Entscheidungsdatum
28.02.2019Norm
BBG §40Spruch
G304 2205539-1/7E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Beatrix LEHNER als Vorsitzende, sowie den Richter Ing. Mag. Franz SANDRIESSER und den fachkundigen Laienrichter Helmut WEIß als Beisitzer als Beisitzer über die Beschwerde der XXXX, geb. XXXX, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Steiermark, vom 31.07.2018, Sozialversicherungsnummer: XXXX, betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses zu Recht erkannt:
A)
Gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF. iVm. §§ 40, 41 und 45 Bundesbehindertengesetz (BBG), BGBl. Nr. 22/1970 idF. BGBl. I Nr. 138/2013 wird die gegen den angefochtenen Bescheid erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Am 19.04.2018 brachte die Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF) beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Steiermark, (im Folgenden: belangte Behörde) einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses samt Beilagen ein.
2. Im Rahmen des seitens der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens wurde ein medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt.
In dem eingeholten Gutachten von Dr. XXXX, Ärztin für Allgemeinmedizin, vom 02.07.2018 wird aufgrund der am 25.06.2018 durchgeführten Begutachtung der BF im Wesentlichen Folgendes festgehalten:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
Pos. Nr.
GdB %
1
Degenerative Wirbelsäulenveränderungen Unterer Richtsatzwert, entsprechend dem vorgelegten radiologischen Befund, der geminderten Wirbelsäulenmobilität und dem wiederkehrenden analgetischen Therapiebedarf
02.01.02
30
2
Ellbogengelenksschädigung rechts Fixer Richtsatzwert, entsprechend der geminderten Gelenksbeweglichkeit
02.06.11
20
3
Handgelenksschädigung rechts Fixer Richtsatzwert, entsprechend dem Zustand nach operativer Sanierung, dem vorgelegten fachärztlichen Befund und der wiederkehrenden, geminderten Halte- und Greiffunktion
02.06.22
20
4
Krampfadern an beiden Beinen eine Stufe über dem unteren Richtsatzwert, entsprechend den sichtbaren Varizen und der Schwellungsneigung
05.08.01
20
5
Hiatushernie eine Stufe über dem unteren Richtsatzwert, entsprechend dem vorgelegten fachärztlichen Befund und den wiederkehrenden Verdauungsbeschwerden
07.03.03
20
6
Schultergelenksschädigung rechts fixer Richtsatzwert, entsprechend dem vorgelegten radiologischen und dem erhobenen klinischen Befund
02.06.01
10
7
Histaminintoleranz Unterer Richtsatzwert, entsprechend der Therapieerfordernis, den wiederkehrenden Durchfällen, ohne Einbußen des Kräfte- und Ernährungszustandes
07.04.04
10
Gesamtgrad der Behinderung 40 v.H.
Als Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung (GdB) wurde ausgeführt:
"Der Gesamtgrad der Behinderung ergibt sich aus der führenden Position 1 und wird durch die Positionen 2,3,4 und 5 um insgesamt eine weitere Stufe angehoben, wegen negativer wechselseitiger Leidensbeeinflussung. Die Positionen 6 und 7 heben nicht weiter an, wegen minderer Leidensbeeinflussung."
3. In einer daraufhin eingeholten Stellungnahme des Sachverständigengutachten Dr. XXXX, Arzt für Allgemeinmedizin, vom 23.07.2018 wurde Folgendes ausgeführt (Name der BF durch "BF" ersetzt):
"Die BF wurde am 25.06.2018 persönlich von Frau Dr. XXXX begutachtet und nach Anamneseerhebung und Untersuchung mit Berücksichtigung der beigebrachen Befunde mit einem GesGdB von 40 % eingeschätzt. Die Einschätzung erfolgte wie vorgesehen nach dem Ausmaß der Funktionseinschränkungen mit Bewertung gem. EVO.
Die nachgereichten Befunde zeigen keine maßgebliche Befunderweiterung, sondern entsprechen der getroffenen Einschätzung. Insbesondere resultiert hierdurch kein höherer GdB als bereits bewertet. Aus der Verwendung einer Handgelenksorthese oder Frisörrechnungen ergibt sich kein maßgeblicher zusätzlicher Behinderungswert. Dass Behindertenparkplätze Vorteile bieten und, gerade bei einer Entfernung von 3,5 km vom Wohnort, meist (vor allem auch bei Einkäufen) des KFZ erheblich praktischer ist bleibt unbestritten. Insgesamt ist auch nach nochmaliger Prüfung kein höherer GdB als bereits bewertet bestätigbar.
