TE Bvwg Erkenntnis 2019/1/22 L515 2013244-5

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.01.2019
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Entscheidungsdatum

22.01.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §15b
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
AVG §66 Abs4
AVG §68 Abs1
BFA-VG §17 Abs1
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
EMRK Art.2
EMRK Art.3
EMRK Art.8
FPG §46
FPG §50 Abs1
FPG §50 Abs2
FPG §50 Abs3
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1a
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5
VwGVG §31 Abs1

Spruch

L515 2013248-5/8E

L515 2013244-5/7E

L515 2013249-5/7E

L515 2013250-5/7E

L515 2013251-5/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. H. LEITNER als Einzelrichter über die Beschwerde von

1.) XXXX, geb. am XXXX, vertreten durch Rechtsanwältin Mag. Gülay

AYDEMIR

2.) XXXX, geb. am XXXX, vertreten durch die Mutter, XXXX, diese vertreten durch Rechtsanwältin Mag. Gülay AYDEMIR

3.) XXXX, geb. am XXXX, vertreten durch die Mutter, XXXX, diese vertreten durch Rechtsanwältin Mag. Gülay AYDEMIR

4.) XXXX, geb. am XXXX, vertreten durch die Mutter, XXXX, diese vertreten durch Rechtsanwältin Mag. Gülay AYDEMIR

5.) XXXX, geb. am XXXX, vertreten durch die Mutter, XXXX, diese vertreten durch Rechtsanwältin Mag. Gülay AYDEMIR, alle StA.

Aserbaidschan

gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl

1.) vom 10.12.2018, Zl. XXXX

2.) vom 10.12.2018, Zl. XXXX

3.) vom 10.12.2018, Zl. XXXX

4.) vom 10.12.2018, Zl. XXXX

5.) vom 10.12.2018, Zl. XXXX

zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerden werden gem. § 28 Abs. 1 VwGVG BGBL I 33/2013

idgF, § 68 Abs. 1 AVG 1991, BGBl. I Nr. 51/1991 idgF, §§ 57, 10 AsylG 2005 BGBl I 100/2005 idgF iVm 9 BFA-VG BGBl I Nr. 87/2012 idgF 2005 BGBl I 100/2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

Gem. § 28 Abs. 1 iVm Abs. 5 VwGVG BGBl I 33/2013 idgF wird Spruchpunkt VII der angefochtenen Bescheide behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. H. LEITNER als Einzelrichter über die Beschwerde von

1.) XXXX, geb. am XXXX, vertreten durch Rechtsanwältin Mag. Gülay

AYDEMIR

2.) XXXX, geb. am XXXX, vertreten durch die Mutter, XXXX, diese vertreten durch Rechtsanwältin Mag. Gülay AYDEMIR

3.) XXXX, geb. am XXXX, vertreten durch die Mutter, XXXX, diese vertreten durch Rechtsanwältin Mag. Gülay AYDEMIR

4.) XXXX, geb. am XXXX, vertreten durch die Mutter, XXXX, diese vertreten durch Rechtsanwältin Mag. Gülay AYDEMIR

5.) XXXX, geb. am XXXX, vertreten durch die Mutter, XXXX, diese vertreten durch Rechtsanwältin Mag. Gülay AYDEMIR, alle StA.

Aserbaidschan

gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl

1.) vom 10.12.2018, Zl. XXXX

2.) vom 10.12.2018, Zl. XXXX

3.) vom 10.12.2018, Zl. XXXX

4.) vom 10.12.2018, Zl. XXXX

5.) vom 10.12.2018, Zl. XXXX

beschlossen:

A) In Erledigung der Beschwerde wird gem. § 28 Abs. 3 VwGVG,

Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz), BGBl I 33/2013 idgF Spruchpunkt V der bekämpften Bescheide behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl verwiesen.

Der Antrag, den Beschwerden die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen wird als unzulässig zurückgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

1. Bisheriger Verfahrenshergang

I.1. Die beschwerdeführenden Parteien (in weiterer Folge gemäß der Reihenfolge ihrer Nennung im Spruch kurz als bP1 - bP5 bezeichnet), sind Staatsangehörige der Republik Aserbaidschan und brachten nach rechtswidriger Einreise in das Hoheitsgebiet der Europäischen Union und in weiterer Folge nach Österreich erstmals am 23.11.2013 (bP1 - bP4) bzw. nach der Geburt im Bundesgebiet am 30.4.2014 (bP4 und bP5) -damals noch gemeinsam mit dem Gatten der bP1 bzw. Vater der bP2 bis bP5- Anträge auf internationalen Schutz ein.

Diese Anträge wurden damit begründet, dass der Gatte der bP1 bzw. Vater der bP2 - bP5 gegen die Regierung demonstriert hätte und nunmehr von der aserbaidschanischen Polizei gesucht werde.

Die Ausreise aus Aserbaidschan hätte der Gatte der bP1 bzw. Vater der bP2 - bP5 organisiert. Die bP1 wäre im Rahmen der Ausreise auch von ihrer Familie unterstützt und zu ihrem Gatten gebracht worden.

Die bP1 berief sich hinsichtlich ihrer eigenen Gründe ausdrücklich auf den Familienverband, den Gesundheitszustand von bP4 und den Gründen des Gatten der bP1 bzw. Vater der bP2 - bP5. Die Existenz weiterer Gründe wurde verneint.

Die oa. Anträge wurden abgewiesen und eine Rückkehrentscheidung erlassen. Eine dagegen eingebrachte Beschwerde wurde vom ho. Gericht abgewiesen und erwuchs am das ho. Erkenntnis am 21.11.2014 in Rechtskraft. Die bP entsprachen im Anschluss ihrer Verpflichtung zum Verlassen des Bundesgebietes nicht, sondern verharrten rechtswidrig in diesem.

I.2. Am 26.2.2016 brachten die bP wiederum gemeinsam mit dem Gatten der bP1 bzw. Vater der bP2 - bP6 bei der belangten Behörde Anträge auf internationalen Schutz ein. Sie verwiesen in Bezug auf die Begründung ihrer Anträge auf jene aus dem Erstbescheid. Sie würden in Österreich über private Anknüpfungspunkte verfügen und zudem hätte sich der Gesundheitszustand der bP4 nicht wie erhofft verbessert. Sie hätte nach wie vor 2 Löcher im Herzen und entwickle sich verzögert.

