Entscheidungsdatum
11.01.2019Norm
AsylG 2005 §3Spruch
L521 2138623-1/41E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter MMag. Mathias Kopf, LL.M. über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, Staatsangehörigkeit Irak, vertreten durch Mag. Georg Bürstmayr, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Hahngasse 25/ 5, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.10.2016, Zl. 1078073203-150857893, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 05.07.2017 und am 10.10.2017 zu Recht:
A)
1. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides wird als unbegründet abgewiesen.
2. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid dahingehend abgeändert, dass er in seinem Spruchpunkt III. zu lauten hat:
"Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen XXXX, geb. XXXX, ist gemäß § 9 Abs. 2 und 3 BFA-VG auf Dauer unzulässig. Gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 wird XXXX der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" für die Dauer von zwölf Monaten erteilt."
3. Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheids wird ersatzlos behoben.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer stellte im Gefolge seiner schlepperunterstützten unrechtmäßigen Einreise in das Bundesgebiet am 14.07.2015 vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes einen Antrag auf internationalen Schutz.
Im Rahmen der niederschriftlichen Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Polizeiinspektion Marchegg am Tag der Antragstellung gab der Beschwerdeführer an, den Namen XXXX zu führen und Staatsangehöriger des Irak zu sein. Er sei am XXXX in Kirkuk geboren und habe zuletzt in einem Dorf in der Provinz Kirkuk gelebt. Er sei Angehöriger der kurdischen Volksgruppe, Moslem, im Irak zuletzt als Hilfsarbeiter tätig gewesen und ledig.
Im Hinblick auf seinen Reiseweg brachte der Beschwerdeführer zusammengefasst vor, den Irak Ende Juni 2015 legal von seinem Dorf in Kirkuk ausgehend mit einem Bus in die Türkei verlassen zu haben. In der Folge sei er nach einem kurzen Aufenthalt in Istanbul schlepperunterstützt teilweise in Fahrzeugen und teilweise im Fußweg nach Österreich verbracht worden.
Zu den Gründen seiner Ausreise aus dem Heimatland befragt, führte der Beschwerdeführer aus, im Irak herrsche Bürgerkrieg. Die Milizen des Islamischen Staates seien in die Nähe seines Dorfes gelangt. Er habe aus Angst um sein Leben den Irak verlassen.
2. Nach Zulassung des Verfahrens wurde der Beschwerdeführer am 12.10.2016 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Burgenland, im Beisein eines geeigneten Dolmetschers sowie einer Vertrauensperson des Beschwerdeführers in kurdischer Sprache niederschriftlich einvernommen. Zuvor wurde mit dem Beschwerdeführer ein Datenblatt ausgefüllt.
Zur Person und den Lebensumständen befragt gab der Beschwerdeführer an, den Namen XXXX zu führen. Er sei XXXX3 in Erbil geboren, Angehöriger der kurdischen Volksgruppe, islamischen Glaubens und ledig sowie kinderlos. Der derzeitige Aufenthaltsort seiner Eltern und vierer Geschwister sei ihm nicht bekannt. Er habe in seinem Dorf in Kirkuk von 2003 bis 2008 die Grundschule besucht, dort auch vor seiner Ausreise gemeinsam mit seinen Eltern und Geschwistern gelebt und gelegentlich Arbeiten als Tischler und Bauarbeiter verrichtet.
In der Folge wurden dem Beschwerdeführer Fragen bezüglich seines Privat- und Familienlebens in Österreich gestellt.
Zu den Gründen für das Verlassen seines Heimatstaates befragt, gab der Beschwerdeführer an, die Milizen des Islamischen Staates seien seinem Heimatdorf immer näher gekommen. An einem Freitag im Juni 2015 habe der Bezirksvorsteher seinen Vater um Mitternacht angerufen und diesen aufgefordert, das Dorf zu verlassen, weil die Milizen des Islamischen Staates auf dem Weg ins Dorf seien. Seine Familie habe sich daraufhin für zwei Tage zu seinem Onkel nach Kirkuk begeben. Im Zuge eines weiteren Anrufes habe der Bezirksvorsteher seinem Vater mitgeteilt, dass es nicht so schlimm gewesen sei und der Islamische Staat das Dorf nicht übernommen habe, weshalb seine Familie wieder in das Dorf zurückgekehrt sei. Nach einer Woche habe der Bezirksvorsteher in einem Telefonat die Familie erneut aufgefordert, das Dorf sofort zu verlassen, was sie auch getan habe. Nach einem abermaligen Anruf seien sie wieder zurückgegangen, weil die Peschmerga die Milizen des Islamischen Staates vertrieben hätten. Ihr Haus sei zerstört gewesen, aber die im Dorf anwesenden Peschmerga hätten das Haus wieder in Stand gesetzt. Während einer beruflichen Tätigkeit in XXXX habe er einen Anruf von einem dort stationierten "angeheirateten" Onkel - einem Militäroffizier - erhalten, wonach die Peschmerga eine Niederlage erlitten und die Milizen des Islamischen Staates ins Dorf zurückgekehrt seien. Sein Onkel habe für ihn einen Begleiter organisiert, welcher ihn nach Erbil brachte, und ihn aufgefordert, die Region zu verlassen.
Nachgefragt zu Details gab der Beschwerdeführer unter anderem an, dass die Fahrt zu seinem Onkel in XXXX mit dem Autobus etwa eine halbe Stunde gedauert habe. Nach ihrer zweiten Rückkehr sei nicht nur das Haus seiner Familie, sondern die Häuser von vielen anderen Kurden ebenfalls zerstört gewesen. Beim Verlassen des Dorfes hätten sich seine Eltern noch dort befunden. Er wisse nicht, wo seine Eltern danach hingegangen seien. Er habe den Irak aufgrund der allgemeinen Lage verlassen. Er sei alleine nach Erbil gefahren, weil die Familie im Dorf gewesen sei und er über deren Schicksal nichts gewusst habe. Sein Hauptwohnsitz sei in Kirkuk gelegen, weshalb er für einen Weiterverbleib in Erbil einen Bürgen benötigt hätte. Die Kurden im Irak hätten weder bei der Zentralregierung noch bei der kurdischen Regierung ein Recht. XXXX habe hinsichtlich der Einwohnerzahl etwa die Größe von Neusiedl am See. Es gebe dort immer Angriffe und Sprengstoffexplosionen. Er hätte sich dort nicht sicher gefühlt. Er habe derzeit Kontakt mit seinen Eltern. Sein Vater habe ihn angerufen und ihm über die Lage im Dorf berichtet. Viele Jugendliche seien von den Milizen des Islamischen Staates festgenommen und ein Freund von ihm getötet worden. Es sei seinem Onkel aufgrund der Niederlage der Peschmerga und der Übernahme des Dorfes durch die Milizen des Islamischen Staates nicht möglich gewesen, seine Geschwister aus dem Dorf herauszuholen. Sein Onkel habe den Peschmerga angehört. Er wisse nicht wie viele Soldaten sein Onkel befehligt habe. Letztmals habe er mit seinem Vater vor einem Monat Kontakt gehabt. Er wisse nicht, wo sich seine Familie befinde. Seine Angehörigen befänden sich aber in einer sehr schlechten Lage. Er habe von seinem Vater bezüglich des Aufenthaltsortes keine Antwort erhalten. Er würde davon ausgehen, dass seine Familie in einem Nachbardorf sei. Es bestünde derzeit Gefahr für seine Familie. Seine Geschwister befänden sich bei seinen Eltern. Bei einer Rückkehr in den Irak würde er - so wie seine Freunde - irgendwann getötet werden.
Der Beschwerdeführer verzichtete auf die Ausfolgung der aktuellen Länderinformationen zu seinem Herkunftsstaat.