(...)."
4. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 31.07.2018 wurde der Antrag der BF auf Ausstellung eines Behindertenpasses abgewiesen und festgestellt, dass der Grad der Behinderung 40 % betrage.
Begründend wurde ausgeführt, dass das aufgrund des Antrages der BF durchgeführte Beweisverfahren ergeben habe, dass der Grad der Behinderung 40 % betrage. Die wesentlichen Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien der Stellungnahme des allgemeinmedizinischen Sachverständigen, Dr. XXXX, zu entnehmen.
5. Gegen diesen Bescheid erhob die BF innerhalb offener Frist Beschwerde.
6. Am 12.09.2018 langten der gegenständliche Verwaltungsakt und die Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) ein.
7. Am 15.10.2018 langte beim BVwG eine Nachreichung zur Beschwerdevorlage mit weiteren Arztbefunden, worunter sich auch ein einen Behinderungsgrad von insgesamt 70 v.H. befürwortender vom 14.09.2018 befand, ein.
8. Mit Schreiben des BVwG vom 18.10.2018, Zahl: G304 2205539-1/3Z, wurde
Dr. XXXX, Ärztin für Allgemeinmedizin, um Erstellung eines Sachverständigengutachtens auf der Grundlage der Einschätzungsverordnung ersucht.
Mit weiterem Schreiben des BVwG vom 18.10.2018, Zahl: G304 2205539-1/3Z, wurde die BF aufgefordert, sich am 26.11.2018, um 09:10 Uhr bei Dr. XXXX zur ärztlichen Begutachtung einzufinden.
9. In dem eingeholten Gutachten von Dr. XXXX vom 18.12.2018 wird aufgrund der am 28.11.2018 erfolgten Untersuchung der BF im Wesentlichen Folgendes festgehalten:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Rahmensätze:
Pos. Nr.
GdB %
1
Degenerative Wirbelsäulenveränderungen (oberer Rahmensatzwert, da leichte radiologische Veränderungen in allen Ebenen bestehen, nunmehr freie bis nur leicht eingeschränkte Beweglichkeit besteht, aber wiederholte akute Episoden auftreten, dann mit Verstärkung der Beschwerden und Bewegungseinschränkung und Notwendigkeit einer Bedarfsschmerzmitteltherapie)
02.01.02
30
2
Ellenbogenschädigung rechts (fixer Rahmensatzwert, entsprechend leichter Bewegungseinschränkung und Schmerzhaftigkeit)
02.06.11
20
3
Handgelenksschädigung rechts (fixe Position da Bewegungseinschränkung besteht, und auch leicht eingeschränkte Kraft besteht, Zustand nach operativer Sanierung)
02.06.22
20
4
Krampfadern beidseitig (1 Stufe über unterem Rahmensatzwert, da Schwelneigung besteht, Kompressionsstrümpfe sind zumutbar)
05.08.01
20
5
Hiatushernie (1 Stufe über unterem Rahmensatzwert entspricht der leichten Form, und da keine Operationsindikation besteht)
07.03.03
20
6
Schultergelenksschädigung rechts (fixe Position, da leichte Einschränkung vorliegt.)
02.06.01
10
7
Histaminintoleranz (unterer Rahmensatzwert, da wiederkehrend Durchfälle bestehen, bei übergewichtigem Ernährungszustand und gutem Allgemeinzustand )
07.04.04
10
Gesamtgrad der Behinderung 40 v.H.
Des Weiteren wurde folgende
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung angeführt:
"Der Behinderungsgrad der führenden GS1 wird durch den Gesamtgrad der GS2 bis GS5 bei teilweiser Symptomüberschneidung um eine weitere Stufe angehoben, da nur im Zusammenwirken im Alltag eine zusätzliche maßgebliche Einschränkung der körperlichen und psychischen Belastbarkeit bewirkt wird. Die einzelnen GS heben alleine nicht an, da dann keine wechselseitig negative Leidensverstärkung vorliegt, und in diesem Ausmaß auch keine maßgebliche zusätzliche Verstärkung der GS1 ausgelöst wird, die zu einer deutlichen Beeinflussung des Allgemeinzustandes führen würde.