I.3. Die oa. Anträge wurden mit Bescheiden der bB gemäß § 68 Allgemeines Verwaltungsver-fahrensgesetz, BGBl. Nr. 51/1991 idgF (AVG) zurückgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 AsylG iVm § 9 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 FPG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, erlassen. Es wurde gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG in den bereits genannten Herkunftsstaat zulässig ist.

Gemäß § 55 Absatz 1a FPG bestand keine Frist für die freiwillige Ausreise.

Der angefochtene Bescheid wurde im Wesentlichen damit begründet, dass sich weder in der Sach- noch in der Rechtslage eine wesentliche Änderung im Vergleich zu jenen Bescheiden ergab, in denen letztmalig inhaltlich über die Anträge entschieden wurde.

Die Voraussetzungen zur Erteilung eines Aufenthaltsrechts liegen nicht vor und insbesondere stellte eine Rückkehrentscheidung keinen unzulässigen Eingriff in das Privat- und Familien-leben der bP dar.

1.4.1. Gegen den oa. Bescheide wurde mit im Akt ersichtlichen Schriftsatz innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben, welche vom ho. Gericht mit Erk. vom 14.11.2006 abgewiesen wurde (Eintritt der Rechtskraft gegenüber den bP: 18.11.2016). Das ho. Gericht ging davon aus, dass in Bezug auf jene Entscheidung, in der die Ausreisegründe bzw. Rückkehrhindernisse letztmalig geprüft wurden, keine maßgebliche Änderung eintrat.

Ebenso wurde festgestellt, dass eine Rückkehrentscheidung keine Verletzung des durch Art. 8 EMRK darstellt und die Abschiebung zulässig ist.

I.5. Nachdem die oa. Erkenntnisse in Bezug in Rechtskraft erwuchsen, reisten die bP neuerlich nicht aus und entsprachen somit neuerlich nicht ihrer gesetzlichen Obliegenheit zur Ausreise.

Die bP, insbesondere bP1 ignorierten neuerlich ihre gesetzliche Obliegenheit zum Verlassen des Bundesgebietes und verharrten als rechtswidrig aufhältige Fremde weiterhin in diesem.

I.6.1. Am 8.5.2017 brachten die bP wiederum gemeinsam mit dem Gatten der bP1 Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gem. § 55 FPG ein. Hierbei legten sie insbesondere einen arbeitsrechtlichen Vorvertrag, Schulbesuchsbestätigungen, Sprachzertifikate (A2) und Referenzschreiben bzw. Unterstützungslisten vor.

I.6.3. Da die bP nicht innerhalb der gesetzlichen Frist nicht entschied, brachte die rechtsfreundliche Vertretung der bP eine Säumnisbeschwerde ein. Inhaltlich gingen die bP hierbei auf ihre "fortgeschrittene Integration" insbesondere durch ihren mehrjährigen Aufenthalt im Bundesgebiet und die sich hieraus ergebenden Umstände ein und verwiesen sie auf den bereits im gegenständlichen und dem dem ho. Erk. vom 14.11.2016 beschriebenen Sachverhalt, insbesondere einen arbeitsrechtlichen Vorvertrag, Schulbesuchsbestätigungen, Sprachzertifikate (A2) und Referenzschreiben bzw. Unterstützungslisten.

I.6.4. Über die Anträge wurde in weiterer Folge innerhalb der Frist des § 16 Abs. 1 VwGVG entschieden und wurden diese abgewiesen. Weiters wurden Rückkehrentscheidungen erlassen, festgestellt, dass die Abschiebung nach Aserbaidschan zulässig und die Frist für die freiwillige Ausreise mit 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt.

I.6.5. Gegen die oa. Bescheide wurde im vollen Umfang Beschwerde eingebracht. Im Wesentlichen wurde auf das bisherige Vorbringen verwiesen und vorgebracht, dass die bB rechts- und tatsachenirrig entschied. Im Wesentlichen wurde das bisherige Vorbringen wiederholt und auf die sozialen Anknüpfungspunkte der bP im Bundesgebiet. Ebenso sei das Parteiengehör in Bezug auf die Lage in Aserbaidschan verletzt worden.

I.6.6. Das ho. Gericht wies die Beschwerde gem. §§ 55. 58 Abs. 10 AsylG am 16.10.2018 ab und ging davon aus, dass sich gegenständlichen Fall keine neuen privaten Interessen der bP iSd Art. 8 EMRK ergaben, viel mehr wäre allenfalls davon auszugehen, dass sich die öffentlichen Interessen iSd Art. 8 Abs. 2 EMRK manifestierten, indem die bP, insbesondere bP1 und deren Gatte beharrlich ihre Verpflichtung zum Verlassen aus dem Bundesgebiet ignorierten und im Bundesgebiet verharrten. Nach Ansicht des ho. Gerichts lag es im Hinblick auf den chronologischen Hergang des Verfahrens auch auf der Hand, dass die bP durch die Stellung dieses Antrages die Effektuierung der rechtskräftig erlassenen Rückkehrentscheidung rechtsmissbräuchlich zu vereiteln versuchten und es sich um einen typischen Kettenantrag handelt. Gerade das Vereiteln aufenthaltsbeendender Maßnahmen durch das Stellen von Kettenanträgen soll durch § 58 Abs. 10 AsylG verhindert werden.

Da im gegenständlichen Fall eine Entscheidung gem. § 58 Abs. 10 AsylG getroffen wurde, blieb kein Platz für die neuerliche Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung bzw. der neuerlichen Festsetzung einer Frist für die freiwillige Ausreise, weshalb die entsprechenden Spruchpunkte des angefochtenen Bescheides behoben wurden. Das ho. Gericht wies jedoch darauf hin, dass die durch das ho. Erk. 14.11.2016 erlassene Rückkehrentscheidung und die daran anknüpfenden Entscheidungen nach wie vor dem österreichischen Rechtsbestand angehören. Die bP waren daher nach wie vor zur unverzüglichen Ausreise aus dem Bundesgebiet verpflichtet und war diese Verpflichtung durchsetzbar. Dieser Verpflichtung kamen sie wiederum nicht nach.

I.7. Das Säumnisbeschwerdeverfahren wurde zwischenzeitig mit Beschluss gemäß § 16 (1) VwGVG eingestellt.

