Entscheidungsdatum
23.05.2019Index
97 Öffentliches AuftragswesenNorm
BVergG 2018 §79 Z1Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Dr. Oppel als Vorsitzenden, die Richterin Mag.a Mandl und die Richterin Dr.in Lettner über den Antrag der A. Ges.m.b.H. vertreten durch Rechtsanwalt, auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung betreffend das Vergabeverfahren "Reinigungsarbeiten ...-Bäche (2019-2022); ... Bezirk, B.-fluss und C.-see, Ausschreibungsnummer: ...", der Stadt Wien, Magistratsabteilung 45 - Wiener Gewässer, durch mündliche Verkündung
zu Recht e r k a n n t:
I. Der Antrag auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung vom 11.04.2019 wird abgewiesen.
II. Die Antragstellerin hat die von ihr entrichteten Pauschalgebühren selbst zu tragen.
III. Die ordentliche Revision ist unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Die Stadt Wien, Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 45 (im Folgenden Antragsgegnerin, Auftraggeberin) führt ein offenes Verfahren zur Vergabe eines Dienstleistungsauftrages im Oberschwellenbereich, nämlich "Reinigungsarbeiten ...-Bäche (2019-2022); ... Bezirk, B.-fluss und C.-see, Ausschreibungsnummer: ...".
Die Antragstellerin hat sich am Vergabeverfahren beteiligt und fristgerecht ein Angebot gelegt. Die Antragstellerin war nach Angebotsöffnung an dritter Stelle gereiht.
Mit Zuschlagsentscheidung der Antragsgegnerin vom 11.4.2019, der Antragstellerin am selben Tag zugegangen, wurde mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, den Zuschlag der D GmbH (im Folgenden: präsumtive Zuschlagsempfängerin/Bestbieterin, Teilnahmeberechtigte) zu erteilen.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der am 23.4.2019 eingelangte Antrag auf Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens, Durchführung einer mündlichen Verhandlung, Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung vom 11.4.2019, Erlassung einer einstweiligen Verfügung und Pauschalgebührenersatz.
Begründend führt die Antragstellerin aus, dass die Ausschreibungsunterlagen als Mindestanforderung an die finanzielle und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit vorsehen würden, dass der jährliche Umsatz für Reinigungsleistungen in den Jahren 2015-2017 jeweils mindestens € 500.000 betragen müsse. Das Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin erfülle diese Voraussetzungen nicht und werde auf die zum Firmenbuch eingereichten Jahresabschlüsse verwiesen. Nach diesen habe die präsumtive Zuschlagsempfängerin im Zeitraum 2015-2017 keinen Jahresumsatz von zumindest € 500.000 erwirtschaftet. Aufgrund der detaillierten Branchenkenntnis der Antragstellerin ergebe sich, dass die präsumtive Zuschlagsempfängerin bislang überhaupt keine Umsätze im Reinigungsbereich erwirtschaftet habe, sondern als kleineres Subunternehmen vor allem im Bereich des Winterdienstes und des Transportwesens tätig gewesen sei und dies auch für die Antragstellerin erfolgt sei.
Die zweitgereihte Bieterin sei die Firma des protokollierten Einzelunternehmers Y Y. Die Eintragung in das Firmenbuch sei am 5.1.2016 erfolgt. Umsätze aus dem Jahr 2015 lägen daher überhaupt keine vor. Für die Jahre 2016-2017 seien zum Firmenbuch keine Jahresabschlüsse eingereicht worden. Es sei daher davon auszugehen, dass auch die zweitgereihte Bieterin die Mindestanforderungen an die finanzielle und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nicht erfüllen könne und ihr Angebot ebenso zwingend auszuscheiden sei.
Für die ausschreibungsgegenständliche Tätigkeit sei nach Rechtsansicht der Antragstellerin eine gewerberechtliche Genehmigung erforderlich und sei dies konkret das Gewerbe „Sammeln und Behandeln von Abfällen und Abwässern“. Die ausschreibungsgegenständliche Tätigkeit sei inhaltlich deckungsgleich mit diesem freien Gewerbe, sodass diese als Nebentätigkeit eines anderen Gewerbes nicht möglich sei. Die präsumtive Zuschlagsempfängerin habe im Zeitpunkt des Endes der Angebotsfrist nicht über die entsprechende Gewerbeberechtigung verfügt. Ergänzend werde festgehalten, dass auch das Gewerbe „Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereinigung“ nicht zur Durchführung der gesamten ausschreibungsgegenständlichen Tätigkeit berechtige.
