Entscheidungsdatum
15.02.2019Norm
B-VG Art.133 Abs4Spruch
W227 2144603-2/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Karin WINTER über die Beschwerde von XXXX gegen den Bescheid des Senates der Studienbeihilfenbehörde bei der Stipendienstelle Wien vom 14. Juni 2017, Zl. 01247946, zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE
I. Verfahrensgang
1. Am 17. Mai 2016 stellte die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Gewährung von Studienbeihilfe/Studienzuschuss für das Masterstudium "Bildungswissenschaft" an der Universität Wien, welches sie im Sommersemester 2016 begonnen hatte.
2. Aufgrund der vorgelegten Unterlagen (u.a. zum Einkommen des Vaters der Beschwerdeführerin im Jahr 2014) gewährte die Studienbeihilfenbehörde, Stipendienstelle Wien, der Beschwerdeführerin mit Bescheid vom 9. Juni 2016 Studienbeihilfe in der Höhe von € 319,-- monatlich ab März 2016.
3. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 14. Juni 2016 Vorstellung gemäß § 42 Studienförderungsgesetz 1992 (StudFG); darin brachte sie im Wesentlichen vor, das Einkommen ihres Vaters sei falsch mit €
28.900,16 jährlich angesetzt worden, weil dieser inzwischen bereits seit 1. Jänner 2016 arbeitslos sei und Notstandshilfe in Höhe von €
36,02 täglich beziehe; richtigerweise hätte daher die Höchststudienbeihilfe gewährt werden müssen. Mit der Vorstellung wurde eine Bezugsbestätigung des Arbeitsmarktservice (AMS) vom 14. Juni 2016 vorgelegt.
4. Mit Bescheid vom 28. Oktober 2016 gab der Senat der Studienbeihilfenbehörde bei der Stipendienstelle Wien der Vorstellung keine Folge und bestätigte den Bescheid vom 9. Juni 2016, wobei der Senat - mit näherer Begründung - eine Schätzung des Jahreseinkommens des Vaters der Beschwerdeführerin für 2016 (unter anderem) anhand der von diesem seit Jänner 2016 erhaltenen Zahlungen des AMS vornahm.
5. Diesen Bescheid hob das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 24. April 2017, Zl. W227 2144603-1/2E, gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG auf und verwies die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an den Senat der Studienbeihilfenbehörde zurück.
Dazu führte das Bundesverwaltungsgericht im Kern begründend aus, bei der Ermittlung des Einkommens zur Beurteilung der Voraussetzung der sozialen Bedürftigkeit gemäß § 6 Z 1 und § 7 StudFG - und daher auch bei einer allfälligen Schätzung nach § 12 Abs. 1 StudFG - sei immer von der Sachlage zum Zeitpunkt der Antragstellung auszugehen, nicht aber von der Zufälligkeit des Entscheidungszeitpunktes. Im vorliegenden Fall seien zu dem für die Beurteilung des Einkommens relevanten Zeitpunkt der Antragstellung am 17. Mai 2016 keine Nachweise über das im laufenden Kalenderjahr 2016 bezogene Einkommen des Vaters der Beschwerdeführerin vorgelegen, sondern ausschließlich eine Mitteilung des AMS betreffend dessen voraussichtlichen (mit dem Aufrechtbleiben der Anspruchsvoraussetzungen bedingten) Leistungsanspruch bis Ende 2016.
Die in den Materialien zum StudFG (RV 1591 BlgNR, 18. GP, S. 13) vorgesehene Voraussetzung des Vorliegens von Einkommensnachweisen über mehr als die Hälfte des laufenden Kalenderjahres sei daher nicht erfüllt. Auch ein Ausnahmefall von dieser Voraussetzung für Schätzungen liege nicht vor: Da die Arbeitslosigkeit des Vaters der Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt der Antragstellung maximal 4 Monate und 17 Tage dauern habe können, könne vorliegend keinesfalls von einer "langanhaltenden Arbeitslosigkeit" gesprochen werden.
Das Einkommen des Vaters der Beschwerdeführerin sei somit ohne Vornahme einer Schätzung nach § 12 Abs. 1 StudFG auf Basis der zum Zeitpunkt der Antragstellung vorliegenden Nachweise über dessen Einkünfte im Jahr 2014 im Sinn des § 11 StudFG zu bewerten.
6. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid änderte der Senat der Studienbeihilfenbehörde den Bescheid vom 9. Juni 2016 (siehe oben Punkt 2.) dahingehend ab, dass der Beschwerdeführerin Studienbeihilfe in der Höhe von € 11,-- monatlich ab März 2016 gewährt werde. Der Bewilligungszeitraum ende mit Ablauf Februar 2017. In einem weiteren Spruchteil sprach der Senat der Studienbeihilfenbehörde aus, dass die Beschwerdeführerin die zu viel bezogene Studienbeihilfe in der Höhe von € 3.696, -- zurückzuzahlen habe.