I.8.1. Am 15.11.2018 brachten die bP einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz ein. Dieser wurde wie folgt begründet (auszugsweise Wiedergabe der Angaben der bP1 entsprechend dem angefochtenen Bescheid, Gliederung bzw. Schriftbild nicht mit dem Original übereinstimmend):

...

[Zu den Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes:]

Auf die Frage warum Sie jetzt einen neuerlichen Asylantrag stellen würden und ob sich seit Abschluss Ihres Vorverfahrens etwas verändert hätte, gaben Sie an, dass Ihre alten Fluchtgründe nach wie vor aufrecht bleiben würden. Sie würden aufgrund Ihrer Kinder in Österreich bleiben wollen, damit diese zur Schule und in den Kindergarten gehen können. Ihr Mann hätte Ihre Kinder und Sie im Oktober verlassen.

Auf die Frage, was Sie bei einer Rückkehr in Ihre Heimat befürchten würden, gaben Sie an, zu Hause nichts zu haben.

Die Frage, ob es konkrete Hinweise geben würde, dass Ihnen bei Ihrer Rückkehr unmenschliche Behandlung, unmenschliche Strafe oder die Todesstrafe drohen würden, verneinten Sie.

...

[Zu den Angaben vor einem Organwalter der bB:]

...

F: Fühlen Sie sich psychisch und physisch in der Lage, die Befragung zu absolvieren?

A: Ja.

F: Leiden Sie an einer Erkrankung oder stehen Sie in ärztlicher Behandlung?

A: Ich müsste zum Arzt, kann aber aufgrund meiner mangelnden Versicherung nicht hin.

Anmerkung: Die AW wird darauf hingewiesen, momentan in Grundversorgung zu sein.

F: Welche gesundheitlichen Probleme haben Sie?

A: Ich habe Magenhernie.

F: Wann geschah dies?

A: Vor vier bis fünf Monaten.

F: Und Sie waren seitdem nicht beim Arzt?

A: Nein, die Behandlung ist teuer. Außerdem ist mein rechtes Bein angeschwollen.

F: Was sind Ihre gesundheitlichen Beschwerden?

A: Ich habe Magenschmerzen und mein Bein ist angeschwollen.

Anmerkung: Die AW erhält als Frist zur Einreichung von Befunden den 04.12.2018.

...

F: Haben Ihre Kinder gesundheitliche Beschwerden?

A: Mein Sohn XXXX hat seit seiner Geburt ein Loch im Herz. Ich habe auch einen Befund vorgelegt.

F: Haben Sie noch Verwandte in Ihrem Heimatland? Falls ja, welche?

A: Ja, aber sie sind aufgrund meines Gatten mit mir angefeindet.

F: Haben Sie noch Kontakt zu den Angehörigen in Ihrem Heimatland?

A: Nein, weder zu meiner Familie noch zu der meines Gatten.

F: Haben Sie in Österreich aufhältige Eltern oder Kinder (Blutverwandtschaft oder durch Adoption begründet) oder sonstige Verwandte?

A: Außer meinen Gatten und meinen Kindern nicht, nein.

F: Leben Sie mit einer sonstigen Person in einer Familiengemeinschaft oder in einer familienähnlichen Lebensgemeinschaft. Falls dies der Fall ist, beschreiben Sie diese Gemeinschaft.

A: Ich lebe momentan nur mit meinen vier Kindern.

F: Sie gaben in der Erstbefragung an, von Ihrem Mann verlassen worden zu sein. Können Sie dies genauer erklären?

A: Wir hatten immer wieder Diskussionen und Streitigkeiten. Unser erster Antrag wurde abgelehnt. Wenn mein Mann aber nach Aserbaidschan zurückkehrt, erwarten ihn fünfzehn Jahre Gefängnis. Weil ich damals schwanger war und es mir nicht gut ging, weil der Druck vom Asylverfahren zu viel wurde, habe ich die freiwillige Rückehr beantragt. Deswegen wurde auch der Antrag meines Gatten abgelehnt. Mein Mann hat dauernd mit mir gestritten, weil er sehr wütend auf mich war. Wir haben nur gestritten. Ich wollte deshalb schon zurück nach Aserbaidschan, aber mein Arzt hat mir das aufgrund meiner Schwangerschaft nicht erlaubt.

F: Wann wurden Sie von Ihrem Mann verlassen?

A: Ende Oktober 2018 hat mich mein Mann verlassen und ist ausgezogen.

F: Wohin ist Ihr Mann gezogen?

A: Das weiß ich nicht. Zuletzt habe ich gehört, dass er in Wien ist. Ich weiß aber nicht, wo er sich gerade aufhält.

F: Haben Sie bis zu Ihrer Antragstellung in Neunkirchen gewohnt, stimmt das?

A: Ja.

F: Laut dem Melderegister ist Ihr Mann nach wie vor an jener Wohnadresse aufrecht! Möchten Sie dazu etwas angeben?

A: Wir haben das schon gemeldet. Die Personen haben gemeint, dass es sechs Wochen dauern wird. Er ist vorgeladen und wenn er sich nicht meldet, wird er abgemeldet. Deswegen ist er noch dort gemeldet.

...

F: Sprechen Sie Deutsch?

A: Ja, ich besuche einen Deutschkurs.

F: Seit wann halten Sie sich in Österreich auf?

A: Seit 2013 bin ich durchgehend in Österreich aufhältig.

F: Sind Sie Mitglied in einem Verein oder einer Organisation?

A: In Neunkirchen gibt es einen Verein in einem türkischen Lokal, welchen ich ab und zu besucht habe. Dort wurde mir gelegentlich auch geholfen.

F: Können Sie sich noch daran erinnern, welches Vorbringen Sie in den ersten beiden Verfahren, welche unter den Aktenzahlen AIS XXXX und XXXX geführt wurden, dargestellt haben?

A: Ja.

F: Entsprechen die Fluchtgründe, welche Sie in jenen Verfahren angaben, der Wahrheit?

A: Ja.

F: Fassen Sie kurz zusammen, welche Fluchtgründe Sie in jenen Asylverfahren angegeben haben?

A: Mein Ehegatte war bei einer Demonstration, dort kam es zu Ausschreitungen. Deshalb hat die Polizei im Zuge einer Morgendämmerungsaktion unser Haus gestürmt. Ich wurde geschlagen und mein Gatte musste ins Gefängnis. Anschließend sind wir geflüchtet.