Die Antragstellerin erachte sich durch die Rechtswidrigkeit der bekämpften Entscheidung in ihren Rechten auf Erteilung des Zuschlages im verfahrensgegenständlich Vergabeverfahren verletzt, da das Angebot der Teilnahmeberechtigten mangels finanzieller und wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit nach Ansicht der Antragstellerin auszuscheiden sei und dies auch für die gemäß dem Protokoll von der Angebotsöffnung zweitgereihte Bieterin gelte.
Der Antragstellerin habe ein Interesse an einem Vertragsabschluss mit der Antragsgegnerin auf Grundlage einer gesetzeskonformen Zuschlagsentscheidung und Zuschlagserteilung nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Vergabeverfahrens unter Einhaltung der vergaberechtlichen und im Vergabeverfahren als maßgeblich erklärten Grundlagen. Sie habe ihr Interesse an einem Vertragsabschluss durch ihre Teilnahme im gegenständlichen Vergabeverfahren und Abgabe eines im Zuge des Vergabeverfahrens von der Antragsgegnerin geprüften und offensichtlich mangelfrei befundenen Angebotes zum Ausdruck gebracht.
Der Antragstellerin drohe bei Nichterlangung des Auftrages die Einbuße des Umsatzes in Höhe des von ihr abgegebenen Angebotes sowie des daraus abgeleiteten Gewinns.
Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtes Wien vom 29.4.2019 zur Zahl VGW-... wurde die einstweilige Verfügung für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens antragsgemäß erlassen.
Der Antragsgegnerin entgegnete zusammengefasst, dass die Ausschreibungsunterlagen innerhalb der Angebotsfrist insofern abgeändert worden seien, als der jährliche Gesamtumsatz für die Jahre 2016-2018 jeweils € 500.000 zu betragen habe. Diese Berichtigung sei – wie die Abwicklung des gesamten Vergabeverfahrens – über die ANKÖ-Plattform am 5.2.2019 erfolgt. Die Mindestanforderung habe daher gelautet: „Der jährliche Gesamtumsatz muss in den Jahren 2016-2018 jeweils mindestens € 500.000 betragen.“ Eine zusätzliche diesbezügliche Verständigung über E-Mail sei an die ANKÖ-User ergangen, die die Ausschreibungsunterlagen bereits heruntergeladen hatten. Das Vergabeverfahren sei zur Gänze elektronisch abgewickelt worden. Der geforderte jährliche Gesamtumsatz werde von der präsumtiven Zuschlagsempfängerin mit Unterstützung durch einen Subunternehmer sowohl für 2016, 2017 als auch für 2018 erreicht. Die Befugnis zur „Schneeräumung, Betreuung und Reinigung von Verkehrsflächen (Sommer- und Winterdienst)“ der präsumtiven Zuschlagsempfängerin umfasse die ausgeschriebenen Reinigungsarbeiten.
Die Teilnahmeberechtigte führte aus, dass nach den Mindestanforderungen laut Ausschreibungsunterlagen der jährliche Umsatz für Reinigungsleistungen in den Jahren 2015-2017 jeweils mindestens € 500.000 betragen habe müssen. Die Antragstellerin übersehe, dass laut Ausschreibung auch die Möglichkeit eingeräumt sei, unter Verwendung von Subunternehmen den Nachweis für die erforderliche wirtschaftliche Kapazität zu erbringen. Die präsumtive Zuschlagsempfängerin habe im Sinne der Ausschreibungsunterlagen ausdrücklich erklärt, auf die Kapazitäten eines Subunternehmers aus Gründen der Befugnis sowie der finanziellen und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zurückzugreifen, und habe diesbezüglich einen Antrag auf Genehmigung von Subunternehmen im Rahmen des Vergabeverfahrens eingereicht.
Der Antragstellerin brachte dazu vor, dass die (ursprünglichen) Ausschreibungsunterlagen als Mindestanforderung an die finanzielle und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit einen jährlichen Umsatz für Reinigungsleistungen in den Jahren 2015-2017 von jeweils mindestens € 500.000 vorgesehen hätten. Die Antragstellerin sei nicht über die behauptete Änderung der Ausschreibungsunterlagen informiert worden und sei dies offenbar auch bei der präsumtiven Zuschlagsempfängerin nicht erfolgt. Nach deren Vorbringen habe sie ein den ursprünglichen Ausschreibungsunterlagen entsprechendes Angebot abgegeben und diese Anforderung durch einen Subunternehmer erfüllt. Die Stellungnahme der Auftraggeberin stehe sohin in offensichtlichem Widerspruch zu den Ausführungen der präsumtiven Zuschlagsempfängerin, die ihr Angebot offenkundig, ebenso wie die Antragstellerin, auf Grundlage der ursprünglich strengeren Mindestanforderungen erstellt habe.