GS6 und GS7 heben nicht weiter an, da nur geringe Funktionseinschränkungen vorhanden sind.
Die GS2 und GS3 und GS1 überschneiden sich bezüglich Schmerzhaftigkeit. Die GS4 hebt nicht alleine an, da Kompressionsstrümpfe zumutbar sind uns eine ausgeprägte Schwellung verhindern können, jedoch nicht getragen werden. Die GS5 hebt alleine nicht an, da keine maßgebliche Einschränkung durch diese GS alleine besteht, und auch keine negative Leidensbeeinflussung der GS1 vorliegt."
Folgende "Begründung für die Einschätzung" wurde abgegeben:
"Die GS1 wird entsprechend vorliegenden radiologischen Befunden eingeschätzt. Die klinische Untersuchung zeigt derzeit annähernd altersentsprechende Beweglichkeit, keine neurologischen Ausfälle, keine Wurzelreizzeichen. Hier wurde die Verstärkung der Beschwerden bei wiederholt auftretenden akuten längerdauernden Episoden berücksichtigt. Die GS2 wird bei altersentsprechender Beweglichkeit aber Schmerzhaftigkeit eingeschätzt, trotz Besserung der Beweglichkeit im Ausmaß gleichbehalten, da noch Schmerzen bestehen.
Die GS3 bleibt gleich, entsprechend der Bewegungseinschränkung, und leicht herabgesetzter Kraft.
Die GS4 bleibt gleich. Derzeit keine Ödeme vorliegend.
Die GS5 bleibt gleich, entsprechend vorliegendem Befund. Es besteht die Notwendigkeit einer Diät.
Die GS6 bleibt gleich. Hier endgradige einseitige Bewegungseinschränkung bestehend.
Die GS7 bleibt gleich. Notwendigkeit einer Diät wurde berücksichtigt."
Es wurde die Einschätzung mit 40 v.H. aus dem Vorgutachten vollinhaltlich bestätigt und von einem Dauerzustand ausgegangen.
10. Mit Verfügung vom 16.01.2019 Zahl: G304 2205539-1/5Z, der BF zugestellt am 22.01.2019, wurde der BF das eingeholte Sachverständigengutachten seitens des BVwG übermittelt und wurde ihr zur Wahrung des Parteiengehörs die Gelegenheit eingeräumt, dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung Stellung zu nehmen.
11. Bis dato langte beim BVwG keine Stellungnahme dazu ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Die BF ist österreichische Staatsbürgerin.
1.2. Der GdB beträgt 40 v. H.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.
2.2. Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (im Folgenden: VwGH) muss ein Sachverständigengutachten einen Befund und das eigentliche Gutachten im engeren Sinn enthalten. Der Befund ist die vom Sachverständigen - wenn auch unter Zuhilfenahme wissenschaftlicher Feststellungsmethoden - vorgenommene Tatsachenfeststellung. Die Schlussfolgerungen des Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung er seine besonderen Fachkenntnisse und Erfahrungen benötigt, bilden das Gutachten im engeren Sinn. Eine sachverständige Äußerung, die sich in der Abgabe eines Urteiles (eines Gutachtens im engeren Sinn) erschöpft, aber weder die Tatsachen, auf die sich dieses Urteil gründet, noch die Art, wie diese Tatsachen ermittelt wurden, erkennen lässt, ist mit einem wesentlichen Mangel behaftet und als Beweismittel unbrauchbar; die Behörde, die eine so geartete Äußerung ihrer Entscheidung zu Grund gelegt, wird ihrer Pflicht zur Erhebung und Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes (§ 37 AVG) nicht gerecht (VwGH vom 17.02.2004, GZ 2002/06/0151).
Hat eine Partei grundlegende Bedenken gegen ein ärztliches Gutachten, dann ist es nach Ansicht des VwGH an ihr gelegen, auf gleichem fachlichen Niveau diesem entgegenzutreten oder unter Anbietung von tauglichen Beweismitteln darzutun, dass die Aussagen des ärztlichen Sachverständigen mit dem Stand der medizinischen Forschung und Erkenntnis nicht vereinbar sind (VwGH vom 20.10.1978, 1353/78).