F: Haben Sie in diesen Verfahren all Ihre Fluchtgründe zur Sprache gebracht?

A: Ja.

F: Sie haben im Zuge Ihrer Erstbefragung angegeben, dass sich Ihre Fluchtgründe seit Ihrem letzten Verfahren nicht geändert hätten. Sie haben bereits zwei Anträge auf internationalen Schutz gestellt, welche in II. Instanz rechtskräftig abgewiesen wurden. Ihre Fluchtgründe wurden geprüft und als nicht glaubhaft bewertet. Worauf beziehen Sie sich nun bei gegenständlicher Antragsstellung?

A: Wegen meinem Gatten, von welchem ich mich getrennt habe, stelle ich mit meinen Kindern Asyl. Sowohl seine als auch meine Familie sind der Meinung, dass ich mich verändert habe. Ich lasse mich nicht mehr unterdrücken. Deswegen sind beide Familien sehr angefeindet gegen mich. Deswegen will ich vor allem für meine Kinder hierbleiben, da wir in Aserbaidschan diskriminiert werden und weil mich mein Mann verlassen hat. Seit zwei Wochen kann meine Tochter nicht in die Schule, was sie sehr traurig macht. Mein Sohn geht auch in die erste Klasse, die anderen Kinder gehen in den Kindergarten und sind integriert.

Belehrung:

Dies ist Ihr drittes Asylverfahren. Ihre ersten beiden Asylverfahren wurden rechtskräftig negativ abgeschlossen. Die AW wurde dahingehend manuduziert, dass entsprechend der österreichischen Gesetzeslage, niemals in einer Angelegenheit zweimal entschieden wird.

Vorhalt: Sie haben am 21.11.2018 eine Verfahrensanordnung des BFA gem. § 29/3/4 AsylG 2005 übernommen, in welcher Sie über die beabsichtigte Vorgangsweise des BFA in Kenntnis gesetzt wurden. Es wurde Ihnen mitgeteilt, dass seitens des BFA die Absicht besteht, Ihren Asylantrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen. Sie haben nun die Gelegenheit, dazu noch einmal Stellung zu beziehen.

A: Meine Zwillinge sind hier in Österreich geboren. Für meine Kinder brauche ich den Asylstatus, eine mögliche Abschiebung nach Aserbaidschan stresst uns sehr. Wir wollen nicht zurück.

F: Hat sich seit Abschluss Ihres ersten Asylverfahrens in Ihrer Heimat irgendetwas für Sie persönlich verändert?

A: Bei mir nicht, aber mein Gatte wird nach wie vor gesucht. Bevor ich mich von ihm getrennt habe und mit meiner Mutter geredet habe, hat sie mir mitgeteilt, dass er nach wie vor gesucht wird. Jetzt habe ich aber keinen Kontakt mehr zu meinen Familien, ich stehe ohne Hilfe da.

...

F: Möchten Sie noch etwas ergänzen?

A: Der familiäre Druck hat dafür gesorgt, dass auch meine Kinder sehr traurig sind. Aufgrund der Antragstellung können meine Kinder nicht in die Schule gehen. Ich bitte Sie, dass ich eine private Wohnung erhalte und meine Kinder in die Schule gehen können. Meine Kinder sind sehr traurig und werfen mir vor, dass ich sie aus der Wohnung hier ins Lager gebracht habe und sie deswegen nicht in die Schule gehen können.

..."

I.8.2.1. Die oa. Anträge wurden wiederum mit Bescheiden der bB gemäß § 68 Allgemeines Ver-altungsverfahrensgesetz, BGBl. Nr. 51/1991 idgF (AVG) zurückgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG neuerlich nicht erteilt. Gemäß § 10 AsylG iVm § 9 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, wurde wiederum eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 FPG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, erlassen. Es wurde gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG in den bereits genannten Herkunftsstaat zulässig ist.

Gemäß § 55 Absatz 1a FPG bestand keine Frist für die freiwillige Ausreise. Gem. § 15b AVG wurde den bP aufgetragen an einer im Spruch der angefochtenen Bescheide genannten Adresse Unterkunft zu nehmen.

I.8.2.2. Der angefochtene Bescheid wurde im Wesentlichen damit begründet, dass sich weder in der Sach- noch in der Rechtslage eine wesentliche Änderung im Vergleich zu jenen Bescheiden ergab, in denen letztmalig inhaltlich über die Anträge entschieden wurde, wobei sich die als Feststellungen ausgewiesenen Bescheidteile im Wesentlichen in Wiedergaben der Angaben der bP in der indirekten Rede erschöpften. Konkrete Ausführungen, von welchem die bB ausgeht bzw. von welchem sie nicht ausgeht, traf die bB nicht und ist dieser Sachverhalt -soweit dies überhaupt möglich ist- letztlich nur aus der Beweiswürdigung der bB indirekt erschließbar.

Ob die bB davon ausgeht, dass die bP tatschlich vom Gatten der bP1 bzw. Vater der bP2 - bP5 dauerhaft getrennt sind ist den angefochtenen Bescheiden nicht entnehmbar. Es wird auch hier lediglich das Vorbringen der bP in der indirekten Rede wiederholt, anstatt Feststellungen zu treffen und zum anderen angeführt, dass "ein familiäres Anknüpfungsmoment zu [i]hrem Mann nicht ausgeschlossen [wird]". So blieb letztlich offen, ob die bP von der oa. Trennung ausgeht und welche konkreten Folgen sich hieraus für die bP ergeben.

In Bezug auf Spruchpunkt VII beschränkte sich die bB auf die Wiedergabe des Gesetzestextes und die fälschliche Annahme, die Republik Aserbaidschan sei ein sicherer Herkunftsstaat iSd § 19

BFA-VG.

I.8.2.3. Zur Lage in Aserbaidschan ging die bB davon aus, dass eine im Wesentliche unbedenkliche Sicherheitslage besteht. Auch wenn strukturelle Mängel innerhalb der Sicherheitsbehörden und Justiz bestehen, ist der aserbaidschanische Staat grundsätzlich gewillt und befähigt Menschen, die sich auf seinem Territorium aufhalten vor Repressalien Dritter zu schützen. Die medizinische Grundversorgung ist auf einfachem Niveau gewährleistet. Die Lage der Menschenrechte kann sich in bestimmten Bereichen als problematisch darstellen. Frauen können im Einzelfall benachteiligt werden, von einer systematischen Diskriminierung kann nicht ausgegangen werden. Die Grundversorgung bzw. die soziale Absicherung der Bevölkerung ist auf niedrigem Niveau gewährleistet und Rückkehrer haben mit keinen Repressalien zu rechnen.