Die Antragstellerin habe umfassende Kenntnis von den übrigen in ihrer Branche tätigen Unternehmen und werde vermutet, dass es sich beim Subunternehmen um die W GmbH handle, zumal diese mit der präsumtiven Zuschlagsempfängerin eng verflochten sei, was etwa die Gesellschafter und Geschäftsführer betreffe.
Hinsichtlich der Befugnis habe die Antragstellerin beim Rechtsservice, Wirtschafts- und Gewerberecht der Wirtschaftskammer Wien eine Rechtsauskunft zum Umfang der infrage kommenden Gewerbe eingeholt. Es sei der Antragstellerin mitgeteilt worden, dass Gewässer keine Verkehrsflächen im Sinne des freien Gewerbes „Schneeräumung, Betreuung und Reinigung von Verkehrsflächen (Sommer- und Winterdienst)“ darstellen würden. Die Entsorgung von Sperrmüll, Laden und Abfuhr von Hausmüll, Entsorgung von Hausmüll sei dem freien Gewerbe „Sammeln und Behandeln von Abfällen der Abwässern“ zuzuordnen und sei dazu eine Bewilligung nach dem AWG erforderlich. Das Zusammenrechen von Laub könne gegebenenfalls im Nebenrecht ausgeübt werden und sei ansonsten die Tätigkeit dem freien Gewerbe „Durchführung einfacher Gartenarbeiten (Rasenmähen, Bewässern der Grünflächen, Jäten, Mulchen)“ zugeordnet.
Das in den Ausschreibungsunterlagen enthaltene Leistungsverzeichnis beschreibe 3 Leistungsgruppen: 42 Reinigen; 49 Regiearbeiten – Reinigen; 50 Verfuhr von Entsorgungsleistungen. Das Reinigen von Rad- und Fußwegen stelle nur einen kleinen Bruchteil der ausschreibungsgegenständlichen Leistung dar. Von Verkehrsflächenbetreuung könne dabei keine Rede sein, da insbesondere Fluss- und Bachläufe, Entlastungsgerinne, Rückhaltebecken sowie deren angrenzende Böschungen nicht zur Nutzung durch Verkehrsteilnehmer vorgesehen seien, sondern deren Benützung/Betreten verboten sei. Auch seien Arbeiten im Wasser, etwa zur Entfernung, Abtransport und Entsorgung von darin befindlichem Sperrmüll (zum Beispiel Einkaufswagen) nicht mit Verkehrsflächenbetreuung zu vergleichen. Auch müsse der Müll zunächst gesammelt und sodann in das Zentrallager der Auftragnehmerin transportiert und letztlich auf die Deponie der MA 48 überführt werden. All diese Schritte gebe es im Rahmen der Verkehrsflächenbetreuung nicht. Andere geringfügige Reinigungstätigkeiten wie das Entleeren von vorhandenen Mülltonnen und das Befüllen von Entnahmestellen für Hundesäckchen könnten höchstens als Nebenrecht zu einem anderen Gewerbe durchgeführt werden.
Der Antragstellerin sei aufgrund des im Jahr 2013 durchgeführten Vergabeverfahrens Vertragspartnerin der Auftraggeberin und sei das Vertragsverhältnis aufrecht. Die Leistungsverzeichnisse der beiden Vergabeverfahren seien ident.
Weder die präsumtive Zuschlagsempfängerin noch die W GmbH (und auch nicht die zweitgereihte Bieterin) würden über eine der infrage kommenden Gewerbeberechtigungen verfügen. Ergänzend werde festgehalten, dass auch das reglementierte Gewerbe „Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereinigung“ nicht zur Durchführung der gesamten ausschreibungsgegenständlichen Tätigkeit berechtige, und werde auch diesbezüglich auf eine Rechtsauskunft der Wirtschaftskammer Wien verwiesen. Die Reinigung von Böschungsflächen und Grillplätzen sei dem reglementierten Gewerbe „Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereinigung“ vorbehalten. Mit dem Geschäftsführer der Antragstellerin sei am 3.4.2019 ein Aufklärungsgespräch geführt worden. Die präsumtive Zuschlagsempfängerin und die W GmbH hätten zum Zeitpunkt des Endes der Angebotsfrist nachweislich nicht über diese Gewerbeberechtigung verfügt. Der W GmbH sei diese erst per 1.3.2019 erteilt worden. Zweifelhaft sei, wie ein Aufklärungsgespräch bzw. eine vertiefte Angebotsprüfung hinsichtlich des Angebotes der präsumtiven Zuschlagsempfängerin überhaupt habe durchgeführt werden können, wenn diese nicht einmal über das erforderliche Gewerbe für die ausschreibungsgegenständliche Leistung verfügt habe.