Im Rahmen der Einvernahme brachte der Beschwerdeführer des Weiteren einen irakischen Personalausweis im Original, einen irakischen Staatsbürgerschaftsnachweis im Original, einen irakischen Führerschein samt Übersetzung in Kopie, zwei Kursteilnahmebestätigungen der Burgenländischen Volkshochschulen im Original und ein Empfehlungsschreiben im Original in Vorlage.
3. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.10.2016 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG 2005 erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG 2005 unter einem festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in den Irak gemäß § 46 FPG 2005 zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 2005 wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).
Begründend führte die belangte Behörde nach der Wiedergabe der Einvernahme des Beschwerdeführers und den Feststellungen zu dessen Person aus, es könne nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Irak einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt gewesen sei oder einer solchen derzeit ausgesetzt wäre. Eine Rückkehr in den Irak sei dem Beschwerdeführer möglich und zumutbar.
Beweiswürdigend erwog die belangte Behörde im Wesentlichen, der Beschwerdeführer habe mehrfach dargelegt, niemals einer individuell gegen ihn gerichteten Bedrohung oder Verfolgung ausgesetzt gewesen zu sein, weshalb sich diesbezüglich weitere Ermittlungen erübrigen würden. Insoweit der Beschwerdeführer glaubhaft dargelegt habe, den Irak aufgrund der allgemeinen Sicherheitslage verlassen zu haben, erfolgte seitens der belangten Behörde ein Verweis auf das Bestehen einer innerstaatlichen Fluchtalternative in der Autonomen Region Kurdistan.
In rechtlicher Hinsicht folgerte die belangte Behörde, der Beschwerdeführer habe keine Verfolgung im Sinn der Genfer Flüchtlingskonvention zu gewärtigen, sodass kein internationaler Schutz zu gewähren sei. Dem Beschwerdeführer sei der Status eines subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen, da er im Irak über genügend Anknüpfungspunkte verfüge und keine reale Gefahr einer Verletzung in elementaren Rechte sowie keine Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts drohe. Dem Beschwerdeführer sei schließlich kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 zu erteilen.
4. Mit Verfahrensanordnungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.10.2016 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Absatz 1 BFA-VG amtswegig ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt und dieser ferner gemäß § 52a Absatz 2 BFA-VG darüber informiert, dass er verpflichtet sei, ein Rückkehrberatungsgespräch in Anspruch zu nehmen.
5. Gegen den dem Beschwerdeführer am 20.10.2016 durch Hinterlegung zugestellten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl richtet sich die im Wege der beigegebenen Rechtsberatung fristgerecht mit Schriftsatz vom 24.10.2016 eingebrachte Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.
In dieser wird inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides sowie Verletzung von Verfahrensvorschriften moniert und beantragt, den angefochtenen Bescheid abzuändern und dem Antrag auf internationalen Schutz Folge zu geben und dem Beschwerdeführer den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen oder hilfsweise den Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak (in der Beschwerdeschrift unrichtig: Afghanistan) zuzuerkennen und die Rückkehrentscheidung aufzuheben. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt und jedenfalls eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht begehrt.
In der Folge wird dargelegt, dass auch im Asylverfahren die AVG-Prinzipien der amtswegigen Erforschung des maßgeblichen Sachverhaltes und der Wahrung des Parteiengehörs gelten würden. Diesen Anforderungen habe die belangte Behörde nicht entsprochen.
Zudem werden die bereits vorgebrachten Ausreisegründe im Wesentlichen nochmals wiederholt. Wäre der Beschwerdeführer im Irak verblieben, hätten ihn die Milizen des Islamischen Staates bestimmt - so wie sie dies momentan mit Jugendlichen machen - festgenommen. Sein Vater berichte immer, dass der Islamischen Staat junge Männer verhafte und rekrutiere. Die Sicherheitslage im Irak sei höchst instabil und sei es allgemein bekannt, dass der Islamische Staat Machteinfluss besitze, junge Männer verhafte und rekrutiere.
Im Rahmen rechtlicher Ausführungen wird dargelegt, dass die Furcht des Beschwerdeführers vor Verfolgung wohlbegründet sei. Die irakischen (in der Beschwerdeschrift unrichtig: afghanischen) Behörden seien nicht in der Lage, dem Beschwerdeführer den notwendigen Schutz zu bieten. Zur allfälligen Gewährung subsidiären Schutzes wird angemerkt, dass sich die derzeitige Situation im Irak (in der Beschwerdeschrift unrichtig: Afghanistan) derzeit so auswirke, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr einem Klima ständiger Bedrohung, struktureller Gewalt und unmittelbaren Einschränkungen sowie einer Reihe von Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt wäre. Dem Beschwerdeführer hätte der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt werden müssen, wenn die belangte Behörde ihre Ermittlungspflicht in angemessener Weise wahrgenommen und den vorliegenden Sachverhalt rechtlich richtig beurteilt hätte.
6. Die Beschwerdevorlage langte am 03.11.2016 beim Bundesverwaltungsgericht ein. Die Rechtssache wurde in weiterer Folge der nun zur Entscheidung berufenen Abteilung des Bundesverwaltungsgerichts zugewiesen.
7. Am 11.11.2016 langte eine schriftliche Stellungnahme des Beschwerdeführers zur Situation im Irak und die Vollmachtsbekanntgabe der rechtsfreundlichen Vertretung ein.
In diesem Schriftsatz wird angeführt, dass die im Wege der beigegebenen Rechtsberatung verfasste Beschwerde aufrechterhalten werde. Allerdings wird das irrtümlich erstattete Vorbringen betreffend die Situation in Afghanistan zurückgezogen, zumal es sich hiebei um einen Textbaustein zu scheinen handle. Was die Situation im Irak betrifft, gehe aus den im bekämpften Bescheid enthaltenen Feststellungen zur humanitären Lage sowie zum Zugang zur Autonomen Region Kurdistan hervor, dass der Beschwerdeführer nicht ohneweiters auf dieses Gebiet verwiesen werden könne bzw. dürfe. Es werde nämlich nicht nur festgestellt, dass sich die humanitäre Lage dort zunehmend verschlechtere, sondern vor allem, dass der Zugang in diese Region für Binnenvertriebene äußerst schwierig sein könne und vom religiösen und ethnischen Profil der jeweiligen Person abhänge. Es erscheine bereits aufgrund dieser Feststellungen nicht ausreichend geklärt, ob der Beschwerdeführer überhaupt die Möglichkeit hätte, im Falle einer Abschiebung in den Irak von Bagdad in die Autonome Region Kurdistan zu gelangen. Hinzu komme, dass in den letzten Tagen vor Verfassen dieses Schriftsatzes im fraglichen Gebiet die Kampfhandlungen - freilich mit derzeit ungewissem Ausgang - an Intensität deutlich zugenommen hätten. Insoweit erscheine vor diesem Hintergrund eine Rückkehr von Zivilisten in die Autonome Region Kurdistan derzeit nicht zumutbar. In diesem Zusammenhang wird angeregt, diese Frage - wenn möglich unter Beiziehung eines Sachverständigen - im Rahmen einer mündlichen Verhandlung zu erörtern und zu klären. Im Übrigen scheine die Verwaltungssache auch hinsichtlich der Flüchtlingseigenschaft aktuell nicht spruchreif zu sein, zumal die "militärische" Situation, insbesondere im sogenannten Nord-Irak, aktuell als äußerst volatil bezeichnet werden müsse.