Im Einzelnen stellte die bP Folgendes fest (Gliederung nicht mit dem Original übereinstimmend):

"...

Aserbaidschan ist ein säkularer Staat mit einer muslimischen Bevölkerungsmehrheit. Die Verfassung von 1995 etablierte ein Präsidialsystem, das dem Präsidenten weitreichende Vollmachten einräumt. Der Präsident ernennt und entlässt den Ministerpräsidenten und die Minister, die allein ihm verantwortlich sind. Er ist dem Parlament gegenüber nicht verantwortlich, kann jedoch wegen schwerer Amtsvergehen auf Initiative des Verfassungsgerichts vom Parlament entlassen werden. Er kann Rechtsverordnungen erlassen und das Parlament auflösen. Der Präsident besitzt das Vorschlagsrecht für die Ernennung von Richtern des Verfassungsgerichts, des Obersten Gerichtshofs und des Appellationsgerichts durch das Parlament und ernennt die übrigen Richter. Mit Referendum vom 26.9.2016 wurde die Amtszeit des Präsidenten von fünf auf sieben Jahre verlängert und dessen Position noch weiter gestärkt. Es wurde u.a. die Einführung der Ämter des Ersten Vizepräsidenten und weiterer Vizepräsidenten beschlossen (AA 2.2018a).

Obwohl Präsident Ilham Aliyev, immer noch der mächtigste Mann im Land ist, hat er im Gegensatz zu seinem verstorbenen Vater nur eine begrenzte Autorität, da er die Macht mit einigen sehr mächtigen Staatsbeamten und Oligarchen teilen muss (BTI 2018).

Die Nationalversammlung (Milli Mejlis) ist ein Einkammerparlament mit 125 Abgeordneten, die nach absolutem Mehrheitswahlrecht für fünf Jahre gewählt werden. Der Einfluss des Parlaments auf die Politikgestaltung ist gering. Nach den letzten Parlamentswahlen am 1.11.2015 verfügt die regierende Partei "Neues Aserbaidschan" (YAP) mit 72 Sitzen über die Mehrheit der Sitze im Parlament. Die restlichen Sitze teilen sich unabhängige Abgeordneten sowie Vertreter von Kleinstparteien. Die regierungskritische Opposition ist im Parlament nicht vertreten. Neben dem Parlament haben auch der Präsident, das Oberste Gericht, die Staatsanwaltschaft und das Parlament der Autonomen Republik Nachitschewan Gesetzesinitiativrecht. Der Staatshaushalt wird dem Parlament vom Staatspräsidenten zur Zustimmung vorgelegt. Aserbaidschan ist ein Zentralstaat. Die Verwaltungschefs der 66 Provinzen (Rayons) werden vom Präsidenten eingesetzt, ebenso die Kommunalverwaltungen. 1999 wurden Kommunalwahlen eingeführt, bei denen die Gemeinderäte gewählt werden. Die letzten Kommunalwahlen fanden am 23.12.2014 statt. Die Exklave Nachitschewan hat den Status einer Autonomen Republik mit eigener Verfassung und eigenem Parlament (AA 2.2018b).

Das Parlament und die kommunalen Vertreter, obgleich vom Volk nominell gewählt, verhalten sich im politischen Entscheidungsprozess passiv. Parlamentarier sind oft Schützlinge und Verwandte von Oligarchen und einflussreicher Regierungsfunktionäre. Sie führen lediglich Befehle aus, die sie direkt vom Präsidentenbüro erhalten, das defacto der alleinige bestimmende Akteur der Legislative ist (BTI 2018).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (2.2018a): Aserbaidschan, Staatsaufbau, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/aserbaidschan-node/-/202964, Zugriff 26.3.2018

* AA - Auswärtiges Amt (22.3.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Aserbaidschan, Zugriff 6.3.2018

* BTI - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 Country Report - Azerbaijan,

http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Azerbaijan.pdf, Zugriff 22.3.2018

* CoE - Council of Europe (21.9.2016): Venice Commission legal experts raise alarm over draft modifications to Azerbaijan's constitution,

http://www.humanrightseurope.org/2016/09/venice-commission-legal-experts-raise-alarm-over-draft-modifications-to-azerbaijans-constitution/, Zugriff 6.3.2018

* JAMnews (29.12.2017): Azerbaijan in 2017, https://jam-news.net/?p=78478, Zugriff 6.3.2018

* OSCE - Organization for Security and Co-operation in Europe (11.9.2015): Restrictions imposed by Azerbaijan compel cancellation of parliamentary election observation mission, says ODIHR Director Link, https://www.osce.org/odihr/elections/azerbaijan/181611, Zugriff 6.3.2018

Ungeachtet zahlreicher Gesetze, die sich an westlichen Standards orientieren, bleibt die Rechtsanwendung hinter den Standards des Europarats zurück. Die Rechtsprechung ist zwar formell unabhängig, steht aber faktisch unter dem Einfluss der Regierungsgewalt. Insbesondere in den Verfahren, die von politischer Bedeutung sind (wie z. B. Strafverfahren gegen kritische Journalisten und oppositionelle Menschenrechtsaktivisten), scheinen die Urteile politischen Vorgaben zu folgen. Bei Urteilen zulasten der Regierung sind Umsetzung bzw. Vollstreckung problematisch. Strafverteidiger, die Oppositionsaktivisten oder von staatlicher Willkür betroffene Bürger vertreten, werden regelmäßig unter Druck gesetzt, einige von ihnen wurden mit zweifelhaften Begründungen aus der Anwaltskammer ausgeschlossen. 2015 kam es zum Ausschluss der Strafverteidiger prominenter Aktivisten durch die Staatsanwaltschaft, indem diese zu Zeugen in anderen Verfahren erklärt wurden (AA 22.3.2017).