Des Weiteren führte die Antragstellerin aus, dass die Antragstellerin einen Antrag gemäß § 349 Gewerbeordnung an den zuständigen Bundesminister gerichtet habe, um eine rechtsverbindliche Auskunft zu erhalten, ob für die ausschreibungsgegenständliche Tätigkeit das Gewerbe „Schneeräumung, Betreuung und Reinigung von Verkehrsflächen (Sommer- und Winterdienst)“ einschlägig sei. Es werde auch auf das Leistungsverzeichnis verwiesen, aus welchem sich eindeutig ergebe, dass das genannte Gewerbe für die ausschreibungsgegenständlichen Leistungen nicht einschlägig sein könne, zumal Verkehrsflächen nicht vorlägen.
Am 23.5.2019 fand vor dem Verwaltungsgericht Wien die beantragte öffentliche mündliche Verhandlung statt, in welcher das Vorbringen der Parteien und die Rechtsfragen rund um wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, Auftragsgegenstand und Befugnis umfassend erörtert wurden.
Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:
Aufgrund des Vergabeaktes, des Nachprüfungsverfahrens und der im Verfahren gewechselten Schriftsätze, des Vergabeaktes und dem Ergebnis der durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung wird nachstehender Sachverhalt als erwiesen festgestellt:
Die Stadt Wien, Magistratsabteilung 45, führt ein Vergabeverfahren, nämlich "Reinigungsarbeiten ...-Bäche (2019-2022); ... Bezirk, B.-fluss und C.-see, Ausschreibungsnummer: ...".
Im Verfahren haben acht Bieter, darunter die Teilnahmeberechtigte und die Antragstellerin, Angebote gelegt. Die Angebotsöffnung fand am 18.2.2019 statt.
Am 5.2.2019 wurde die Ausschreibung dahingehend berichtigt, als die Mindestanforderung im SR 75 geändert wurde von: „Der jährliche Umsatz für Reinigungsleistungen muss in den Jahren 2015-2017 jeweils mind. 500.000 EUR betragen.“ auf: „Der jährliche Gesamtumsatz muss in den Jahren 2016-2018 jeweils mind. 500.000 EUR betragen.“ (Vergabeakt, Ordner MA45). Die Antragstellerin wurde – nachdem sie sich bereits als ANKÖ-Userin zu diesem Vergabeverfahren registriert hatte – über diese Berichtigung mit Mail informiert. Nicht festgestellt werden konnte anhand des vorgelegten Vergabeaktes, welchen Inhalt diese automatische Information an registrierte Benutzer hat und an wen sie ergangen ist.
Am 11.4.2019 wurde die Zuschlagsentscheidung zugunsten der Teilnahmeberechtigten mitgeteilt. Das Vergabeverfahren wurde elektronisch über den ANKÖ abgewickelt. Anhand des vorgelegten Vergabeaktes konnte nicht festgestellt werden, an welche Bieter die Zuschlagsentscheidung ergangen ist.
Gegen diese Zuschlagsentscheidung hat die Antragstellerin einen Antrag auf Nichtigerklärung am 23.4.2019 eingebracht. Die Antragstellerin liegt nach Angebotsöffnung an dritter Stelle.
Im Angebot der Teilnahmeberechtigten wurde zum Nachweis der wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit sowie der Befugnis ein Subunternehmer genannt. Es handelt sich nicht um jenes Unternehmen, das die Antragstellerin in ihrem Vorbringen angenommen hat.
Der Subunternehmer der Teilnahmeberechtigten erfüllt die als Mindestanforderung in der Ausschreibung festgelegte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit; zum Nachweis wurde eine Aufstellung zur Gewinn- und Verlustrechnung des Subunternehmers für die Jahre 2015 bis 2018 vorgelegt (Vergabeakt, Angebot der TNB).