8. Im Zuge eines weiteren Schriftsatzes vom 27.06.2017 wird seitens des Beschwerdeführers im Wege seiner rechtsfreundlichen Vertretung dargelegt, dass er am 11.10.2016 - einen Tag vor der Einvernahme vor der belangten Behörde - ein Rechtsberatungsgespräch mit einem Mitarbeiter des Vereins Menschenrechte Österreichs geführt habe. Neben dem aktenkundigen Vorbringen habe der BF dem Rechtsberater auch von zwei Drohbriefen, die die Familie des Beschwerdeführers vom Islamischen Staat erhalten habe, erzählt. Die Familie des Beschwerdeführers sei in diesem Schreiben aufgefordert worden, die Region zu verlassen. Auslöser für die Briefe sei die Zugehörigkeit des Onkels zu den kurdischen Peschmerga und der damit einhergehende Vorwurf gegen die Familie und den Beschwerdeführer selbst, Ungläubige zu sein. Der Beschwerdeführer habe selbst nur den zweiten Brief gesehen, da sein Vater den ersten Drohbrief vor seinen Familienangehörigen versteckt gehalten habe. Der Beschwerdeführer erhebe diese Angaben zu seinem Vorbringen und beantragt gleichzeitig, ihn im Rahmen der mündlichen Verhandlung näher zum Zeitpunkt des Erhalts und zum Inhalt der Drohbriefe zu befragen. Dieses ergänzende Vorbringen sei nicht vom Neuerungsverbot gemäß § 20 Absatz 1 BFA-VG umfasst, da der Beschwerdeführer aufgrund der im Zuge des Rechtsberatungsgesprächs erhaltenen Empfehlungen nicht in der Lage gewesen sei, es vor der belangten Behörde vorzubringen.
9. Am 05.07.2017 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung im Beisein des Beschwerdeführers und seiner rechtsfreundlichen Vertretung sowie eines Dolmetschers für die Sprache Kurdisch Sorani durchgeführt. Im Verlauf dieser Verhandlung wurde dem Beschwerdeführer einerseits Gelegenheit gegeben, neuerlich seine Ausreisemotivation umfassend darzulegen sowie die aktuelle Lageentwicklung im Irak anhand aktueller Länderdokumentationsunterlagen erörtert, welche dem Beschwerdeführer ausgefolgt und eine Stellungnahme hiezu freigestellt wurde. Seitens des Beschwerdeführers wurden mehrere Unterlagen betreffend seine Integration in Österreich, konkret Kursteilnahmebestätigungen der Burgenländischen Volkshochschulen und drei Empfehlungsschreiben, in Vorlage gebracht.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist der mündlichen Verhandlung entschuldigt ferngeblieben und hat die Abweisung der gegenständlichen Beschwerde mit Schreiben vom 30.05.2017 beantragt.
10. Mit Schriftsatz vom 31.07.2017 übermittelte der Beschwerdeführer im Wege seiner rechtsfreundlichen Vertretung eine Stellungnahme zu den ihm ausgefolgten Länderdokumentationsunterlagen. Des Weiteren brachte der Beschwerdeführer unter anderem mehrere Lichtbilder in Kopie zum Beweis in Vorlage, dass es sich bei dessen Onkel um einen Offizier im Rang eines Generals der kurdischen Peschmerga handle. Zudem wurde beantragt, die Angaben des Beschwerdeführers, insbesondere jene zu Person und Funktion des Onkels, sofern es für die Feststellung im Verfahren für notwendig erachtet werde, zu überprüfen.
11. Mit Note des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19.09.2017 wurden dem Beschwerdeführer aktualisierte länderkundliche Informationen zur Lage im Herkunftsstaat übermittelt. Die diesbezügliche Stellungnahme seiner rechtsfreundlichen Vertretung langte am 03.10.2017 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
12. Am 10.10.2017 wurde die mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht im Beisein des Beschwerdeführers und seiner rechtsfreundlichen Vertretung sowie eines Dolmetschers für die Sprache Kurdisch Sorani fortgesetzt. Im Verlauf dieser Verhandlung wurde der Beschwerdeführer einerseits neuerlich ausführlich zu seinen Rückkehrbefürchtungen befragt und die aktuelle Lageentwicklung im Irak anhand der der rechtsfreundlichen Vertretung bereits zur Stellungnahme übermittelten Länderdokumentationsunterlagen erörtert. Rechtsberater Mag. XXXX und Dr.in XXXX wurden als Zeugen einvernommen. Ferner wurden der rechtsfreundlichen Vertretung weitere länderkundliche Informationen zur Lage in Kurdistan nach dem durchgeführten Unabhängigkeitsreferendum ausgefolgt und vom erkennenden Gericht in die im Rahmen der Stellungnahme vom 31.07.2017 vorgelegte Videodatei Einsicht genommen. Seitens des Beschwerdeführers wurde ein Artikel der Washington Post zur Lage in Kirkuk vorgelegt.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist der mündlichen Verhandlung erneut entschuldigt ferngeblieben und hat die Abweisung der gegenständlichen Beschwerde mit Schreiben vom 06.09.2017 beantragt.
13. Mit Schriftsatz vom 16.11.2017 brachte die rechtsfreundliche Vertretung des Beschwerdeführers neuerlich Urkunden - konkret eine Bestätigung über die beabsichtigte Vermietung eines Zimmers an den Beschwerdeführer und ein ÖSD-Zertifikat Niveau B1 - in Vorlage.
14. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 20.11.2017 wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass das Bundesverwaltungsgericht in Anbetracht der jüngsten Ereignisse im Gouvernement Kirkuk und mehrerer gleichgelagerter anhängiger Rechtssachen beabsichtige, Ermittlungen im Wege der Staatendokumentation zur derzeitigen Lage im Gouvernement Kirkuk zu veranlassen. Ferner erging in diesem Zusammenhang an den Beschwerdeführer die Einladung, innerhalb einer zweiwöchigen Frist dem Bundesverwaltungsgericht allfällige weitere Rückkehrbefürchtungen mitzuteilen, die aus der Lageveränderung im Gouvernement Kirkuk allenfalls resultieren.
15. Mit Schriftsatz vom 24.11.2017 nahm der Beschwerdeführer - als Folge der an ihn ergangenen Einladung - zur allgemeinen Sicherheitslage Stellung. Demnach vermögen weder der Beschwerdeführer noch dessen rechtsfreundliche Vertretung aktuell zur Sicherheitslage in der angesprochenen Region, aber auch insgesamt für den gesamten Nordirak eine abschließende Stellungnahme abzugeben. Die nachhaltige Befriedung der Situation scheine ebenso möglich, wie der fast jederzeitige Ausbruch von bürgerkriegsähnlichen Handlungen bis hin zum Einmarsch türkischer Kräfte in Teile des Nordirak (bei unklarer Reaktion der zentralirakischen Regierung). Was die persönliche Situation des Beschwerdeführers betrifft, so sei es diesem seit dem erwähnten Telefonat im September 2017 nicht mehr möglich gewesen, mit seinen Eltern in Kontakt zu treten. Aufenthaltsort und Wohlergehen seien dem Beschwerdeführer daher nicht bekannt. Selbiges gelte für seinen den Peschmerga angehörenden Onkel. Der Beschwerdeführer habe nach wie vor versucht, Kontakt zu seinem Onkel herzustellen, was bisher fehlgeschlagen sei. Der Beschwerdeführer beziehe seine Informationen über unterschiedliche Medien. Laut seinem Kenntnisstand sei die kurdische Bevölkerung aus Kirkuk teilweise gewaltsam vertrieben worden. Die irakische Armee scheine nach den Informationen des Beschwerdeführers auch in das kurdische Autonomiegebiet eingedrungen und dort in Kampfhandlungen verwickelt zu sein. Trotz der militärischen Erfolge gegen den Islamischen Staat befürchte der Beschwerdeführer zudem nach wie vor Verfolgung, da der Islamische Staat innerhalb der Bevölkerung zahlreiche Anhänger und Sympathisanten besitze bzw. Kämpfer des Islamischen Staates in der irakischen Bevölkerung untergetaucht seien.