Eine Partei kann ein Sachverständigengutachten nur dann erfolgreich bekämpfen, wenn sie unter präziser Darstellung der gegen die Gutachten gerichteten sachlichen Einwände ausdrücklich erklärt, dass sie die Einholung eines weiteren Gutachtens bestimmter Fachrichtung zur vollständigen Ermittlung des Sachverhaltes für erforderlich halte und daher einen Antrag auf Beiziehung eines weiteren Sachverständigen stellt (VwGH vom 23.11.1978, GZ 0705/77).
Der VwGH führte aber in diesem Zusammenhang auch aus, dass keine Verletzung des Parteiengehörs vorliegt, wenn einem Antrag auf Einholung eines zusätzlichen Gutachtens nicht stattgegeben wird (VwGH vom 25.06.1987, 87/06/0017).
Unter dem Blickwinkel der Judikatur der Höchstgerichte, insbesondere der zitierten Entscheidungen, ist das von Amts wegen eingeholte Gutachten der Amtssachverständigen Dr. XXXX schlüssig, nachvollziehbar und weist dieses keine Widersprüche auf. In dem Gutachten wird auf die Art und Leiden der BF und deren Ausmaß ausführlich eingegangen.
Es wurde im allgemeinmedizinischen Sachverständigengutachten vom 18.12.2018 ein GdB von 40 v.H. festgestellt und als Begründung für diesen Gesamtgrad der Behinderung eine wechselseitige negative Leidensbeeinflussung der mit den degenerativen Wirbelsäulenveränderungen führenden Gesundheitsschädigung 1 durch die nachfolgenden Gesundheitsschädigungen 2 bis 5 und eine Anhebung der führenden GS1 um eine Stufe angeführt.
Zur gutachterlichen Einschätzung, dass der GdB 40 v.H. betrage, wurden im Rahmen des Parteiengehörs keine Einwendungen erhoben.
Das Sachverständigengutachten wird daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des BVwG (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - im Folgenden: BVwGG) entscheidet das BVwG durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des BVwG durch den Senat zu erfolgen.
Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die im § 10 Abs. 1 Z 6 des Bundesbehindertengesetzes genannte Vereinigung entsendet die Vertreterin oder den Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung. Hinsichtlich der Aufteilung des Nominierungsrechtes auf gleichartige Vereinigungen ist § 10 Abs. 2 des Bundesbehindertengesetzes anzuwenden. Für die Vertreterin oder den Vertreter ist jeweils auch die erforderliche Anzahl von Ersatzmitgliedern zu entsenden.
Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - im Folgenden: VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).
Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
3.2. Zu Spruchteil A. (Abweisung hinsichtlich des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses):
Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten. (§1 Abs. 2 BBG)
Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderten-einstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören. (§ 40 Abs. 1 BBG)
Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3) oder ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985.
Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt. (§ 41 Abs. 1 BBG)
§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
(2) Der Behindertenpass ist unbefristet auszustellen, wenn keine Änderungen in den Voraussetzungen zu erwarten sind.
Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen. (§ 45 Abs. 1 BBG)
Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben oder der Pass eingezogen wird. (§ 45 Abs. 2 BBG)
Wie unter Punkt 2.2. ausgeführt, wird der gegenständlichen Entscheidung das Sachverständigengutachten vom 18.12.2018, welches vom BVwG als schlüssig und nachvollziehbar gewertet wird, zugrunde gelegt, in welchem der GdB der BF mit 40 v. H. eingeschätzt wurde.
Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.
3.3. Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn
1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder
2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.
Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.
Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit Verfahren betreffend ziemlich technische Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221).
In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren gebe, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung aufträten oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221).
Im gegenständlichen Fall wurde der GdB der BF unter Mitwirkung einer ärztlichen Sachverständigen nach den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung festgesetzt. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund des vorliegenden, nicht bestrittenen Sachverständigengutachtens vom 18.12.2018, welches als schlüssig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei erachtet wird, geklärt.
Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte daher abgesehen werden.
3.4. Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des VwGH ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung.
Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des VwGH auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Die Zulassung der Revision war gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zudem zu verneinen, weil die gegenständliche Entscheidung in Wesentlichen nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, sondern von Tatsachenfragen. Maßgebend ist das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.
Schlagworte
Behindertenpass, Grad der Behinderung, SachverständigengutachtenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:G304.2205539.1.00Zuletzt aktualisiert am
24.06.2019