Dieser Subunternehmer verfügt über das Gewerbe „Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereinigung (Handwerk)“ seit 13.4.2012 (Vergabeakt, Angebot der TNB).
Die Teilnahmeberechtigte verfügt unbestritten über folgende Gewerbe:
„Verpacken von Waren unter Ausschluss der den reglementierten Gewerben vorbehaltenen Tätigkeiten“;
„Güterbeförderung mit Kraftfahrzeugen oder Kraftfahrzeugen mit Anhängern, deren höchstzulässiges Gesamtgewicht insgesamt 3500 kg nicht übersteigt“;
„Schneeräumung, Betreuung und Reinigung von öffentlichen und privaten Verkehrsflächen unter Ausschluss jeder einem reglementierten Gewerbe vorbehaltenen Tätigkeit“;
„Schneeräumung, Betreuung und Reinigung von Verkehrsflächen (Sommer- und Winterdienst)“.
Der Auftragsgegenstand dieses Vergabeverfahrens umfasst die Reinigung der gesamten von der Auftraggeberin verwalteten Flächen, wie Ufer, Rad- und Fußwege, Grillplätze, wobei ortsbezogen vergeben wird und es gegenständlich um die Flächen im Bereich der C.-bäche, in der Hauptsache E.-bach und F.-fluss, geht. Die Reinigung soll rechts und links der Gewässer erfolgen, umfasst aber auch Gewässerbereiche selbst und die Ufer, wobei der Schwerpunkt auf der Reinigung der Verkehrsflächen liegt. Mäharbeiten sind von diesem Auftrag nicht umfasst, sie werden von einer anderen Auftragnehmerin besorgt und es handelt sich dabei um einen anderen Auftragsgegenstand. Die auftragsgegenständliche Reinigung findet nicht ständig statt, die Böschungen werden zwei- bis dreimal pro Jahr „fein“ gereinigt und findet dies beispielsweise nach dem Winter statt. Die Betreuung der Mistkübel findet wöchentlich bzw. zweimal pro Woche statt; für Sperrmüll, wie zum Beispiel Einkaufswagen auf der Böschung, wird ein Auftrag erteilt. Die eingesammelten Abfälle werden von der Auftragnehmerin auf den Sammelplatz der Auftraggeberin gebracht, von dort werden sie von der MA 48 abgeholt. Die Laubentfernung hat im gesamten Gefüge ein geringes Ausmaß.
Die dem gegenständlichen Vergabevorgang vorangegangene Ausschreibung im Jahr 2013 ist betreffend Leistungsgegenstand und Umfang praktisch ident mit der nunmehrigen Ausschreibung. In der nunmehrigen Ausschreibung wurden Regieleistungen verringert und wurde der Transport von Sammelcontainern der MA 45 zur MA 48 sicherheitshalber aufgenommen, um für den Fall einen Preis zu haben, wenn diese Leistung erforderlich werden sollte.
Das Leistungsverzeichnis der gegenständlichen Ausschreibung umfasst drei Leistungsgruppen: 42 – Reinigen; 49 – Regiearbeiten-Reinigen; 50 – Verfuhr und Entsorgungsleistungen.
In der Leistungsgruppe 50 wird zu den Verfuhrleistungen (50.01) in den einzelnen Positionen jeweils festgelegt, dass Hausmüll bzw. hausmüllähnlicher Gewerbeabfall, Sperrmüll, Laub entweder „nach Wahl der Auftragnehmerin“ zu einer befugten Entsorgungs-/Annahmestelle (in Position 50.0101; 50.0103; 50.0104) oder „nach Angabe der Auftraggeberin“ (in Position 50.0102; 50.0105) zu verbringen ist.
In der Leistungsgruppe 50.02 - Entsorgung wird die „fachgerechte Entsorgung“ von Hausmüll, Sperrmüll, Laub vorgeschrieben.
Die gegenständliche Ausschreibung enthält keine Festlegungen zu der für diesen Auftragsgegenstand erforderlichen Befugnis. Die Auftraggeberin wollte den Bieterkreis möglichst groß halten.
Die vor der Antragstellerin zweitgereihte Bieterin hat mit ihrem Angebot ebenfalls ein Subunternehmen namhaft gemacht; die bestandfeste Mindestanforderung der Ausschreibung wird mit dem Angebot der zweitgereihten Bieterin nicht erfüllt.