16. Mit einem weiteren Schriftsatz vom 16.12.2017 brachte die rechtsfreundliche Vertretung des Beschwerdeführers eine Digital Versatile Disc in Vorlage, auf welcher sich der Mitschnitt eines Beitrages eines kurdischen Fernsehsenders und eines auf YouTube auffindbaren Videos befinde. Beide Videodateien würden die aktuellen Kampfhandlungen um Kirkuk thematisieren und möge dieses Beweismittel als Ergänzung zu dem im Schriftsatz vom 24.11.2017 erstatteten Vorbringen verstanden werden.
Die schriftlichen Passagen dieser Videodateien wurden vom Bundesverwaltungsgericht einer Übersetzung zugeführt.
17. Im Wege einer Urkundenvorlage langte am 19.02.2018 beim Bundesverwaltungsgericht eine Bestätigung bezüglich der Teilnahme an einem Werte- und Orientierungskurs ein.
18. Mit Schreiben vom 22.05.2018 teilte der Beschwerdeführer im Wege seiner rechtsfreundlichen Vertretung mit, dass er beabsichtige im Rahmen des freien Gewerbes Güterbeförderung mit Kraftfahrzeugen oder Kraftfahrzeugen mit Anhängern bis 3500 kg für diverse Logistikdienstleister selbständig Aufträge abzuwickeln.
Dem Schriftsatz sind ein Auszug aus dem Gewerbeinformationssystem Austria vom 07.05.2018 und eine Verständigung der Bezirkshauptfrau Neusiedl am See vom 07.05.2018 bezüglich der Gewerbeberechtigung vom 17.04.2018 angeschlossen.
19. Mit E-Mail vom 10.07.2018 teilte die belangte Behörde mit, dass die staatliche Grundversorgung für Asylwerber bezüglich des Beschwerdeführers deaktiviert wurde, da dieser nach Wien verzogen ist.
20. Mit Schreiben vom 18.07.2018 legte der Beschwerdeführer im Wege seiner rechtsfreundlichen Vertretung dar, dass er bei der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft pflichtversichert und für einen in Wien tätigen Kurierdienst selbständig tätig sei. Der Beschwerdeführer sei daher selbsterhaltungsfähig und stehe als Kurierfahrer täglich mit Unternehmen und Privatpersonen in Kontakt, mit denen er sich selbstverständlich auf Deutsch unterhalte. Der Beschwerdeführer ist zwischenzeitlich nach Wien umgezogen. Diese Wohnung werde ihm von einer österreichischen Freundin zur Verfügung gestellt.
Dem Schriftsatz sind ein Schreiben der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft vom 24.05.2018, eine Honorarnote für Juni 2018 und eine Meldebestätigung vom 09.07.2018 angeschlossen.
21. Am 13.08.2018 langte beim Bundesverwaltungsgericht die am 12.12.2017 beauftragte Anfragebeantwortung der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl zur derzeitigen Lage im Gouvernement Kirkuk ein.
22. Das Bundesverwaltungsgericht übermittelte dem Beschwerdeführer mit Note vom 17.08.2018 die in seiner Angelegenheit aktuellen länderkundlichen Informationen bezüglich der allgemeinen Situation im Irak und der Autonomen Region Kurdistan zur Stellungnahme.
23. Mit Schreiben vom 29.08.2018 wurde seitens der rechtsfreundlichen Vertretung um eine Fristerstreckung bezüglich der Stellungnahme zum Ergebnis der Beweisaufnahme ersucht.
24. Am 06.09.2018 langte die diesbezügliche Stellungnahme des Beschwerdeführers samt ergänzenden Ausführungen zu seinem Privat- und Familienleben beim Bundesverwaltungsgericht ein.
Der Stellungnahme sind Honorarnoten für die Monate Juli und August 2018 sowie Zeugnisse über die (Pflichtschul-)Abschlussprüfung angeschlossen.
25. Am 23.11.2018 übermittelte das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer weitere aktuelle länderkundlichen Informationen zur Lage im Irak zur Stellungnahme. Am 06.12.2018 langte die diesbezügliche Stellungnahme des Beschwerdeführers sowie ein Zeugnis über die Ablegung einer Prüfung über Kenntnisse der deutschen Sprache auf dem Niveau A1 am 14.06.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
26. Mit Note des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18.12.2018 wurden dem Beschwerdeführer schließlich die (zuvor irrtümlich nicht zu Gehör gebrachten) Anfragebeantwortungen der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.08.2018 zur derzeitigen Lage im Gouvernement Kirkuk zur Stellungnahme übermittelt.
In seiner Stellungnahme vom 19.12.2018 teilt der Beschwerdeführer mit, das Bundesverwaltungsgericht habe an die Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl fünf konkrete Fragen zur Lage in Kirkuk gerichtet. Die Ausführungen in den Anfragebeantwortungen erschöpften sich jedoch in der Aneinanderreihung von Meldungen und Berichten und gelangte die Staatendokumentation dabei zu keinen konkreten Schlussfolgerungen im Hinblick auf die gestellten Fragen. Der Beschwerdeführer und sein Rechtsvertreter wären in Anbetracht der übermittelten Berichte nicht in der Lage zu eruieren, welche Schlussfolgerungen das Bundesverwaltungsgericht aus den vorgelegten "Berichtszusammenstellungen" der Staatendokumentation zu ziehen gedenke. Es werde daher der Antrag gestellt, die Staatendokumentation zur eindeutigen und unmissverständlichen Beantwortung der vom Bundesverwaltungsgericht formulierten Fragen aufzufordern und die Antworten sodann dem Parteiengehör zu unterziehen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX und ist Staatsangehöriger des Irak. Er wurde am XXXX in Erbil geboren und lebte zuletzt ab dem Jahr 2003 in einem dörflichen Gebiet der Stadt Kirkuk gemeinsam mit seinen Eltern und Geschwistern in einem Haus im Eigentum der Familie. Der Beschwerdeführer ist Angehöriger der kurdischen Volksgruppe, bekennt sich zum Islam der sunnitischen Glaubensrichtung, er ist ledig und hat keine Kinder. Der Beschwerdeführer beherrscht die Sprachen Kurdisch-Sorani, Arabisch und Persisch.
Der Beschwerdeführer besuchte im Irak in den Jahren 2003 bis 2008 fünf Jahre die Grundschule. Im Anschluss an den Schulbesuch verrichtete der Beschwerdeführer zur Bestreitung seines Lebensunterhalts Hilfsarbeiten als Tischler und Bauarbeiter.
Seine Eltern und Geschwister hielten sich zuletzt - jedenfalls im September 2017 - in einer in der Nähe seines letzten Wohnorts liegenden Ortschaft auf. Der Beschwerdeführer steht mit seinen Eltern und Geschwistern derzeit nicht in Kontakt. Onkel und Tanten des Beschwerdeführers leben in Kirkuk. Zu diesen Personen besteht auch kein Kontakt.
Mitte des Jahres 2015 verließ der Beschwerdeführer den Irak legal von Kirkuk ausgehend mit einem Bus in die Türkei und reiste in weiterer Folge schlepperunterstützt nach Österreich, wo er am 14.07.2015 den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.
1.2. Der Beschwerdeführer gehört keiner politischen Partei oder politisch aktiven Gruppierung an und hatte in seinem Herkunftsstaat keine Schwierigkeiten aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit oder seines Religionsbekenntnisses zu gewärtigen.
Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer vor seiner Ausreise in seinem Herkunftsstaat aufgrund der Zugehörigkeit eines Onkels zu den Streitkräften der Autonomen Region Kurdistan von Kämpfern des Islamischen Staates, etwa in Form zweier Drohbriefe, bedroht oder angegriffen wurde oder dieser anderweitige Übergriffe oder eine konkrete Bedrohung seitens der Milizen des Islamischen Staates zu gewärtigen hatte.
Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer vor seiner Ausreise aus seinem Herkunftsstaat einer sonstigen individuellen Gefährdung oder psychischer und/oder physischer Gewalt in seinem Herkunftsstaat durch staatliche Organe oder durch Dritte ausgesetzt war oder er im Falle einer Rückkehr dorthin einer solchen mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgesetzt wäre. Insbesondere ist der Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr in seine Herkunftsregion nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit psychischer und/oder physischer Gewalt seitens verbliebener Anhänger des Islamischen Staates und/oder schiitischer Milizen ausgesetzt.
Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat von Strafverfolgungsbehörden mit Haftbefehl gesucht wird bzw. ihm im Fall einer Rückkehr in den Irak Strafverfolgung drohen würde. Ferner wird dem Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr in seine Herkunftsregion nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Anhängerschaft bzw. Unterstützung des Islamischen Staates oder ein sonstiges Naheverhältnis zum Islamischen Staat vor der Ausreise unterstellt werden.
1.3. Es kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat die Todesstrafe droht. Ebenso kann keine anderweitige individuelle Gefährdung des Beschwerdeführers festgestellt werden, insbesondere im Hinblick auf eine drohende unmenschliche Behandlung, Folter oder Strafe sowie kriegerische Ereignisse oder extremistische Anschläge im Irak.
Der Beschwerdeführer ist ein gesunder, arbeitsfähiger Mensch mit mehrjähriger Schulbildung sowie Berufserfahrung durch das Verrichten von Hilfsarbeiten als Tischler und Bauarbeiter.
Der Beschwerdeführer leidet weder an einer schweren körperlichen noch an einer schweren psychischen Erkrankung.
Der Beschwerdeführer verfügt über eine - wenn auch auf niedrigerem Niveau als im Bundesgebiet - gesicherte Existenzgrundlage in seinem Herkunftsstaat und über bestehende familiäre Anknüpfungspunkte in der Stadt Kirkuk. Dem Beschwerdeführer ist ferner die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zu Sicherstellung des eigenen Auskommens möglich und zumutbar.
Der Beschwerdeführer verfügt über ein irakisches Ausweisdokument im Original (Personalausweis).
1.4. Der Beschwerdeführer hält sich seit etwa Mitte Juli 2015 in Österreich auf. Er reiste rechtswidrig in Österreich ein, ist seither Asylwerber und verfügt über keinen anderen Aufenthaltstitel. Der Beschwerdeführer ist gesund und steht nicht in medizinischer Behandlung.
Der Beschwerdeführer bezog ab der Antragstellung bis 31.05.2018 Leistungen der staatlichen Grundversorgung für Asylwerber. Er verfügt mittlerweile jedenfalls seit Juli 2018 über eine geeignete eigene Unterkunft in Form einer Mietwohnung, wobei er für deren Kosten selbst aufkommt.
Der Beschwerdeführer besitzt eine Gewerbeberechtigung für das freie Gewerbe Güterbeförderung mit Kraftfahrzeugen oder Kraftfahrzeugen mit Anhängern bis 3500 kg, ist bei der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft pflichtversichert und für den in Wien tätigen Kurierdienst "XXXX" selbständig tätig. Der Beschwerdeführer brachte diesbezüglich zum Beleg seiner Selbsterhaltungsfähigkeit für die Monate Juni bis August 2018 Honorarnoten in der Höhe von EUR 1.274, 78, EUR 1.356, 96 und EUR 2.196, 35 in Vorlage.
Der Beschwerdeführer hat an einem Fahrradworkshop und an dem von einem österreichischen Kreditinstitut geförderten Projekt "Tausendsassa" teilgenommen. Am 13.12.2016 besuchte er einen Werte- und Orientierungskurs. Aufgrund der erfolgreichen Absolvierung von Brückenkursen in den Fächern Deutsch, Mathematik und Englisch war es dem Beschwerdeführer möglich, mit einem Lehrgang zum Nachholen des Pflichtschulabschlusses zu beginnen. Er hat mit Ausnahme der Teilprüfung Mathematik bereits sämtliche Teilprüfungen erfolgreich abgelegt. Er wird in den vorgelegten Unterstützungserklärungen als guter "Schüler" beschrieben, der auch außerhalb des Unterrichts in den Lehrgängen jede Gelegenheit zum Spracherwerb und zur Fortbildung nützt.
Der Beschwerdeführer hat Qualifizierungsmaßnahmen zum Erwerb der deutschen Sprache besucht und am 31.10.2017 die Prüfung auf dem Niveau B1 abgelegt. Er verfügt über gute Kenntnisse der deutschen Sprache.
Der Beschwerdeführer unterhält ferner mannigfache soziale Kontakte zu österreichischen Staatsangehörigen, wobei das Verhältnis zu Dr.in XXXX als intensiv und freundschaftlich zu bezeichnen ist.
Der Beschwerdeführer ist Mitglied des Fußballvereins XXXX und für diesen als Spieler tätig.
1.5. Zur aktuellen Lage im Irak werden folgende Feststellungen getroffen, die gekürzt angeführten Quellen wurden dem Beschwerdeführer gegenüber offengelegt:
1. Aktuelle Ereignisse
27.06.2018: Papst Franziskus kreierte Patriarch Mar Louis I Sako, Oberhaupt der Chaldäisch Katholischen Kirche, als Kardinal. Ägypten betonte, dass es sich weiter am Wiederaufbau und an der Stabilisierung des Irak beteiligen wird. Muqtada al-Sadr gab bekannt, dass er alle Operationen seiner Miliz Saraya al-Salam in Basra einstellen lassen wird, nachdem es Zwischenfälle mit den örtlichen Kräften gegeben hatte.
01.07.2018: Die nationale irakische Ölgesellschaft kündigte an, dass sie mit Zustimmung der OPEC eine schwimmende Ölspeicherplattform bauen wird um ihre Kapazität auf sechs Millionen Barrel zu erhöhen.
02.07.2018: Die Sicherheitssituation an der irakisch-syrischen Grenze entspannt sich wegen der Militäroperationen gegen die konzentrierten IS-Zellen in der Region.
02.0.7./04.07.2018: Die Bundespolizei verlegte einige ihrer Truppen in die Provinz Kirkuk um die Sicherheit zu gewährleisten, da sich IS-Kämpfer im Süden formierten. Die irakischen Sicherheitskräfte (ISF), die PMUs und die Peshmerga starteten eine gemeinsame Offensive in der Region.
10.07.2018: Gemäß einer Aussage von Premier Abadi habe sich die Sicherheitssituation in Mosul seit dem erklärten Sieg über den IS im Dezember 2017 massiv verbessert.
13.07.2018: Laut den Aussagen von PMU-Patrouillen bleibt die Sicherheitssituation in der Region westlich von Bayji wegen der IS-Zellen angespannt.
16.07./17.07.2018: Der irakische Elektrizitätsminister kündigte an, dass Teheran keine Elektrizität mehr in den Irak exportieren wird. Daraufhin reiste der irakische Minister für Planung nach Jeddah um die Energiekrise mit einer saudischen Delegation zu besprechen.
23.07.2018: Kuwait bot dem Irak mit der Sendung von mobilen Generatoren Hilfe an um seine Energiekrise zu lösen.
14.08.2018: Die Türkei und der Irak einigten sich auf ein Abkommen um einen neuen Grenzübergang nahe dem Grenzübergang Fish-Khabour zu eröffnen. Jordanien unterzeichnete mit dem Irak ein Sicherheitsabkommen um die Straße zwischen Amman und Bagdad und um die Grenze zu öffnen.
16.08./21.08.2018: Durch das Wiederinkrafttreten der Iransanktionen ist der damals amtierende Premierminister Abadi bemüht das Verhältnis zwischen den Vereinigten Staaten und dem Iran auszubalancieren. Dank einer intensiven wirtschaftlichen Kooperation reiste eine irakische Delegation nach Washington um Ausnahmen von den Sanktionen zu verhandeln.