7. Dagegen erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde, wobei sie den Rückzahlungsausspruch nicht bekämpfte. Zusammengefasst brachte sie vor: Die von der Studienbeihilfenbehörde vorgenommene Schätzung des Einkommens ihres Vaters sei grundsätzlich durch § 12 Abs. 1 StudFG gedeckt, weil bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung objektiv festgestanden sei, dass der Vater seit 1. Jänner 2016 (nur) Notstandshilfe in Höhe von € 35,05 täglich bezogen habe, und "nach dem Antragsvorbringen" das zu erwartende Einkommen des Vaters im Jahre 2016, dem Kalenderjahr der Antragstellung, eine zumindest ein Jahr dauernde Verminderung um 10 % gegenüber dem gemäß § 11 StudFG zu berücksichtigenden Einkommen erfahren werde. Darüber hinaus sei zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides objektiv festgestanden, dass der Vater der Revisionswerberin nach wie vor Notstandshilfeempfänger gewesen sei. Das sei nach wie vor der Fall.
8. Mit Beschluss vom 8. August 2018, Zl. Ra 2017/10/0097, wies der Verwaltungsgerichtshof die gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 24. April 2017 (siehe oben Punkt 5.) erhobene Revision der Beschwerdeführerin zurück; in der Begründung verwies er insbesondere auf sein (zur Schwester der Beschwerdeführerin ergangenes) Erkenntnis vom 8. August 2018, Zl. Ra 2017/10/0096.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen
Die Beschwerdeführerin stellte am 17. Mai 2016 einen Antrag auf Gewährung von Studienbeihilfe/Studienzuschuss für das Masterstudium "Bildungswissenschaft" an der Universität Wien, welches sie im Sommersemester 2016 begonnen hatte. Nachweise für die Beurteilung des Einkommens ihres Vaters über das laufende Kalenderjahr 2016 legte sie nicht vor, sondern ausschließlich eine Mitteilung des AMS betreffend den voraussichtlichen (mit dem Aufrechtbleiben der Anspruchsvoraussetzungen bedingten) Leistungsanspruch ihres Vaters bis Ende 2016.
Die der Beschwerdeführerin ab März 2016 bis Februar 2017 zu gewährende Studienbeihilfe beträgt monatlich € 11,--.
2. Beweiswürdigung
Die Feststellungen ergeben sich aus dem Verwaltungsakt, insbesondere aus der von der Studienbeihilfenbehörde schlüssig im Anhang des angefochtenen Bescheides dargestellten Ermittlungen und Berechnungen zur Studienbeihilfe.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zur Abweisung der Beschwerde (Spruchpunkt A)
3.1.1. Die hier relevanten Bestimmungen des Studienförderungsgesetzes 1992 - StudFG, BGBl. Nr. 305/1992 i.d.F.
BGBl. I Nr. 54/2016, lauten:
"Voraussetzungen
§ 6. Voraussetzung für die Gewährung einer Studienbeihilfe ist, daß der
Studierende
1. sozial bedürftig ist (§§ 7 bis 12),
[...]
Soziale Bedürftigkeit
Kriterien der sozialen Bedürftigkeit
§ 7. (1) Maßgebend für die soziale Bedürftigkeit im Sinne dieses
Bundesgesetzes sind
1. Einkommen,
2. Familienstand und
3. Familiengröße
des Studierenden, seiner Eltern und seines Ehegatten oder eingetragenen
Partners.
(2) Für die Beurteilung von Einkommen, Familienstand und Familiengröße ist
der Zeitpunkt der Antragstellung entscheidend.
[...]
Einkommensnachweise
§ 11. (1) Das Einkommen im Sinne dieses Bundesgesetzes ist wie folgt
nachzuweisen:
1. grundsätzlich durch die Vorlage des Einkommensteuerbescheides über das zuletzt veranlagte, spätestens jedoch über jenes Kalenderjahr, das dem Beginn des laufenden Studienjahres vorangegangen ist; der Einkommensteuerbescheid einer Arbeitnehmerveranlagung ist nicht heranzuziehen, wenn das zuletzt veranlagte Jahr mehr als drei Jahre zurückliegt und im gemäß Z 2 maßgeblichen Kalenderjahr ausschließlich lohnsteuerpflichtige Einkommen bezogen wurden,
2. bei lohnsteuerpflichtigen Einkünften außerdem durch die Vorlage sämtlicher Lohnzettel über jenes Kalenderjahr, das dem Beginn des laufenden Studienjahres vorangegangen ist,
[...]
Sonderfälle der Einkommensbewertung
§ 12. (1) Das im Kalenderjahr der Antragstellung zu erwartende Jahreseinkommen ist für die Beurteilung der sozialen Bedürftigkeit zu schätzen, wenn es voraussichtlich eine mindestens ein Jahr dauernde Verminderung um mindestens 10 Prozent gegenüber dem gemäß § 11 zu berücksichtigenden Einkommen erfährt. Eine Schätzung ist nicht zulässig bei Einkommensschwankungen infolge von Zahlungen gemäß den §§ 67 und 68 EStG 1988 oder bei saisonal bedingten Einkommensschwankungen.
