Entscheidungsdatum
08.02.2019Norm
B-VG Art.133 Abs4Spruch
G314 2214074-1/2E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde des Revisors des Oberlandesgerichts XXXX mit Sitz am Landesgericht XXXX gegen den Bescheid des Vorstehers des Bezirksgerichts XXXX vom XXXX.2018, XXXX, betreffend Zeugengebühren (Grundverfahren XXXX des Bezirksgerichts XXXX):
A)
Der Beschwerde wird Folge gegeben, der angefochtene Bescheid aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheids an den Vorsteher des Bezirksgerichts XXXX zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
Verfahrensgang und Sachverhalt:
Am 05.10.2018 zwischen 9.30 und 9.50 Uhr wurde XXXX vor dem Bezirksgericht XXXX im Zivilverfahren XXXX als Zeuge vernommen. Er war zur Verhandlung mit Ladung vom 24.07.2018 geladen worden; auf der Ladung ist als Zustellort "XXXX" angegeben.
Es kann nicht festgestellt werden, ob der Zeuge dem Gericht vorab anzeigte, dass er von einem weiter entfernten Ort zur Vernehmung anreisen würde. Eine (beschlussmäßige) Bestätigung, dass seine unmittelbare Vernehmung vor dem Gericht zur Aufklärung der Sache erforderlich gewesen sei, liegt nicht vor. Auf dem der Zeugenladung angeschlossenen Formular "Gebührenbestimmung und Zahlungsanweisung" wurde lediglich bei der Rubrik "Für den Fall der Anreise von einem weiter entfernten als dem Ladungsort: Die unmittelbare Vernehmung war erforderlich (§ 4 Abs 2 GebAG)" offenbar vom Verhandlungsrichter "nein" angekreuzt. Ein konkretes Gebührenbegehren des Zeugen ist nicht aktenkundig, ebensowenig allfällige von ihm vorgelegte Bescheinigungsmittel.
In den vorgelegten Akten befinden sich neben dem angefochtenen Bescheid (ON 2) und der Beschwerde (ON 3) lediglich eine Ausfertigung der Ladung vom 24.07.2018 samt handschriftlichen Bestätigungen (offenbar des Verhandlungsrichters) (ON 1), ein E-Mail der im Grundverfahren beklagten Partei vom 29.10.2018, in dem sie als Zustellanschrift des Zeugen in XXXX (Bosnien und Herzegowina) die Adresse des Feldpostamts für die Soldaten des österreichischen XXXX-Kontingents bekanntgab (ON 4), das am 05.10.2018 im Verfahren XXXXdes Bezirksgerichts XXXX aufgenommene Protokoll, in dem als Anschrift des Zeugen der Ladungsort angeführt ist (ON 5), ein Aktenvermerk über ein Telefonat mit dem Zeugen vom 19.12.2018, wonach er angab, er sei zur Verhandlung aus XXXX mit dem PKW angereist (ON 8), handschriftliche Aufzeichnungen über die persönlichen Daten des Zeugen, die Adresse "XXXX" und seine Bankverbindung sowie ein Ausdruck aus dem Internet vom 12.10.2018 über Ticketpreise für Flüge zwischen XXXX und XXXX (jeweils ohne ON).
Mit dem oben angeführten Bescheid wurden die Gebühren des Zeugen für die Vernehmung am 05.10.2018 mit EUR 370,90 bestimmt; davon sind EUR 354 Reisekosten für den Flug von XXXX nach XXXX und retour, EUR 4,40 Reisekosten für die Fahrt vom Flughafen XXXX zum Bezirksgericht XXXX und EUR 12,50 Aufenthaltskosten (Verpflegungsmehraufwand 1 x Frühstück á EUR 4 und 1 x Mittagessen á EUR 8,50). Gleichzeitig wurde die Buchhaltungsagentur des Bundes angewiesen, dem Zeugen aus Amtsgeldern EUR 370,90 zu überweisen. Der Bescheid wurde zusammengefasst damit begründet, dass sich der Zeuge auf die ihm gesetzlich zustehenden Gebühren berufen habe. Der Ersatz der Reisekosten umfasse die Kosten der Beförderung mit einem Massenbeförderungsmittel; diese würden hier EUR 354 für den Flug von XXXX nach XXXX und retour betragen. Der Zeuge hätte in XXXX am 05.10.2018 um 6.30 Uhr abreisen müssen, um rechtzeitig um 9.30 Uhr zur Einvernahme in XXXX zu sein, sodass ihm "einmal Frühstück und einmal Mittagessen" gebührten.