Obwohl die Verfassung eine unabhängige Justiz vorsieht, agieren die Richter nicht unabhängig von der Exekutive. Die Justiz gilt weiterhin als weitgehend korrupt und ineffizient. Viele Urteile sind rechtlich unhaltbar und weitgehend ohne Bezug auf während des Prozesses vorgelegten Beweise. Die Urteile scheinen häufig bereits im Voraus festgelegt. Die Gerichte verabsäumen es oft, den Vorwürfen der Folter und der unmenschlichen Behandlung von Häftlingen in Polizeigewahrsam nachzugehen. Das Justizministerium kontrolliert den Justizverwaltungsrat. Der Rat ernennt einen gerichtlichen Auswahlausschuss, der die gerichtliche Auswahlprüfung verwaltet und das langfristige gerichtliche Ausbildungs- und Auswahlverfahren überwacht. Glaubwürdigen Berichten zufolge erhalten Richter und Staatsanwälte Anweisungen von der Präsidialverwaltung und dem Justizministerium, insbesondere in Fällen, die für internationale Beobachter von Interesse sind. Es gab glaubwürdige Berichte, dass Richter routinemäßig Bestechungsgelder annahmen (USDOS 3.3.2017).

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) ist nach wie vor die letzte Chance für Rechtssuchende in Aserbaidschan. In den letzten Jahren hat die Regierung jedoch die Entscheidungen des EGMR verzögert und sogar ignoriert (BTI 2018). Es kommt zu Fällen von Einschüchterungen von Klienten und Rechtsanwälten, die beim EGMR Klagen einbringen. Mehrfach wurden prominente Rechtsanwälte von der Rechtsanwaltskammer befragt, warum sie die Umsetzung von EGMR-Urteilen verlangten. Der EGMR hat in mehreren seiner Urteile den Druck auf Kläger und deren Anwälte erörtert (IPHR 8.9.2016). Im prominenten Fall des Anwaltes Intigam Aliyev, der mehrere Fälle beim EGMR erfolgreich vertreten hatte, führten Hausdurchsuchungen zur Beschlagnahme von Akten, sodass die Kläger beim EGMR nicht mehr effektiv ihre Anliegen verfolgen konnten (EHRAC 9.9.2016).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (22.3.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Aserbaidschan, Zugriff 6.3.2018

* BTI - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 Country Report - Azerbaijan,

http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Azerbaijan.pdf, Zugriff 22.3.2018

* EHRAC - European Human Rights Advocacy Centre (9.9.2016): per Email

* ICJ - International Commission of Jurists (1.12.2017): Azerbaijan:

briefing paper on new legislation restricting court representation by lawyers,

https://www.icj.org/wp-content/uploads/2017/12/Azerbaijan-legalsubmission-accesstoalawyer-2017-eng.pdf, Zugriff 6.3.2018

* IPHR - International Partnership for Human Rights (8.9.2016), per Email

* PACE - Parliamentary Assembly of the Council of Europe (11.10.2017): Azerbaijan's Chairmanship of the Council of Europe:

what follow-up on respect for human rights? [Resolution 2185 (2017) Provisional version],

http://assembly.coe.int/nw/xml/Xref/Xref-XML2HTML-EN.asp?fileid=24196&lang=en, Zugriff 6.3.2018

* UN-HRC - United Nations-Human Rights Committee (16.11.2016):

International Covenant on Civil and Political Rights: Concluding observations on the fourth periodic report of Azerbaijan [CCPR/C/AZE/CO/4],

http://docstore.ohchr.org/SelfServices/FilesHandler.ashx?enc=6QkG1d%2fPPRiCAqhKb7yhshv33kpjIN1yQcFlNQGeFnqM5IxR4PQMZWvxmoWXyTsshELrTf%2fHJH%2fqsIqI6FD8OFwu28r7iZSlAYRm9fDeUVCTGadLoglKdYRd4jrLMRra, Zugriff 6.3.2018

* USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Azerbaijan, https://www.ecoi.net/de/dokument/1394729.html, Zugriff 6.3.2018

Die Ministerien für innere Angelegenheiten und nationale Sicherheit sind für die innere Sicherheit verantwortlich und berichten direkt dem Präsidenten. Das Innenministerium beaufsichtigt die örtlichen Polizeikräfte und unterhält die internen zivilen Verteidigungstruppen. Im Dezember 2015 wurde das Ministerium für Nationale Sicherheit, das die Geheimdienst- und Spionageabwehraktivitäten beaufsichtigte und über eigene interne Sicherheitskräfte verfügte, durch Anordnung des Präsidenten aufgelöst. Seine Aufgaben wurden zwischen dem Staatssicherheitsdienst, der sich mit innerstaatlichen Angelegenheiten befasst, und dem Auslandsnachrichtendienst, der sich auf Fragen des Auslandsnachrichtendienstes und des Abwehrdienstes konzentriert, aufgeteilt. NGOs berichteten, dass beide Dienste Personen festgenommen haben, die ihr Recht auf Grundfreiheiten, einschließlich des Rechts auf freie Meinungsäußerung, ausgeübt haben. In einigen Fällen hat die Polizei friedliche Demonstranten festgenommen und ist mit übertriebener Gewalt gegen sie vorgegangen. Während die Sicherheitskräfte im Allgemeinen ungestraft agierten, erklärte das Innenministerium, dass es in den ersten neun Monaten des Jahres 2016 Disziplinarmaßnahmen gegen 259 Bedienstete wegen Verletzung der Menschenrechte und Freiheiten (197 Fälle), ungerechtfertigter Inhaftierungen (12 Fälle) und unhöflicher Behandlung (62 Fälle) ergriffen habe (USDOS 3.3.2017).

In den letzten fünf Jahren sind auf der Basis von internen Überwachungsmechanismen des Innenministeriums Disziplinarmaßnahmen gegen 1.647 Polizeibeamte durchgeführt worden, von denen 156 aus dem Dienst entlassen, 139 degradiert und 1.351 verwarnt wurden. Die Parlamentarische Versammlung des Europarates betonte, dass ein unabhängiges, unparteiisches und wirksames Beschwerdesystem gegen Vorwürfe von Misshandlung durch Strafverfolgungsbeamte von grundlegender Bedeutung für die Stärkung des Vertrauens der Öffentlichkeit in die Strafverfolgungsbehörden und in das aserbaidschanische Justizsystem im Allgemeinen ist. Es müsse zudem sichergestellt werden, dass Fehlverhalten und Misshandlungen nicht ungestraft bleiben (PACE 11.10.2017).