Maßgebliche Rechtsvorschriften:
§ 32 GewO lautet auszugsweise:
Sonstige Rechte von Gewerbetreibenden
§ 32. (1) Gewerbetreibenden stehen auch folgende Rechte zu:
1.
alle Vorarbeiten und Vollendungsarbeiten auf dem Gebiet anderer Gewerbe vorzunehmen, die dazu dienen, die Produkte, die sie erzeugen oder vertreiben, sowie Dienstleistungen, die sie erbringen, absatzfähig zu machen;
2.
die ausschließlich für die Erbringung von Leistungen des eigenen Unternehmens bestimmten Maschinen, Werkzeuge und sonstigen Werksvorrichtungen anzufertigen;
3.
ihre Betriebseinrichtungen, Maschinen, Werkzeuge, Betriebsmittel, sonstigen Betriebsbehelfe und Betriebsgebäude instand zu halten und instand zu setzen;
4.
die Beistellung des zu verwendenden Materials, wenn Aufträge zur Herstellung von Waren erteilt werden;
5.
die zum Verkauf der von ihnen erzeugten oder vertriebenen Waren dienenden Verpackungen und Umhüllungen (Säcke, Kartonagen, Tuben, Dosen, Kisten und ähnliche Gegenstände), Etiketten oder sonstigen handelsüblichen Hilfsmittel herzustellen und zu bedrucken;
6.
das Aufstellen, die Montage, der Austausch schadhaft gewordener Bestandteile, die Nachfüllung von Behältern, das Anbringen von Zubehör und die regelmäßige Wartung der hergestellten, verkauften oder vermieteten Gegenstände;
7.
das Sammeln und Behandeln von Abfällen; abfallrechtliche Regelungen bleiben hievon unberührt;
8.
Arbeiten, die im zulässigen Umfang ihrer Gewerbeausübung liegen, zu planen;
9.
Gesamtaufträge zu übernehmen, sofern ein wichtiger Teil des Auftrages ihrem Gewerbe zukommt, jedoch unter der Voraussetzung, dass sie die Arbeiten, für deren Ausführung sie keine Gewerbeberechtigung besitzen, durch befugte Gewerbetreibende ausführen lassen;
10.
Waren zurückzunehmen, zu kaufen, zu verkaufen, zu vermieten und zu vermitteln, soweit diese Tätigkeiten nicht Gegenstand eines reglementierten Gewerbes sind;
11.
einfache Tätigkeiten von reglementierten Gewerben, deren fachgemäße Ausübung den sonst vorgeschriebenen Befähigungsnachweis nicht erfordert, auszuüben;
12.
Teilgewerbe (§ 31 Abs. 2 ff) und die in § 162 Abs. 1 genannten freien Gewerbe auszuüben, soweit diese in fachlichem Zusammenhang mit der hauptberuflich ausgeübten gewerblichen Tätigkeit stehen;
13.
die Ausübung des nicht konzessionspflichtigen Werkverkehrs mit Gütern;
14.
die Ausübung des nicht konzessionspflichtigen, nicht linienmäßigen Personenwerkverkehrs;
15.
die unentgeltliche Ausschank von Getränken; hiefür darf jedoch nicht geworben werden und dürfen keine zusätzlichen Hilfskräfte noch ausschließlich diesem Ausschank dienende Räume verwendet werden.
(1a) Gewerbetreibenden steht auch das Erbringen von Leistungen anderer Gewerbe zu, wenn diese Leistungen die eigene Leistung wirtschaftlich sinnvoll ergänzen. Dabei dürfen die ergänzenden Leistungen insgesamt bis zu 30 vH des im Wirtschaftsjahr vom Gewerbetreibenden erzielten Gesamtumsatzes nicht übersteigen. Innerhalb dieser Grenze dürfen auch ergänzende Leistungen reglementierter Gewerbe erbracht werden, wenn sie im Fall von Zielschuldverhältnissen bis zur Abnahme durch den Auftraggeber oder im Fall von Dauerschuldverhältnissen bis zur Kündigung der ergänzten eigenen Leistungen beauftragt werden und sie außerdem bis zu 15 vH der gesamten Leistung ausmachen.
(2) Bei Ausübung der Rechte gemäß Abs. 1 und Abs. 1a müssen der wirtschaftliche Schwerpunkt und die Eigenart des Betriebes erhalten bleiben. Soweit dies aus Gründen der Sicherheit notwendig ist, haben sich die Gewerbetreibenden entsprechend ausgebildeter und erfahrener Fachkräfte zu bedienen.