[...]
Erledigung des Antrages
§ 41. (1) [...]
(2) Über Anträge ist von der Studienbeihilfenbehörde ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber binnen drei Monaten zu entscheiden. [...]
(3) Auf Grund des vorgelegten Formularantrages ist ohne weiteres Ermittlungsverfahren unter zweckmäßiger Verwendung moderner technischer Hilfsmittel, insbesondere der automationsunterstützten Datenverarbeitung, mit Bescheid zu entscheiden. [...]"
3.1.2. Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat die Beurteilung der Anspruchsvoraussetzung des Vorliegens sozialer Bedürftigkeit (§ 7 StudFG) für die Gewährung von Studienbeihilfe bezogen auf den Zeitpunkt der Antragstellung und zwar nach Lage der mit dem Antrag erbrachten Nachweise zu erfolgen. Aufgrund der mit dem Antrag erbrachten Nachweise ist ohne weiteres Ermittlungsverfahren zu entscheiden (vgl. statt vieler VwGH 15.09.2003, 2003/10/0117; 22.10.2013, 2011/10/0175, m.w.N.).
Nach der Bestimmung des § 12 Abs. 1 erster Satz StudFG - deren Anwendung die Beschwerdeführerin für rechtlich geboten hält - ist das im Kalenderjahr der Antragstellung zu erwartende Jahreseinkommen für die Beurteilung der sozialen Bedürftigkeit zu schätzen, wenn es "voraussichtlich eine mindestens ein Jahr dauernde Verminderung" um mindestens 10 % gegenüber dem gemäß § 11 StudFG zu berücksichtigenden Einkommen erfährt.
Mit Blick auf diese, unter bestimmten Voraussetzungen eine Schätzung des Jahreseinkommens anordnende Bestimmung hat der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen, dass auch in diesem Falle sowohl das Vorliegen der die Anwendung des § 12 Abs. 1 StudFG rechtfertigenden Umstände als auch die Grundlagen für die Vornahme einer Schätzung bereits mit dem Antrag vorzubringen bzw. vorzulegen sind (vgl. wieder VwGH 15.09.2003, 2003/10/0117).
Daraus wird ersichtlich, dass auch die in § 12 Abs. 1 erster Satz StudFG vorgesehene Prognoseentscheidung hinsichtlich des im Kalenderjahr der Antragstellung zu erwartenden Jahreseinkommens bezogen auf den Zeitpunkt der Antragstellung anhand des damit verbundenen Vorbringens und nach Lage der mit dem Antrag erfolgten Nachweise zu erfolgen hat. Ausschließlich auf dieser Grundlage hat die Behörde zu beurteilen, ob das zu erwartende Jahreseinkommen "voraussichtlich eine mindestens ein Jahr dauernde Verminderung" in dem in der Bestimmung näher definierten Ausmaß erfährt (vgl. dazu VwGH 08.08.2018, Ra 2017/10/0096).
3.1.3. Ausgehend davon hat der Senat der Studienbeihilfenbehörde nun im angefochtenen Bescheid zutreffend die Mitteilung des AMS über den Leistungsanspruch des Vaters der Beschwerdeführerin nicht als ausreichende Grundlage für eine Schätzung nach § 12 Abs. 1 erster Satz StudFG angesehen, wurde damit zwar allenfalls der Bezug von Notstandshilfe in dem darin genannten Ausmaß seit Jahresbeginn 2016 bis zum Antragszeitpunkt (17. Mai 2016) bescheinigt, nicht jedoch, dass es voraussichtlich zu einer mindestens ein Jahr dauernden Verminderung des Einkommens des Vaters der Beschwerdeführerin kommen werde (vgl. wieder VwGH 08.08.2018, Ra 2017/10/0096).
Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet.
3.1.4. Eine Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG entfallen, weil der entscheidungsrelevante Sachverhalt nicht strittig ist und die Lösung der Rechtssache von Rechtsfragen abhängt, wofür eine mündliche Erörterung keine weitere Klärung erwarten lässt (vgl. etwa EGMR 20.06.2013, Rs. 24510/06, Abdulgadirov v. Aserbaidschan, Rz. 34 ff; VfGH 18.06.2012, B 155/12; VwGH 28.05.2014, Ra 2014/20/0017 und 0018).
3.2. Zur Unzulässigkeit der Revision (Spruchpunkt B)
3.2.1. Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
3.2.2. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt: Dass hier nicht nach § 12 Abs. 1 erster Satz StudFG vorzugehen war, entspricht der oben angeführten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes.
3.3. Es ist somit spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
Antragszeitpunkt, Arbeitsmarktservice, Bescheinigungspflicht,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W227.2144603.2.00Zuletzt aktualisiert am
24.06.2019