Korruption unter den Strafverfolgungsbeamten war ein Problem. Niedrige Löhne trugen zur Korruption der Polizei bei. In den ersten neun Monaten des Jahres 2016 berichtete das Innenministerium, dass es im Zusammenhang mit acht Korruptionsfällen Disziplinarmaßnahmen gegen 16 Mitarbeiter ergriffen hat, sieben aus ihren Institutionen entlassen und neun weitere Mitarbeiter neu zugeordnet hat. Es hat jedoch keinen der Mitarbeiter strafrechtlich zur Verantwortung gezogen (USDOS 3.3.2017).

Quellen:

* PACE - Parliamentary Assembly of the Council of Europe (11.10.2017): Azerbaijan's Chairmanship of the Council of Europe:

what follow-up on respect for human rights? [Resolution 2185 (2017) Provisional version],

http://assembly.coe.int/nw/xml/Xref/Xref-XML2HTML-EN.asp?fileid=24196&lang=en, Zugriff 7.3.2018

* USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Azerbaijan, https://www.ecoi.net/de/dokument/1394729.html, http://www.ecoi.net/local_link/337119/466879_en.html, Zugriff 7.3.2018

Nach Ansicht unabhängiger Beobachter und Menschenrechtsverteidiger, die sich mit der Einschätzung des deutschen Auswärtigen Amts deckt, hat sich die Menschenrechtslage speziell im Bereich der politischen Rechte (Meinungs- und Versammlungsfreiheit) nach deutlicher Verschlechterung 2013 - 2015 im vergangenen Jahr [2016] kaum verbessert. In den Bereichen Religionsfreiheit, Frauenrechte und Inklusion von Menschen mit Behinderung zeigt Aserbaidschan allerdings Interesse und Engagement. Die Verfassung enthält in den Art. 24 bis 71 einen umfassenden Menschenrechtskatalog. Jeder Bürger des Landes, der sich durch einen Akt staatlicher Gewalt in diesen Grundrechten verletzt sieht, kann im Wege einer Individualbeschwerde den Rechtsweg zum Verfassungsgericht beschreiten (AA 22.3.2017).

Die allgemeine Lage der Menschenrechte in Aserbaidschan bietet in den vergangenen Jahren unverändert erheblichen Grund zur Besorgnis. Sie ist davon gekennzeichnet, dass führende Persönlichkeiten regierungsunabhängiger Organisationen, Menschenrechtsverfechter, Oppositionsmitglieder, Journalisten und andere Vertreter der Zivilgesellschaft ständig Einschüchterungen und Repressionen ausgesetzt sind, strafrechtlich verfolgt , mutmaßlich gefoltert sowie Reiseverbote gegen sie erlassen werden und ihre Bewegungsfreiheit eingeschränkt wird (EP 14.6.2017).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (22.3.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Aserbaidschan, Zugriff 8.3.2018

* ECRI - European Commission against Racism and Intolerance (7.6.2016): Report On Azerbaijan (fifth monitoring cycle), https://www.coe.int/t/dghl/monitoring/ecri/Country-by-country/Azerbaijan/AZE-CbC-V-2016-017-ENG.pdf, Zugriff 9.3.2018

* EP - Europäisches Parlament (14.6.2017) Entschließung des Europäischen Parlaments zu dem Fall des aserbaidschanischen Journalisten ?fqan Muxtarli (2017/2722(RSP), http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//NONSGML+MOTION+P8-RC-2017-0414+0+DOC+PDF+V0//DE, Zugriff 9.3.2018

* HRW - Human Rights Watch (18.1.2018): World Report 2018 - Azerbaijan, https://www.ecoi.net/de/dokument/1422237.html, Zugriff 9.3.2018

* PACE - Parliamentary Assembly of the Council of Europe (11.10.2017): Azerbaijan's Chairmanship of the Council of Europe:

what follow-up on respect for human rights? [Resolution 2185 (2017) Provisional version],

http://assembly.coe.int/nw/xml/Xref/Xref-XML2HTML-EN.asp?fileid=24196&lang=en, Zugriff 9.3.2018

Frauen

Artikel 25 Abs. 2 der Verfassung garantiert die Gleichberechtigung von Mann und Frau. Im Großraum Baku ist dieser Grundsatz weitestgehend auch in der Praxis realisiert, während auf dem Land traditionelle Vorstellungen der Geschlechterverhältnisse noch verbreitet sind. Dies führt beispielsweise dazu, dass laut einer Frauenrechts-NGO 35% der Befragten Opfer häuslicher Gewalt geworden sind. Deren Bekämpfung ist auch die vorrangig genannte Herausforderung für weibliche Kommunalpolitikerinnen. Frauen können im Fall von Vergewaltigungen innerhalb der Ehe nicht darauf vertrauen, dass die Sicherheitsorgane sie schützen und Ermittlungen aufnehmen. Insgesamt betrachtet, nimmt die Repräsentanz von Frauen in Regierung und Parlament zu. Sie sind im Bildungs- und Gesundheitssektor stark vertreten. Das hohe Geschlechterungleichgewicht - 1,16 Männer auf eine Frau bei der Geburt - legt die Vermutung nahe, dass weibliche Föten überproportional häufig abgetrieben werden (AA 22.3.2017).

Vergewaltigung ist illegal und wird mit einer Höchststrafe von 15 Jahren Gefängnis bestraft. Im Laufe des Jahres 2016 meldete das Innenministerium 31 Fälle von Vergewaltigung und 62 weitere Fälle von sexueller Gewalt. 54 Personen sind wegen dieser Straftaten vor Gericht gestellt worden. Das Gesetz legt einen Rahmen für die Untersuchung von Beschwerden über häusliche Gewalt fest, definiert einen Prozess, um einstweilige Verfügungen zu erlassen, und fordert die Einrichtung eines Unterkunfts- und Rehabilitationszentrums für Überlebende. Einige Kritiker des Gesetzes behaupten, dass das Fehlen klarer Umsetzungsrichtlinien die Wirksamkeit des Gesetzes mindere. Die Frauen im Parlament und der Vorsitzende des Staatlichen Komitees für Familie, Frauen und Kinder (SCFWCA) setzten ihre Aktivitäten gegen häusliche Gewalt fort. Der Ausschuss führte Aufklärungskampagnen durch und arbeitete an der Verbesserung der sozioökonomischen Situation von Opfern häuslicher Gewalt. Frauen können nur in begrenztem Umfang gegen Übergriffe ihrer Ehemänner oder anderer Personen, insbesondere in ländlichen Gebieten, vorgehen. Die Regierung und eine unabhängige NGO unterhalten jeweils eine Schutzeinrichtung, die den Opfern von Menschenhandel und häuslicher Gewalt Hilfe und Beratung bietet (USDOS 3.3.2017).