Dagegen richtet sich die Beschwerde des Revisors mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheids an den Vorsteher des Bezirksgerichts XXXX zurückzuverweisen. Es liege kein Hinweis dafür vor, dass der Zeuge dem Gericht die Anreise von einem weiter entfernten Ort als dem Ladungsort angezeigt habe. Es finde sich auch keine Bestätigung des Richters über die Notwendigkeit der unmittelbaren Vernehmung des Zeugen, die in Beschlussform zu ergehen habe. Es sei nicht dokumentiert, welche konkreten Zeugengebühren der Zeuge geltend gemacht habe. Nachweise für die Flugkosten und dafür, dass der Zeuge diese selbst getragen habe (und nicht etwa mit einem Transportmittel des Österreichischen Bundesheeres, für das er tätig sei, befördert worden sei) fehlten ebenfalls. Der Vorsteher des Bezirksgerichts XXXX habe Ermittlungen zu diesen Fragen unterlassen oder zumindest nicht in nachvollziehbarer Weise dokumentiert. Die Frage der Anreise aus dem Ausland habe unmittelbare Auswirkungen auf die Reisedauer und damit auf die dem Zeugen zu ersetzenden Verpflegungskosten. Aufgrund der angeordneten Auszahlung aus Amtsgeldern sei der Revisor zur Erhebung der Beschwerde legitimiert.
Der Vorsteher des Bezirksgerichts XXXX legte die Beschwerde und die Akten des Justizverwaltungsverfahrens (ohne Beschwerdevorentscheidung) dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vor, wo diese am 05.02.2019 einlangten.
Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und der oben wiedergegebene Sachverhalt ergeben sich aus dem unbedenklichen Inhalt der Akten des Verwaltungsverfahrens. Es liegen keine entscheidungswesentlichen Widersprüche vor, sodass sich eine eingehende Beweiswürdigung erübrigt.
Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 28 Abs 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über die hier vorliegende Bescheidbeschwerde gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z 1) oder dessen Feststellung durch das Gericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z 2). Wenn diese Voraussetzungen nicht vorliegen, hat das BVwG gemäß § 28 Abs 3 VwGVG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheids an die Behörde zurückverweisen. Diese ist dann an die rechtliche Beurteilung gebunden, von der das Gericht ausgegangen ist.
Von der Möglichkeit einer Zurückverweisung kann nur bei besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren2 § 28 VwGVG Anm 13). Solche krassen Ermittlungsmängel liegen hier vor.
Dabei ist von folgender rechtlicher Beurteilung auszugehen: Ist der auf der Ladung angegebene Zustellort vom Ort der Vernehmung des Zeugen weniger weit entfernt als der Ort, von dem der Zeuge zureist, so steht dem Zeugen eine darauf gestützte höhere Gebühr gemäß § 4 Abs 2 GebAG nur zu, wenn er diesen Umstand dem Gericht unverzüglich nach Erhalt der Ladung angezeigt und das Gericht trotzdem die Ladung nicht rechtzeitig widerrufen hat oder wenn die unmittelbare Vernehmung des Zeugen vor diesem Gericht trotz Unterbleiben der Anzeige zur Aufklärung der Sache erforderlich gewesen ist; dies hat das Gericht, vor dem die Beweisaufnahme stattgefunden hat, zu bestätigen. Diese Bestätigung des Verhandlungsrichters ist ein Akt der Rechtsprechung, für den im Zivilverfahren nur die Form eines Beschlusses in Frage kommt, gegen den den Parteien und dem Zeugen das Rechtsmittel des Rekurses offensteht. Das zur Gebührenbestimmung berufene Justizverwaltungsorgan ist an die rechtskräftige Bestätigung des Verhandlungsrichters gebunden. Beurteilt es das Vorliegen der Voraussetzung des § 4 Abs 2 GebAG selbst, ohne dass eine rechtskräftige Bestätigung vorliegt, ist der Gebührenbestimmungsbescheid aufzuheben (Krammer/Schmidt/Guggenbichler, SDG - GebAG4 § 4 GebAG Anm 1, § 2 GebAG E 12, § 10 GebAG Anm 2 und E 3, § 20 GebAG Anm 4 f).
Die Vergütung für die Benützung eines Flugzeugs gebührt dem Zeugen gemäß § 10 GebAG nur unter der Voraussetzung, dass die Gebühr nicht höher ist als bei Benützung eines anderen Massenbeförderungsmittels (Z 1), wegen der Länge des Reisewegs eine andere Beförderungsart unzumutbar ist (Z 2) oder die Rechtssache die sofortige Vernehmung des Zeugen erfordert, dieser aber bei Benützung eines anderen Beförderungsmittels zur Vernehmung nicht mehr rechtzeitig kommen könnte, wobei das Vorliegen dieser Umstände vom Gericht, vor dem die Beweisaufnahme stattgefunden hat, zu bestätigen ist (Z 3).