19.08.2018: Die irakische Zentralregierung und die kurdische Regionalregierung einigten sich mittels eines Abkommens darauf gemeinsame Checkpoints an der Straße von Erbil nach Kirkuk einzurichten um die Straße öffnen zu können.
20.08.2018: Die Türkei und der Irak unterzeichneten ein Energieabkommen, in dem festgehalten wurde, dass die Türkei dem Irak Elektrizität liefern werde und bei der Entwicklung der lokalen Infrastruktur Unterstützung leisten wird.
20.10.2018/21.10.2018: Die irakischen Streitkräfte setzen ihre Militäroperationen gegen den IS fort. So töteten Sicherheitskräfte am 20.10.18 vier Extremisten in ihrem Versteck in Hit, drei Extremisten in Kirkuk und zwei Extremisten in der Provinz Diyala. Mindestens 23 Menschen wurden bei jüngsten sicherheitsrelevanten Vorfällen getötet. So kamen am 21.10.18 mindestens vier irakische Polizisten bei zwei Bombenexplosionen ums Leben, die von den Kämpfern des IS in den Regionen al-Shoura und Makhmour verübt wurden. Ebenfalls am 21.10.18 wurde eine turkmenische Familie von unbekannten bewaffneten Männern im Distrikt Hawija, rund 55 Kilometer südwestlich von Kirkuk, getötet. Auch in Jalawla, Provinz Diyala, töteten Unbekannte eine Familie.
25.11.2018: Am 25.11.18 verkündete das Gesundheitsministerium, dass bei starken Regenfällen mindestens 21 Menschen ums Leben gekommen und etwa 180 Personen verletzt worden seien. Laut der UN-Mission im Irak (UNAMI) sind in Salah ad-Din etwa 10.000 und in Ninewa etwa 15.000 Menschen in Folge der Fluten auf Unterstützung angewiesen. Am stärksten betroffen seien der Distrikt Shirqat (Provinz Salah ad-Din) und die Vertriebenenlager Qayyarah und Jedda (Provinz Ninewa). Flutschäden wurden auch in einigen südlichen Provinzen gemeldet. Häuser und Viehbestände seien hier zerstört sowie Brücken und Dörfer überschwemmt worden. UNAMI beteiligt sich an einer Notfallunterstützungsmission.
03.12.2018: Die Demokratische Partei Kurdistans (DPK) nominiert Nechviran Barzani als Präsidentschaftskandidaten für die autonome Region Kurdistan. Sein Nachfolger für das Amt des Ministerpräsidenten soll Masrur Barzani (Sohn des langjährigen Präsidenten Massud Barsani) werden.
04.12.2018: Laut Medienberichten unterbrachen Parlamentsabgeordnete am 04.12.18 eine Parlamentssitzung, die zu einer Regierungsbildung nach der Wahl im Mai 2018 führen sollte. Die Posten u.a. für das Innen- und Verteidigungsministerium bleiben unbesetzt. Dem Stillstand liegt eine Spaltung zwischen den zwei schiitischen Hauptblöcken von Moqtada Sadr und dem Milizenführer Hadi al-Amiri zugrunde.
07.12.2018: Massive Regenfälle haben in weiten Teilen des Landes zu Zerstörungen und Beschädigungen von Infrastruktur sowie Wohnhäusern geführt. Besonders betroffen sind intern Vertriebene in den Provinzen Salah ad-Din und Ninewa (Mosul, Nimrud, Sinjar Gebirge). Lokalen Medien zufolge wurden etwa 80 Familien aus dem Dorf Zanazel (Provinz Ninewa) evakuiert. Das Krisenkoordinierungszentrum des kurdischen Innenministeriums (Joint Crisis Coordination Centre) meldete am 07.12.18, dass im Vertriebenenlager Dibaga 2 in der Provinz Erbil etwa 700 intern Vertriebene auf Notfallhilfe angewiesen seien.
2. Politische Lage
Die politische Landschaft des Irak hat sich seit dem Sturz Saddam Husseins im Jahr 2003 enorm verändert (KAS 2.5.2018). Gemäß der Verfassung ist der Irak ein demokratischer, föderaler und parlamentarisch-republikanischer Staat (AA 12.02.2018), der aus 18 Provinzen (muhafazät) besteht (Fanack 27.9.2018). Artikel 47 der Verfassung sieht eine Gewaltenteilung zwischen Exekutive, Legislative und Judikative vor (RoI 15.10.2005). Die Autonome Region Kurdistan ist Teil der Bundesrepublik Irak und besteht aus den drei nördlichen Provinzen Dohuk, Erbil und Sulaymaniya. Sie wird von einer Regionalverwaltung, der kurdischen Regionalregierung, verwaltet und verfügt über eigene Streitkräfte (Fanack 27.9.2018).
An der Spitze der Exekutive steht der irakische Präsident, der auch das Staatsoberhaupt ist. Der Präsident wird mit einer Zweidrittelmehrheit des irakischen Parlaments (majlis al-nuwwab, engl.: Council of Representatives, dt.: Repräsentantenrat), für eine Amtszeit von vier Jahren gewählt und genehmigt Gesetze, die vom Parlament verabschiedet werden. Der Präsident wird von zwei Vizepräsidenten unterstützt. Zusammen bilden sie den Präsidialrat (Fanack 27.9.2018).
Teil der Exekutive ist auch der Ministerrat, der sich aus dem Premierminister und anderen Ministern der jeweiligen Bundesregierung zusammensetzt (Fanack 27.9.2018; vgl. RoI 15.10.2005). Der Premierminister wird vom Präsidenten designiert und vom Parlament bestätigt (RoI 15.10.2005). Am 002.10.2018 wählte das neu zusammengetretene irakische Parlament den moderaten kurdischen Politiker Barham Salih zum Präsidenten des Irak (DW 02.10.2018). Dieser wiederum ernannte den schiitischen Politik-Veteranen Adel Abd al-Mahdi zum Premierminister und beauftragte ihn mit der Regierungsbildung (BBC 3.10.2018). Abd al-Mahdi ist seit 2005 der erste Premier, der nicht die Linie der schiitischen Da'wa-Partei vertritt, die seit dem Ende des Krieges eine zentrale Rolle in der Geschichte Landes übernommen hat. Er unterhält gute Beziehungen zu den USA. Der Iran hat sich seiner Ernennung nicht entgegengestellt (Guardian 3.10.2018).
Der Premierminister führt den Vorsitz im Ministerrat und leitet damit die tägliche Politik (Fanack 27.9.2018) Im Gegensatz zum Präsidenten, dessen Rolle weitgehend zeremoniell ist, liegt beim Premierminister damit die eigentliche Exekutivgewalt (Guardian 3.10.2018). Die gesetzgebende Gewalt, die Legislative, wird vom irakischen Repräsentantenrat (Parlament) ausgeübt (Fanack 27.9.2018). Er besteht aus 329 Abgeordneten (CIA 17.10.2018). Die konfessionell/ethnische Verteilung der politischen Spitzenposten ist nicht in der irakischen Verfassung festgeschrieben, aber seit 2005 üblich (Standard 3.10.2018). So ist der Parlamentspräsident gewöhnlich ein Sunnite, der Premierminister ist ein Schiite und der Präsident der Republik ein Kurde (Al Jazeera 15.9.2018).