Der Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen zeigte sich besorgt angesichts der patriarchalen Einstellungen und tief verwurzelten Stereotypen hinsichtlich der Geschlechterrollen, auch in Bezug auf die auferlegten Einschränkungen für Frauen und Mädchen mit der verbundenen Ansicht die Familienehre zu wahren. Weiters sieht der Ausschuss Frauen im öffentlichen und politischen Leben als unterrepräsentiert, insbesondere in Entscheidungsfindungspositionen, dies trotz des zunehmenden Frauenanteils im Parlament. Besorgniserregend sind anhaltende Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen, Fälle von Eheschließungen Minderjähriger, vor allem in ländlichen Gebieten, nicht registrierte religiöse sowie temporäre Eheschließungen trotz des rechtlichen Verbots solcher Praktiken und selektive Abtreibungen von weiblichen Föten (UN-HRC 16.11.2016).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (22.3.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Aserbaidschan, Zugriff 14.3.2018

* UN-HRC - United Nations-Human Rights Committee (16.11.2016):

International Covenant on Civil and Political Rights: Concluding observations on the fourth periodic report of Azerbaijan [CCPR/C/AZE/CO/4],

http://docstore.ohchr.org/SelfServices/FilesHandler.ashx?enc=6QkG1d%2fPPRiCAqhKb7yhshv33kpjIN1yQcFlNQGeFnqM5IxR4PQMZWvxmoWXyTsshELrTf%2fHJH%2fqsIqI6FD8OFwu28r7iZSlAYRm9fDeUVCTGadLoglKdYRd4jrLMRra, Zugriff 14.3.2018

* USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Azerbaijan, https://www.ecoi.net/de/dokument/1394729.html, Zugriff 14.3.2018

Grundversorgung

Die sozialen Bedingungen geben nach wie vor Anlass zur Sorge, obwohl die Armut in Aserbaidschan relativ gering ist (4,9% im Jahr 2015 gemessen an der nationalen Armutsgrenze). Das nominale Lohnwachstum von 5% im ersten Halbjahr 2017 reichte nicht aus, um die höheren Preise zu kompensieren. Die Haushalte erleben nach wie vor einen Rückgang ihrer realen Kaufkraft, insbesondere bei importierten Konsumgütern wie Nahrungsmitteln, was die künftige Armutsbekämpfung untergräbt. Trotz steigender Sozialausgaben sind die jüngsten Entwicklungen und die langsame Erholung des Privatsektors nicht geeignet, die Armut kurzfristig zu lindern. Eine große Zahl von Haushalten ist nach wie vor anfällig für den Rückfall in die Armut. Der Rückgang der öffentlichen Investitionen und des Verbrauchs im Jahr 2016 kann die Wohlfahrt der Haushalte durch einen Rückgang der Beschäftigung, insbesondere der Beschäftigten im Bausektor, beeinträchtigen. Aserbaidschan steht angesichts des Rückgangs der Ölpreise, der hohen Inflation (rund 14% im Jahr 2017) und der Krise im Finanzsektor vor kritischen Herausforderungen. Die aserbaidschanische Wirtschaft schrumpfte um 1.3% in der ersten Hälfte des Jahres 2017 (WB 12.10.2017).

Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist gewährleistet. Einkommensschwache Familien erhalten Sozialleistungen. So erhielten 2015 insgesamt 492.400 Personen Leistungen von durchschnittlich 152,60 AZN (ca. 74 EUR) pro Familie (111.663 Familien) pro Monat (AA 22.3.2017).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (22.3.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Aserbaidschan, Zugriff 15.3.2018

* WB - World Bank (12.10.2017): The World Bank in Azerbaijan - Overview, http://www.worldbank.org/en/country/azerbaijan/overview, Zugriff 15.3.2018

Sozialbeihilfen

2016 lag der gesetzliche Mindestlohn bei 136 Manat im Monat. Das durchschnittliche Gehalt der Bevölkerung lag bei 490,5 Manat im Monat. Die offizielle Arbeitslosenquote lag bei 6%. Die Sozialleistung entspricht 70% des durchschnittlichen Gehalts der letzten zwölf Monate vor der Arbeitslosigkeit. Dieses darf nicht das nationale durchschnittliche Monatsgehalt übersteigen und wird maximal 26 Wochen ausgezahlt. Seit Februar 2016 gibt es eine neue gesetzlich geregelte Mindestarbeitslosenhilfe, welche von 55 auf 75 Manat im Monat angehoben worden ist (IOM 2016).

Begünstigte der Sozialhilfe sind:

Behinderte, Frauen im Alter von 62 Jahren, Männer im Alter von 67 Jahren, Frauen im Alter von 57 Jahren, die drei oder mehr Kinder geboren und bis zum Alter von acht Jahren aufgezogen haben. Männer im Alter von 62 Jahren erster Ehe, die drei oder mehr Kinder erzogen haben, deren Mutter starb oder keine Mutterschaftsrechte hatte, Kinder von verstorbenen Hauptverdienern bis zum 18. Lebensjahr und darüber hinaus, wenn sie behindert sind oder studieren und unter 23 Jahren alt sind (IOM 2016).

Voraussetzungen für Zuschüsse:

-

Beendigung der Arbeit aufgrund von Alter oder gesundheitlichen Problemen, aber mit zuvor mindestens fünfjähriger Arbeit ;

-

Arbeitsunfähigkeit aufgrund des Alters;

-

Körperliche Behinderung (inklusive Personen unter 16) / Arbeitsunfähigkeit;

-

Verlust des Hauptverdieners der Familie;

-

Arbeitsunfähigkeit aufgrund von Krankheiten seit der Kindheit;

-

Betreuung von Kindern unter acht Jahren, die ihre Eltern, Brüder, Schwestern und Großeltern verloren haben, durch Arbeitslose;

-

für Transport, Gemeindedienste und andere Dienste für Rentner, die keine Rente erhalten;

-

Betreuung von Kindern unter drei Jahren;

-

für die Bildung von Kindern unter 18 Jahren, bestimmt durch die relevanten Behörden

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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