(3) (…)
(4) (…)
(5) Das Sammeln und Behandeln von Abfällen, soweit es nicht durch Abs. 1 Z 7 gedeckt wird, ist - unabhängig davon, ob für die Ausübung dieser Tätigkeit gemäß dem AWG 2002 zusätzliche Voraussetzungen zu erfüllen sind - ein freies Gewerbe.
(6) (…)
Gemäß § 79 Z 1 BVergG 2018 muss beim offenen Verfahren die Eignung spätestens zum Zeitpunkt der Angebotsöffnung vorliegen.
Gemäß § 86 BVergG 2018 kann sich ein Unternehmer für einen bestimmten Auftrag zum Nachweis der erforderlichen Leistungsfähigkeit und Befugnis auf die Kapazitäten anderer Unternehmer ungeachtet des rechtlichen Charakters der zwischen ihm und diesen Unternehmern bestehenden Verbindungen stützen. (…)
Rechtlich folgt daraus:
Die Antragsgegnerin ist öffentliche Auftraggeberin im Sinne des § 4 Abs. 1 Z 1 BVergG 2018. Sie führt ein offenes Verfahren im Oberschwellenbereich zur Vergabe eines Dienstleistungsauftrages. Die Ausschreibung ist bestandfest.
Der Antrag auf Einleitung des Nichtigerklärungsverfahrens ist rechtzeitig (§ 24 Abs. 1 WVRG 2014) und auch zulässig, da damit eine gesondert anfechtbare Entscheidung im Sinne des § 2 Z 15 lit. a sublit. aa BVergG 2018 bekämpft wird. Die Beibringung der Pauschalgebühren für ein Nachprüfungsverfahren im Oberschwellenbereich ist nachgewiesen. Die Antragstellerin hat den ihr allenfalls drohenden Schaden bei Nichterlangung des gegenständlichen Auftrages plausibel dargelegt (vgl. VwGH 23.5.2007, Zl. 2007/04/0010). Der Antrag auf Einleitung eines Nichtigerklärungsverfahrens entspricht auch sonst den Bestimmungen der §§ 20 Abs. 1, 23 Abs. 1 WVRG 2014. Es war daher das von der Antragstellerin begehrte Nachprüfungsverfahren einzuleiten.
Die Antragstellerin ist nach den zur zweitgereihten Bieterin getroffenen Feststellungen auch antragslegitimiert.
Nach den oben getroffenen Feststellungen hat die Teilnahmeberechtigte mit ihrem Angebot einen Subunternehmer zum Nachweis der wirtschaftlichen/finanziellen Leistungsfähigkeit und der Befugnis genannt. Dieser Subunternehmer erfüllt die ausschreibungsgegenständliche Mindestanforderung betreffend die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, was durch eine Aufstellung der Gewinn- und Verlustrechnung für die betreffenden Jahre nachgewiesen wurde. Er verfügt über die in den Feststellungen genannte Gewerbeberechtigung und hat im Angebot der Teilnahmeberechtigten eine Subunternehmererklärung abgegeben.
Das Angebot der Teilnahmeberechtigten hat demnach im Zeitpunkt der Angebotsöffnung die Anforderung der Ausschreibung hinsichtlich der finanziellen und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit erfüllt.
Die Befugnis der Teilnahmeberechtigten für die gegenständliche Leistung umfasst: „Schneeräumung, Betreuung und Reinigung von Verkehrsflächen (Sommer- und Winterdienst)“, „Güterbeförderung mit Kraftfahrzeugen oder Kraftfahrzeugen mit Anhängern, deren höchstzulässiges Gesamtgewicht insgesamt 3500 kg nicht übersteigt“ und das Gewerbe (des Subunternehmers) für „Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereinigung (Handwerk)“. Aufgrund des im Nachprüfungsverfahren umfassend erörterten und im Leistungsverzeichnis festgelegten Auftragsgegenstandes ergibt sich, dass die Befugnisse der Teilnahmeberechtigten, welcher die Befugnis des Subunternehmers zuzurechnen ist, den gegenständlichen Leistungsinhalt zu mehr als 70 % abdecken.
Nach § 32 Absatz 1a Gewerbeordnung 1994 steht Gewerbetreibenden auch das Erbringen von Leistungen anderer Gewerbe zu, wenn diese Leistungen die eigene Leistung wirtschaftlich sinnvoll ergänzen.