Gemäß § 19 Abs 1 GebAG hat der Zeuge den Anspruch auf seine Gebühr binnen 14 Tagen (wenn er aus dem Ausland geladen wurde, binnen vier Wochen) nach Abschluss seiner Vernehmung bei sonstigem Verlust schriftlich oder mündlich geltend zu machen. Gemäß § 19 Abs 2 GebAG muss er seine Ansprüche grundsätzlich bescheinigen, und zwar hinsichtlich der zeitlichen Umstände und des Ausmaßes des von ihm begehrten Ersatzes, soweit nicht feste Gebührensätze (z.B. für den Verpflegungsmehraufwand) bestehen (Krammer/Schmidt/Guggenbichler, SDG - GebAG4 § 19 GebAG Anm 14). Auf seine Ansprüche und die allfällige Notwendigkeit des Beweises oder der Bescheinigung ist der Zeuge gemäß § 19 Abs 3 GebAG durch das Gericht bei der Ladung aufmerksam zu machen. Der Zeuge muss die beanspruchte Gebühr nach den Ansätzen des § 3 GebAG gegliedert geltend machen. Eine pauschale Verzeichnung der Gebühr ist idR unzulässig; es ist ein Verbesserungsverfahren unter Fristsetzung einzuleiten, das bei Ergebnislosigkeit zum Anspruchsverlust führen kann, sofern nicht einzelne Ansätze hinreichend erkennbar sind (Krammer/Schmidt/Guggenbichler, SDG - GebAG4 § 19 GebAG Anm 10).
Gemäß § 20 Abs 2 GebAG kann der Zeuge vor der Gebührenbestimmung aufgefordert werden, sich über Umstände, die für die Gebührenbestimmung bedeutsam sind, zu äußern und, unter Setzung einer bestimmten Frist, noch fehlende Bestätigungen vorzulegen.
Hier hätte der Vorsteher des Bezirksgerichts XXXX zunächst erheben müssen, welche Gebühren der Zeuge konkret begehrt. Wenn er rechtzeitig die "ihm gesetzlich zustehenden Gebühren" angesprochen haben sollte (wovon der angefochtene Bescheid offenbar ohne aktenkundigen Hinweis ausgeht), hätte er ein Verbesserungsverfahren durchführen und dem Zeugen die Aufgliederung der beanspruchten Gebühren unter Angabe konkreter Beträge und die Vorlage entsprechender Beweismittel auftragen müssen. Er hätte in der Folge erheben müssen, von wo aus der Zeuge zu der Vernehmung am 05.10.2018 tatsächlich anreiste und allenfalls, ob dem Gericht die Anreise von einem weiter entfernen Ort als dem Ladungsort rechtzeitig angezeigt worden war. Wenn nicht, wäre vor der Gebührenbestimmung ein Beschluss des Verhandlungsrichters über das Vorliegen der Voraussetzung des § 4 Abs 2 GebAG notwendig. Bei der Geltendmachung von Flugkosten sind überdies Erhebungen über die Voraussetzungen des § 10 GebAG zu tätigen.
Ausgehend von diesen Grundsätzen liegen hier - worauf die Beschwerde zu Recht hinweist - die Voraussetzungen für eine Sachentscheidung durch das BVwG nicht vor, weil es weder zu einer Kostenersparnis noch zu einer Verfahrensbeschleunigung führt, wenn es die notwendigen Erhebungen selbst vornimmt, zumal zu den tragenden Sachverhaltselementen überhaupt keine Ermittlungsergebnisse vorliegen. Derzeit kann noch gar nicht beurteilt werden, welche Gebühren der Zeuge überhaupt begehrt. Im fortgesetzten Verfahren werden dann die oben beschriebenen Erhebungen vorzunehmen und allenfalls ein Beschluss des Verhandlungsrichters gemäß § 4 Abs 2 GebAG einzuholen sein. Der Zeuge wird anzugeben und zu bescheinigen haben, von wo aus er zu der Verhandlung anreiste, und (soweit notwendig) auch Bescheinigungsmittel für die angesprochenen Gebühren vorzulegen haben. Der Widerspruch zwischen der Vergütung von Flugkosten und der in ON 8 behaupteten Anreise per PKW aus XXXX wird aufzuklären sein.
Sollte es sich bei dem Zeugen um einen Angehörigen des Österreichischen Bundesheers im Auslandseinsatz handeln, wird zu Zeugengebühren auf das Erkenntnis des BVwG vom 07.08.2018, G314 2170825-1, hingewiesen.
Die noch fehlenden Ermittlungen erreichen einen Umfang, der trotz der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungskompetenz des BVwG eine Behebung und Zurückverweisung erlaubt. Der angefochtene Bescheid ist daher in Stattgebung der Beschwerde gemäß § 28 Abs 3 zweiter Satz VwGVG aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheids an den Vorsteher des Bezirksgerichts XXXX zurückzuverweisen.
Eine - ohnedies nicht beantragte - mündliche Verhandlung entfällt gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG, weil schon aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist.
Die Revision ist wegen der Einzelfallbezogenheit der Entscheidung über die Anwendung des § 28 Abs 3 zweiter Satz VwGVG, die keine grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG begründet, nicht zuzulassen (siehe z.B. VwGH 08.11.2018, Ra 2018/22/0232).
Schlagworte
Amtsbeschwerde, Ermittlungspflicht, Flugzeugbenutzung, Kassation,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:G314.2214074.1.00Zuletzt aktualisiert am
24.06.2019