In weiten Teilen der irakischen Bevölkerung herrscht erhebliche Desillusion gegenüber der politischen Führung (LSE 7.2018; vgl. IRIS 11.5.2018). Politikverdrossenheit ist weit verbreitet (Standard 13.5.2018). Dies hat sich auch in der niedrigen Wahlbeteiligung bei den Parlamentswahlen im Mai 2018 gezeigt (WZ 12.5.2018). Der Konfessionalismus und die sogennante "Muhassasa", das komplizierte Proporzsystem, nach dem bisher Macht und Geld unter den Religionsgruppen, Ethnien und wichtigsten Stämmen im Irak verteilt wurden, gelten als Grund für Bereicherung, überbordende Korruption und einen Staat, der seinen Bürgern kaum Dienstleistungen wie Strom- und Wasserversorgung, ein Gesundheitswesen oder ein Bildungssystem bereitstellt (TA 12.5.2018).
Viele sunnitische Iraker stehen der schiitischen Dominanz im politischen System kritisch gegenüber. Die Machtverteilungsarrangements zwischen Sunniten und Schiiten sowie Kurden festigen den Einfluss ethnisch-religiöser Identitäten und verhindern die Herausbildung eines politischen Prozesses, der auf die Bewältigung politischer Sachfragen abzielt (AA 12.02.2018).
Die Zeit des Wahlkampfs im Frühjahr 2018 war nichtsdestotrotz von einem Moment des verhaltenen Optimismus gekennzeichnet, nach dem Sieg über den sogenannten Islamischen Staat (IS) im Dezember 2017 (ICG 9.5.2018). Am 09.12.2017 hatte Haider al-Abadi, der damalige irakische Premierminister, das Ende des Krieges gegen den IS ausgerufen (BBC 9.12.2017). Irakische Sicherheitskräfte hatten zuvor die letzten IS-Hochburgen in den Provinzen Anbar, Salah al-Din und Ninewa unter ihre Kontrolle gebracht. (UNSC 17.1.2018).
Im Irak leben ca. 36 Millionen Einwohner, wobei die diesbezüglichen Schätzungen unterschiedlich sind. Die letzte Volkszählung wurde 1997 durchgeführt. Im Gouvernement Bagdad leben ca. 7,6 Millionen Einwohner. Geschätzte 99% der Einwohner sind Moslems, wovon ca. 60%-65% der schiitischen und ca. 32%-37% der sunnitischen Glaubensrichtung angehören (CIA World Factbook 2014-2015, AA 12.02.2018). Die ethnische und religiöse Zusammensetzung der einzelnen Regionen des Irak ist aus der Grafik im Punkt Minderheiten ersichtlich.
2.1. Parteienlandschaft
Es gibt vier große schiitische politische Gruppierungen im Irak: die Islamische Da'wa-Partei, den Obersten Islamischen Rat im Irak (OIRI) (jetzt durch die Bildung der Hikma-Bewegung zersplittert), die Sadr-Bewegung und die Badr-Organisation. Diese Gruppen sind islamistischer Natur, sie halten die meisten Sitze im Parlament und stehen in Konkurrenz zueinander - eine Konkurrenz, die sich, trotz des gemeinsamen konfessionellen Hintergrunds und der gemeinsamen Geschichte im Kampf gegen Saddam Hussein, bisweilen auch in Gewalt niedergeschlagen hat (KAS 2.5.2018).
Die meisten politischen Parteien verfügen über einen bewaffneten Flügel oder werden einer Miliz zugeordnet (Niqash 7.7.2016; vgl. BP 17.12.2017) obwohl dies gemäß dem Parteiengesetz von 2015 verboten ist (Niqash 7.7.2016; vgl. WI 12.10.2015). Milizen streben jedoch danach, politische Parteien zu gründen (CGP 4.2018) und haben sich zu einer einflussreichen politischen Kraft entwickelt (Niqash 5.4.2018; vgl. Guardian 12.5.2018). Die sunnitische politische Szene im Irak ist durch anhaltende Fragmentierung und Konflikt gekennzeichnet, zwischen Kräften, die auf Provinz-Ebene agieren, und solchen, die auf Bundesebene agieren. Lokale sunnitische Kräfte haben sich als langlebiger erwiesen als nationale (KAS 2.5.2018)
Die politische Landschaft der Autonomen Region Kurdistan ist historisch von zwei großen Parteien geprägt: der Demokratischen Partei Kurdistans (KDP) und der Patriotischen Union Kurdistans (PUK). Dazu kommen Gorran ("Wandel"), eine 2009 gegründete Bewegung, die sich auf den Kampf gegen Korruption und Nepotismus konzentriert, sowie eine Reihe kleinere islamistische Parteien (KAS 2.5.2018).
Abgesehen von den großen konfessionell bzw. ethnisch dominierten Parteien des Irak, gibt es auch nennenswerte überkonfessionelle politische Gruppierungen. Unter diesen ist vor allem die Iraqiyya/Wataniyya Bewegung des Ayad Allawi von Bedeutung (KAS 2.5.2018).
Die folgende Grafik veranschaulicht die Sitzverteilung im neu gewählten irakischen Parlament. Sairoon, unter der Führung des schiitischen Geistlichen Muqtada al-Sadrs, ist mit 54 Sitzen die größte im Parlament vertretene Gruppe, gefolgt von der Fath-Bewegung des Milizenführers Hadi al-Amiri und Haider al-Abadi's Nasr ("Victory")-Allianz (LSE 7.2018).
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Die Wahl im Mai 2018 war von Vorwürfen von Unregelmäßigkeiten und Wahlbetrug begleitet (Al-Monitor 23.8.2018; vgl. Reuters 24.5.2018, Al Jazeera 6.6.2018). Eine manuelle Nachzählung der Stimmen, die daraufhin angeordnet wurde, ergab jedoch fast keinen Unterschied zu den zunächst verlautbarten Ergebnissen und bestätigte den Sieg von Muqtada al-Sadr (WSJ 9.8.2018; vgl. Reuters 10.8.2018). Die Mehrheit der Abgeordneten im Parlament ist neu und jung (WZ 9.10.2018). Im Prozess zur Designierung des neuen Parlamentssprechers, des Präsidenten und des Premierministers stimmten die Abgeordneten zum ersten Mal individuell und nicht in Blöcken - eine Entwicklung, die einen Bruch mit den üblichen, schwer zu durchbrechenden Loyalitäten entlang parteipolitischer, konfessioneller und ethnischer Linien, darstellt (Arab Weekly 7.10.2018).
2.2. Protestbewegung
Die Protestbewegung, die es schon seit 2014 gibt, gewinnt derzeit an Bedeutung. Zumeist junge Leute gehen in Scharen auf die Straße, fordern bessere Lebensbedingungen, Arbeitsplätze, Reformen, einen effektiven Kampf gegen Korruption und die Abkehr vom religiösen Fundamentalismus (WZ 9.10.2018). Im Juli 2018 brachen im Süden des Landes, in Basra, nahe den Ölfeldern West Qurna und Zubayr Proteste aus. Diese eskalierten, nachdem die Polizei in West Qurna auf Demonstranten schoss (ICG 31.7.2018). Reich an Ölvorkommen, liefert die Provinz Basra 80 Prozent der Staatseinnahmen des Irak. Unter den Einwohnern der Provinz wächst jedoch das Bewusstsein des Gegensatzes zwischen dem enormem Reichtum und ihrer eigenen täglichen Realität von Armut, Vernachlässigung, einer maroden Infrastruktur, Strom- und Trinkwasserknappheit (Carnegie 19.9.2018; vgl. NPR 27.9.2018).