Nach dem im Nachprüfungsverfahren erörterten und oben festgestellten Leistungsumfang des gegenständlichen Auftrages, bei welchem etwa Mäharbeiten keine Rolle spielen und die Verfuhr und fachgerechte Entsorgung von Abfall durch die Auftragnehmerin ein geringes Ausmaß erreichen, war davon auszugehen, dass die vorhandenen Befugnisse die Leistungsinhalte zu mehr als 70 % abdecken und der verbleibende Rest vom Nebenrecht des § 32 Abs. 1a Gewerbeordnung 1994 abgedeckt ist. So ergänzt etwa das von der Antragstellerin ins Treffen geführte Laubrechen die auftragsgegenständliche eigene Leistung wirtschaftlich sinnvoll.
Die im Verfahren im Zusammenhang mit § 32 Gewerbeordnung 1994 vorgebrachte 15 %-Grenze kam gegenständlich nicht zur Anwendung, da es sich bei den ergänzenden Leistungen durchwegs um Leistungsinhalte für freie Gewerbe handelt und § 32 Abs. 1a letzter Satz Gewerbeordnung 1994 auf reglementierte Gewerbe abstellt.
Im Zusammenhang mit der Befugnis, insbesondere dem Gewerbe „Schneeräumung, Betreuung und Reinigung von Verkehrsflächen (Sommer- und Winterdienst)“, wird mit dem Begriff der „Verkehrsfläche“ nach Ansicht des Senates ein Raum beschrieben, in welchem sich Personen bewegen, und welcher daher verkehrssicher zu gestalten ist. Dazu können nach Ansicht des Senates neben den auch im Winter zu betreuenden und verkehrssicher zu haltenden Flächen (Rad-, Fußwege, Plätze, Straßen, Parkanlagen etc.) auch Wiesenflächen zählen, wie sie typischerweise Grillplätze darstellen. Der Antragstellerin war dahin zu folgen, dass es sich dabei um Flächen handelt, die sauber, sicher und für den Verkehr, das heißt die Allgemeinheit, nutzbar zu halten sind.
Dazu, dass nach dem Leistungsverzeichnis die Bachsohle und der gesamte Gerinnequerschnitt von den Reinigungsarbeiten umfasst sind und es sich hierbei nach der Auffassung der Antragstellerin um keine Verkehrsfläche im eben genannten Sinn handelt, ist auszuführen, dass für das gegenständliche freie Gewerbe kein Berufsbild festgelegt ist und auch die Gewerbeordnung den Begriff der Verkehrsfläche nicht definiert. Der Bedeutungsinhalt des erforderlichen Gewerbes wird demnach durch den Ausschreibungsgegenstand bestimmt und stehen der Auftragnehmerin im Rahmen des freien Gewerbes alle gewerberechtlichen Nebenrechte zur Verfügung.
Dass das Gewerbe „Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereinigung (Handwerk)“ für die Reinigung der Grillplätze als einschlägige Befugnis herangezogen werden kann, hat die Antragstellerin selbst vorgebracht. Dieses Gewerbe samt den Gewerben der Teilnahmeberechtigten und den Nebenrechten nach § 32 Abs. 1a GewO 1994 bilden die für die auftragsgegenständliche Leistung erforderliche Befugnis im berechtigten Umfang der gewerberechtlichen Bestimmungen.
Die Befugnis der Teilnahmeberechtigten war demnach im relevanten Zeitpunkt der Angebotsöffnung im erforderlichen Umfang gegeben.
Im Ergebnis bedeutet dies, dass die Zuschlagentscheidung zugunsten der Teilnahmeberechtigten zu Recht ergangen ist. Die im Nichtigerklärungsantrag vorgebrachten Rechtswidrigkeiten liegen gegenständlich nicht vor. Das Angebot der Teilnahmeberechtigten erfüllt die bestandfeste Mindestanforderung hinsichtlich der finanziellen und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und sie verfügt auch über die für den vorliegenden Auftragsgegenstand erforderliche Befugnis.
Die Antragstellerin hat gemäß § 16 Abs. 1 WVRG 2014 die von ihr entrichteten Pauschalgebühren selbst zu tragen, da sie mit ihrem Antrag nicht obsiegt hat.
Es war spruchgemäß zu entscheiden.
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Nachprüfungsverfahren; wirtschaftliche Leistungsfähigkeit; finanzielle Leistungsfähigkeit; Befugnis; Eignung; Subunternehmer; GewerbeberechtigungAnmerkung
VwGH v. 3.12.2020, Ra 2019/04/0089; ZurückweisungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2019:VGW.123.074.5617.2019Zuletzt aktualisiert am
04.01.2021