satz ApG erfließende, der Verpflichtung der Behörde zur Einholung eines Gutachtens korrespondierenden Verpflichtung der Österreichischen Apothekerkammer zu verweisen, der Behörde im Rahmen des Gutachtens die Grundlagen der Entscheidung über die Bedarfsfrage zur Verfügung zu stellen. Diese Verpflichtung kommt insbesondere im Zusammenhang mit der Ermittlung jener für die Zusammensetzung des Versorgungspotentials einer Apotheke maßgeblichen Faktoren zum Tragen, deren Feststellung entsprechendes Erfahrungswissen und die Kenntnis empirisch ermittelter Daten, die durch entsprechende allgemeine Untersuchungen ermittelt und verbreitert werden könnten, voraussetzt.
Könnte hingegen auch mit Hilfe der zuvor beschriebenen Methoden ein konkretes, einer ziffernmäßig feststehenden Anzahl zu versorgender Personen entsprechendes Kundenpotential einer bestehenden Apotheke nicht ermittelt werden, so müsste dessen Berücksichtigung bei der Bedarfsfeststellung im Sinne des § 10 Abs. 5 ApG an seiner mangelnden Quantifizierbarkeit scheitern.
Im Beschwerdefall wurden keine Feststellungen getroffen, die die Berücksichtigung einer ziffernmäßig bestimmten Anzahl von Personen im Sinne des § 10 Abs. 5 ApG tragen könnten; der angefochtene Bescheid ist daher rechtswidrig infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Hingegen liegt die behauptete inhaltliche Rechtswidrigkeit nicht vor. Die Beschwerde macht geltend, der angefochtene Bescheid beschränke die der Beschwerdeführerin durch den Konzessionsbescheid vom 19. Jänner 1992 eingeräumten Rechte, weil der mit dem angefochtenen Bescheid dem Mitbeteiligten eingeräumte Standort einen Ausschnitt des Standortes der Apotheke der Beschwerdeführerin darstelle. Solcherart werde ohne gesetzliche Grundlage in die Rechtskraft des Konzessionsbescheides vom 19. Jänner 1992 eingegriffen.
Diese Auffassung ist nicht zu teilen. Wird der Standort einer neuen Apotheke so festgelegt, dass in den Standort einer benachbarten Apotheke eingegriffen wird, hat dies zwar die Beschränkung des dem Apotheker anlässlich der Konzessionserteilung durch die Standortbestimmung eingeräumten Rechts, seine Apotheke allenfalls auch in das nunmehr seinem Nachbarn als Standort zugewiesene Gebiet zu verlegen, zur Folge (vgl. z.B. die Erkenntnisse vom 27. September 1954, Slg. Nr. 3505/A, vom 5. November 1968, Slg. Nr. 7438/A; zu dem mit § 9 Abs. 2 ApG verfolgten Zweck vgl. das Erkenntnis vom 16. April 1982, Zl. 81/08/0067). Eine solche Beschränkung des Standortes ist zulässig und bei der Neuerrichtung von Apotheken mitunter auch notwendig (vgl. das Erkenntnis vom 27. September 1954, Slg. Nr. 3505/A). Das Gesetz normiert das Fehlen eines Eingriffes in den Standort eines Nachbarapothekers nicht als Voraussetzung der Konzessionserteilung. Es räumt dem Inhaber einer bestehenden Apotheke kein Recht ein, dass dem Bewerber um eine Apothekenkonzession diese allein wegen des Eingriffes in den Standort der bestehenden Apotheke verweigert werde, wenn die Bedarfsvoraussetzungen vorliegen. Die Festsetzung des Standortes der neuen Apotheke bedeutet auch im Falle des Eingriffes in den Standort einer Nachbarapotheke keine unzulässige Abänderung des die Nachbarapotheke betreffenden Konzessionsbescheides. Die nach der oben zitierten Rechtsprechung mit dem Eingriff in den Standort der Nachbarapotheke verbundene Ausdehnung der Parteistellung des Nachbarapothekers auf die Bedarfsfrage ist im zeitlichen Geltungsbereich der durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes bereinigten Rechtslage ohne Bedeutung.
Auch die Auffassung der Beschwerde, selbst im Falle der Feststellung des Fehlens der negativen Bedarfsvoraussetzungen dürfe die Konzession erst erteilt werden, wenn in einem weiteren Ermittlungsverfahren der "Bedarf" nach den Grundsätzen der Rechtsprechung zum ApG vor der Novelle 1984 festgestellt werde, ist verfehlt. Diese Vorstellung einer "zweistufigen" Bedarfsfeststellung hat der Verwaltungsgerichtshof schon im Erkenntnis vom 29. November 1993, Zl. 92/10/0110, abgelehnt; umso weniger kann dem Gesetz nach Aufhebung der an den "Bedarf" im eigentlichen Sinn anknüpfenden Vorschriften, insbesondere des § 10 Abs. 2 Z. 1 ApG, eine solche Anordnung entnommen werden.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 15. Februar 1999
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher VerfahrensmangelEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1998100073.X00Im RIS seit
11.07.2001Zuletzt aktualisiert am
11.01.2011