Die Proteste im Juli weiteten sich schnell auf andere Städte und Provinzen im Süd- und Zentralirak aus (DW 15.7.2018; vgl. Presse 15.7.2018, CNN 17.7.2018, Daily Star 19.7.2018). So gingen tausende Menschen in Dhi Qar, Maysan, Najaf und Karbala auf die Straße, um gegen steigende Arbeitslosigkeit, Korruption und eine schlechte Regierungsführung, sowie die iranische Einmischung in die irakische Politik zu protestieren (Al Jazeera 22.7.2018). Die Proteste erreichten auch die Hauptstadt Bagdad (Joel Wing 25.7.2018; vgl. Joel Wing 17.7.2018). Am 20.7. wurden Proteste in 10 Provinzen verzeichnet (Joel Wing 21.7.2018). Demonstranten setzten die Bürogebäude der Da'wa-Partei, der Badr-Organisation und des Obersten Islamischen Rats in Brand; praktisch jede politische Partei wurde angegriffen (Al Jazeera 22.7.2018). Es kam zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften, sowie zu Todesfällen (Kurier 15.7.2018; vgl. CNN 17.7.2018, HRW 24.7.2018). Ende August war ein Nachlassen der Demonstrationen zu verzeichnen (Al Jazeera 3.8.2018). Im September flammten die Demonstrationen wieder auf. Dabei wurden in Basra Regierungsgebäude, die staatliche Fernsehstation, das iranische Konsulat, sowie die Hauptquartiere fast aller Milizen, die vom Iran unterstützt werden, angegriffen. Mindestens 12 Demonstranten wurden getötet (Vox 8.9.2018; vgl. NPR 27.9.2018).
2.3. Autonome Region Kurdistan
Ein Teil des föderalen Staates Irak ist die Autonome Region Kurdistan, das im Nordosten des Iraks angesiedelt ist. Die Autonome Region Kurdistan hat weitgehende Souveränität. Sie verfügt über eigene exekutive, legislative und judikative Organe und besitzt seit 2009 eine eigene Verfassung. Gemäß Art. 121 der irakischen Verfassung üben kurdische Sicherheitskräfte (insbesondere die militärisch organisierten Peschmerga und die Sicherheitspolizei Asayish) die Sicherheitsverantwortung in den Provinzen Erbil, Sulaimaniyya, Dohuk und Halabdscha aus; diese Kräfte kontrollieren darüber hinaus de facto Teile der Provinzen Diyala, Kirkuk und Ninawa. Die Autonome Region Kurdistan betreibt außerdem eine eigenständige Wirtschafts- und Außenpolitik und regelt Fragen der Grenzkontrolle selbst - hierzu gehört auch die von zentralirakischen Behörden unabhängige Vergabe von Visa.
Bis heute ist die Region faktisch zwischen KDP (Kurdistan Democratic Party) und PUK (Patriotic Union of Kurdistan) aufgeteilt - wobei die PUK in den letzten Jahren Einfluss an Goran abgeben musste. Innerhalb der autonomen Kurdenregion gibt es immer wieder Konflikte zwischen den drei großen irakisch-kurdischen Parteien KDP, Goran und PUK. Grund dafür ist unter anderem die Wirtschaftskrise und die weit verbreitete Korruption und Vetternwirtschaft, die im Kurdengebiet vorherrschen. Darüber hinaus sorgte der Streit um die Präsidentschaft Mas?ud Barzanis für Spannungen, dessen (bereits außertourlich verlängerte) Amtszeit schon im August 2015 abgelaufen war. Die Waffenlieferungen des Westens und anderer Verbündeter an die Kurden haben zudem den Effekt, dass die kurdische Politik insgesamt zwar an Bedeutung gewinnt, sich jedoch dadurch die Spannungen zwischen den kurdischen Fraktionen weiter erhöhen. KDP und PUK sind durch ihre jeweiligen Bündnisse mit mächtigen - teilweise gegensätzlichen - Partnern gespalten: Die KDP mit Mas'ud Barzani, dem Präsidenten der KRG (Kurdish Regional Government - die Regionalregierung in der KRI) wird vorrangig vom Westen unterstützt und steht der Türkei nahe, während die PUK vorrangig vom Iran unterstützt wird und der türkischen PKK sowie der irakischen Regierung in Bagdad nahesteht. Beide Parteien haben ihre jeweils eigenen Militäreinheiten (Peschmerga), die im Kampf gegen den IS oftmals in einem starken Konkurrenzverhältnis zueinander stehen.
Das Verhältnis der Zentralregierung zur kurdischen Autonomieregion, die einen semi-autonomen Status innehat, hat sich seit der Durchführung eines Unabhängigkeitsreferendums in der Autonomieregion und einer Reihe zwischen Bagdad und Erbil umstrittener Gebiete am 25.09.2017 deutlich verschlechtert (AA 12.02.2018). Die Kurden konnten das von ihnen kontrollierte Territorium im Irak in Folge der Siege gegen den IS zunächst ausdehnen. Mit dem Referendum am 25.09.2017 versuchte die kurdische Regional-Regierung unter Präsident Masud Barzani, ihren Anspruch auch auf die von ihr kontrollierten Gebiete außerhalb der drei kurdischen Provinzen zu bekräftigen und ihre Verhandlungsposition gegenüber der Zentralregierung in Bagdad zu stärken (BPB 24.1.2018).
Bagdad reagierte mit der militärischen Einnahme eines Großteils der umstrittenen Gebiete, die während des Kampfes gegen den IS von kurdischen Peshmerga übernommen worden waren, angefangen mit der ölreichen Region um Kirkuk (AA 12.02.2018). Die schnelle militärische Rückeroberung der umstrittenen Gebiete durch die irakische Armee, einschließlich der Erdöl- und Erdgasfördergebiete um Kirkuk, mit massiver iranischer Unterstützung, bedeutete für die kurdischen Ambitionen einen Dämpfer. Präsident Barzani erklärte als Reaktion darauf am 29.10.2017 seinen Rücktritt. Der kampflose Rückzug der kurdischen Peshmerga scheint auch auf zunehmende Differenzen zwischen den kurdischen Parteien hinzudeuten (BPB 24.1.2018).
Grundlegende Fragen wie Öleinnahmen, Haushaltsfragen und die Zukunft der umstrittenen Gebiete sind weiterhin ungelöst zwischen Bagdad und der kurdischen Autonomieregion (AA 12.02.2018). Im Dezember 2017 forderte die gewaltsame Auflösung von Demonstrationen gegen die Regionalregierung in Sulaymaniya mehrere Todesopfer. Daraufhin hat sich die Oppositionspartei Gorran aus dem kurdischen Parlament zurückgezogen (BPB 24.1.2018). In der Autonomieregion gehen die Proteste schon auf die Zeit gleich nach 2003 zurück und haben seitdem mehrere Phasen durchlaufen. Die Hauptforderungen der Demonstranten sind jedoch gleich geblieben und drehen sich einerseits um das Thema Infrastrukturversorgung und staatliche Leistungen (Strom, Wasser, Bildung, Gesundheitswesen, Straßenbau, sowie die enormen Einkommensunterschiede) und andererseits um das Thema Regierungsführung (Rechenschaftspflicht, Transparenz und Korruption) (LSE 4.6.2018).
Das Parlament der Autonomen Region Kurdistan hat 110 Abgeordnete; elf davon sind quotierte Vertreter ethnischer und religiöser Minderheiten. Zudem regelt eine Quote, dass dreißig Prozent der Mandate von Frauen wahrgenommen werden müssen. Am 30.9.2018 fanden in der kurdischen Autonomieregion Wahlen zum Regionalparlament statt (Tagesschau 30.9.2018). Mit einer Verzögerung von drei Wochen konnte die regionale Wahlkommission am 20.10.2018 die Endergebnisse veröffentlichen. Zahlreiche Parteien hatten gegen die vorläufigen Ergebnisse Widerspruch eingelegt. Gemäß den offiziellen Endergebnissen gewann die KDP mit 686.070 Stimmen (45 Sitze), vor der PUK mit 319.912 Stimmen (21 Sitze) und Gorran mit 186.903 Stimmen (12 Sitze) (ANF 21.10.2018; vgl. Al Jazeera 21.10.2018, RFE/RL 21.10.2018). Die Oppositionsparteien lehnen die Abstim